Bundesarbeitsgericht Beschluss, 25. Jan. 2017 - 10 ABR 81/16 (F)

ECLI:ECLI:DE:BAG:2017:250117.B.10ABR81.16F.0
25.01.2017

Tenor

Die Anhörungsrügen der Beteiligten zu 6. und 7. gegen den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 21. September 2016 - 10 ABR 48/15 - werden zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Der Senat hat auf die Anhörung der Beteiligten vom 21. September 2016 mit einem am selben Tag verkündeten Beschluss festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) vom 17. März 2014 (BAnz. AT 19. März 2014 B1) des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 (VTV) in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 3. Dezember 2013 unwirksam ist. Der Beschluss ist den Beteiligten zu 6. und 7. in vollständiger Fassung am 20. Dezember 2016 zugestellt worden. Mit ihren am 22. Dezember 2016 (Beteiligte zu 6.) bzw. am 3. Januar 2017 (Beteiligte zu 7.) eingegangenen Anhörungsrügen machen die Beteiligten zu 6. und 7. die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. Bei dem Beschluss handele es sich um eine Überraschungsentscheidung.

2

II. Die nach § 78a Abs. 1, 2 und 8 ArbGG zulässigen Anhörungsrügen der Beteiligten zu 6. und 7. sind unbegründet. Der Senat hat deren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt.

3

1. Art. 103 Abs. 1 GG gibt den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem für die jeweilige gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern, und verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei kann es in besonderen Fällen geboten sein, die Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legen will. Es kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte. Allerdings ist zu beachten, dass das Gericht grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet ist. Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, müssen daher die Verfahrensbeteiligten grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einstellen (BVerfG 4. Juli 2016 - 2 BvR 1552/14 - Rn. 7). Ferner muss ein Prozessbeteiligter schon in den Tatsacheninstanzen bedenken, dass das Bundesarbeitsgericht als Rechtsbeschwerdegericht den Bindungen des Rechtsbeschwerderechts unterliegt und neuer Sachvortrag in der Rechtsbeschwerdeinstanz nach § 98 Abs. 3, § 92 Abs. 2 ArbGG iVm. § 559 ZPO grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig ist(vgl. BAG 25. September 2013 - 5 AZR 617/13 (F) - Rn. 3 mwN [zum Revisionsverfahren]). Im Übrigen ist nicht jeder Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 139 ZPO zugleich ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG(vgl. BVerfG 15. Mai 1984 - 1 BvR 967/83 - zu II 2 c der Gründe, BVerfGE 67, 90). Die Verletzung gesetzlicher Hinweispflichten stellt nur dann einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar, wenn das Gericht bei der Auslegung oder Anwendung der einfachrechtlichen Vorschriften die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf rechtliches Gehör verkannt hat. Daher bedarf es bei der Verletzung solcher Vorschriften im Einzelfall der Prüfung, ob dadurch zugleich das unabdingbare Maß verfassungsrechtlich verbürgten rechtlichen Gehörs verkürzt worden ist (BVerfG 5. April 2012 - 2 BvR 2126/11 - Rn. 19, BVerfGK 19, 377).

4

2. Nach diesen Grundsätzen bedurfte es weiterer Hinweise des Senats weder zur Frage der Einbeziehung der Großen Einschränkungsklausel bei der Berechnung der Quote nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG aF noch zu der Frage, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung über die AVE dem Beteiligten zu 3. verwertbare Informationen zur Ermittlung der Großen Zahl zur Verfügung gestanden haben. Hinsichtlich der letztgenannten Fragestellung kommt es im Übrigen auf den in den Anhörungsrügen angekündigten Vortrag nicht entscheidungserheblich an.

5

a) Die Beteiligten zu 6. und 7. bzw. deren Prozessbevollmächtigte mussten auch ohne gerichtliche Hinweise von Beginn des Verfahrens an damit rechnen, dass die beiden in den Anhörungsrügen aufgeworfenen Fragestellungen Gegenstand des Verfahrens werden und von einem Gericht ggf. anders beantwortet werden, als von den Beteiligten zu 6. und 7. erhofft oder erwartet.

6

aa) Wie der Senat im angegriffenen Beschluss (dort Rn. 203) ausgeführt hat, hatte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1. und 2. bereits in seiner erstinstanzlichen Antragsschrift gerügt, dass bei der Ermittlung der Quote die Große Einschränkungsklausel nicht berücksichtigt werden dürfe, die Zahlen des Beteiligten zu 7. daher unbrauchbar seien und dieser andererseits auch weder wisse noch wissen könne, welche Betriebe und Betriebsabteilungen zwar vom VTV, nicht aber von der AVE erfasst werden. Diesen Vortrag hat er in seiner Rechtsbeschwerdebegründung ausdrücklich wiederholt. Der Beteiligte zu 3. hatte wiederum mitgeteilt, dass die exakte Abbildung des Geltungsbereichs der relevanten Tarifverträge des Baugewerbes schon wegen der Großen Einschränkungsklausel sogar im Rahmen einer direkten Befragung der Betriebe kaum möglich sei. Damit hätte für die Beteiligten zu 6. und 7. hinreichend Anlass bestanden, sich hierzu in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend zu äußern.

7

bb) Entgegen der von den Beteiligten zu 6. und 7. vertretenen Auffassung war ein Hinweis auch nicht deshalb erforderlich, weil diese etwa wegen eines gefestigten Verständnisses des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG aF und/oder einer langjährigen Rechtsprechung davon ausgehen konnten, dass ein anderes als ihr eigenes Verständnis weder für das Landesarbeitsgericht noch für den Senat in Betracht kommen kann. Wie der Senat im Beschluss vom 21. September 2016 (dort Rn. 173 bis 183) ausführlich dargelegt hat, entsprach das von den Beteiligten zu 6. und 7. vertretene Verständnis des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG aF vielmehr weder einer gefestigten Rechtsprechung noch einer einheitlichen oder auch nur überwiegenden Auffassung im Schrifttum. Deshalb musste es ohne weitere gerichtliche Hinweise naheliegen, bereits in der Tatsacheninstanz beim Landesarbeitsgericht zumindest vorsorglich Tatsachenvortrag für den Fall zu halten, dass ein Gericht die Auffassung der Beteiligten zu 6. und 7. nicht teilen sollte.

8

cc) Der Vorsitzende des Zehnten Senats hat darüber hinaus die Beteiligten vor der mündlichen Anhörung mit Schreiben vom 8. September 2016 (dort Ziff. 5 2. Spiegelstrich) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Ermittlung der Großen Zahl und das Thema „verwertetes/verwertbares Zahlenmaterial“ und dessen gerichtliche Überprüfung Gegenstand der Anhörung sein würden. Spätestens damit musste für die Beteiligten bzw. deren Prozessbevollmächtigte erkennbar sein, dass in der mündlichen Anhörung die Ermittlung der Großen Zahl - die im Übrigen einen Kern des gesamten Streites bildet - von Bedeutung sein würde, unabhängig davon, wie das Landesarbeitsgericht sich zu dieser Frage positioniert hat.

9

b) In der mehrstündigen mündlichen Anhörung vor dem Senat am 21. September 2016 sind die in den Anhörungsrügen angesprochenen Fragestellungen umfänglich vom Senat angesprochen worden und alle Beteiligten hatten Gelegenheit, in dem von ihnen gewünschten Umfang dazu Stellung zu nehmen.

10

aa) In der Anhörung ist in rechtlicher Hinsicht zunächst ausführlich das Verständnis von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG aF und dabei insbesondere die Frage diskutiert worden, ob und inwieweit die Große Einschränkungsklausel Berücksichtigung finden kann. Diese rechtliche Erörterung räumt auch der Beteiligte zu 7. (S. 11 Anhörungsrüge) ein. Selbstverständlich bot sie deutlichen Anlass, auch mögliche rechtliche und tatsächliche Folgen des Gesetzesverständnisses einzubringen und zu erörtern. Deshalb hat der Senat nachfolgend umfänglich die Frage des zum Zeitpunkt der Entscheidung über die AVE zur Verfügung stehenden Zahlenmaterials erörtert, beispielsweise ua. auch im Hinblick auf die dem Beteiligten zu 7. zur Verfügung stehenden Zahlen über Betriebe, welche Leistungen nach der Winterbeschäftigungs-Verordnung erhalten (vgl. Beschluss vom 21. September 2016 Rn. 205).

11

bb) Soweit die Justiziarin der zu 6. beteiligten Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Frau C, in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 22. Dezember 2016 erklärt, der Senat habe die Frage, „ob die Zahl der Arbeitnehmer von Betrieben, die zwar unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fallen, auf die sich aber aufgrund einer Einschränkungsklausel die Allgemeinverbindlicherklärung nicht erstreckt, ermittelt oder geschätzt werden kann“, nicht erörtert, ist dies objektiv falsch und entspricht nicht dem Inhalt und dem Ablauf der Anhörung vom 21. September 2016. Gleiches gilt hinsichtlich der Ausführungen in der eidesstattlichen Versicherung des Referenten in der Abteilung Justiziariat des Beteiligten zu 7., Herrn Z, (dort S. 1, 3. Absatz), die allerdings deutlich vorsichtiger formuliert sind („nach meiner Kenntnis“).

12

c) Unabhängig davon, dass weiter gehende Hinweise des Senats und weiter gehende Erörterungen des Sachverhalts aus den genannten Gründen nicht erforderlich waren, wäre es auf den Vortrag, den die Beteiligten zu 6. und 7. für den Fall der Erteilung weiter gehender Hinweise angekündigt haben, nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Senats nicht entscheidungserheblich angekommen.

13

aa) Wie im Beschluss vom 21. September 2016 (dort Rn. 190) ausgeführt ist, sind Maßstab für die gerichtliche Kontrolle einer AVE und des Vorliegens derer tatsächlicher Voraussetzungen allein die zum Zeitpunkt der behördlichen Prüfung tatsächlich vorhandenen und verwertbaren Informationen. Eine nachträgliche Erhebung oder statistische Aufbereitung von Daten mit dem Ziel, diese zu einem Zeitpunkt nach der ministeriellen Entscheidung verwendbar zu machen, scheidet aus. Deshalb konnten für die Entscheidung des Senats nur zum Zeitpunkt der ministeriellen Entscheidung im Jahre 2014 objektiv zur Verfügung stehende und bereits verwertbare Informationen berücksichtigt werden.

14

bb) Auf den entsprechenden Vortrag in den Anhörungsrügen (S. 8 ff. Beschwerdebegründung der Beteiligten zu 6. bzw. S. 14 ff. der Beschwerdebegründung des Beteiligten zu 7.) wäre es deshalb nicht entscheidungserheblich angekommen. Vielmehr wird dort gerade dargelegt, dass erst nach der Anhörung vom 21. September 2016 ein Auftrag des Vorstandes des Beteiligten zu 7. am 22. September 2016 ergangen sei, die Auswertung bestimmter Akten zu veranlassen und bestimmte Zahlen zu ermitteln. Dies wird durch den Leiter der Abteilung Justiziariat des Beteiligten zu 7., Herrn V, ausdrücklich an Eides statt versichert. Im Rügeverfahren - 10 ABR 78/16 (F) - hat der Referent in der Abteilung Justiziariat des Beteiligten zu 7., Herr Z, an Eides statt versichert, dass die Auswertung nach dem 21. September 2016 sofort in die Wege geleitet wurde und zum Zeitpunkt der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 16. Dezember 2016 noch nicht abgeschlossen war. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beteiligten zu 3. im Jahre 2014 über die streitgegenständliche AVE haben die nunmehr vorgetragenen Zahlen - unabhängig von deren Bewertung - damit weder beim Beteiligten zu 3. in verwertbarer und verwendbarer Form vorgelegen noch hat der Beteiligte zu 3. diese vor der Entscheidung bei den tarifvertragsschließenden Parteien oder beim Beteiligten zu 7. angefordert. Auf die Frage, ob und ggf. auf welche Weise nachträglich Daten hätten erhoben oder vorhandene Daten nachträglich hätten ausgewertet werden können, kommt es nach der Rechtsauffassung des Senats nicht an.

15

d) Soweit die Beteiligten zu 6. und 7. darüber hinaus vortragen, dass bei Arbeitgeberverbänden bzw. beim Statistischen Bundesamt vorhandene Zahlen eine geeignete Schätzgrundlage für die Ermittlung der Großen Zahl hätten darstellen können, hat sich der Senat hiermit im Beschluss vom 21. September 2016 (dort Rn. 199 bzw. Rn. 195 bis 197) bereits auseinandergesetzt. Die Beteiligten zu 6. und 7. vertreten insoweit eine andere Auffassung über die Brauchbarkeit dieser Zahlen als der Senat; dies kann den Erfolg einer Anhörungsrüge nicht begründen. Gleiches gilt hinsichtlich der Ausführungen des Beteiligten zu 7. zur Kleinen Zahl (S. 41 f. Beschwerdebegründung), da es auf die insoweit aufgezeigten Mängel nicht entscheidungserheblich ankommt (Beschluss vom 21. September 2016 Rn. 218).

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Frese    

        

    Schumann    

                 

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(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

(6) Die Entscheidungen nach den Absätzen 4 und 5 erfolgen unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Rüge als unzulässig verworfen wird oder sich gegen eine Entscheidung richtet, die ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter erlassen wurde.

(7) § 707 der Zivilprozessordnung ist unter der Voraussetzung entsprechend anzuwenden, dass der Beklagte glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.

(8) Auf das Beschlussverfahren finden die Absätze 1 bis 7 entsprechende Anwendung.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 5 wird das Verfahren eingeleitet auf Antrag

1.
jeder natürlichen oder juristischen Person oder
2.
einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern,
die nach Bekanntmachung der Allgemeinverbindlicherklärung oder der Rechtsverordnung geltend macht, durch die Allgemeinverbindlicherklärung oder die Rechtsverordnung oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden.

(2) Für Verfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 5 ist das Landesarbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat, die den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt hat oder die Rechtsverordnung erlassen hat.

(3) Für das Verfahren sind § 80 Absatz 1, 2 Satz 1 und Absatz 3, §§ 81, 83 Absatz 1 und 2 bis 4, §§ 83a, 84 Satz 1 und 2, § 91 Absatz 2 und §§ 92 bis 96 entsprechend anzuwenden. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Absatz 4 und 5 entsprechend. In dem Verfahren ist die Behörde, die den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt hat oder die Rechtsverordnung erlassen hat, Beteiligte.

(4) Der rechtskräftige Beschluss über die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung oder einer Rechtsverordnung wirkt für und gegen jedermann. Rechtskräftige Beschlüsse von Gerichten für Arbeitssachen im Verfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 5 sind alsbald der obersten Arbeitsbehörde des Bundes in vollständiger Form abschriftlich zu übersenden oder elektronisch zu übermitteln. Soweit eine Allgemeinverbindlicherklärung oder eine Rechtsverordnung rechtskräftig als wirksam oder unwirksam festgestellt wird, ist die Entscheidungsformel durch die oberste Arbeitsbehörde des Bundes im Bundesanzeiger bekannt zu machen.

(5) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 5 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung oder einer Rechtsverordnung darauf beruht, dass ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(6) Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine Allgemeinverbindlicherklärung oder eine Rechtsverordnung wirksam ist und hat das Gericht ernsthafte Zweifel nichtverfassungsrechtlicher Art an der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung oder der Rechtsverordnung, so hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Beschlussverfahrens nach § 2a Absatz 1 Nummer 5 auszusetzen. Setzt ein Gericht für Arbeitssachen nach Satz 1 einen Rechtsstreit über den Leistungsanspruch einer gemeinsamen Einrichtung aus, hat das Gericht auf deren Antrag den Beklagten zur vorläufigen Leistung zu verpflichten. Die Anordnung unterbleibt, wenn das Gericht die Allgemeinverbindlicherklärung oder die Rechtsverordnung nach dem bisherigen Sach- und Streitstand für offensichtlich unwirksam hält oder der Beklagte glaubhaft macht, dass die vorläufige Leistungspflicht ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Auf die Entscheidung über die vorläufige Leistungspflicht finden die Vorschriften über die Aussetzung entsprechend Anwendung; die Entscheidung ist ein Vollstreckungstitel gemäß § 794 Absatz 1 Nummer 3 der Zivilprozessordnung. Auch außerhalb eines Beschwerdeverfahrens können die Parteien die Änderung oder Aufhebung der Entscheidung über die vorläufige Leistungspflicht wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Ergeht nach Aufnahme des Verfahrens eine Entscheidung, gilt § 717 der Zivilprozessordnung entsprechend. Im Falle des Satzes 1 sind die Parteien des Rechtsstreits auch im Beschlussverfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 5 antragsberechtigt.

(1) Gegen den das Verfahren beendenden Beschluß eines Landesarbeitsgerichts findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Beschluß des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 92a Satz 2 zugelassen wird. § 72 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 85 Abs. 2 findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(2) Für das Rechtsbeschwerdeverfahren gelten die für das Revisionsverfahren maßgebenden Vorschriften sowie die Vorschrift des § 85 über die Zwangsvollstreckung entsprechend, soweit sich aus den §§ 93 bis 96 nichts anderes ergibt. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Abs. 1 bis 3 und 5 entsprechend. Der Antrag kann jederzeit mit Zustimmung der anderen Beteiligten zurückgenommen werden; § 81 Abs. 2 Satz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Einlegung der Rechtsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung. § 85 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss (Tarifausschuss) auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die Allgemeinverbindlicherklärung erscheint in der Regel im öffentlichen Interesse geboten, wenn

1.
der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder
2.
die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlicherklärung verlangt.

(1a) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag über eine gemeinsame Einrichtung zur Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, wenn der Tarifvertrag die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen durch eine gemeinsame Einrichtung mit folgenden Gegenständen regelt:

1.
den Erholungsurlaub, ein Urlaubsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld,
2.
eine betriebliche Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes,
3.
die Vergütung der Auszubildenden oder die Ausbildung in überbetrieblichen Bildungsstätten,
4.
eine zusätzliche betriebliche oder überbetriebliche Vermögensbildung der Arbeitnehmer,
5.
Lohnausgleich bei Arbeitszeitausfall, Arbeitszeitverkürzung oder Arbeitszeitverlängerung.
Der Tarifvertrag kann alle mit dem Beitragseinzug und der Leistungsgewährung in Zusammenhang stehenden Rechte und Pflichten einschließlich der dem Verfahren zugrunde liegenden Ansprüche der Arbeitnehmer und Pflichten der Arbeitgeber regeln. § 7 Absatz 2 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes findet entsprechende Anwendung.

(2) Vor der Entscheidung über den Antrag ist Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen werden würden, den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber sowie den obersten Arbeitsbehörden der Länder, auf deren Bereich sich der Tarifvertrag erstreckt, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben. In begründeten Fällen kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Teilnahme an der Verhandlung mittels Video- oder Telefonkonferenz vorsehen.

(3) Erhebt die oberste Arbeitsbehörde eines beteiligten Landes Einspruch gegen die beantragte Allgemeinverbindlicherklärung, so kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dem Antrag nur mit Zustimmung der Bundesregierung stattgeben.

(4) Mit der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrags in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ein nach Absatz 1a für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag ist vom Arbeitgeber auch dann einzuhalten, wenn er nach § 3 an einen anderen Tarifvertrag gebunden ist.

(5) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags im Einvernehmen mit dem in Absatz 1 genannten Ausschuß aufheben, wenn die Aufhebung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend. Im übrigen endet die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags mit dessen Ablauf.

(6) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann der obersten Arbeitsbehörde eines Landes für einzelne Fälle das Recht zur Allgemeinverbindlicherklärung sowie zur Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit übertragen.

(7) Die Allgemeinverbindlicherklärung und die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit bedürfen der öffentlichen Bekanntmachung. Die Bekanntmachung umfasst auch die von der Allgemeinverbindlicherklärung erfassten Rechtsnormen des Tarifvertrages.