Anwaltsgerichtshof NRW Urteil, 11. Sept. 2015 - 1 AGH 2 /15
Gericht
Tenor
Das Urteil des Anwaltsgerichts Düsseldorf vom 13.12.2012 (3 EV 259/10) wird aufgehoben, soweit es den Angeschuldigten C betrifft. Der Angeschuldigte C ist der vorsätzlichen Verletzung der Berufspflicht nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO schuldig. Ihm wird deswegen die Zahlung einer Geldbuße von 2.000,-- € an die RAK Düsseldorf auferlegt. Er trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens, soweit diese das Verfahren gegen ihn betreffen.
Im Übrigen wird die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf vom 17.12.2012 gegen das obengenannte Urteil des Anwaltsgerichts Düsseldorf verworfen. Die RAK Düsseldorf hat insoweit die Kosten des Verfahrens ein-schließlich der Kosten des Revisionsverfahrens sowie die notwendigen Aus-lagen des Angeschuldigten U zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Angewendete Vorschriften: §§ 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 113, 114 BRAO.
1
Gründe:
2I.
3Das Verfahren hatte bisher folgenden Verfahrensgang:
4Mit Anschuldigungsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 07.02.2011 wurde den Angeschuldigten sowie dem früheren Mitangeschuldigten Rechtsanwalt G zur Last gelegt,
5„in E und andernorts
6seit 2007 bis heute
7ihren Beruf nicht gewissenhaft ausgeübt und sich innerhalb des Berufs der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwaltes erfordert, nicht würdig erwiesen zu haben, weil sie in derselben Rechtssache als Angehörige des öffentlichen Dienstes tätig geworden sind.
8Die Rechtsanwälte C, U, und G sind gemeinsam in der Anwaltssozietät C und Partner tätig.
9Seit 2008 vertritt diese Anwaltssozietät den Beschwerdeausschuss der Ärzte- und Krankenkassen E in sozialgerichtlichen Verfahren, in welchen die betroffenen Ärzte gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vorgehen, so u.a. in dem seit 2007 anhängigen Klageverfahren der Gemein-schaftspraxis N & Partner in O auf Aufhebung eines Bescheides des Prüfungsausschusses vom 24. April 2005 in Gestalt des Widerrufsbescheides des Beschwerdeausschusses des Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein in E vom 26. Juni 2007 (Az.: S 2 (14) KA 153/07 – SG Düsseldorf). Der Rechtsstreit ist mittlerweile vor dem Landessozialgericht Essen (Az.: L 11 KA 20/09) anhängig.
10Sowohl Rechtsanwalt C als auch Rechtsanwalt G sind zugleich Vorsitzende des Beschwerdeausschusses der Ärzte- und Krankenkassen in E. Jeweiliger stellvertretender Vorsitzender ist Rechtsanwalt U.
11- Berufspflichtverletzungen gemäß §§ 43, 45 Abs. 1 Nr. 1, 113, 114 BRAO -“.
12Das Anwaltsgericht Düsseldorf hat die Angeschuldigten mit dem angefochtenen Urteil freigesprochen. Es meinte, dass es sich bei dem Vorsitzenden des Beschwer-deausschusses nicht um einen Angehörigen des öffentlichen Dienstes i.S.v. § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO gehandelt habe. Bzgl. des früheren Mitangeschuldigten G ist dieses Urteil rechtskräftig. Die gegen das Urteil im Übrigen von der Generalstaats-anwaltschaft Düsseldorf geführte Berufung hat der Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen (2. Senat) mit Urteil vom 10.01.2014 verworfen und die Revision zugelassen. Er war der Auffassung, dass zwar Vieles dafür spreche, dass ein Vorsitzender des Beschwerdeausschusses Angehöriger des öffentlichen Dienstes i.S.v. § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO sei, dass die Vorschrift aber im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG einschränkend auszulegen und die Gefahr einer konkreten Interessenkollision zu fordern sei, welche hier nicht vorgelegen habe. Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Revision der Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 03.11.2014 das Berufungsurteil mit den Fest-stellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Anwaltsgerichtshofs zurückverwiesen.
13Dem vorliegenden Urteil ist keine Verständigung vorausgegangen.
14II.
15Die neue Hauptverhandlung hat zu folgenden Feststellungen geführt:
161.
17Der 19## geborene Angeschuldigte C ist seit 37 Jahren zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er ist Mitglied der Sozietät C und Partner und verfügt
18– so seine eigenen Angaben - über „geregelte Einkünfte“. Die Sozietät, die insge-samt mit 10 Anwälten besetzt ist, macht einen Jahresumsatz von etwa ## Euro. Nähere Auskünfte zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen hat der Angeschuldigte nicht erteilt.
19Der Angeschuldigte ist zum zweiten Mal verheiratet und zahlt vier Kindern Unterhalt, wobei es sich aber z. T. um von der Ehefrau „mit in die Ehe gebrachte“ Kinder handelt. Ein früheres berufsrechtliches Verfahren, welches die Einreichung einer Bescheinigung zu einer Fachanwaltsfortbildung betraf, an der der Angeschuldigte gar nicht teilgenommen hatte (die entsprechende Teilnehmerliste hatte ein anderer Anwalt mit dem Namen des Angeschuldigten abgezeichnet), wurde im März 2007 in der Hauptverhandlung vor dem Anwaltsgericht zunächst vorläufig gegen Zahlung einer Geldauflage von 3.000 Euro nach § 153a StPO und später endgültig einge-stellt.
20Der 19## geborene Angeschuldigte U ist seit 1993 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und Mitglied der Sozietät C und Partner. Er ist verheiratet und drei im Studium befindliche Kinder.
212.
22a) Der Angeschuldigte C, der zusammen mit dem Angeschuldigten U und weiteren Anwälten in der Anwaltssozietät C und Partner tätig war und ist, ist seit dem 01.01.2004 (ehrenamtlich) unparteiischer Vorsitzender des Beschwerdeausschusses der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein im Sinne des § 106 Abs. 4 S. 2 SGB V. Der Beschwerdeausschuss ist neben dem Vorsitzenden mit acht weiteren Personen (jeweils vier Vertretern der Vertragspartner) besetzt. Der Angeschuldigte U war seit dem 01.01.2004 bis ins Jahr 2009 sein Stellvertreter. Die Übernahme dieses Amtes hatte der Angeschuldigte C mit den Anwälten seiner Kanzlei zuvor besprochen, da es sich um eine zeitaufwändige Tätigkeit handelte, mit etwa zwei Sitzungen pro Woche.
23Die prozessuale Vertretung des Beschwerdeausschusses vor den Sozialgerichten wurde seinerzeit noch von mehreren unterschiedlichen Rechtsanwälten bzw. Rechts-anwaltskanzleien wahrgenommen. Bei Übernahme des Amtes durch den Ange-schuldigten C gab es insgesamt etwa 20.000 offene Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss und etwa 2.000 offene sozialgerichtliche Verfahren. Die Zahl der Verfahren konnte in der Folgezeit stark gesenkt werden. So betrug die Zahl der Prozessverfahren im Jahre 2008 noch etwa 200.
24Aufgrund der erfolgreichen Tätigkeit des Angeschuldigten C kamen im Jahre 2005 die Vertragspartner auf ihn zu und baten darum, dass seine Kanzlei auch die Prozessvertretung übernehme. Hintergrund waren auch vereinzelte schlechte Erfahrungen mit der Prozessvertretung durch die bisherigen Kanzleien, mit denen es zu nicht abgesprochenen Vergleichen und nicht abgesprochenem Sachvortrag im gerichtlichen Verfahren gekommen war.
25Der Angeschuldigte C besprach die erbetene Übernahme von Mandaten durch seine Sozietät Ende 2005 oder im Jahre 2006 wiederum mit seinen Anwaltskollegen. Bei dieser Besprechung war auch der Angeschuldigte U zugegen. Man kam übereinstimmend zu dem Ergebnis, die Prozessvertretung abzulehnen. Hintergrund war die fehlende wirtschaftliche Rentabilität dieser Mandate, deren weit überwiegender Teil mit einem Streitwert von 1.000 Euro und weniger bewertet wurde.
26Die Vertragspartner drängten den Angeschuldigten C aber weiterhin zu einer Übernahme der Mandate.
27In dieser Zeit fanden auch regelmäßig Treffen aller Beschwerdeausschussvor-sitzenden Deutschlands auf Einladung des Bundesministeriums für Gesundheit in Berlin statt. Anwesend waren dabei auch nicht näher bekannte Mitarbeiter dieses Ministeriums. Dort wurde die Frage, ob eine Übernahme von Mandaten durch die Kanzlei des Beschwerdeausschussvorsitzenden möglich sei, erörtert. Die über-wiegende Meinung hielt dies für zulässig. So haben sich auch die Vertreter des Ministeriums geäußert. Nicht näher bekannte Mitglieder der Vertragspartner zeigten dem Angeschuldigten ein mehrseitiges, sich zu verschiedenen Themen ver-haltendes, Schreiben des Landesgesundheitsministeriums, das einen Abschnitt enthielt, wonach das Ministerium eine Mandatsübernahme durch die Kanzlei des Angeschuldigten begrüße.
28Etwa im Jahre 2006 fragte der Angeschuldigte C auch bei einem männlichen oder weiblichen Mitglied der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf an, dessen Namen er nicht nennen wollte, ob gegen eine entsprechende Mandatsübernahme Bedenken bestünden. Er erhielt die Auskunft, dass das „unproblematisch“ sei. Diese Anfrage hatte der Angeschuldigte in der Hoffnung getätigt, dass Bedenken geäußert würden, so dass er gegenüber den Vertragspartnern einen Grund vorbringen könne, die wirtschaftlich nicht lukrativen Mandate ablehnen zu können. Nachdem dieses Ergebnis jedoch ausblieb und der Angeschuldigte an das Erlaubtsein seines Tuns glaubte, gab er schließlich nach und erklärte sich zur Mandatsübernahme bereit. Spätestens seit August 2007 mandatierte er den als freien Mitarbeiter in der Sozietät tätigen Rechtsanwalt G, welcher kurz zuvor eingetreten war, mit diesen Mandaten. Bei dem Sozialgericht hinterlegte er als Ausschussvorsitzender eine Generalvollmacht für seine Sozietät. Von der Tätigkeit des Rechtsanwalts G für den Beschwerdeausschuss und von seiner Mandatierung durch den Angeschuldigten C wusste der Angeschuldigte U nichts. Er hat hiervon erst aufgrund der Einleitung des berufsrechtlichen Verfahrens erfahren.
29Der Angeschuldigte U hat seine Tätigkeit als Stellvertreter des Ange-schuldigten C im Beschwerdeausschuss nur in etwa ein bis zwei Fällen jährlich ausgeübt. Sie bestand dann jeweils ausschließlich darin, den abwesenden Vorsitzenden in einer Sitzung des Beschwerdeausschusses zu vertreten. Im Nachgang zu der jeweiligen Sitzung erhielt er dann eine Unterschriftenmappe mit den von der Geschäftsstelle auf der Grundlage der Beschlüsse des Beschwerdeausschusses vorbereiteten Bescheiden, die er Unterzeichnete und zurücksandte. Weitere Tätigkeiten für den Beschwerdeausschuss übte er nicht aus. Alle übrigen Tätigkeiten des Vorsitzenden des Beschwerdeausschusses (die Führung der Geschäfte in den jeweiligen Verfahren und die Leitung der Sitzungen, soweit sie nicht Rechtsanwalt U ausnahmsweise übernahm, s.o.) übte der Angeschuldigte C aus.
30b) Mindestens in einem Beschwerdeverfahren (Gemeinschaftspraxis N & Partner) mandatierte der Angeschuldigte C den in seiner Kanzlei tätigen Rechtsanwalt G mit der Vertretung im sozialgerichtlichen Verfahren (SG Düsseldorf S 2 (14) KA 153/07, später: LSG Essen L 11 KA 20/09). Rechtsanwalt G fertigte in diesem Verfahren mindestens den Schriftsatz vom 27.08.2007 mit dem Antrag auf Klageabweisung und den Schriftsatz vom10.12.2007 (Begründung des Klageabweisungsantrages). Die dem Verfahren zu Grunde liegende Klage richtete sich gegen einen vom Angeschuldigten U gezeichneten Bescheid des Beschwerdeausschusses, der auf die Sitzung des Beschwerdeausschusses vom 15.05.2007 ergangen war, in der der Angeschuldigte U vertretungsweise den Vorsitz geführt hatte.
31c) In einem im Rahmen eines ersten von N betriebenen Beschwerdeverfahrens ergangenen Schreiben vom 17.09.2009 teilte der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf dem Beschwerdeführer mit, dass gegen die Übernahme des Vertretungsmandats durch die Kanzlei C keine Bedenken bestünden. Zur beruflichen Tätigkeit i.S.v. § 45 BRAO gehörten „nach vorliegender Kommentarliteratur nicht ehrenamtlich ausgeübte Tätigkeiten, für die keine Ver-gütung, sondern allenfalls eine Aufwandsentschädigung gezahlt“ würde. Das Schreiben gelangte auch zur Kenntnis des Angeschuldigten C. In dem weiteren Beschwerdeverfahren, welches schließlich in das vorliegende Verfahren mündete, hat die Geschäftsführerin der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf, Frau P, dem Angeschuldigten C mitgeteilt, dass sie selbst an dieser Ansicht weiterhin festhalte. Ein von ihm angesprochenes Präsidiumsmitglied, H, äußerte gegenüber dem Angeschuldigten C: „Was stellt ihr Euch so an? Verbotsirrtum! Dann ist das doch weg“.
32Seit dem Sommer 2013 übernimmt die Kanzlei C & Partner keine neuen Mandate mehr für den Beschwerdeausschuss, weil es – wie der Angeschuldigte C es ausdrückte - mit diesen „zu viele Probleme“ gegeben hat. Die Altmandate sind inzwischen abgeschlossen.
33III.
34Vorstehende Feststellungen beruhen auf den Einlassungen der Angeschuldigten und den nach Maßgabe des Hauptverhandlungsprotokolls erhobenen Beweisen.
35Der Angeschuldigte C hat den Geschehensablauf – mit Ausnahme der Kenntnis des Angeschuldigten U von der Mandatierung des Rechtsanwalts G für den Beschwerdeausschuss, wozu er keine Angaben gemacht hat - wie festgestellt geschildert.
36Seine Angaben waren glaubhaft. Sie wurden in wesentlichen Punkten bestätigt durch die Einlassung des Angeschuldigten U. So hat U die Gespräche unter den Mitgliedern der Kanzlei vor Übernahme der Tätigkeit des Angeschuldigten C als Vorsitzender und seiner Tätigkeit als stellvertretender Vorsitzender bestätigt. Er hat auch bestätigt, dass im Jahre 2006 ein Gespräch unter den Mitgliedern der Kanzlei geführt worden sei, ob man Mandate für den Beschwerdeausschuss übernehmen solle und dass dies mangels Wirtschaftlichkeit abgelehnt worden sei.
37Weiter hat der Angeschuldigte U die o.g. Umstände seiner eigenen Tätigkeit für den Beschwerdeausschuss geschildert und sich dahin eingelassen, dass er von der Mandatierung der Kanzlei C und Partner (konkret: Rechtsanwalt G) nichts gewusst habe. Letzteres hält der Senat zwar für nicht sehr wahrscheinlich, konnte es letztlich aber nicht widerlegen. Der Angeschuldigte U hat insoweit angegeben, dass er sich mit Arbeitsrecht und Familienrecht befasse und ein eigenes Sekretariat habe. Mit den Fällen der übrigen Kanzleikollegen sei er deswegen nicht vertraut. Er habe zwar um die Beschäftigung des Rechtsanwalts G gewusst, nicht aber von dessen Mandatierung für den Beschwerdeausschuss. Das ist insofern nicht sehr wahrscheinlich, weil die Tätigkeit des Rechtsanwalts G wirtschaftlich für Kanzlei nach den Angaben des Angeschuldigten C „+/- 0“ war (vor allem, weil die Tätigkeit für den Beschwerdeausschuss wegen der geringen Streitwerte unlukrativ war). Es erscheint nicht sehr wahrscheinlich, dass man dann nicht als Sozius, wie der Angeschuldigte U, der geringen ökonomischen Effizienz auf den Grund geht und Näheres in Erfahrung bringt. Die bloße fehlende Wahrscheinlichkeit reicht aber – in Ermangelung jeglicher objektiven Anhaltpunkte für eine entsprechende Kenntnis des Angeschuldigten U – dem Senat für eine Widerlegung seiner Einlassung nicht aus, erscheint der vom Angeschuldigten vor-gebrachte Sachverhalt immerhin möglich und nicht völlig unwahrscheinlich. Zudem ist – allerdings rein ergänzend - in diesem Zusammenhang zu sehen, dass der Angeschuldigte U diese Einlassung nicht erst in der jetzigen Hauptverhandlung abgegeben hat, nachdem die grundsätzliche Rechtsfrage, ob das Verhalten der Angeschuldigten überhaupt unter § 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BRAO fiel in einem für die Angeschuldigten nachteiligen Sinne, vom Bundesgerichtshof geklärt worden ist, sondern schon in der Hauptverhandlung vor dem zweiten Senat des Anwaltsgerichtshofes. Dies hat der Zeuge L2, der als seinerzeitiger Berichterstatter eine außergewöhnlich gute Erinnerung an den Fall hatte, glaubhaft bestätigt. Die Zeugin X hatte insoweit keine Erinnerung mehr. Die Einlassung wurde also schon zu einem Zeitpunkt abgegeben, als der Angeschuldigte ohnehin schon (wegen der Rechtsauffassung des 2. Senats) mit einem Freispruch aus anderen Gründen rechnen konnte. Das spricht indiziell für eine gewisse tatsächliche Basis dieser Angaben.
38Von den Meinungsäußerungen von Ministerialbeamten, dem Landesgesundheits-ministerium bzw. einem Mitglied der Rechtsanwaltskammer im Vorfeld der Tat, wusste der Angeschuldigte U nach eigenem Bekunden nichts. Die entsprechenden Angaben des Angeschuldigten C konnte der Senat nicht widerlegen. So hält er es durchaus für möglich, dass entsprechende Meinungsäußerungen getätigt wurden. Die vor dem Senat vernommene Zeugin L, […] im Ministerium für […] des Landes Nordrhein-Westfalen konnte ein Schreiben ihres Hauses mit dem vom Angeschuldigten C behaupteten Inhalt zwar nicht bestätigen. Sie konnte ein solches Schreiben aber auch nicht ausschließen, zumal sie – wie sie mitteilte - erst seit kurzer Zeit (seit April 2015) in dem zuständigen Referat tätig ist und ihre negativen Erkenntnisse zu etwaigen Schreiben nur daher rühren, dass ein von ihr beauftragter Referatsmitarbeiter bei Nachsuche in den vorhandenen Unterlagen solche nicht auffinden konnte.
39Die konkreten Daten der Tätigkeit des Rechtsanwalts G im o.g. sozialgerichtlichen Verfahren konnten den o.g. verlesenen Schriftstücken aus dem sozialgerichtlichen Verfahren entnommen werden. Die konkrete Daten der Tätigkeit des Angeschuldigten U als stellvertretender Vorsitzender des Beschwerde-ausschusses waren dem o.g. Bescheid des Beschwerdeausschusses zu entnehmen und sind von ihm nicht in Abrede gestellt worden.
40Der Inhalt des Schreibens des Vorstands der Rechtsanwaltskammer an N vom 17.09.2009 wurde aufgrund der Verlesung der vom Verteidiger überreichten Kopie dieses Schreibens sowie aufgrund der Einlassung des Angeschuldigten C festgestellt.
41IV.
42Während die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft betreffend den Ange-schuldigten U zu verwerfen war, da es im Ergebnis bei seinem Freispruch verblieb, war das angefochtene Urteil bzgl. des Angeschuldigten C aufzuheben und dieser wie erkannt zu verurteilen.
431.
44Soweit es den Vorwurf eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BRAO betrifft, war der Angeschuldigte U aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
45Soweit ein fahrlässiger Verstoß gegen die o.g. Norm in Betracht kommt, welcher ebenfalls durch das Gesetz sanktionsbewehrt ist (BGH, Urt. v. 03.11.2014 – AnwSt R 4/14), war der Angeschuldigte U aus Rechtsgründen freizusprechen. Voraussetzung für einen fahrlässigen Verstoß ist zunächst einmal eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung, welche hier schon nicht vorliegt. Zwar muss ein Rechts-anwalt, der seinen Beruf in Sozietät ausübt, durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass er und die anderen Mitglieder der Sozietät kein Mandat über-nehmen, dessen Übernahme und Erfüllung gegen § 45 BRAO verstößt (BGH a.a.O.). Gerade dies war aber hier geschehen, nachdem sich die Rechtsanwälte der Sozietät in dem gemeinsamen Gespräch aus dem Jahre 2006 gegen eine Mandatsüber-nahme (wenn auch aus wirtschaftlichen Gründen und nicht aus berufsrechtlichen Bedenken) ausgesprochen hatten. Der Angeschuldigte durfte grds. davon ausgehen, dass sich alle Kollegen an diese Beschlusslage halten würden bzw. jedenfalls nicht ohne erneute Ansprache der Thematik im Kollegenkreis von ihr abweichen würden. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn sich die Sozietätskollegen bereits in der Vergangenheit als unzuverlässig oder nicht absprachefähig erwiesen hätten oder es konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben hätte, dass Kollegen beabsichtigten, sich nicht mehr an die Beschlusslage zu halten. Dafür gab es vorliegend aber keine Anhaltspunkte.
462.
47Der Angeschuldigte C hat sich eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 45 Abs. Nr. 1, Abs. 3 BRAO schuldig gemacht.
48Die von ihm erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die o.g. Norm teilt der Senat nicht. Die von der Verteidigung angeführte Entscheidung des Bundesver-fassungsgerichts vom 03.07.2003 – 1 BvR 238/01 – (= NJW 2003, 2520) kann für den vorliegenden Fall nicht fruchtbar gemacht werden. Sie betraf eine Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO). Ersicht-lich dient § 43a BRAO der Wahrung des Vertrauensverhältnisses zum eigenen Mandanten und der Sicherung der Unabhängigkeit insoweit, als ein Anwalt, der sich zum Diener gegenläufiger Interessen macht, jegliche unabhängige Sachwalter-stellung im Dienste des Rechtsuchenden verliert (NJW 2003, 2520, 2521). Die im vorliegenden Fall relevante Norm soll hingegen verhindern, dass beim rechts-suchenden Publikum der Eindruck einer zu großen Staatsnähe entsteht und soll der Gefahr von Interessenkollisionen abstrakt vorbeugen. Auf die Frage der Möglichkeit oder Unmöglichkeit konkreter Interessenkollisionen kommt es hier nicht an (BGH a.a.O.).
49Der Angeschuldigte handelte auch nicht etwa deswegen schuldlos, weil er sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden hätte. Die entsprechende straf-rechtliche Regelung in § 17 StGB ist hier entsprechend anwendbar (vgl. BGH NJW 1991, 49, 50). Dem Angeschuldigten fehlte zwar bei Begehung der Tat (jedenfalls nach der eigenen, unwiderlegbaren Einlassung) die Einsicht, Unrecht zu tun. Er hielt sein Verhalten vielmehr für erlaubt. Dieser Irrtum war aber vermeidbar.
50Vermeidbar ist ein Verbotsirrtum, wenn dem Täter zum Zeitpunkt der Tathandlung sein Vorhaben unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse hätte Anlass geben müssen, über dessen mögliche Rechtswidrigkeit nachzudenken oder sich zu erkundigen und auf diesem Wege zur Unrechtseinsicht zu gelangen (Fischer, StGB, 62. Aufl., § 17 Rdn. 7). Gemessen daran, war der Verbotsirrtum für den Angeschuldigten C vermeidbar. Er hatte die rechtliche Brisanz der Mandatsübernahme erkannt. Anders ist es nicht zu erklären, dass er – sogar hoffend auf eine ablehnende Stellungnahme – bei einem nicht bekannten Mitglied der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf nachfragte. Hat er aber die rechtliche Brisanz erkannt, so musste er Erkundigungen und Auskünfte zum Erlaubtsein seines Tuns einholen. Verlangt werden kann insoweit je nach Lage des Falles, dass der Täter die Auskunft einer Behörde oder fachkundigen Rat einholt, etwa in Form eines Gut-achtens eines Rechtsanwalts oder Rechtslehrers (Fischer a.a.O. Rdn. 9 f.). Nach überwiegender Auffassung, der sich der Senat anschließt, übersteigen die Anfor-derungen die zur Meidung eines Fahrlässigkeitsvorwurfs gebotene Sorgfalt (OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 263). Die erteilte Auskunft ist kritisch zu überprüfen (OLG Frankfurt a.a.O. m.w.N.).
51Diesen Anforderungen ist der Angeschuldigte nicht gerecht geworden. Behörden-auskünfte hat er nicht eingeholt. Bei den Meinungsäußerungen von anderen Beschwerdeausschussvorsitzenden bzw. Mitarbeitern des Bundesministeriums für Gesundheit handelte es sich ersichtlich schon nicht um Auskünfte von Behörden, sondern um Meinungsäußerungen einzelner Personen. Vor allem aber hatte das Bundesministerium für Gesundheit ersichtlich gar nicht die Kompetenz, zu be-rufsrechtlichen Fragen Stellung zu nehmen. Insoweit kann es sich also bestenfalls um Zweckmäßigkeitserwägungen aus der Sicht der dortigen Zuständigkeit gehandelt haben oder aber um Auskünfte außerhalb des Zuständigkeitsbereichs, welche wiederum nicht ausreichend sind. Ähnlich verhält es sich hinsichtlich des Schreibens des Landesgesundheitsministeriums. Der Angeschuldigte hat zwar auch ein unbe-kanntes Mitglied der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf angesprochen. Hierbei handelt es sich aber schon erkennbar nicht um eine Behördenauskunft, denn
52– anders als etwa in dem späteren Schreiben des Vorstands der Rechtsanwalts-kammer an N aus dem Jahre 2009 – war in die Auskunft gerade nicht der Vorstand involviert. Es handelte sich lediglich um die Meinungsäußerung einer einzelnen Person. Diese Meinungsäußerung erfüllt auch nicht die Anforderungen an eine Auskunft oder ein Gutachten einer rechtskundigen Person. Mag diese Person auch berufsrechtlich versiert gewesen sein, so fehlte es jedoch an einer kritischen Überprüfung der Auskunft durch den Angeschuldigten. Die bloße Erklärung, dass das Verhalten erlaubt sei („unproblematisch“) oder nicht gegen § 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BRAO verstoße, reicht nicht.
53Bei Erfüllung der Erkundigungspflicht hätte der Angeschuldigte auch eine zutreffende Auskunft erhalten. An dieser Bewertung ändert sich nichts dadurch, dass der Vorstand der Rechtsanwaltskammer in einem Schreiben aus dem Jahre 2009 an N das Tun des Angeschuldigten für erlaubt hielt. Hätte der Angeschuldigte schon früher bei einer offiziellen Auskunft der Rechtsanwaltskammer eine Stellungnahme mit diesem Inhalt erhalten, so hätte er sie kritisch prüfen müssen. Dabei wäre dann aufgefallen, dass die Stellungnahme an der eigentlichen Problematik vollkommen vorbeigeht, wenn sie darauf abstellt, dass ehrenamtliche Tätigkeiten nicht zu den „beruflichen Tätigkeiten“ i.S.v. § 45 BRAO (gemeint war offenbar Absatz 1 Nr. 4) zählten. Denn hier ging es um die Frage, ob der Beschwerdeausschussvorsitzende als Angehöriger des öffentlichen Dienstes in derselben Rechtssache bereits tätig geworden ist. Bei kritischer Überprüfung und ggf. erneuter Nachfrage bei der Rechtsanwaltskammer hätte der Angeschuldigte dann aber eine zutreffende Auskunft erhalten, wie sich an der Einleitung des vorliegenden Verfahrens durch die Rechtsanwaltskammer zeigt.
54V.
55Bei der Bemessung der Sanktion hat der Senat von der Verhängung eines Ver-weises verbunden mit einer Geldbuße (§ 114 Abs. 2 BRAO) im Hinblick darauf, dass der Angeschuldigte immerhin einige Meinungsäußerungen erhalten hat, welche ihn an das Erlaubtsein seines Tun glauben ließen, abgesehen und lediglich eine Geld-buße nach § 114 Abs. 1 Nr. 3 BRAO verhängt.
56Für die Bemessung der Geldbuße hat sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten lassen:
57Zu Lasten des Angeschuldigten sprach, dass die Tat in eine Zeit fiel, in der er bereits kurz zuvor mit einem berufsrechtlichen Verfahren belastet gewesen war, welches ihm Anlass gegeben hätte, in Zukunft besonderes Augenmerk auf die Rechtmäßigkeit seines Tun zu legen.
58Zu seinen Gunsten musste aber sprechen, dass er sich immerhin im Ansatz um eine Klärung der Rechtsfrage bemüht hat und die verschiedenen Meinungsäußerungen ihn in seinem Glauben an das Erlaubtsein seines Tuns bestärkt haben. Darin zeigt sich eine im Grundsatz rechtstreue Haltung. Weiter war zu berücksichtigen, dass das Verfahren nunmehr bereits sehr lange andauert und der Verstoß (wenn auch noch keine Verjährung eingetreten ist) noch länger zurückliegt. Zu Gunsten des Ange-schuldigten spricht weiter, dass er sein Verhalten umfassend eingeräumt hat. Er hat zudem das inkriminierte Verhalten inzwischen (wenn auch spät) abgestellt. Weiter war zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er den Pflichtenverstoß nicht aus Gründen der Erlangung persönlicher wirtschaftlicher Vorteile, sondern auf Drängen der Vertragspartner begangen hat.
59Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist der Senat zwar davon überzeugt, dass es sich bei dem festgestellten Verstoß noch um einen schweren Verstoß, der der Ahndung durch eine Geldbuße bedarf, handelt. Ein bloßer Verweis war nicht aus-reichend. Innerhalb der Bandbreite denkbarer schwerer Pflichtverstöße ist der konkrete Verstoß aber eher im unteren Bereich anzusiedeln, so dass der Senat die Verhängung einer Geldbuße von 2.000 Euro für tat- und schuldangemessen erachtet hat, wobei er die Einkommensverhältnisse des Angeschuldigten berücksichtigt hat.
60VI.
61Die Kosten- und Auslagenentscheidungen folgen aus §§ 116 S. 2, 197 Abs. 1 BRAO, 467 Abs. 1, 473 StPO.
62Die Revision war nicht zuzulassen. Nach § 145 Abs. 2 BRAO darf der Anwalts-gerichtshof die Revision nur zulassen, wenn er über Rechtsfragen oder Fragen der anwaltlichen Berufspflichten entschieden hat, die von grundsätzlicher Bedeutung sind. Grundsätzliche Bedeutung haben solche Fragen, deren Beantwortung nicht selbstverständlich ist und auf die es für die Sachentscheidung ankommt. Dazu gehören solche Fragen nicht, die bereits zweifelsfrei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt sind und für die keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte vorgetragen sind (Feuerich in: Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 146 Rdn. 10 f.). Die hier relevanten Rechtsfragen, einschließlich der verfassungsrechtlichen, sind durch die ergangene Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH a.a.O.) geklärt.
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Der Rechtsanwalt hat seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. Er hat sich innerhalb und außerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
- 1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen, - 2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen, - 3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen, - 4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen, - 5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben, - 6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder - 7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.
(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.
(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.
(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.
(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch
- 1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a, - 2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.
(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.
(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.
(1) Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden.
(2) Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist. Dies gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Der Rechtsanwalt hat die von ihm beschäftigten Personen in Textform zur Verschwiegenheit zu verpflichten und sie dabei über die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung zu belehren. Zudem hat er bei ihnen in geeigneter Weise auf die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht hinzuwirken. Den von dem Rechtsanwalt beschäftigten Personen stehen die Personen gleich, die im Rahmen einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder einer sonstigen Hilfstätigkeit an seiner beruflichen Tätigkeit mitwirken. Satz 4 gilt nicht für Referendare und angestellte Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen wie der Rechtsanwalt unterliegen. Hat sich ein Rechtsanwalt mit anderen Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen unterliegen wie er, zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammengeschlossen und besteht zu den Beschäftigten ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis, so genügt auch der Nachweis, dass eine andere dieser Personen die Verpflichtung nach Satz 4 vorgenommen hat.
(3) Der Rechtsanwalt darf sich bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Unsachlich ist insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewußte Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlaß gegeben haben.
(4) Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Das Tätigkeitsverbot gilt auch für Rechtsanwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Rechtsanwalt ausüben, der nach Satz 1 nicht tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 2 bleibt bestehen, wenn der nach Satz 1 ausgeschlossene Rechtsanwalt die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 2 und 3 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Mandanten der Tätigkeit des Rechtsanwalts nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit des Rechtsanwalts sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 4 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots nach Satz 1 oder Satz 2 erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Rechtsanwalt auch ohne Einwilligung des Mandanten offenbart werden.
(5) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für die Tätigkeit als Referendar im Vorbereitungsdienst im Rahmen der Ausbildung bei einem Rechtsanwalt. Absatz 4 Satz 2 ist nicht anzuwenden, wenn dem Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 eine Tätigkeit als Referendar nach Satz 1 zugrunde liegt.
(6) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für ein berufliches Tätigwerden des Rechtsanwalts außerhalb des Anwaltsberufs, wenn für ein anwaltliches Tätigwerden ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 bestehen würde.
(7) Der Rechtsanwalt ist bei der Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte zu der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet. Fremde Gelder sind unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen.
(8) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, sich fortzubilden.
Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Anwaltsgerichtliche Maßnahmen sind bei Verfahren gegen Rechtsanwälte
- 1.
Warnung, - 2.
Verweis, - 3.
Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro, - 4.
Verbot, auf bestimmten Rechtsgebieten als Vertreter oder Beistand für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren tätig zu werden, - 5.
Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft.
(2) Anwaltsgerichtliche Maßnahmen sind bei Verfahren gegen Berufsausübungsgesellschaften
- 1.
Warnung, - 2.
Verweis, - 3.
Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro, - 4.
Verbot, auf bestimmten Rechtsgebieten für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren als Vertreter oder Beistand tätig zu werden, - 5.
Aberkennung der Rechtsdienstleistungsbefugnis.
(3) Die anwaltsgerichtlichen Maßnahmen des Verweises und der Geldbuße können nebeneinander verhängt werden.
(1) Gegen ein Urteil des Anwaltsgerichtshofes ist die Revision an den Bundesgerichtshof zulässig,
- 1.
wenn das Urteil auf eine Maßnahme nach § 114 Absatz 1 Nummer 4 oder 5 oder Absatz 2 Nummer 4 oder 5 lautet; - 2.
wenn der Anwaltsgerichtshof entgegen einem Antrag der Staatsanwaltschaft nicht auf eine Maßnahme nach § 114 Absatz 1 Nummer 4 oder 5 oder Absatz 2 Nummer 4 oder 5 erkannt hat; - 3.
wenn der Anwaltsgerichtshof sie in dem Urteil zugelassen hat.
(2) Der Anwaltsgerichtshof darf die Revision nur zulassen, wenn er über Rechtsfragen oder Fragen der anwaltlichen Berufspflichten entschieden hat, die von grundsätzlicher Bedeutung sind.
(3) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Anwaltsgerichtshof einzulegen. In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Rechtsfrage ausdrücklich bezeichnet werden.
(4) Die Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, so entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluß. Der Beschluß bedarf keiner Begründung, wenn die Beschwerde einstimmig verworfen oder zurückgewiesen wird. Mit Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesgerichtshof wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit Zustellung des Beschwerdebescheides die Revisionsfrist.