Arbeitsgericht Weiden Endurteil, 13. Mai 2015 - 3 Ca 1714/14

bei uns veröffentlicht am13.05.2015

Gericht

Arbeitsgericht Weiden

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.208,21 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.10.2014 zu bezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 4.208,21 € festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Einordnung eines Schadensersatzanspruchs wegen unterlassener Zielvereinbarung als Masse- oder Insolvenzforderung.

Der Kläger war bei der Beklagten bis 30.9,2014 als Konzernpersonalleiter beschäftigt, Gem. § 4 II des Anstellungsvertrages vom 21.6.2012 hatte er einen jährlichen Anspruch auf eine variable Vergütung in Höhe von 19,200,- € brutto (Bl, 6 d. A.).

Mit Beschluss des Amtsgerichts A. vom 10.2.2014 wurde über das Vermögen der Beklagten die vorläufige Eigenverwaltung gem. § 270 b I ZPO angeordnet. Die Beklagte wurde zur Begründung von Masseverbindlichketten gem. § 270b Iii InsO ermächtigt (Bl, 8 ff. d. A.). Der Kläger wurde weiterbeschäftigt. Mit Beschluss vom 1.5.2014 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und Eigenverwaltung gem. § 270 l InsO angeordnet. Die Beklagte erstellte unter dem 25.11.2014 einen Insolvenzplan gern, § 1 InsO (Bl. 67 ff. d. A.), der von der Gläubigerversammlung angenommen und vom Amtsgericht A, mit rechtskräftigem Beschluss vom 2.1.2015 bestätigt wurde (Bl. 132 d. A.), Mit Beschluss des Amtsgerichts A. vom 11.2.2015 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten gem. § 258 l InsO wieder aufgehoben (Bl. 134 d. A.).

Eine Zielvereinbarung für 2014 wurde mit dem Kläger nicht vereinbart. Im Zeitraum 10.230.4.2014 erhielt der Kläger Insolvenzgeld ohne Berücksichtigung seiner Tantiemeansprüche. Für den Zeitraum ab 1.5.2014 bis 30.9.2014 bezahlte die Beklagte an den Kläger variable Vergütung in Höhe von 100% Zielerreichung.

Der Kläger meint, gegen die Beklagte auch einen als Masseverbindlichkeit zu qualifizierenden Anspruch auf anteilige Tantieme für den Zeitraum 10.2-30.4.2014 (4.208,21 € gem. Berechnung auf Bl. 4 d. A.) zu haben. Dies deshalb, da die Beklagte seine Arbeitsleistung durchgängig in Anspruch genommen habe und dadurch hinsichtlich seiner Lohnbezüge incl. variablen Vergütung Masseverbindlichkeiten gem. § 55 II InsO begründet habe. Darüber hinaus sei u. a. ihm gegenüber sogar mit Schreiben vom 27.2.2014 schriftlich zugesagt worden, dass der Anteil des Gehalts, der wegen der Deckelung des Insolvenzgelds auf die Beitragsbemessungsgrenze nicht als Insolvenzgeld bezahlt wurde, entsprechend erstattet werde (Bl. 3 und 13 d. A.). Dieses Schreiben, das eine Allgemeine Geschäftsbedingung sei, könne er nur so verstehen, dass damit seine Tantieme-Ansprüche ab 10.2.2014 garantiert würden (Bl. 4 d. A.). Den Entstehungszeitpunkt des Tantieme- bzw. Schadensersatzanspruchs könne die Beklagte nicht „künstlich“ vorverlagern (vgl. Bl. 157 f. d. A.), da ein Anspruch hier erst mit Ablauf des betreffenden Zeitraums in 2014 entstehe und zwar pro rata temporis nach Erbringung der weiterhin geschuldeten Arbeitsleistung im Zeitraum 10.2-30.4,2014 unter Berücksichtigung aller Entgeltbestandteile und eben auch der variablen Vergütung. Es handle sich auch nicht um eine oktroyierte Verbindlichkeit, da die Beklagte die Anspruchsentstehung hätte verhindern können (vgl. Bl. 37 f. d.A,). Wegen weiterer Einzelheiten zum umfangreichen Vortrag des Klägers wird vollumfänglich auf sämtliche hierzu eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Kläger beantragt zuletzt;

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.208,21 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1.10,2014 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt hingegen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte begründet ihren Klageabweisungsantrag damit, dass dem Kläger der geltend gemachte und grundsätzlich nicht in Frage zu stellenden Anspruch nicht als Masseverbindlichkeit, sondern nur als Insolvenzforderung gem. § 38 InsO zustünde. Zwar gelte § 55 II InsO i.R.d. § 270 b InsO entsprechend. Von § 55 II InsO seien aber sog. oktroyierte Verbindlichkeiten nicht umfasst, da es nicht in der Entscheidung der Schuldnerin liege, die weitere Nutzung zu verhindern. Nach dem Arbeitsvertrag habe nämlich bereits im letzten Quartal 2013 die Pflicht bestanden, eine Tantiemevereinbarung für 2014 abzuschließen, mithin weit vordem 10.2.2014 (Bl. 28 ff. d. A.). Es sei auch auf den Zweck der Tantieme abzustellen. Solle die Tantieme erbrachte Arbeit zusätzlich honorieren, entstehe der Anspruch auch innerhalb dieses Zeitraums, selbst wenn er erst später fällig werde. Die vor Verfahrenseröffnung erarbeitete Vergütung aus der Zielvereänbarung sei Insolvenzforderung (Bl. 31 f. d. A.). Maßgeblich für die Entstehung des Schadensersatzanspruchs sei der vertraglich festgelegte Zeitpunkt zum Abschluss der Tantiemevereinbarung (vgl. Bl. 146 ff. d. A.). Die Beklagte verhalte sich nicht widersprüchlich. Ab Insolvenzeröffnung habe sie eine andere Interessenlage zu verfolgen als noch vor dem Insolvenzverfahren. § 55 II InsO sei zum Schutz der Personen geschaffen worden, die Dauerschuldverhältnisse erfüllen, die sie zuvor mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter vereinbart hätten. Nach dem 10.2.2014 habe es aber keine Handlungen oder Vereinbarungen der Beklagten mit Bezug zu den Tantiemeansprüchen gegeben. Nach Prof. Klinck handle es sich auch nicht bei jeder vom Schuldner begründeten Forderung um eine Masseverbindlichkeit (Bl. 148 d.A,). Der geltend gemachte Anspruch sei auch mit Blick auf den Regelungszweck des § 270 b III InsO zu verneinen (Bl. 149 f.d. A.). Auch das Schreiben vom 27.2.2014 helfe dem Kläger nicht weiter, da hierdurch nur dokumentiert worden sei, dass auf den Erhalt von nicht über das Insolvenzgeld abgesicherten Entgeltbestandteilen gerade nicht vertraut werden könne (Bl. 149 d. A.), eine Zusage bzgl. der Tantieme sei hier nach dem Willen der Geschäftsführung nicht beabsichtigt gewesen (Bl. 31 d. A.). Wegen weiterer Einzelheiten zum umfangreichen Beklagtenvortrag wird vollumfänglich auf sämtliche hierzu eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird noch auf den gesamten übrigen Aktenänhait verwiesen. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klage ist bereits zulässig, wenn sich der Arbeitnehmer wie hier auf eine vorweg zu berichtigende Masseverbindlichkeit beruft, unabhängig davon, ob es sich tatsächlich um eine Masseverbindlichkeit oder doch um eine Insolvenzforderung handelt (Klage dann unbegründet), vgl. BAG vom 25.6.2014, 5 AZR 283/12.

Der Kläger kann von der Beklagten die Tantieme 2014 unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes für den Zeitraum 10.2.2014 bis 30.04.2014 als Masseverbindlichkeit in Höhe von 4.208,21 € brutto verlangen.

Der Anspruch ist nach Grund und Höhe unstreitig. Bezüglich der einzig streitigen Qualifizierung des Anspruchs als Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung gilt nach dem Bundesarbeitsgericht, dass arbeitsleistungsbezogenen Sonderzuwendungen insolvenzrechtlich dem Zeitraum zuzuordnen sind, für den sie als Gegenleistung geschuldet sind. Soweit mit ihnen Arbeitsleistungen vergütet werden, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden, handelt es sich um Masseforderungen. Soweit durch sie vor Verfahrenseröffnung erbrachte Arbeitsleistungen honoriert werden, liegen Insolvenzforderungen vor. Für einen ratierlichen Erwerb des Anspruchs in dem hier dargestellten Sänne genügt es, dass der Anspruch - unabhängig von einer gleichmäßigen Zielerfüllung im Geschäftsjahr - kontinuierlich an die Arbeitsleistung anknüpft. Ist die zusätzliche Vergütung dagegen für besondere, zu bestimmten Zeiten während des Geschäftsjahres zu erbringende Leistungen versprochen, kann es allein auf diese Zeiträume ankommen. Ob der Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergütet oder sonstige Zwecke verfolgt, ist durch Auslegung der vertraglichen Bestimmungen zu ermitteln. Der Vergütungscharakter ist eindeutig, wenn die Sonderzahlung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele geknüpft ist. Schadensersatzansprüche eines Arbeitnehmers, die an die Stelle von Vergütungsansprüchen aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis treten, sind insolvenzrechtlich wie die ihnen zugrunde liegenden Vergütungsansprüche zu behandeln, dh. sie sind demjenigen Zeitraum zuzuordnen, auf den sich der ursprüngliche Vergütungsanspruch bezog (vgl. BAG vom 14.11.2012, 10AZR 3/12).

Danach handelt es sich vorliegend um eine Masseforderung, Unerheblich ist es aus Sicht der Kammer dabei, dass es sich vorliegend anders als im BAG-Fall um eine Eigenverwaltung gem. § 270 InsO und nicht um ein „normales“ Insolvenzverfahren handelt, denn § 270b III verweist vorbehaltlos auf § 55 II InsO, wobei dem Gesetzgeber bei Einfügung der Vorschrift (§ 270b InsO) im Jahre 2012 die von der Rechtsprechung (im Urteil vom 14.11.2012 nur fortgeschriebene) vorgenommene Abgrenzung zwischen Insolvenz- und Masseforderungen i. R. d. § 55 InsO bekannt war und sich Gegenteiliges auch aus der Gesetzesbegründung nicht entnehmen lässt (der eigenverwaltende Schuldner soll in die Rechtsstellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters einrücken und Masseverbindlichkeiten durch den Verweis auf § 55 II InsO begründen können, auch im Wege der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen ihm gegenüber, vgl. BT-Drs, 17/7511 S. 37). Auch die Beklagte bezieht sich zur Begründung ihres Standpunktes auf die genannte BAG-Rechtsprechung vom 14.11.2012. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber § 55 II InsO im Rahmen des § 270b III InsO anders, insbesondere dahingehend begrenzend zur Anwendung bringen wollte, dass arbeitgeberseits bei Inanspruchnahme der Arbeitsleistung nach Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung Vergütung nicht mehr incl. aller sonst fälligen Bestandteile, sondern nur noch teilweise geschuldet sei (inwieweit?), sind nicht ersichtlich. In der Begründung des Rechtsausschusses zu § 270b III InsO vom 26.10.2011 heißt es dazu im Übrigen - und damit passend zum hier von der Kammer vertretenen Standpunkt - auch; dass mit § 55 II InsO eine Regelung geschaffen worden sei, die dem Schutz von Personen zu dienen bestimmt sei, die Geschäfte mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter abschließen oder ihm gegenüber ein Dauerschuldverhältnis erfüllen, das sie mit dem Schuldner vereinbart hatten (BT-Drs. a. a. O., S. 37), Auf eine weitere Handlung oder Vereinbarung nach dem 10.2 kommt es bei einer Inanspruchnahme der Arbeitsleistung über den Zeitpunkt der Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung auch danach nicht an.

Bei § 270b InsO geht es ausweislich dieser Begründung damit nicht nur um die Gewährleistung der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes (vgl. Beklagtenschriftsatz vom 7.4.15, Bl. 149 d. A.), sondern eben gerade auch um den Schutz der weiterarbeitenden Arbeitnehmer.

Die streitige Tantieme ist in § 4 II des Arbeitsvertrages als erfolgsabhängige Vergütung ausgestaltet und stellt damit unproblematisch eine unmittelbare Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung dar. Unerheblich ist hierbei der Zeitpunkt, zu dem der Zielerreichungsgrad ermittelt wird.

Der geltend gemachte Anspruch bezieht sich auf den Zeitraum 10.2-30.4.14 und damit auf einen nach Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270b InsO liegenden Zeitraum, vgl. § 55 II 2 InsO. Anhaltspunkte dafür, dass es bezüglich der Tantieme auf außerhalb dieses Zeitraums liegende Umstände ankommen könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist es unerheblich, dass es sich nicht um einen Erfüllungs- sondern einen Schadensersatzanspruch wegen nicht abgeschlossener Zielvereinbarung handelt, da letzterer rechtlich an die Stelle des ursprünglichen Anspruchs tritt (vgl. BAG a. a. O.). Der Anspruch ist auch nicht etwa bereits ;2013 durch den Nichtabschluss der Zielvereinbarung entstanden. Zu diesem Zeitpunkt war noch gar kein Schaden eingetreten. Vielmehr entsteht und kann der Schadensersatzanspruch erst entstehen, wenn der Erfüllungsanspruch (Tantieme/Zielvereinbarung) entständen ist, was bei der vorliegenden arbeitsleistungsbezogenen Vergütung erst nach Ablauf des entsprechenden Zeitraums mit erbrachter Arbeitsleistung der Fall ist.

Eine nicht unter § 55 II InsO fallende „oktroyierte Verbindlichkeit“ liegt nicht vor, die Beklagte hätte sich dem Anspruch durch Nichtinanspruchnahme der tatsächlichen Beschäftigung des Klägers nach dem Beschluss vom 10.2 bei gleichzeitiger wirksamer Freistellung entziehen können (vgl. MüKo, 3. Aufl., § 55 InsO Rn. 233; Uhlenbruck 14. Aufl., § 55 InsO Rn. 100: Recht des vorläufigen Insolvenzverwalters auf Freistellung der Arbeitnehmer; Uhlenbruck § 270b Rn. 70). Die Beklagte hat die Arbeitsleistung des Klägers im streitigen Zeitraum aber tatsächlich in Anspruch genommen. Damit liegt hier gem. §§ 270b III, 55 II 2 InsO eine Masseverbindlichkeit vor.

Die Klage erweist sich somit als begründet, ohne dass es noch auf die rechtliche Beurteilung des Schreibens vom 27.2.2014 ankäme. Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 288 I, 286 BGB, § 4 I Arbeitsvertrag.

Die Entscheidung folgt im Kostenpunkt § 91 i ZPO.

Der Streitwert wurde gern, § 61 I ArbGG i. V. m. § 3 ZPO festgesetzt.

Anlass für eine gesonderte Berufungszulassung bestand keiner.

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Arbeitsgericht Weiden Endurteil, 13. Mai 2015 - 3 Ca 1714/14 zitiert 10 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Insolvenzordnung - InsO | § 55 Sonstige Masseverbindlichkeiten


(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten: 1. die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzv

Insolvenzordnung - InsO | § 38 Begriff der Insolvenzgläubiger


Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

Insolvenzordnung - InsO | § 1 Ziele des Insolvenzverfahrens


Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Un

Insolvenzordnung - InsO | § 270 Grundsatz


(1) Der Schuldner ist berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet. Für d

Insolvenzordnung - InsO | § 270b Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung


(1) Das Gericht bestellt einen vorläufigen Sachwalter, auf den die §§ 274 und 275 anzuwenden sind (vorläufige Eigenverwaltung), wenn 1. die Eigenverwaltungsplanung des Schuldners vollständig und schlüssig ist und2. keine Umstände bekannt sind, aus de

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Juni 2014 - 5 AZR 283/12

bei uns veröffentlicht am 25.06.2014

Tenor 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 1. Februar 2012 - 2 Sa 96/11 - aufgehoben.

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Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 1. Februar 2012 - 2 Sa 96/11 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 18. März 2011 - 3 Ca 378/10 - wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die als Grenzgängerin in Deutschland nicht einkommensteuerpflichtige Klägerin nach Inanspruchnahme von Insolvenzgeld noch Zahlung restlichen Nettolohns in Höhe der fiktiv ermittelten Abzüge für Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag beanspruchen kann.

2

Die 1972 geborene Klägerin war vom 15. Juni 2006 bis zum 30. November 2009 bei der C GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) beschäftigt und erzielte zuletzt einen Monatsverdienst von 3.100,00 Euro brutto, zuzüglich vermögenswirksamer Leistungen von 22,83 Euro brutto. Das Amtsgericht Saarbrücken bestellte den Beklagten mit Beschluss vom 21. September 2009 (- 112 IN 55/09 -) zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin und legte der Schuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot auf. Mit Beschluss vom 1. Dezember 2009 (- 112 IN 55/09 -) wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

3

Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz in Frankreich im Grenzgebiet zu Deutschland. Ihr war nach dem „Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und Grundsteuern vom 21. Juli 1959“ (im Folgenden: DBA Frankreich) der Grenzgängerstatus zuerkannt.

4

Die Klägerin erbrachte in den Monaten September bis November 2009 ihre Arbeitsleistung. Die Vergütung hierfür wurde in Höhe des zu erwartenden Insolvenzgelds von der B (im Folgenden: B-Bank) vorfinanziert, mit der die Klägerin mit Zustimmung der Bundesagentur und des Beklagten Forderungskaufverträge abgeschlossen hatte. Darin trat die Klägerin ihre Ansprüche auf das vom Beklagten für diese Monate abgerechnete Nettoarbeitsentgelt und auf das von ihr beantragte Insolvenzgeld Zug um Zug gegen Zahlungen der B-Bank in Höhe der abgerechneten Nettobeträge an diese ab. In den vom Beklagten für September bis November 2009 erstellten Gehaltsabrechnungen, die der Ermittlung des Insolvenzgeldanspruchs der Klägerin zu Grunde lagen, sind unter der Rubrik „gesetzliche Abzüge“ als fiktive Lohnsteuer und als fiktiver Solidaritätszuschlag insgesamt 1.830,66 Euro ausgewiesen. Mit der am 24. März 2010 eingereichten Klage verlangt die Klägerin Zahlung dieser in den Abrechnungen ausgewiesenen Steuern. Sie hat geltend gemacht, ihre Vergütungsansprüche seien lediglich in Höhe des gezahlten Insolvenzgelds auf die Bundesagentur übergegangen. Andernfalls werde sie schlechter gestellt als ihre in Deutschland wohnenden Arbeitskollegen, weil sie vor der Insolvenz ihr Nettogehalt ohne einen Steuerabzug ausgezahlt bekommen und als Grenzgängerin ihre Nettoeinkünfte in Frankreich zu versteuern habe. Faktisch führe ein Anspruchsübergang unter Einschluss der fiktiv ermittelten Beträge zu einer Doppelbesteuerung und verstoße gegen das Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich.

5

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.830,66 Euro netto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.

6

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Die Vergütungsansprüche seien mit dem Antrag auf Insolvenzgeld insgesamt auf die Bundesagentur übergegangen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die vollständige Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Beklagten ist begründet. Das angegriffene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist unbegründet.

9

A. Die Klage ist zulässig.

10

I. Die Klägerin ist prozessführungsbefugt, weil sie mit der Klage ein behauptetes eigenes Recht im eigenen Namen geltend macht (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. Vor § 50 Rn. 18; Musielak/Weth ZPO 11. Aufl. § 51 Rn. 15 f.). Ob die eingeklagte Forderung der Klägerin zusteht oder infolge eines gesetzlichen Anspruchsübergangs der Bundesagentur, ist eine Frage der Aktivlegitimation, die erst im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der Klage zu beantworten ist (vgl. Musielak/Weth ZPO 11. Aufl. § 51 Rn. 18).

11

II. Der Zulässigkeit der Leistungsklage steht, soweit sie den Zeitraum 1. bis 20. September 2009 betrifft, nicht entgegen, dass es sich bei den erhobenen Ansprüchen allenfalls um Insolvenzforderungen iSv. §§ 38, 108 Abs. 3 InsO und nicht, wie vom Landesarbeitsgericht angenommen, um Masseforderungen iSv. § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO handeln könnte.

12

1. Nach § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO sind Masseverbindlichkeiten Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO bezieht sich allein auf eine Leistung an den sog. „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis iSv. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 953/11 - Rn. 42). Der Beklagte wurde erst am 21. September 2009 mit Beschluss vom selben Tag zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Bei der Vergütung „für“ den davor liegenden Zeitraum handelt es sich, auch wenn sie erst nach dem 20. September 2009 fällig wurde, um eine Insolvenzforderung iSv. §§ 38, 108 Abs. 3 InsO(BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 406/11 - Rn. 28 f.; 12. September 2013 - 6 AZR 953/11 - Rn. 36).

13

2. Die Leistungsklage ist dennoch insgesamt zulässig. Die Klägerin behauptet, die eingeklagten Forderungen stünden ihr als Masseverbindlichkeiten zu. Beruft sich der Arbeitnehmer auf eine vorweg zu berichtigende Masseverbindlichkeit iSv. §§ 53, 55 InsO, ist die Klage nicht unzulässig, sondern unbegründet, wenn es sich tatsächlich um eine Insolvenzforderung iSv. §§ 38, 108 Abs. 3 InsO handelt(BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 406/11 - Rn. 17 f.; 12. September 2013 - 6 AZR 953/11 - Rn. 17), die unter den in §§ 179, 180 InsO geregelten Voraussetzungen mit einer Feststellungsklage zu verfolgen wäre.

14

B. Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO. Sie ist nicht aktivlegitimiert. Ihr Vergütungsanspruch ist gemäß § 187 SGB III aF auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen.

15

I. Die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin ergibt sich nicht bereits aus den mit der B-Bank geschlossenen Forderungskaufverträgen. Die geltend gemachten Forderungen werden, wovon das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist, hiervon nicht erfasst.

16

II. Die streitgegenständlichen Ansprüche sind jedoch mit Stellung des Antrags auf Insolvenzgeld gemäß § 187 Satz 1 SGB III aF auf die Bundesagentur übergegangen. Der gesetzliche Anspruchsübergang nach § 187 SGB III in der hier anzuwendenden, ab 12. Dezember 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) erfasst - begrenzt auf die Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Abs. 4 SGB III)- den Bruttolohnanspruch des Arbeitnehmers. Der Anspruchsübergang ist nicht auf den Nettolohnanspruch oder auf den Betrag des an den Arbeitnehmer zu zahlenden Insolvenzgelds beschränkt.

17

1. Der Senat ist bereits in der Entscheidung vom 11. Februar 1998 (- 5 AZR 159/97 -, vgl. dort unter 4. der Gründe) zu § 141m Abs. 1 AFG von einem durch den Antrag auf Konkursausfallgeld (heute Insolvenzgeld) bewirkten Übergang der Bruttolohnforderung ausgegangen und hat hieran in der Entscheidung vom 22. August 2012 (- 5 AZR 526/11 -, vgl. dort unter Rn. 11) zu der vorliegend anzuwendenden Regelung des § 187 SGB III aF festgehalten. Der Elfte Senat des Bundessozialgerichts hat sich der Rechtsprechung des Senats angeschlossen, allerdings die Behandlung von Grenzgängern offengelassen (BSG 20. Juni 2001 - B 11 AL 97/00 R - Rn. 23 ff., 32).

18

2. Im Schrifttum wird zT von einem auf das Nettoentgelt beschränkten Anspruchsübergang ausgegangen (MüKoInsO/Hefermehl § 55 InsO Rn. 234, 237; Gagel/Peters-Lange SGB III Stand Juni 2014 §169 Rn. 8, § 167 Rn. 12 ff.; Schmidt in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu SGB III 5. Aufl. § 169 Rn. 9). Andere Stimmen haben sich der Auffassung des Senats und des BSG angeschlossen (KSW/Mutschler 3. Aufl. § 169 SGB III Rn. 2; Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. § 108 Rn. 141).

19

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in der Entscheidung vom 20. Juni 2002 (- 8 AZR 459/01 - zu II 1 der Gründe) beiläufig bemerkt, der Anspruchsübergang sei auf das Nettoentgelt beschränkt, weil die Bundesanstalt für Arbeit nur in dieser Höhe Insolvenzgeld zahle, ohne eine abweichende Auffassung zu erwähnen.

20

3. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung - auch für Grenzgänger - fest.

21

a) Bereits der Wortlaut von § 187 SGB III aF spricht für einen Übergang des Bruttolohnanspruchs. Während der Anspruchsübergang nach § 115 Abs. 1 SGB X auf die „Höhe der erbrachten Sozialleistungen“ beschränkt ist, gehen nach § 187 Satz 1 SGB III aF die Ansprüche auf Arbeitsentgelt, „die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen“, auf die Bundesagentur über. Anspruchsbegründend ist jedoch nach § 185 Abs. 1 SGB III in der durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, S. 2848) geänderten, am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Fassung das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Abs. 4 SGB III) begrenzte Bruttoarbeitsentgelt. Bezugspunkt des gesetzlichen Anspruchsübergangs ist damit - anders als nach § 115 SGB X - das Bruttoarbeitsentgelt.

22

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der durch Art. II § 2 Nr. 12 des Sozialgesetzbuches (SGB) vom 4. November 1982 (BGBl. I S. 1450) in § 141m Abs. 1 AFG eingefügte Passus „abweichend von § 115 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch“ in dem durch das Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung vom 24. März 1997 eingeführten § 187 SGB III nicht mehr enthalten ist. § 187 Satz 1 SGB III wurde durch die vorgenommene Streichung gegenüber der Vorgängerregelung des § 141m AFG lediglich terminologisch angepasst, ohne dass mit dieser, wovon auch im Schrifttum überwiegend ausgegangen wird(vgl. Gagel/Peters-Lange SGB III Stand Juni 2014 §169 Rn. 8 f.; Schmidt in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu SGB III 5. Aufl. § 169 Rn. 3), eine Änderung des Regelungsgehalts verbunden gewesen wäre.

23

b) Für einen Übergang der Bruttolohnforderung auf die Bundesagentur sprechen darüber hinaus Sinn und Zweck der §§ 183 ff. SGB III aF.

24

Das Insolvenzgeld dient nach seiner Zielsetzung der Absicherung des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers und stellt materiell eine eigenständige Sozialversicherung dar (BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZR 95/10 - Rn. 19, BAGE 136, 263). Insolvenzgeld ist kein Arbeitslohn. Es wird nicht für die Erbringung einer Arbeitsleistung, sondern wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gezahlt (BFH 1. März 2012 - VI R 4/11 - Rn. 17, BFHE 237, 59). Ginge man von einem auf das Nettoentgelt begrenzten Anspruchsübergang aus, hätte dies, verglichen mit der Situation außerhalb der Insolvenz, regelmäßig eine Besserstellung des Arbeitnehmers zur Folge: Er erhielte Insolvenzgeld, das nach § 3 Nr. 2 EStG nicht zu versteuern ist und lediglich dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG unterliegt (vgl. BFH 1. März 2012 - VI R 4/11 - Rn. 9, aaO). Zudem behielte er einen Anspruch auf den auf den Bruttolohn entfallenden Steueranteil. Hierin läge ein Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Schadensversicherung, das versicherte Interesse auf die Kompensation des Einkommensverlusts zu beschränken (BSG 20. Juni 2001 - B 11 AL 97/00 R - Rn. 33).

25

c) Der in § 187 SGB III aF geregelte, auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze(§ 341 Abs. 4 SGB III) begrenzte Übergang des Bruttolohnanspruchs verstößt - auch im Hinblick auf die Besonderheiten der Besteuerung von Grenzgängern - nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

26

aa) Der Anspruchsübergang nach § 187 Satz 1 SGB III aF betrifft in seinen Rechtsfolgen alle Arbeitnehmer gleichermaßen. Erst die Regelungen in § 185 Abs. 1 und Abs. 2 SGB III aF zur Berechnung der Höhe des Insolvenzgelds können aufgrund von Unterschieden der individuellen steuerlichen Situation zu Nachteilen für einzelne Arbeitnehmer führen, indem das zu zahlende Insolvenzgeld - wie bei der Klägerin als Grenzgängerin - das bisher erzielte Nettoeinkommen nicht in voller Höhe absichert.

27

bb) Unabhängig davon ist die typisierende Regelung des gesetzlichen Übergangs des Bruttolohnanspruchs nach § 187 SGB III aF zulässig, auch wenn sie für einzelne Arbeitnehmer aufgrund ihrer steuerrechtlichen Situation zu wirtschaftlichen Nachteilen führt.

28

(1) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Er ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG 2. Februar 2009 - 1 BvR 2553/08 - Rn. 20, 21; 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 - Rn. 27 mwN).

29

Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Merkmale beim Vergleich von Lebenssachverhalten er als maßgebend ansieht, um sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn der Gesetzgeber es versäumt hat, Ungleichheiten der zu ordnenden Lebenssachverhalte zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen(BVerfG 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94 - zu C I der Gründe, BVerfGE 103, 242). Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und typisieren. Er ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BAG 29. Juni 2011 - 7 ABR 15/10 - Rn. 26 mwN, BAGE 138, 223). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei.

30

(2) Diesen Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber in § 187 Satz 1 SGB III aF nicht überschritten.

31

Die Bestimmung orientiert sich am Regelfall der im Inland steuerpflichtigen Arbeitnehmer, ohne in steuerlicher Hinsicht nach der individuellen Situation des einzelnen Arbeitnehmers, die vom Regelfall abweichen kann, zu differenzieren. Es handelt sich bei diesen Unterschieden nicht um Ungleichheiten der zu ordnenden Lebenssachverhalte, die so bedeutsam wären, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen. Zu berücksichtigen ist, dass Insolvenzgeld nicht als Gegenleistung für erbrachte Arbeit, sondern als Leistung der Sozialversicherung wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gewährt wird. Bei der Gestaltung sozialer Sicherungssysteme steht dem Gesetzgeber ein großer Gestaltungsspielraum zu (BVerfG 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94 - zu C I und C III 3 der Gründe, BVerfGE 103, 242). Es ist deshalb hinzunehmen, wenn auch den Arbeitnehmern, deren Nettoentgelt aufgrund der in § 185 SGB III aF festgelegten Berechnungsbestimmungen nicht voll abgesichert ist, bei der Inanspruchnahme von Insolvenzgeld - infolge des gesetzlichen Anspruchsübergangs - ein Zugriff auf die steuerliche Bruttorestlohnforderung nicht möglich ist. Bei Grenzgängern iSd. DBA Frankreich werden zudem hieraus resultierende Nachteile begrenzt, indem Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung, wie vorliegend das Insolvenzgeld, nach Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 iVm. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 DBA Frankreich ausschließlich im Quellenstaat zu versteuern sind und Insolvenzgeld - wie die als Äquivalent hierfür nach § 188 SGB III von Dritten geleisteten Zahlungen auch - nach § 3 Nr. 2 EStG im Inland nicht zu versteuern ist und lediglich dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG unterliegt (vgl. BFH 1. März 2012 - VI R 4/11 - Rn. 9, 11, BFHE 237, 59). Die Klägerin lässt dies außer Acht, wenn sie behauptet, der Übergang der Bruttolohnforderung verstoße faktisch gegen das Verbot der Doppelbesteuerung nach dem DBA Frankreich.

32

d) § 187 Satz 1 SGB III aF verstößt auch nicht gegen Art. 45 AEUV iVm. Art. 3 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 1612/68.

33

aa) Nach Art. 45 Abs. 2 AEUV ist jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen verboten. Das Diskriminierungsverbot gilt gleichermaßen für Akte der staatlichen Behörden, wie für alle die abhängige Erwerbstätigkeit kollektiv regelnden Tarifverträge und Verträge zwischen Privatpersonen. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH verbietet der sowohl in Art. 45 AEUV als auch in Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 niedergelegte Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur offene Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen(EuGH 28. Juni 2012 - C-172/11 - [Erny] Rn. 39, 41 mwN).

34

Das Diskriminierungsverbot verlangt nicht nur, dass gleiche Sachverhalte nicht ungleich behandelt werden, sondern auch, dass ungleiche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden (EuGH 16. September 2004 - C-400/02 - [Merida] Rn. 22, Slg. 2004, I-8471). Eine Vorschrift des nationalen Rechts oder eine vertragliche Bestimmung ist, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht, als mittelbar diskriminierend anzusehen, wenn sie sich ihrem Wesen nach eher auf Grenzarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie Grenzarbeitnehmer besonders benachteiligt (EuGH 28. Juni 2012 - C-172/11 - [Erny] Rn. 23). Um eine Maßnahme als mittelbar diskriminierend qualifizieren zu können, muss sie nicht bewirken, dass alle Inländer begünstigt werden oder dass unter Ausschluss der Inländer nur die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten benachteiligt werden (vgl. EuGH 14. Juni 2012 -  C-542/09  - Rn. 38; 28. Juni 2012 - C-172/11 - [Erny] Rn. 41).

35

bb) Der Anspruchsübergang nach § 187 Satz 1 SGB III aF betrifft in seinen Rechtsfolgen alle Arbeitnehmer - unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit - gleichermaßen. Erst die Regelungen in § 185 Abs. 1 und Abs. 2 SGB III aF zur Berechnung der Höhe des Insolvenzgelds können zu Nachteilen für einzelne Arbeitnehmer führen. Jedoch braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 einer nationalen gesetzlichen Bestimmung wie § 185 Abs. 2 Nr. 2 SGB III aF entgegenstehen, nach der der Betrag des als Sozialleistung gezahlten Insolvenzgelds so berechnet wird, dass die geschuldete Lohnsteuer bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Insolvenzgelds fiktiv abgezogen wird, während nach dem DBA Frankreich Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen von Arbeitnehmern, die nicht im Beschäftigungsstaat ansässig sind, nur in dem Mitgliedstaat besteuert werden, in dem sie ansässig sind(vgl. zur Berücksichtigung eines fiktiven Steuerabzugs bei der Berechnung eines vom Arbeitgeber gezahlten Aufstockungsbetrags bei Altersteilzeit EuGH 28. Juni 2012 - C-172/11 - [Erny] Rn. 54; vgl. zur Berücksichtigung bei der Bemessung einer vom Beschäftigungsstaat gezahlten Überbrückungsbeihilfe EuGH 16. September 2004 - C-400/02 - [Merida] Rn. 37, Slg. 2004, I-8471 und nachgehend BAG 10. März 2005 - 6 AZR 317/01 - zu 2 b der Gründe, BAGE 114, 60).

36

Ebenso kann, bejahte man die erste Frage, offenbleiben, ob ein Verstoß gegen Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 auch dann festzustellen wäre, wenn die Berechnung, wie im Fall der Klägerin, einen in Deutschland beschäftigten, in Frankreich ansässigen und als Grenzgänger iSd. DBA Frankreich nur dort steuerpflichtigen deutschen und nicht, wie in den zitierten Entscheidungen, einen französischen Staatsangehörigen beträfe.

37

Die genannten Fragen sind nicht für die hier entscheidungserhebliche Beurteilung der Reichweite des Anspruchsübergangs nach § 187 Satz 1 SGB III aF von Bedeutung, sondern waren bei der Bemessung der Höhe des der Klägerin zustehenden Insolvenzgelds zu beantworten. Diese rechtlich zu beurteilen, ist letztlich den Sozialgerichten vorbehalten. Ein Vorabentscheidungsersuchen durch die Gerichte für Arbeitssachen an den EuGH nach Art. 267 AEUV liegt deshalb außerhalb ihrer Zuständigkeit.

38

III. Einer Vorlage an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts gemäß § 45 ArbGG bedarf es nicht. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts ist mit seiner beiläufigen Bemerkung in der Entscheidung vom 20. Juni 2002 (- 8 AZR 459/01 - zu II 1 der Gründe) nicht entscheidungserheblich von der Rechtsprechung des Senats abgewichen, denn die im Fall des Achten Senats klagende Bundesanstalt für Arbeit begehrte lediglich Zahlungen in Höhe des geleisteten Insolvenzgelds. Der Achte Senat konnte deshalb von einer Anfrage beim Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts und dem Elften Senat des Bundessozialgerichts bzw. einer Vorlage an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts oder den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes absehen.

39

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber     

        

        

        

    Kremser     

        

   Feldmeier    

                 

(1) Der Schuldner ist berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet. Für das Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist.

(2) Die Vorschriften dieses Teils sind auf Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 nicht anzuwenden.

(1) Das Gericht bestellt einen vorläufigen Sachwalter, auf den die §§ 274 und 275 anzuwenden sind (vorläufige Eigenverwaltung), wenn

1.
die Eigenverwaltungsplanung des Schuldners vollständig und schlüssig ist und
2.
keine Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass die Eigenverwaltungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruht.
Weist die Eigenverwaltungsplanung behebbare Mängel auf, kann das Gericht die vorläufige Eigenverwaltung einstweilen anordnen; in diesem Fall setzt es dem Schuldner eine Frist zur Nachbesserung, die 20 Tage nicht übersteigt.

(2) Sind nach dem gemäß § 270a Absatz 1 Nummer 1 übermittelten Finanzplan die Kosten der Eigenverwaltung und der Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs nicht gedeckt, übersteigen die nach § 270a Absatz 1 Nummer 5 ausgewiesenen voraussichtlichen Kosten der Eigenverwaltung in wesentlicher Weise die voraussichtlichen Kosten des Regelverfahrens oder sind Umstände bekannt, aus denen sich ergibt, dass

1.
Zahlungsrückstände gegenüber Arbeitnehmern oder erhebliche Zahlungsrückstände gegenüber den weiteren in § 270a Absatz 2 Nummer 1 genannten Gläubigern bestehen,
2.
zugunsten des Schuldners in den letzten drei Jahren vor der Stellung des Antrags Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach diesem Gesetz oder nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz angeordnet worden sind oder
3.
der Schuldner in einem der letzten drei Jahre vor der Antragstellung gegen die Offenlegungsverpflichtungen, insbesondere nach den §§ 325 bis 328 oder 339 des Handelsgesetzbuchs verstoßen hat,
erfolgt die Bestellung des vorläufigen Sachwalters nur, wenn trotz dieser Umstände zu erwarten ist, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten.

(3) Einem vorläufigen Gläubigerausschuss ist vor Erlass der Entscheidung nach Absatz 1 oder Absatz 2 Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Ohne Äußerung des Gläubigerausschusses darf eine Entscheidung nur ergehen, wenn seit der Antragstellung zwei Werktage vergangen sind oder wenn offensichtlich mit nachteiligen Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners zu rechnen ist, die sich nicht anders als durch Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters abwenden lassen. An einen die vorläufige Eigenverwaltung unterstützenden einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses ist das Gericht gebunden. Stimmt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig gegen die vorläufige Eigenverwaltung, unterbleibt die Anordnung.

(4) Bestellt das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter, sind die Gründe hierfür schriftlich darzulegen. § 27 Absatz 2 Nummer 4 gilt entsprechend.

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

(1) Das Gericht bestellt einen vorläufigen Sachwalter, auf den die §§ 274 und 275 anzuwenden sind (vorläufige Eigenverwaltung), wenn

1.
die Eigenverwaltungsplanung des Schuldners vollständig und schlüssig ist und
2.
keine Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass die Eigenverwaltungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruht.
Weist die Eigenverwaltungsplanung behebbare Mängel auf, kann das Gericht die vorläufige Eigenverwaltung einstweilen anordnen; in diesem Fall setzt es dem Schuldner eine Frist zur Nachbesserung, die 20 Tage nicht übersteigt.

(2) Sind nach dem gemäß § 270a Absatz 1 Nummer 1 übermittelten Finanzplan die Kosten der Eigenverwaltung und der Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs nicht gedeckt, übersteigen die nach § 270a Absatz 1 Nummer 5 ausgewiesenen voraussichtlichen Kosten der Eigenverwaltung in wesentlicher Weise die voraussichtlichen Kosten des Regelverfahrens oder sind Umstände bekannt, aus denen sich ergibt, dass

1.
Zahlungsrückstände gegenüber Arbeitnehmern oder erhebliche Zahlungsrückstände gegenüber den weiteren in § 270a Absatz 2 Nummer 1 genannten Gläubigern bestehen,
2.
zugunsten des Schuldners in den letzten drei Jahren vor der Stellung des Antrags Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach diesem Gesetz oder nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz angeordnet worden sind oder
3.
der Schuldner in einem der letzten drei Jahre vor der Antragstellung gegen die Offenlegungsverpflichtungen, insbesondere nach den §§ 325 bis 328 oder 339 des Handelsgesetzbuchs verstoßen hat,
erfolgt die Bestellung des vorläufigen Sachwalters nur, wenn trotz dieser Umstände zu erwarten ist, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten.

(3) Einem vorläufigen Gläubigerausschuss ist vor Erlass der Entscheidung nach Absatz 1 oder Absatz 2 Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Ohne Äußerung des Gläubigerausschusses darf eine Entscheidung nur ergehen, wenn seit der Antragstellung zwei Werktage vergangen sind oder wenn offensichtlich mit nachteiligen Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners zu rechnen ist, die sich nicht anders als durch Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters abwenden lassen. An einen die vorläufige Eigenverwaltung unterstützenden einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses ist das Gericht gebunden. Stimmt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig gegen die vorläufige Eigenverwaltung, unterbleibt die Anordnung.

(4) Bestellt das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter, sind die Gründe hierfür schriftlich darzulegen. § 27 Absatz 2 Nummer 4 gilt entsprechend.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.