Arbeitsgericht Rheine Urteil, 20. Mai 2015 - 5 Ca 673/15
Gericht
Tenor
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3) Der Streitwert wird auf 7.958,89 € festgesetzt.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über tarifliche Ansprüche.
3Der Kläger war vom 01.07.1979 bis zum 30.11.2014 bei der Beklagten als Maler und Lackierer beschäftigt. Seit dem 01.12.2014 erhält der Kläger Altersrente.
4Im Jahr 2009 schloss die Beklagte mit dem Verband der Metall- und Elektroindustrie und der IG Metall Bezirksleitung Niedersachsen-Sachen-Anhalt einen Sanierungstarifvertrag, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:
5„§ 1
6Geltungsbereich
7Dieser Tarifvertrag gilt:
8räumlich: für den Standort I 1, der Firma M GmbH
9persönlich: für alle tariflich Beschäftigten mit Ausnahme der Auszubildenden und Altersteilzeitler
10§ 5
11Arbeitnehmerbeiträge durch befristete Personalkostenabsenkung
12Die Gesamtbelastung aus den in den nachfolgenden Ziffern 2-8 geregelten Verzichtsleitungen beträgt je Beschäftigtem 11,1 % des individuellen Regeleinkommens im Verzichtszeitraum. Dazu wird zunächst der individuelle Gesamtverzicht des Mitarbeiters aus den nachstehenden Regelungen ermittelt. Differenzen zur Gesamtbelastung von 11,1 % werden durch entsprechende Anpassungen in der Höhe des zusätzlichen Urlaubsgeldes vorgenommen. (…)
13§ 8
14Wiederaufleben des Arbeitnehmerbeitrags
151. Sollte das Ergebnis der Geschäftstätigkeit (EBIT) des Unternehmens im Geschäftsjahr 2009 oder in einem der folgenden, vollendeten Geschäftsjahre über dem Ergebnis der als Anlage 1 beigefügten Prognose / Planung für 2009 liegen, wird das Unternehmen diejenigen Beschäftigten, die Sanierungsbeiträge nach Maßgabe von §§ 5 und 6 dieses Sanierungstarifvertrages erbracht haben („berechtigte Beschäftigte“) an dem das prognostizierte Ergebnis (EBIT) übersteigenden Betrag der vom Unternehmen gemäß § 7 zu fertigenden Übersicht beteiligen. (…)
16§ 9
17Anspruch in besonderen Fällen
18Bei Beschäftigten, die aus betriebsbedingten Gründen gekündigt werden, leben die Ansprüche gem. §§ 5 und 6 unmittelbar mit Ausspruch der Kündigung auf und werden zur Auszahlung gebracht. Diese Ansprüche entstehen unabhängig von etwaig zu beanspruchenden Abfindungsleistungen oder anderen Ansprüchen.
19Dies gilt nicht für Mitarbeiter, die eine Eigenkündigung aussprechen oder aus anderen Gründen aus dem Betrieb ausscheiden. Für diese Mitarbeiter entsteht zunächst ein Anspruch erst im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen gem. § 8. Dieser Anspruch mindert sich bei Ausscheiden:
20- im Jahre 2010 um 20 % des rechnerischen Gesamtanspruchs
21- im Jahre 2011 um 40 % des rechnerischen Gesamtanspruchs
22- im Jahre 2012 um 60 % des rechnerischen Gesamtanspruchs
23- im Jahre 2013 um 80 % des rechnerischen Gesamtanspruchs
24- im Jahre 2014 um 100 % des rechnerischen Gesamtanspruchs.
25Der Gesamtanspruch mindert sich um etwaige zwischenzeitliche Auszahlungen. (…)
26§ 10
27Beschäftigungssicherung
28Ziel der vorliegenden Vereinbarung zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und zur Sicherung von Arbeitsplätzen ist der Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen.
29Betriebsbedingte Kündigungen werden nicht ohne Zustimmung des Betriebsrates ausgesprochen. (…)
30Diese Regelung gilt bis zum 30.06.2010. (…)“
31Gemäß der Auflistung der Beklagten erbrachte der Kläger seit dem Jahr 2006 Verzichtsleistungen von insgesamt 8.805,77 €. Entsprechend der Verpflichtung aus § 8 des Sanierungstarifvertrages erstattete die Beklagte für das Jahr 2012 einen Betrag in Höhe von 312,72 € und für das Jahr 2013 einen Betrag in Höhe von 534,16 €, also insgesamt 846,88 €. Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Erstattung der restlichen Verzichtsleitungen in Höhe von 7.958,89 €.
32Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe der Klageforderung aus § 9 des Sanierungstarifvertrages zu. § 9 II des Sanierungstarifvertrages benachteilige ihn unangemessen im Sinne des § 307 I 1 BGB und sei deshalb unwirksam. Die Klausel unterscheide nicht danach, ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Sphäre des Arbeitnehmers oder der Arbeitgeberin entstammen würden. Weiter ergebe sich die Unwirksamkeit der Klausel zusätzlich daraus, dass die Beklagte sämtliche sonstigen Gründe des Ausscheidens aus dem Betrieb mit einer Eigenkündigung gleichsetze. Die Parteien des Sanierungstarifvertrages hätten den Fall des Ausscheidens eines Mitarbeiters aufgrund Erreichens der Altersgrenze nicht bedacht. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum ein Mitarbeiter, der erst im Jahr 2030 aufgrund betriebsbedingter Kündigung aus dem Unternehmen ausscheidet, besser gestellt sein soll, als der Kläger.
33Der Kläger beantragt,
34die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.958,89 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2014 zu zahlen.
35Die Beklagte beantragt,
36die Klage abzuweisen.
37Sie meint, dem Kläger stehe kein Rückzahlungsanspruch aus § 9 I des Sanierungstarifvertrages zu, da er nicht aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung, sondern wegen Verrentung ausgeschieden sei. Auch § 9 II würde ihm nicht weiter helfen, da für diesen Fall eine Reduzierung um 100 % des rechnerischen Gesamtbetrages bei Ausscheiden im Jahr 2014 greifen würde. Der Wortlaut des Sanierungstarifvertrages sei eindeutig. Zum selben Ergebnis komme man auch nach einer Auslegung nach Sinn und Zweck des Sanierungstarifvertrages. Dieser bestünde darin, dass Beschäftigten, welche durch Verzicht auf ihnen zustehende Entgeltleistungen ihren Beitrag zum Erhalt des Unternehmens geleistet hätten, die eingezahlten Beträge zurückzuerstatten seien. Diese Interessenlage finde sich bei Mitarbeitern, die aus anderen Gründen aus dem Unternehmen ausscheiden, nicht.
38Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll und die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
39Entscheidungsgründe:
40Die zulässige Klage ist unbegründet.
41I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 7.958,89 € zu. Dieser Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 9 des Sanierungstarifvertrages.
42§ 9 des Sanierungstarifvertrages unterscheidet zwischen Beschäftigen, welche aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung aus dem Unternehmen ausgeschieden sind (Abs. 1) und solchen, welche eine Eigenkündigung aussprechen oder aus anderen Gründen aus dem Betrieb ausscheiden (Abs. 2).
431. Würde man den Kläger der Gruppe der Mitarbeiter, welche „aus anderen Gründen“ aus dem Betrieb ausscheiden, nämlich hier aufgrund des Erreichens des Rentenalters, zuordnen, so könnte er auch dann seinen Anspruch nicht auf § 9 II des Sanierungstarifvertrages stützen. Dieser Anspruch entsteht erst im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 8 des Sanierungstarifvertrages (§ 9 II 2) und mindert sich gemäß § 9 II 3 bei Ausscheiden im Jahre 2014 um 100 % des rechnerischen Gesamtbetrages. Selbst wenn sich rechnerisch ein Rückzahlungsanspruch des Klägers nach § 8 ergeben würde, so wäre dieser Anspruch um 100 %, also auf Null zu reduzieren, da der Kläger am 01.12.2014 in Altersrente gegangen ist.
442. Dem Kläger steht auch kein Zahlungsanspruch aus § 9 I des Sanierungstarifvertrages zu. Er erfüllt nicht die erforderliche Voraussetzung, durch eine betriebsbedingte Kündigung der Beklagten aus dem Unternehmen ausgeschieden zu sein. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete mit Ablauf des 30.11.2014 aufgrund des Erreichens des Rentenalters seitens des Klägers. Die Begrenzung des tariflichen Anspruchs gemäß § 9 I des Sanierungstarifvertrages auf den Fall einer betriebsbedingten Kündigung verstößt weder gegen §§ 307 ff. BGB noch gegen den Gleichheitssatz. Dasselbe gilt auch für die Unterscheidung zwischen Mitarbeitern, welche betriebsbedingt gekündigt werden und solchen, die eine Eigenkündigung aussprechen oder aus anderen Gründen aus dem Betrieb ausscheiden (§ 9 II).
45a) Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 I, II BGB ist schon deshalb zu verneinen, weil eine AGB-Kontrolle bei der Prüfung von Tarifverträgen gemäß § 310 IV 1 BGB nicht durchzuführen ist.
46b) Die Auslegung des § 9 des Sanierungstarifvertrags ergibt entgegen der Auffassung des Klägers nicht, dass Letzterer der Gruppe der aufgrund von betriebsbedingten Kündigungen ausgeschiedenen Mitarbeitern und nicht solchen, die aus „anderen Gründen“ ausscheiden, zuzuordnen ist.
47aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Ausgehend vom Tarifwortlaut ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Erlaubt der Tarifwortlaut kein abschließendes Ergebnis, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und oft nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden kann. Ergänzend können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung herangezogen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil vom 20.01.2009, 9 AZR 677/07, juris, m.w.N.).
48bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall ist der Kläger der Mitarbeitergruppe aus § 9 II des Sanierungstarifvertrages zuzuordnen. Der Wortlaut der tariflichen Bestimmung im § 9 I, II ist eindeutig. Der Auszahlungsanspruch aus § 9 I ist an die Voraussetzung geknüpft, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz aufgrund des Ausspruchs einer betriebsbedingten Kündigung verliert. Alle weiteren Gründe, welche zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen können, sind unter § 9 II zu subsumieren, so auch das Erreichen des Rentenalters.
49Eine solche Auslegung entspricht auch dem Sinn der Regelung unter Berücksichtigung eines tariflichen Gesamtzusammenhangs. Der Sanierungstarifvertrag dient zum einen der Beschäftigungssicherung (vgl. § 10 des Sanierungstarifvertrages) und zum anderen soll durch Erbringung von Verzichtsleistungen ein Beitrag seitens der Beschäftigen zum Erhalt des Unternehmens geleistet werden. Die Tarifvertragsparteien haben sich dazu entschlossen, den Kreis der Berechtigten, welche nach § 9 I einen zeitlich unbegrenzten und an keine weiteren Voraussetzungen geknüpften Rückzahlungsanspruch haben sollen, auf die von betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Mitarbeiter zu begrenzen. Im Hinblick auf eine eindeutige, rechtssichere Handhabung, wann im Falle des Ausscheidens eines Arbeitnehmers ihm sein Sanierungsbeitrag zu erstatten ist, war eine klare Unterscheidung zwischen betriebsbedingten Kündigungen und anderen Ausscheidungsgründen eine vernünftige, sachgerechte, zweckorientierte und praktisch brauchbare Regelung (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 12.06.2012, 14 Sa 1275/11, Rn. 114, juris). Denn alle Konstellationen, welche nicht unter den Tatbestand der „betriebsbedingten Kündigung“ fallen, können unproblematisch unter § 9 II 1 des Sanierungstarifvertrages („aus anderen Gründen“) subsumiert werden.
50Unter dieser Prämisse kann der Fall der Verrentung nicht von § 9 I des Sanierungstarifvertrages umfasst sein. Entgegen der Auffassung des Klägers soll § 9 I und II nicht ausschließlich zwischen Gründen, welche aus der Sphäre des Arbeitgebers und solchen, die aus der Sphäre der Arbeitnehmer stammen, unterscheiden. Vielmehr wollten die Tarifvertragsparteien die Gruppen „betriebsbedingte Kündigung“ und „andere Gründen“ bilden. Dafür spricht wiederum der eindeutige Wortlaut der Klausel und deren Sinn und Zweck. § 9 I des Sanierungstarifvertrags soll solche Mitarbeiter privilegieren, welche durch ihre Verzichtleistungen in das Unternehmen investiert haben und trotz alledem aus betriebsbedingten, also im Ergebnis aus wirtschaftlichen Gründen ihren Arbeitsplatz verlieren müssen. Alle weiteren Ausscheidenstatbestände sollen von § 9 II aufgefangen werden. Die Eigenkündigung ist nur beispielhaft in dieser Klausel erwähnt worden. Die „anderen Gründe“ können beispielsweise verhaltens- / personenbedingte Kündigungen, der Abschluss von Aufhebungsverträgen oder eben das Erreichen des Rentenalters sein. Diese Gründe können, müssen aber nicht ausschließlich aus der Sphäre der Mitarbeiter stammen. Der Fall der Verrentung ist vergleichbar mit der Konstellation einer personenbedingten Kündigung. In beiden Fällen liegt der Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses außerhalb der Einflussmöglichkeiten beider Parteien. Und trotzdem würde man im Falle der personenbedingten Kündigung nicht auf die Idee kommen, den Anspruch aus § 9 I des Sanierungstarifvertrages zu prüfen und zu überlegen, ob vom Begriff der „betriebsbedingten Kündigung“ auch eine personenbedingte Kündigung umfasst werden sollte.
51c) Die Regelung des § 9 des Sanierungstarifvertrages verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG.
52Ob die Tarifvertragsparteien an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG unmittelbar (so: BAG, 04.04.2000, 3 AZR 729/98, NZA 2002, 917, 918) oder nur mittelbar gebunden sind (so: BAG, 08.12.2011, 6 AZR 319/09, NZA 2012, 275, 278), kann offen bleiben, weil für den Prüfungsmaßstab die dogmatische Herleitung ohne Bedeutung ist. Die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte dazu, solchen Tarifverträgen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 GG verletzten (LAG Hamm, Urteil vom 12.06.2012, 14 Sa 1275/11, Rn. 118, juris). Der Gleichheitssatz des Art. 3 I GG wird durch eine Tarifnorm verletzt, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Allerdings ist die richterliche Kontrolle von Tarifverträgen im Hinblick auf einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG nicht unbeschränkt eröffnet; Einschränkungen ergeben sich vielmehr aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Tarifautonomie nach Art. 9 III GG, der den Tarifpartnern eine Einschätzungsprärogative garantiert, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Regelungsprobleme und der Rechtsfolgen geht, und einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum einräumt, soweit es um die inhaltliche Gestaltung der Regelungen geht. Deshalb ist es nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung für das Regelungsproblem gefunden haben; auch der Kompromisscharakter von Tarifverträgen als Verhandlungsergebnis divergierender Interessen muss in dem Sinne berücksichtigt werden, dass an die Systemgerechtigkeit der tarifvertraglichen Regelungen keine zu hohen Erwartungen gestellt werden dürfen. Im Übrigen ist anerkannt, dass die Tarifpartner - im Interesse praktikabler, verständlicher und übersichtlicher Regelungen - typisierende Regelungen treffen können. Aus diesem Grunde kann bei der Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abgestellt werden, sondern nur auf die generellen Auswirkungen der Regelung. Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind jedoch dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BAG, Urteil vom 22.12.2009, 3 AZR 895/07, juris).
53An diesen Maßstäben gemessen ist ein Verstoß gegen Art. 3 I GG nicht festzustellen.
54Arbeitnehmer, welche aus anderen Gründen, als aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung ausscheiden, werden nicht ohne Sachgrund ungleich behandelt. Jedenfalls haben die Tarifvertragsparteien bei der Aufstellung tariflicher Vorschriften nicht tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten außer Acht gelassen, die so wesentlich sind, dass sie bei einer am allgemeinen Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung berücksichtigt werden müssen (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 12.06.2012, 14 Sa 1275/11, Rn. 118, juris). Aus der Privilegierung des § 9 I des Sanierungstarifvertrages sollten alle Arbeitnehmer raus genommen werden, die entweder auf eigenen Wunsch das Arbeitsverhältnis auflösen bzw. einer solchen Auflösung zustimmen oder welche den Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses in ihrer Person tragen. Der Fall des Erreichens des Rentenalters kann mit der Konstellation verglichen werden, in welcher der Mitarbeiter aufgrund einer personenbedingten (etwa einer krankheitsbedingten) Kündigung aus dem Betrieb ausscheiden muss. In beiden Fällen stammt der Auflösungsgrund aus der Sphäre des Arbeitnehmers, wobei weder der Beschäftigte noch die Arbeitgeberin etwas für die eingetretene Situation kann. Weil aber nach dem Sanierungstarifvertrag die Beschäftigungssicherung und der Erhalt des Unternehmens im Vordergrund stehen, war es den Tarifvertragsparteien nicht verwehrt, ihr Gestaltungsspielraum dahingehend auszuüben, den Kreis der Anspruchsberechtigten derart einzugrenzen, dass nur die betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer privilegiert werden. Auch das vom Kläger genannte Beispiel, dass ein Mitarbeiter, welcher im Jahr 2030 aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung ausschneiden würde, besser gestellt sei, als der Kläger, welcher schon im Jahr 2014 seinen Arbeitsplatz aufgeben musste, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn von den Tarifvertragsparteien kann bei der Ausübung ihres Gestaltungsspielraums nicht die Einhaltung der Einzelfallgerechtigkeit verlangt werden. Im Vordergrund steht vielmehr die Frage, ob die Gruppenbildung dem Gerechtigkeitsgedanken entspricht und nicht die Frage, ob jeder Arbeitnehmer in jeder Konstellation im Vergleich zu anderen Beschäftigen gleichbehandelt wird. Mit dieser Argumentation wäre eine praktikable Gruppenbildung bei Gestaltung von Sanierungstarifverträgen kaum möglich.
55Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Der Zinsanspruch ist wegen der Unbegründetheit der Hauptforderung ebenfalls zu verneinen.
56III. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 I 1 ZPO, die über den Streitwert aus §§ 61 I 1 ArbGG, 5 ff. ZPO.
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Annotations
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.