Arbeitsgericht Hagen Urteil, 24. Sept. 2014 - 3 Ca 1033/14
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 3.936,00 Euro festgesetzt.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten im Rahmen einer Feststellungsklage darüber, ob der Kläger von der Beklagten gemäß Tarifvertrag mit einer Mindestarbeitszeit von acht Stunden je Arbeitstag und von 173 Stunden je Monat zu beschäftigen ist.
3Der Kläger ist seit dem 03.08.2004 bei Rechtsvorgängern der Beklagten und seit dem 01.03.2012, nach erfolgten Betriebsübergängen, bei der Beklagten im Bereich Geld- und Werttransport zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst in Höhe von 2.460,00 € in Vollzeit beschäftigt. Er war zum Zeitpunkt des Abschlusses der für den vorliegenden Rechtsstreit relevanten Tarifverträge bis zum 01.04.2014 Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Die Beklagte führt Geld- und Werttransporte durch. Sie ist Mitglied …
4Unstreitig fand in der Vergangenheit auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 01.12.2006, gültig ab 01.01.2007 (künftig kurz: MRTV 2007) Anwendung, der in Kopie zur Gerichtsakte gereicht ist (Bl. 16 – 21 der Akte (auszugsweise) und 119 – 128 d.A.), worauf Bezug genommen wird.
5Mit Wirkung ab 01.01.2014 findet unstreitig die zwischen den Tarifvertragsparteien … und … getroffene Rahmenvereinbarung vom 11.11.2013, gültig mit Wirkung ab 01.01.2014 (künftig kurz: RVB 2014) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung, die auch in Kopie zur Gerichtsakte gereicht ist (Bl. 10 – 16 d.A.) und worauf ebenfalls Bezug genommen wird.
6In der RVB 2014 ist zur Arbeitszeit unter § 3 geregelt (Bl. 11 d.A.):
7„§ 3 Arbeitszeit
8(Punkt I. 3. des abschließenden Verhandlungsergebnisses vom 11.11.2013)
9Die regelmäßige tarifliche monatliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte ist für 5 Tage an den Werktagen von Montag bis Samstag zu leisten und errechnet sich aus der entsprechenden Anzahl der Arbeitstage / Monat / Bundesland multipliziert x 8 Stunden pro Arbeitstag.“
10In dem in § 3 der RVB 2014 in Bezug genommenen abschließenden, von den Tarifparteien paraphierten Verhandlungsergebnis, das ebenfalls in Kopie zur Gerichtsakte gereicht ist (Bl. 55, 56 d. A.) und worauf auch Bezug genommen wird, heißt es:
11„I. Mantel
12…
133. Arbeitszeit: verstetigtes Einkommen: Arbeitstage / Monat x 8 h für Vollzeitkräfte
14Pausenregelung mit Bezugnahme auf EU-Arbeitszeitrichtlinie zur Öffnung
15…“
16Unter § 6 der RVB 2014 ist geregelt (Bl. 12 d.A.):
17„§ 6 Mehrarbeitszuschlag
18(Punkt I. 6. des abschließenden Verhandlungsergebnisses vom 11.11.2013)
19Bei Fortschreibung des Besitzstandes im Übrigen ist in Änderung der bisherigen Tarifregelung ein Mehrarbeitszuschlag zu zahlen für jede, über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit gemäß § 3 Ziffer 1. hinaus angeordnete und geleistete Arbeitszeit im
20a) Bundesland Nordrhein-Westfalen ab der 186. Monatsarbeitsstunde…“
21Unter Ziffer 1 der Protokollnotiz in der RVB 2014 heißt es (Bl.15 d. A.):
22„1. Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass der Mantelrahmentarifvertrag vom 1. Dezember 2006 für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland für die Geld- und Wertdienste mit der Maßgabe der Änderungen aus der Rahmenvereinbarung für Geld- und Wertdienste vom 11. November 2013 für alle Tarifregionen weitergilt.
23…
24In § 6 des MRTV 2007 finden sich folgende, für den vorliegenden Rechtsstreit relevanten Regelungen zur Arbeitszeit (Bl. 123 d.A.):
25„§ 6 Arbeitszeit
261.1 Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit soll 8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann ohne Vorliegen von Arbeitsbereitschaft auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 12 Kalendermonaten im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Darüber hinaus kann die Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über 10 Stunden täglich verlängert werden, wenn die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt.
27…
281.5 …
29Die monatliche Regelarbeitszeit im Geld- und Werttransport und für Angestellte beträgt 173 Stunden im Durchschnitt des Kalenderjahres.
30…“
31Unstreitig ist in den Tarifverhandlungen zum Abschluss der RVB 2014 mit keinem Wort über eine tägliche Mindestarbeitszeit von acht Stunden gesprochen worden. Nach Auskunft von Tarifkommissionsmitgliedern sei die Regelung in § 3 lediglich als Berechnungsformel zur Ermittlung der monatlichen Regelarbeitszeit verwendet worden, mit der Zielsetzung, eine gewisse Verstätigung des Einkommens der Mitarbeiter im Geld- und Werttransport zu erreichen, nachdem die Arbeitgeberseite die von der Gewerkschaft … ursprünglich geforderte generelle verstätigte Vergütung von 173 Stunden im Monat strikt abgelehnt habe.
32Der Kläger ist der Auffassung, aus § 3 in Verbindung mit § 6 der RVB 2014 ergebe sich unter Mitberücksichtigung von § 6 des MRTV 2007, das tarifvertraglich für einen vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer eine Mindestbeschäftigungszeit von acht Stunden je Arbeitstag und von 173 Stunden je Monat festgelegt sei, mit der die Beklagte ihn zu beschäftigen habe. Die Regelungen in der RVB 2014 zur Arbeitszeit seien ohne die Regelungen zur Arbeitszeit im MRTV 2007 nicht verständlich. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Arbeitszeitregelungen der RVB 2014 die des MRTV 2007 als neue Regelung ablösen und ersetzen sollten. Aus der Zulässigkeit der Arbeitszeitüberschreitung gemäß § 6 Ziffer 1.1 MRTV 2007 folge, dass die in der Regelung genannten acht Stunden als Mindestarbeitszeit anzusehen seien.
33Wenn man die tariflichen Regelungen nicht als Mindestarbeitszeit verstehen würde, handele es sich nicht um eine Vollzeit-, sondern eine Teilzeitbeschäftigung im Sinne des TzBfG, was von den Tarifvertragsparteien nicht gewollt sei.
34Außerdem ließen sich dann die Voraussetzungen für eine Kurzarbeit nicht definieren und die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Einführung von Kurzarbeit würden umgangen.
35Zudem wären die tariflichen Regelungen über Mindestlöhne ohne eine gleichzeitige Vereinbarung einer Mindestarbeitszeit wertlos.
36Auch habe es bis zum 31.12.2013 schließlich eine gesetzliche Regelung gegeben, die eine tarifliche Mindestarbeitszeit von 160 Stunden und eine Regelarbeitszeit von 260 Stunden bzw. 173 Stunden für Arbeitnehmer im Geldtransportgewerbe vorgesehen habe.
37Schließlich habe in der Vergangenheit bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Gesamtbetriebsvereinbarung 09/2009 gegolten, wonach sichergestellt worden sei, dass monatlich zumindestens 173 Stunden vergütet wurden. So seien dem Kläger stets in der Vergangenheit auch in den Monaten Februar jeweils 173 Stunden vergütet worden, selbst wenn er weniger Stunden gearbeitet habe. Es habe dann jeweils einen Ausgleich von „Unterstunden“ stattgefunden.
38Unstreitig besteht auch Streit zwischen den Tarifvertragsparteien über die Auslegung von § 3 der RVB 2014.
39Der Kläger beantragt:
40Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, wonach der Kläger mit einer Mindestarbeitszeit von 8 Stunden pro Arbeitstag und einer Mindestarbeitszeit von 173 Stunden pro Monat zu beschäftigen ist.
41Die Beklagte beantragt,
42die Klage abzuweisen.
43Die Beklagte meint, weder aus § 3 der RVB 2014 noch aus § 6 des MRTV 2007 ergebe sich eine Mindeststundenzahl von acht Stunden je Arbeitstag und 173 Stunden je Monat. Für § 3 RVB 2014 werde dies auch aus dem paraphierten Verhandlungsergebnis der Tarifparteien vom 11.11.2013 deutlich. In § 3 RVB 2014 sei lediglich eine Berechnungsgrundlage für eine monatliche Regelarbeitszeit vereinbart worden, die nicht mit einer Mindestarbeitszeit gleichzusetzen sei. Zudem führe eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden nicht stets zu einer monatlichen Arbeitszeit von 173 Stunden, da die monatliche Arbeitszeit von der Anzahl der zugrundeliegenden Kalender/Werktage abhängig sei.
44Lediglich zweimal habe die Beklagte dem Kläger in einem Monat Februar 173 Stunden trotz vorhandener „Unterstunden“ vergütet, im Februar 2009 auf Grundlage einer Regelung eines Sanierungstarifvertrages vom 08./20.10.2009 und im Februar 2012 im Zusammenhang mit „Nachwehen“ von Sanierungsvereinbarungen.
45Für das weitere Vorbringen der Parteien wird Bezug genommen auf die ausgetauschten und zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie auf die in mündlicher Verhandlung zu Protokoll abgegebenen Erklärungen.
46E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
47A.
48Die Klage ist zulässig.
49Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das besondere Feststellungsinteresse nach dieser Vorschrift muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein (BAG, Urteil vom 24.05.2007 – 6 AZR706/06 – in: NZA 2007, 1175 ff. juris Rdnr. 13). Die Feststellungsklage muss sich dabei nicht notwendigerweise auf das Rechtsverhältnis in seiner Gesamtheit beziehen, auch einzelne Beziehungen und Folgen eines Rechtsverhältnisses können Gegenstand der Feststellungsklage sein. Festgestellt werden können daher beispielsweise auch einzelne aus dem Rechtsverhältnis sich ergebende Rechte, Ansprüche und Pflichten (Germelmann, Arbeitsgerichtsgesetz, 8. Aufl., § 46, Rdnr. 75).
50Der Kläger will vorliegend zulässig als einzelne Rechte aus seinem Arbeitsverhältnis eine arbeitstägliche und monatliche Mindestarbeitszeit festgestellt wissen. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich schon deshalb, da die Beklagte entsprechende Mindestarbeitszeiten in Abrede stellt und dem Kläger im Jahr 2014 keine „Unterstundenvergütung“ geleistet hat, folglich ihn nicht mit der nach Klägerauffassung einzuhaltenden Mindestarbeitszeit beschäftigt.
51B.
52Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger ist seitens der Beklagten nicht mit einer Mindestarbeitszeit von acht Stunden pro Arbeitstag und einer Mindestarbeitszeit von 173 Stunden pro Monat zu beschäftigen.
53a)
54Eine rechtliche Verpflichtung der Beklagten, den Kläger mit einer Mindestarbeitszeit von acht Stunden pro Arbeitstag zu beschäftigen, ergibt sich nicht aus § 3 RVB 2014, auch nicht in Verbindung mit § 6 RVB 2014 und § 6 MRTV 2007.
55Unstreitig finden die Regelungen der RVB 2014 auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung. Es handelt sich hier offensichtlich um tarifvertragliche Regelungen, auch wenn die RVB 2014 nicht als Tarifvertrag bezeichnet ist, aber von den Tarifparteien BDWG und ver.di abgeschlossen worden ist und gemäß Ziffer 1 der Protokollnotiz die Regelungen in der RVB 2014 zu Änderungen der Regelungen des ansonsten fortgeltenden MRTV 2007 führen.
56Beide Parteien des Rechtsstreits waren jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses der RVB 2014 am 11.12.2013 und des Gültigkeitsbeginns am 01.01.2014 durch ihre Mitgliedschaft in der BDGW bzw. ver.di tarifgebunden gemäß § 3 Abs. 1 TVG. Der Austritt des Klägers mit Wirkung ab 01.04.2014 aus der Gewerkschaft … ändert hieran aus Gründen gemäß § 3 Abs. 3 TVG nichts (s. hierzu nur Erfurter Kommentar/Franzen, 14. Aufl., § 3 TVG, Rdnr. 23).
57Bei aufeinanderfolgenden Tarifverträgen gilt in der Regel das Ablösungsprinzip (Zeitkollisionsregel; s. hierzu nur Münchener Kommentar BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage, § 611 BGB, Rn. 358), d. h., ohne Günstigkeitsvergleich gelten die Regeln des jüngeren Tarifvertrages, jedenfalls soweit sich aus dem jüngeren Tarifvertrag nichts anderes ergibt.
58§ 3 RVB 2014 beinhaltet lediglich eine Berechnungsgrundlage für die Ermittlung einer regelmäßigen tariflichen monatlichen Arbeitszeit, die u. a. auf Basis von 8 Arbeitsstunden je Arbeitstag errechnet wird, keine Festlegung einer Mindestarbeitszeit von 8 Stunden je Arbeitstag oder auch von 173 Stunden im Monat. Dies ergibt die Auslegung der Regelung.
59Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil v. 22.04.2010 – 6 AZR 962/08 -, in: NZA 2011, 1293 f., juris Rn. 17; Erfurter Kommentar/Franzen a.a.O. § 1 TVG Rn. 92; Münchner Kommentar BGB/Müller-Glöge a.a.O., § 611 BGB, Rn. 360).
60Der Wortlaut von § 3 RVB 2014 ist eindeutig insoweit, als sich hieraus weder eine Mindeststundenzahl für eine tägliche noch für eine monatliche Arbeitszeit ergibt, mit der die unter diese Regelung fallenden Arbeitnehmer, und damit auch der Kläger, zu beschäftigen sind. Unter der Überschrift „Arbeitszeit“ ist lediglich die Rede davon, dass sich die regelmäßige tarifliche monatliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte für 5 Werktage an den Werktagen Montag bis Samstag aus der entsprechenden Anzahl der Arbeitstage/Monat/Bundesland multipliziert mit 8 Stunden je Arbeitstag errechnet. Hieraus ergibt sich folglich weder eine tatsächlich zu leistende Arbeitszeit von mindestens 8 Stunden je Arbeitstag, da diese 8 Stunden je Arbeitstag nur eine Berechnungsgrundlage für die regelmäßige monatliche Arbeitszeit darstellen sollen, noch eine mindestens zu leistende Arbeitszeit von 173 Stunden je Monat, da sich z. B. für den Monat Februar und Monate mit nur 21 Arbeitstagen in der 5-Tage-Woche bei 8 Stunden je Arbeitstag weniger als 173 Stunden im Monat ergeben. Es ist nur eine regelmäßige monatliche Arbeitszeit zu errechnen, die aber nicht zwingend jeden Monat als Mindestarbeitszeit zu leisten ist.
61Eine Mindestarbeitszeit6 von 8 Stunden je Arbeitstage ergibt sich auch nicht aus § 6 a) RVB 2014, wo nur geregelt ist, dass bei Fortschreibung des Besitzstands im Übrigen in Nordrhein-Westfalen für über die monatliche Arbeitszeit gemäß § 3 Ziff. 1 hinaus angeordnete und geleistete Arbeitszeit ab der 186 Monatsarbeitsstunde ein Mehrarbeitszuschlag zu zahlen ist.
62Ebenso wenig ergibt sich eine Mindestarbeitszeit unter Beachtung von I.3 des „Abschließenden Verhandlungsergebnisses zwischen der … und … anlässlich der 6. Tarifverhandlungsrunde am 11. November 2013 in Fulda“ (Bl. 55 d. A.), wo nur zu dem Begriff Arbeitszeit von einem verstetigten Einkommen ausgehend von 8 Stunden je Arbeitstag/Monat die Rede ist.
63Zu keinem anderen Ergebnis führen auch § 6 Ziff. 1.1 und Ziff. 1.5, 2. Absatz des MRTV 2007, soweit der Kläger von einer weiteren Geltung der Regelungen des MRTV 2007 ausgeht, was auch der Regelung der Tarifparteien unter Ziff. 1 der Protokollnotiz der RVB 2014 entspricht, da unter Ziff. 1.1. nur geregelt ist, dass die tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden nicht überschritten werden soll bzw. unter welchen Voraussetzungen sie überschritten werden kann, und da unter Ziff. 1.5, 2. Absatz nur eine monatliche Regelarbeitszeit von 173 Stunden im Durchschnitt des Kalenderjahres geregelt ist.
64Weitere erhebliche Umstände, die für eine Mindestbeschäftigungszeit des Klägers von 8 Stunden je Arbeitstag gemäß der genannten Regelungen der RVB 2014 und des MRTV 2007 sprechen, werden aus dem Vortrag des Klägers nicht deutlich und sind für die Kammer auch nicht ersichtlich.
65Soweit der Kläger auf Bestimmungen des TzBfG und die Bestimmbarkeit eines Teilzeitarbeitsverhältnisses in Abgrenzung zu einem Vollzeitarbeitsverhältnis abstellt, ergibt sich aus § 2 Abs. 1 TzBfG, wie ein Teilzeitarbeitsverhältnis in Abgrenzung zu einem Vollzeitarbeitsverhältnis auch bei nicht Vorliegen einer Mindestarbeitszeit zu bestimmen ist.
66Für die Einführung von Kurzarbeit ist die vorherige Festlegung einer Mindestarbeitszeit nicht erforderlich, da es sich bei Kurzarbeit lediglich um die vorübergehende Kürzung der betriebsüblichen, normalen Arbeitszeit handelt.
67Eine gesetzliche oder tarifvertraglich vorgesehene Mindestarbeitszeit von 160 Stunden existierte vor dem 01.01.2014 nicht, wie der Kläger behauptet, würde aber auch nicht ohne weiteres eine Rolle für die Auslegung der hier relevanten Regelungen der RVB 2014 und des MRTV 2007 spielen. Lediglich in § 2 Ziff. 1 des Manteltarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe vom 08.12.2005 war bis zur Ablösung dieses Manteltarifvertrages durch den MRTV 2007 eine Mindestarbeitszeit von 160 Stunden monatlich für einen vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer geregelt, dabei aber auch mit einem entsprechend eindeutigen Wortlaut, was eher gerade gegen eine Mindestarbeitszeit in den zeitlich folgenden tariflichen Regelungen spricht, die über keinen entsprechenden Wortlaut verfügen.
68Die Tatsache, dass im Unternehmen der Beklagten eine Unzahl verschiedener Arbeitsverträge existiert, für die die Beklagte nach Klägervortrag eine Vereinheitlichung anstrebt, und dass die Beklagte in der Vergangenheit zweimal in einem Monat Februar aufgrund anderweitiger Regelungen oder Umstände trotz weniger geleisteter Stunden jeweils 173 Stunden an den Kläger vergütet hat, ergibt ebenfalls keine Auslegungsgesichtspunkte für eine aktuelle Mindestarbeitszeit von 8 Stunden je Arbeitstag.
69Vielmehr ist es so, dass nach unbestrittenem Beklagtenvortrag in den Tarifverhandlungen zu § 3 RBV 2014 über eine tägliche Mindestarbeitszeit von 8 Stunden je Arbeitstag mit keinem Wort gesprochen worden ist, § 3 RVB 2014 lediglich eine Berechnungsformel zur monatlichen Regelarbeitszeit liefern sollte, was ausdrücklich gegen eine Auslegung von § 3 RVB 2014 dahingehend spricht, hier sei eine Mindestarbeitszeit von 8 Stunden je Arbeitstag geregelt.
70Etwas anderes folgt auch nicht aus den von beiden Parteien vorgelegten Informationsschreiben von ver.di (Bl. 29 u. 57 d. A.), in denen von einer Vereinbarung einer täglichen oder monatlichen Mindestarbeitszeit keine Rede ist, vielmehr allenfalls von einer Bezahlung von 8 Stunden je Arbeitstag, auch wenn die Schicht weniger als 8 Stunden dauert (s. Info-Schreiben Nr. 01/2014 v. ver.di, Bl. 29 d. A.), was auch gerade gegen die Vereinbarung einer Mindestarbeitszeit von 8 Stunden je Arbeitstag spricht.
71b)
72Aus den gleichen Gründen ist die Beklagte ebenfalls nicht verpflichtet, den Kläger mit einer monatlichen Mindestarbeitszeit von 173 Stunden zu beschäftigen.
73Eine solche Verpflichtung ergibt sich weder aus dem Wortlaut gemäß §§ 3, 6 RVB 2014, noch aus dem Wortlaut gemäß § 6 Ziff. 1.1 und 1.5, 2. Absatz MRTV 2007. Weitere erhebliche Umstände, die für eine entsprechende Auslegung der tariflichen Vorschriften im Sinne des Klägers sprechen, werden aus dem Klägervortrag nicht ersichtlich und sind für die Kammer auch nicht erkennbar. Weitere, noch geltende Vorschriften oder Absprachen, die einen Anspruch des Klägers auf eine monatliche Mindestbeschäftigungszeit von 173 Stunden vorsehen, liegen nicht vor.
74C.
75Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 91 ff. ZPO. Der Kläger hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtstreits zu tragen.
76Die Streitwertfestsetzung ergibt sich gemäß §§ 46 Abs. 2, 61 Abs. 1 ArbGG, §§ 3 ff. ZPO. Ausgehend von einem Wert von 2 Brutto-Monatsverdiensten des Klägers wird hier ein Streitwert in Höhe von 80 % von 2 Brutto-Monatsverdiensten für angemessen erachtet, da es sich um eine Feststellungsklage handelt.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht Hagen Urteil, 24. Sept. 2014 - 3 Ca 1033/14
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Urteil einreichenArbeitsgericht Hagen Urteil, 24. Sept. 2014 - 3 Ca 1033/14 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.
(2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.
(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet.
Tenor
-
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 22. Oktober 2008 - 13 Sa 77/08 - aufgehoben.
-
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Strukturausgleich nach § 12 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst(TVöD) und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) vom 13. September 2005.
- 2
-
Die 1966 geborene Klägerin ist seit dem 15. März 1989 in einer Forschungsanstalt der Beklagten als Chemielaborantin in der Funktion einer Chemisch-Technischen Assistentin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundes-Angestelltentarifvertrag(BAT) Anwendung. Seit dem 1. Oktober 2005 richtet sich das Arbeitsverhältnis aufgrund beiderseitiger Tarifbindung nach dem TVöD und dem TVÜ-Bund. Die Klägerin war zunächst in der Vergütungsgruppe VI b, Fallgruppe 1, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Im Wege eines Zeitaufstiegs wurde sie zum 1. Januar 1997 in die Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 2, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT höhergruppiert. Sie erhielt vor der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD zuletzt Grundgehalt dieser Vergütungsgruppe nach Lebensaltersstufe 39. Im Rahmen der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD wurde die Klägerin der Entgeltgruppe E 8 TVöD und einer ihrem Vergleichsentgelt entsprechenden individuellen Endstufe zugeordnet, weil das Vergleichsentgelt über der höchsten Stufe 6 der Entgeltgruppe E 8 TVöD lag.
- 3
-
In einem Schreiben vom 10. Oktober 2005 unterrichtete die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel die Klägerin über die Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses in den TVöD und teilte ua. mit, dass sie einen Strukturausgleich in Höhe von 40,00 Euro(auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung) erhält, dieser Ausgleichsbetrag ab dem 1. Oktober 2007 dauerhaft gezahlt, jedoch nicht dynamisiert wird und daher an künftigen Tariferhöhungen nicht teilnimmt. Das Schreiben enthält den Hinweis, dass es der Information dient und keinen Rechtsanspruch begründet.
-
Die mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit beschäftigte Klägerin hat ohne Erfolg von der Beklagten ab Oktober 2007 Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund iVm. Anlage 3 TVÜ-Bund (Strukturausgleichstabelle) in Höhe von monatlich 20,00 Euro verlangt. In dieser Tarifvorschrift und der Strukturausgleichstabelle heißt es:
-
„§ 12 Strukturausgleich
(1) 1Aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O übergeleitete Beschäftigte erhalten ausschließlich in den in Anlage 3 TVÜ-Bund aufgeführten Fällen zusätzlich zu ihrem monatlichen Entgelt einen nicht dynamischen Strukturausgleich. 2Maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen (Vergütungsgruppe, Lebensalterstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) ist der 1. Oktober 2005, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist.
(2) Die Zahlung des Strukturausgleichs beginnt im Oktober 2007, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht etwas anderes bestimmt ist.
(3) …
(4) Bei Teilzeitbeschäftigung steht der Strukturausgleich anteilig zu (§ 24 Abs. 2 TVöD). ...
Protokollerklärung zu Absatz 4:
Bei späteren Veränderungen der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der/des Beschäftigten ändert sich der Strukturausgleich entsprechend.
…
Anlage 3 TVÜ-Bund
Strukturausgleiche für Angestellte (Bund)
...
Entgeltgruppe
Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ
Aufstieg
Orts-Zuschlag Stufe 1, 2
Lebensaltersstufe
Höhe Ausgleichsbetrag
Dauer
bei In-Kraft-Treten TVÜ
2
X
IX b nach 2 Jahren
OZ 2
23
40 €
für 4 Jahre
…
…
…
…
…
…
…
8
V c
ohne
OZ 2
39
40 €
dauerhaft
…
…
…
…
…
…
…“
-
Die Niederschriftserklärungen zu § 12 TVÜ-Bund lauten:
-
„1.
1Die Tarifvertragsparteien sind sich angesichts der Fülle der denkbaren Fallgestaltungen bewusst, dass die Festlegung der Strukturausgleiche je nach individueller Fallgestaltung in Einzelfällen sowohl zu überproportional positiven Folgen als auch zu Härten führen kann. 2Sie nehmen diese Verwerfungen im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten hin.
2.
1Die Tarifvertragsparteien erkennen unbeschadet der Niederschriftserklärung Nr. 1 an, dass die Strukturausgleiche in einem Zusammenhang mit der zukünftigen Entgeltordnung stehen. 2Die Tarifvertragsparteien werden nach einer Vereinbarung der Entgeltordnung zum TVöD, rechtzeitig vor Ablauf des 30. September 2007 prüfen, ob und in welchem Umfang sie neben den bereits verbindlich vereinbarten Fällen, in denen Strukturausgleichsbeträge festgelegt sind, für einen Zeitraum bis längstens Ende 2014 in weiteren Fällen Regelungen, die auch in der Begrenzung der Zuwächse aus Strukturausgleichen bestehen können, vornehmen müssen. 3Sollten zusätzliche Strukturausgleiche vereinbart werden, sind die sich daraus ergebenden Kostenwirkungen in der Entgeltrunde 2008 zu berücksichtigen.“
- 6
-
Die Klägerin hat gemeint, sie habe nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle Anspruch auf anteiligen Strukturausgleich in Höhe von monatlich 20,00 Euro. Sie sei bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund in der Vergütungsgruppe V c der Anlage 1a zum BAT eingruppiert gewesen und habe alle anderen für diese Vergütungsgruppe in der Strukturausgleichstabelle genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Ohne Bedeutung sei, dass sie aus der Vergütungsgruppe VI b in die Vergütungsgruppe V c der Anlage 1a zum BAT aufgestiegen sei. Die tarifliche Regelung stelle für den Anspruch auf den Strukturausgleich nicht auf die „originäre“ Vergütungsgruppe oder die „Ausgangsvergütungsgruppe“ ab. Maßgeblich sei die Eingruppierung am Stichtag. Für die Monate Oktober und November 2007 stünde ihr aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung Strukturausgleich in Höhe von jeweils 20,00 Euro brutto zu.
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Die Klägerin hat beantragt:
-
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2007 zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin einen monatlichen Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund zu bezahlen.
- 8
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Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, für den Anspruch auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle sei nicht auf die am Stichtag tatsächlich erreichte, sondern die originäre Vergütungsgruppe abzustellen. Die Spalten 2 und 3 der Tabelle seien nur verständlich, wenn sie als Einheit verstanden würden. Die Tarifvertragsparteien hätten die Aufstiegsmöglichkeiten der Beschäftigten in der Strukturausgleichstabelle nachgezeichnet. So sei in Spalte 3 stets eine höhere Vergütungsgruppe als in Spalte 2 der Tabelle ausgewiesen. Anders als in der Anlage 2 TVÜ-Bund hätten die Tarifvertragsparteien in der Strukturausgleichstabelle nicht zwischen vorhandenem, vollzogenem und noch ausstehendem Aufstieg differenziert. Die Fallvariante „nach Aufstieg“ enthalte diese Tabelle nicht. Dies zeige, dass es für den Anspruch auf den Strukturausgleich auf die originäre Vergütungsgruppe ankomme. Die Fallgruppe der originären Vergütungsgruppe ohne weitere Aufstiegsmöglichkeit könne nicht mit der nach erfolgtem Aufstieg erreichten Vergütungsgruppe gleichgestellt werden. Für dieses Auslegungsergebnis spreche auch, dass die nach dem Überleitungsstichtag vollzogenen Aufstiege gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund zum Wegfall des Strukturausgleichs führten.
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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf anteiligen Strukturausgleich weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung darf die Klage nicht abgewiesen werden. In der Sache kann der Senat nicht selbst entscheiden. Es bedarf der Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht, ob sich die Tarifvertragsparteien - wie die Beklagte behauptet - in den Tarifvertragsverhandlungen einig gewesen sind, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ in der Strukturausgleichstabelle nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist.
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I. Die Klage ist zulässig.
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1. Der auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Strukturausgleich gerichtete Feststellungsantrag hat eine Leistungsverpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis zum Gegenstand(vgl. BAG 29. September 2004 - 5 AZR 528/03 - BAGE 112, 112, 115). Für diesen Antrag liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Das angestrebte Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann erwartet werden, dass die Beklagte einem gegen sie ergangenen Feststellungsurteil nachkommen und die sich daraus ergebenden Leistungsansprüche erfüllen wird. Die Klägerin musste den beanspruchten Ausgleichsbetrag auch nicht beziffern, nachdem dieser Betrag bei Teilzeitbeschäftigung anteilig zu zahlen ist (§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) und die Höhe des Strukturausgleichs damit vom jeweiligen zeitlichen Umfang der Beschäftigung der Klägerin abhängt.
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2. Allerdings bedarf der Feststellungsantrag bezüglich des Beginns des streitbefangenen Zeitraums der Auslegung, nachdem die Klägerin insoweit von einer Datumsangabe abgesehen hat. Die Klägerin beansprucht für die Monate Oktober und November 2007 Strukturausgleich im Wege der Zahlungsklage. Ihr Feststellungsbegehren ist daher so auszulegen, dass die Verpflichtung der Beklagten festgestellt werden soll, ihr ab Dezember 2007 Strukturausgleich zu zahlen.
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II. Das Arbeitsverhältnis richtet sich aufgrund beiderseitiger Tarifbindung ua. nach den Bestimmungen des TVÜ-Bund. Der mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit beschäftigten Klägerin könnte deshalb nach § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle ab dem 1. Oktober 2007 anteiliger Strukturausgleich(§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) in Höhe von monatlich 20,00 Euro brutto zustehen. Für die Monate Oktober und November 2007 schuldete ihr die Beklagte in diesem Fall Strukturausgleich in Höhe des im Wege der Zahlungsklage geltend gemachten Betrags von 40,00 Euro brutto.
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1. Die Tarifvertragsparteien haben in der Strukturausgleichstabelle den Anspruch auf den Ausgleichsbetrag an fünf Voraussetzungen geknüpft. Sie haben zu jeder „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ“ für bestimmte Lebensaltersstufen und Stufen des Ortszuschlags jeweils die Höhe des Ausgleichsbetrags und die Dauer der Zahlung des Strukturausgleichs festgelegt. Die Klägerin hat am 1. Oktober 2005 und damit am gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund maßgeblichen Stichtag die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für einen dauerhaft zu zahlenden Strukturausgleich in Höhe von monatlich 40,00 Euro bei Vollzeitbeschäftigung nur dann erfüllt, wenn es für das Merkmal „Aufstieg - ohne“ ausreicht, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Sie wurde im Rahmen der Überleitung in den TVöD der Entgeltgruppe E 8 zugeordnet. Seit dem 1. Januar 1997 und damit bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund am 1. Oktober 2005 war sie in der Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 2, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Darüber, dass der Klägerin bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund Ortszuschlag der Stufe 2 zustand, sie zu diesem Zeitpunkt die Lebensaltersstufe 39 erreicht hatte und im Wege eines Bewährungs-, Fallgruppen- oder Tätigkeitsaufstiegs nicht mehr höhergruppiert werden konnte, besteht kein Streit.
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2. Strittig ist, ob es sich bei der in der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle genannten Vergütungsgruppe entsprechend der Annahme des Landesarbeitsgerichts und der Rechtsauffassung der Beklagten um die „originäre“ Vergütungsgruppe handelt und spätere Höhergruppierungen durch Bewährungs- oder Zeitaufstiege nicht zu berücksichtigen sind(so auch Kutzki RiA 2009, 256; Görgens ZTR 2009, 562; Kuner Der neue TVöD Rn. 114a; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Juni 2009 TVÜ-Bund § 12 Rn. 18, 19; Hinweise zur Anwendung der Regelungen über Strukturausgleiche gemäß § 12 TVÜ-Bund des Bundesministeriums des Innern [Hinweise des BMI] vom 10. August 2007 - D II 2-220 210 1/12 - Nr. 3.4.1 und 3.4.2), oder ob es entsprechend der Ansicht der Klägerin auf die am Stichtag tatsächlich erreichte Vergütungsgruppe ankommt (so Hanau ZTR 2009, 403; Dannenberg PersR 2009, 193; Schmidt-Rudloff in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr Beck’scher Online-Kommentar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12 Rn. 2 und 4).
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3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts(vgl. 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 30, BAGE 124, 110; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - BAGE 111, 204, 209; 8. September 1999 - 4 AZR 661/98 - BAGE 92, 259, 263) folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.
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4. Der Wortlaut der tariflichen Regelungist nicht eindeutig. § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund bestimmt, dass maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen(Vergütungsgruppe, Lebensaltersstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) der 1. Oktober 2005 ist, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Damit verweist der Wortlaut der Tarifbestimmung zwar nicht auf eine „originäre“ Vergütungsgruppe, eine „Ausgangsvergütungsgruppe“ oder die „Vergütungsgruppe bei erstmaliger Übertragung der Tätigkeit“. Die in Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle unter der Überschrift „Aufstieg“ enthaltene Angabe „ohne“ kann vom Wortsinn her aber auch so verstanden werden, dass die in der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle angegebene Vergütungsgruppe ohne vorherigen Aufstieg erreicht sein muss und keinen künftigen Aufstieg vorsehen darf. Der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund hindert nicht ein Verständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 die für die Überleitung in den TVöD maßgebliche Vergütungsgruppe nicht mit einem früheren oder zukünftigen Aufstieg verbunden sein darf.
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5. Auch die Tarifsystematik führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis.
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a) Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien in der Anlage 2 TVÜ-Bund, die die Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den Entgeltgruppen regelt, in der Spalte 2 zwischen Vergütungsgruppen „ohne Aufstieg“, „nach Aufstieg“ und „mit ausstehendem Aufstieg“ unterschieden und in der Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle mit dem Wort „ohne“ von dieser Differenzierung abgesehen haben, spricht noch nicht entscheidend dafür, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ ausschließlich das Fehlen künftiger Aufstiegsmöglichkeiten erfasst und Vergütungsgruppen nach erfolgtem Aufstieg nicht vom Strukturausgleich ausgenommen sind. Die Strukturausgleichstabelle und die Anlage 2 TVÜ-Bund verfolgen nicht nur unterschiedliche Regelungszwecke. Sie unterscheiden sich auch in der Regelungstechnik, indem in der Strukturausgleichstabelle anders als in der Anlage 2 TVÜ-Bund der Aufstieg unter der entsprechenden Überschrift in einer gesonderten Spalte behandelt wird. Dies könnte gegen eine Anknüpfung an die in Anlage 2 TVÜ-Bund getroffenen Differenzierungen und für eine eigenständige Auslegung sprechen, zumal in der Strukturausgleichstabelle anders als in Anlage 2 Spalte 2 TVÜ-Bund nach dem Wort „ohne“ die für einen Aufstieg in Betracht kommende höhere Vergütungsgruppe nicht genannt wird. Würde das Merkmal „Aufstieg - ohne“ in einem weiteren Sinne als die Worte „ohne Aufstieg“ in der Anlage 2 TVÜ-Bund verstanden, dürfte die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden sein.
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b) Wenn die Strukturausgleichstabelle bei den genannten Vergütungsgruppen mit Aufstieg nur Vergütungsgruppen mit einem am Stichtag noch nicht erfolgten, also einem zukünftigen Aufstieg bezeichnet, liegt die Annahme nahe, auch das Wort „ohne“ erfasse nur einen zukünftigen Aufstieg. Allerdings lässt sich dieser Auslegung entgegenhalten, dass in den Fällen mit Aufstieg die höhere Vergütungsgruppe genannt ist, in den Fällen ohne Aufstieg dagegen nicht.
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c) Aus dem Wort „ausschließlich“ in § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund kann zwar abgeleitet werden, dass die Zahlung von Strukturausgleich Ausnahmecharakter hat. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ auch solche Vergütungsgruppen vom Strukturausgleich ausschließen soll, die von den Beschäftigten im Wege des Aufstiegs erreicht wurden. Ob es nach dem Willen der Tarifvertragsparteien mehr oder weniger Ausnahmefälle geben soll, in denen Strukturausgleich zu zahlen ist, erschließt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund nicht.
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d) Das Argument, dass in den Fällen eines nach § 8 Abs. 2 TVÜ-Bund nachgeholten Bewährungs- oder Fallgruppenaufstiegs ab dem individuellen Aufstiegszeitpunkt ein etwaiger Strukturausgleich entfällt und dass ein Wertungswiderspruch entstünde, wenn man die nach dem Stichtag erfolgte Gleichstellung mit den früher Aufgestiegenen mit dem Wegfall des Strukturausgleichs bestrafe, die früheren Höhergruppierungen hingegen noch durch Zahlungen eines Strukturausgleichs belohne, trägt nicht( aA Görgens ZTR 2009, 562, 563). Es berücksichtigt nicht die unterschiedlichen Folgen der Überleitung nach einem Aufstieg aus einer höheren Vergütungsgruppe und der Überleitung vor einem nach dem alten Tarifrecht möglichen Aufstieg aus der niedrigeren Vergütungsgruppe. Die Tarifvertragsparteien waren aufgrund des Stichtagsprinzips nicht gehindert, nur danach zu differenzieren, ob am 1. Oktober 2005 ein (weiterer) Aufstieg noch möglich war.
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6. Auch Sinn und Zweck des Strukturausgleichs geben kein eindeutiges Auslegungsergebnis vor.
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a) Mit dem Strukturausgleich wollten die Tarifvertragsparteien Erwartungen auf zukünftige Entgeltsteigerungen nach dem bisherigen Tarifsystem Rechnung tragen. Bei der Ermittlung der begünstigten Personengruppen war entscheidend, welche Einkommensentwicklung bei der bisher erreichten Vergütungsgruppe und Lebensaltersstufe sowie dem jeweiligen Familienstand(Ortszuschlag Stufe 1 oder Stufe 2) noch möglich gewesen wäre. Dies erklärt, warum die Strukturausgleichsbeträge innerhalb einer Vergütungsgruppe bei verschiedenen Lebensaltersstufen nicht stets gleich hoch sind (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Dezember 2009 Teil IV/3 TVÜ-Bund/TVÜ-VKA Rn. 150). Im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten haben die Tarifvertragsparteien Verwerfungen in Einzelfällen ausdrücklich hingenommen (Nr. 1 Satz 2 der Niederschriftserklärungen zu § 12 TVÜ-Bund). Mit den Spalten 2 und 3 der Strukturausgleichstabelle haben sie zwar auch mögliche Karriereentwicklungen der Angestellten nach dem BAT/BAT-O abgebildet, soweit sie den Anspruch auf Strukturausgleich in der Spalte 3 an den Aufstieg in eine höhere Vergütungsgruppe geknüpft haben. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien mit dem Strukturausgleich nicht ausschließlich nach dem bisherigen Tarifsystem bestehenden Exspektanzen im Hinblick auf eine Höhergruppierung Rechnung getragen. Sie haben vielmehr auch Exspektanzverluste aufgrund der Beseitigung des Aufstiegs nach dem Lebensalter abmildern wollen. In Spalte 5 der Strukturausgleichstabelle haben sie deshalb auf die Lebensaltersstufe des Angestellten bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund abgestellt (vgl. Hanau ZTR 2009, 403, 408).
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b) Dieses Abmilderungsziel spricht zwar für das Verständnis, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ bereits erfüllt ist, wenn am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Entgeltsteigerungen aufgrund des Erreichens einer höheren Lebensaltersstufe wären nach bisherigem Tarifrecht unabhängig davon eingetreten, ob die aktuelle Eingruppierung noch einen Bewährungs- oder Tätigkeitsaufstieg zugelassen hätte oder ein solcher Aufstieg bereits vor dem Inkrafttreten des TVÜ-Bund erfolgt war. Der Verlust der Altersexspektanz trifft alle Beschäftigte einer Vergütungsgruppe gleich, unabhängig davon, ob sie in diese originär eingruppiert waren oder durch Aufstieg gelangt sind(Hanau ZTR 2009, 403, 407). Eine Bindung des Anspruchs auf Strukturausgleich an eine originäre Vergütungsgruppe könnte deshalb dem Willen der Tarifvertragsparteien, auch mit der Abschaffung der Lebensaltersstufen verbundene Exspektanzverluste auszugleichen (vgl. Dannenberg PersR 2009, 193, 195), widersprechen.
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c) Zwingend ist dies jedoch nicht. Auch eine Regelung, wonach das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist, würde die Grenzen der autonomen Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund nicht überschreiten, sondern wäre von der Tarifautonomie gedeckt.
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7. Das von der Klägerin befürwortete Auslegungsergebnis ist auch nicht nennenswert praktikabler als das Abstellen auf originäre Vergütungsgruppen. Die Prüfung, ob im Überleitungszeitpunkt eine bestimmte Aufstiegsmöglichkeit bzw. keine Aufstiegsmöglichkeit bestand, erfordert ohnehin den Rückgriff auf die bei der Überleitung einschlägige Fallgruppe der Vergütungsgruppe des BAT, so dass ohne Weiteres festgestellt werden kann, ob der Angestellte in die Vergütungsgruppe mit der entsprechenden Fallgruppe erst durch einen vorherigen Aufstieg gelangt ist. Aufgrund dieses notwendigen Rückgriffs auf die einschlägige Fallgruppe kann aus der Strukturausgleichstabelle auch dann nicht „problemlos“ abgelesen werden, wer ab wann für wie lange welchen Betrag erhält, wenn ohne Weiteres auf die Vergütungsgruppe abgestellt wird, in der der Angestellte bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund eingruppiert war(aA Schmidt-Rudloff in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr Beck’scher Online-Kommentar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12).
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8. Ob es nach § 12 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts(TVÜ-Länder) vom 12. Oktober 2006 für den Anspruch auf Strukturausgleich darauf ankommt, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe ohne Aufstieg erreicht worden ist, ist für die Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ in der Anlage 3 TVÜ-Bund nicht entscheidend. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder auf die originäre Vergütungsgruppe abgestellt haben sollten, könnte daraus kein entsprechender Regelungswille der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund abgeleitet werden, die diesen Tarifvertrag bereits am 13. September 2005 vereinbart hatten.
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9. Ebenso wenig Rückschlüsse auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund lässt der zeitgleich vereinbarte Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts(TVÜ-VKA) mit seiner in Anlage 2 geregelten Strukturausgleichstabelle zu. Diese ist anders strukturiert als die Tabelle für die Beschäftigten des Bundes und nicht mit vergleichbaren Auslegungsproblemen verbunden. Soweit dort auch für einige Fälle ein Strukturausgleich vorgesehen ist, in denen der Angestellte im Wege des Aufstiegs in eine höhere Vergütungsgruppe gelangt war, unterscheidet er sich nach Betrag, Beginn und Dauer von den Fällen, in denen die Überleitung des Angestellten aus der originären Vergütungsgruppe erfolgte.
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10. Bezogen auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund hat das Bundesministerium des Innern mit Schreiben vom 5. Februar 2008 an das Eisenbahn-Bundesamt behauptet, die Gewerkschaften hätten in den Tarifvertragsverhandlungen umfangreiche Vergleichsberechnungen vorgelegt, die auf den „originären“ Vergütungsgruppen basierten und zur tariflichen Regelung des Strukturausgleichs geführt hätten. Die Beklagte hat dieses Schreiben in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt, sich darauf bezogen und sich damit die Behauptung des Bundesministeriums des Innern zu Eigen gemacht. Sollte diese Behauptung zutreffen und wären die Tarifvertragsparteien sich in den Tarifverhandlungen einig gewesen, dass der Anspruch auf Strukturausgleich voraussetzt, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist, würde dies die Auslegung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten rechtfertigen(zu den Voraussetzungen eines Rückgriffs auf die Entstehungsgeschichte der tariflichen Regelung als für die Auslegung entscheidenden Anhaltspunkt vgl. auch BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 -).
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Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund seiner Annahme, bereits die Systematik der tariflichen Regelung spreche entscheidend dafür, dass es zur Erfüllung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ auf die originäre Vergütungsgruppe ankomme, nicht geprüft, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, dass die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund in den Tarifverhandlungen die Strukturausgleichsbeträge auf der Basis der originären Vergütungsgruppen mit und ohne Aufstiegsmöglichkeit festgelegt haben und sich einig gewesen sind, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist. Diese Prüfung hat es nachzuholen. Dazu hat es beiden Parteien zunächst Gelegenheit zu geben, ihren jeweiligen Sachvortrag zur Entstehungsgeschichte der Regelung des Strukturausgleichs zu ergänzen und weiter zu substantiieren. Sodann wird das Landesarbeitsgericht festzustellen haben, ob die Tarifvertragsparteien sich einig gewesen sind, dass die originäre Vergütungsgruppe maßgeblich ist. Da Wortlaut, systematischer Zusammenhang und sonstige Auslegungsgesichtspunkte nicht zu einer zweifelsfreien Auslegung führen, kann auch Veranlassung zur Einholung einer Tarifauskunft bestehen(vgl. BAG 17. Mai 1994 - 1 ABR 57/93 -). Gemäß § 293 ZPO können so Mittel der Rechtsanwendung und die dazu erforderlichen Erkenntnisquellen gewonnen werden, indem zB Auskünfte der Tarifvertragsparteien darüber eingeholt werden, ob es zu der Regelung des Strukturausgleichs Protokollnotizen oder vergleichbare Unterlagen gibt, aus denen ein übereinstimmender Regelungswille der Tarifvertragsparteien ersichtlich ist(vgl. BAG 16. Oktober 1985 - 4 AZR 149/84 - BAGE 50, 9, 21).
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11. Kann eine solche Einigkeit der Tarifvertragsparteien nicht festgestellt werden, wäre das Merkmal „Aufstieg - ohne“ so auszulegen, dass es ausreicht, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Für diese Auslegung streitet dann entscheidend der Gesichtspunkt der Normenklarheit. Wenn die Tarifvertragsparteien in den ersten fünf Spalten der Strukturausgleichstabelle sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für den Strukturausgleich und in den Spalten 6 und 7 der Tabelle die Höhe des jeweiligen Ausgleichsbetrags bzw. die Bezugsdauer aufgelistet haben, spricht dies dafür, dass sie den Strukturausgleich möglichst transparent regeln wollten. Müsste erst ermittelt werden, ob der Beschäftigte in die in der Spalte 2 der Tabelle bezeichnete Vergütungsgruppe im Wege des Aufstiegs gelangt ist oder nicht, wäre die Regelung weniger durchschaubar. Für Normadressaten, die sich allein anhand des Wortlauts von § 12 TVÜ-Bund und der Strukturausgleichstabelle Gewissheit über Ansprüche auf Strukturausgleich verschaffen wollen, ist dies entscheidend. Auch die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel hat die tarifliche Regelung zunächst so verstanden, dass es für den Anspruch auf Strukturausgleich auf die „gegenwärtige Eingruppierung bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund“ ankommt. Sie hat der Klägerin deshalb in einem Schreiben vom 10. Oktober 2005 mitgeteilt, dass diese Strukturausgleich erhält, und diese Mitteilung erst nach Kenntnis der Hinweise des Bundesministeriums des Innern zur Anwendung der Regelungen über Strukturausgleiche gemäß § 12 TVÜ-Bund korrigiert. Bei einem unbefangenen Durchlesen der tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen liegt die Interpretation, entscheidend sei die bei der Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe des BAT ohne Rücksicht auf einen vorangegangenen Aufstieg, deutlich näher als die von der Beklagten befürwortete Auslegung. Wenn alle anderen Auslegungsgesichtspunkte zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, muss dies den Ausschlag geben, weil von den Normadressaten typischerweise nicht zu erwarten ist, dass sie sich zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen sämtlicher Auslegungsmethoden bedienen und alle in Betracht kommenden Auslegungsgesichtspunkte heranziehen.
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Fischermeier
Brühler
Spelge
D. Knauß
Matiaske
(1) Teilzeitbeschäftigt ist ein Arbeitnehmer, dessen regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Ist eine regelmäßige Wochenarbeitszeit nicht vereinbart, so ist ein Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt, wenn seine regelmäßige Arbeitszeit im Durchschnitt eines bis zu einem Jahr reichenden Beschäftigungszeitraums unter der eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers liegt. Vergleichbar ist ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Betriebes mit derselben Art des Arbeitsverhältnisses und der gleichen oder einer ähnlichen Tätigkeit. Gibt es im Betrieb keinen vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, so ist der vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer auf Grund des anwendbaren Tarifvertrages zu bestimmen; in allen anderen Fällen ist darauf abzustellen, wer im jeweiligen Wirtschaftszweig üblicherweise als vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer anzusehen ist.
(2) Teilzeitbeschäftigt ist auch ein Arbeitnehmer, der eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch ausübt.
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.