Amtsgericht Wuppertal Beschluss, 19. Okt. 2015 - 59 XVII 218/14
Tenor
In dem betreuungsgerichtlichen Verfahren wird der Aufgabenkreis der Betreuerin Frau S N erweitert. Die Bestellung umfasst nunmehr folgende Aufgabenkreise:
Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Regelung des Postverkehrs Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern, Wohnungsangelegenheiten
Die Betroffene bedarf zur Wirksamkeit von Willenserklärungen im Bereich Vermögensangelegenheiten der Einwilligung der für diesen Aufgabenbereich bestellten Betreuerin (Einwilligungsvorbehalt).
Diese Entscheidung ist sofort wirksam.
1
Gründe:
2Nach dem ärztlichen Gutachten des Herrn Q I vom 14.06.2015 und deren Ergänzung vom 06.09.2015 liegt bei Frau M ein besorgniserregendes alkoholbedingtes hirnorganisches Psychosyndrom und vermutlich eine Leberzirrhose bei massiver Einschränkung der Sehkraft und Untergewichtigkeit vor.
3Danach und nach dem Ergebnis der Anhörung vom 19.10.2015 ist Frau M aus gesundheitlichen Gründen weiter gehindert, in den oben genannten Bereichen eigene Angelegenheiten interessengerecht zu regeln und benötigt insoweit nach wie vor Hilfe durch eine umfassende und langfristige Betreuung.
4Nach dem gut nachvollziehbaren und überzeugenden Ergebnis der Begutachtung ist die Betreuung auch gegen den erklärten Willen der Betroffenen fortzusetzen und zu erweitern. Der der Fortsetzung der Betreuung entgegenstehende Wille der Betroffene ist nicht frei gebildet. Die Betroffene verkennt sowohl die bestehende psychiatrische Erkrankung als auch die damit einhergehenden Einschränkungen, sondern glaubt, lediglich unter einer Einschränkung ihrer Sehkraft zu leiden (so zuletzt in der richterlichen Anhörung vom 19.10.2015 ausdrücklich so bekundet).Tatsächlich liegt aber eine schweres alkoholbedingten hirnorganisches Psychosyndrom vor, welches die Betroffen unter anderem an einer sachgerechten Ernährung und an der medizinischen Behandlung einer vermutlich bestehenden Leberzirrhose hindert. Durch das Psychosyndrom bedingt ist die Urteils- und Kritikfähigkeit der Betroffenen so stark reduziert, dass angesichts der fehlenden Erkrankungs- und Behandlungseinsicht keine hinreichend freie Willensbildung mehr vorliegt. Sie vermag die für und gegen eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte nicht mehr sachgerecht zu erkennen, abzuwägen und zu entscheiden. Die Betroffene reagiert stattdessen auf Belastungen wie den Vorhalt verdorbener Lebensmittel durch Wut und Aggression. Dem Ergebnis der Begutachtung kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, der Gutachter stütze sich zu sehr auf Angaben Dritter, wenn - wie hier - es gerade der Ausdruck der Erkrankung ist, die bestehende psychatrische Erkrankung zu verleugnen, sich als lediglich im Hinblick auf die Sehleistung körperlich krank anzusehen und deswegen notwendige fachärztliche Untersuchungen zu unterlassen.
5Dabei war der Umfang der Betreuung an die aktuelle Erforderlichkeit anzupassen.
6Es besteht die Gefahr, dass die Betroffene sich krankheitsbedingt erheblichen Schaden zufügt. Zur Vermeidung solcher Nachteile ist nach der Stellungnahme des Sachverständigen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes erforderlich. Der Betroffenen sind nach den gerichtlichen Ermittlungen in erheblichem Umfang Vermögenswerte wie Bargeld und wertvollen Schmuck offenbar dadurch verloren gegangen, dass diese bedenkenlos Dritten überlassen und nicht mit Erfolg zurückgefordert werden konnten. Von der Bestellung eines Verfahrenspflegers wurde gemäß § 276 FamFG abgesehen, weil dies zur Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen nicht erforderlich ist. Die Betroffene ist rechtsanwaltlich vertreten.
7Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit beruht auf § 287 Abs. 2 FamFG.
8Rechtsbehelfsbelehrung:
9Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben.
10Beschwerdeberechtigt ist diejenige/derjenige, deren/dessen Rechte durch diesen Beschluss beeinträchtigt sind. Dies ist vor allem die/der Betroffene selbst, ferner sein Verfahrenspfleger sowie die zuständige Betreuungsbehörde in den Fällen des § 303 Abs. 1 FamFG.
11Schließlich sind im Interesse des Betroffenen beschwerdeberechtigt gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung diejenigen Vertrauenspersonen und Angehörigen des Betroffenen, welche am Verfahren beteiligt worden sind.
12Die Beschwerde ist beim Amtsgericht - Betreuungsgericht - Wuppertal, Eiland 2, 42103 Wuppertal schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Ist die/der Betroffene untergebracht, kann sie/er die Beschwerde auch bei dem Amtsgericht einlegen, in dessen Bezirk sie/er untergebracht ist. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgegeben werden.
13Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass die Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
14Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Betreuungsgericht - Wuppertal eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
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Referenzen - Gesetze
(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn
- 1.
von der persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 278 Abs. 4 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 abgesehen werden soll oder - 2.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gegen den erklärten Willen des Betroffenen erfolgen soll.
(2) Von der Bestellung kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 abgesehen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des Verfahrenspflegers offensichtlich nicht besteht. Die Nichtbestellung ist zu begründen.
(3) Der Verfahrenspfleger hat die Wünsche, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat den Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren und ihn bei Bedarf bei der Ausübung seiner Rechte im Verfahren zu unterstützen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.
(4) Als Verfahrenspfleger ist eine natürliche Person zu bestellen. Wer Verfahrenspflegschaften im Rahmen seiner Berufsausübung führt, soll nur dann zum Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Verfahrenspflegschaft bereit ist.
(5) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden.
(6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft der Endentscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.
(7) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.
(8) Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen.
(1) Beschlüsse über Umfang, Inhalt oder Bestand der Bestellung eines Betreuers, über die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts oder über den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 300 werden mit der Bekanntgabe an den Betreuer wirksam.
(2) Ist die Bekanntgabe an den Betreuer nicht möglich oder ist Gefahr im Verzug, kann das Gericht die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anordnen. In diesem Fall wird er wirksam, wenn der Beschluss und die Anordnung seiner sofortigen Wirksamkeit
- 1.
dem Betroffenen oder dem Verfahrenspfleger bekannt gegeben werden oder - 2.
der Geschäftsstelle zum Zweck der Bekanntgabe nach Nummer 1 übergeben werden.
(3) Ein Beschluss, der die Genehmigung nach § 1829 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Gegenstand hat, wird erst zwei Wochen nach Bekanntgabe an den Betreuer oder Bevollmächtigten sowie an den Verfahrenspfleger wirksam.
(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über
- 1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahme
(2) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen
- 1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie den Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie - 2.
einer Person seines Vertrauens
(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.
(4) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Führen mehrere Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte ihr Amt gemeinschaftlich, kann jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen.