Amtsgericht Ratingen Urteil, 02. März 2016 - 8 C 294/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des insgesamt zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheitsleistungen können auch durch unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer auf dem Gebiet der Europäischen Union geschäftsansässigen Bank, Genossenschaftsbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.
1
T a t b e s t a n d:
2Der Beklagte ist Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft der Klägerin. Ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer errichtete er einen Anbau/Wintergarten auf seine zur Wohnung Nr. XX der Teilungserklärung gehörenden Terrasse. Die Hausverwalterin forderte den Beklagten zur Entfernung des Wintergartens auf. Diesem Begehren kam der Beklagte nicht nach. Auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 21.05.2015 fasste die Wohnungseigentümergemeinschaft unter TOP 5 folgenden Beschluss:
3„Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt die individuellen Ansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber dem Miteigentümer M auf Entfernung seines Wintergartens auf die Wohnungseigentümergemeinschaft zu übertragen. Die Verwaltung wird ermächtigt, die Anwaltskanzlei L zu beauftragen, den Anspruch der Gemeinschaft auf Entfernung des Wintergartens gegen den Miteigentümer M gerichtlich und auch außergerichtlich durchzusetzen.“
4Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie aktivlegitimiert sei. Mit dem vorgenannten Beschluss wären die individuellen Ansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer auf Entfernung des Wintergartens zulässigerweise auf die Klägerin übertragen worden. Die Formulierung des Beschlusses beinhalte die Übertragung der Befugnis zur Ausübung der Individualrechte im eigenen Namen durch den rechtsfähigen Verband.
5Die Klägerin beantragt,
61.
7den Beklagten zu verurteilen, den zu seiner Wohnung laut Teilungserklärung Nr. XX, ohne Zustimmung der Klägerin erstellten und an der Außenmauer angebrachten Anbau/Wintergarten zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen;
82.
9den Beklagten zu verurteilen, die vorgerichtlichen Kosten der Inanspruchnahme der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Höhe von 492,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins hieraus seit Zustellung der Klageschrift zu zahlen.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin nicht klagebefugt sei. Er ist der Auffassung, dass der Beschluss zu TOP 5 der Wohnungseigentümerversammlung vom 21.05.2015 nichtig wäre mangels Beschlusskompetenz. Vorliegend sei eine Vollrechtsabtretung beschlossen worden, indem beschlossen worden wäre, die Individualansprüche der einzelnen Eigentümer auf den rechtsfähigen Verband der Wohnungseigentümergemeinschaft zu übertragen. Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Beschluss betreffend die Ermächtigung der Verwaltung, die als Prozessbevollmächtigte der Klägerin auftretenden Rechtsanwälte zu beauftragen, den Anspruch der Gemeinschaft auf Entfernung gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen, ebenfalls nichtig sei. Des Weiteren erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung. Darüber hinaus behauptet er, dass die Rechte der Wohnungseigentümer nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt würden. Die anderen Wohnungseigentümer könnten den Wintergarten nicht sehen mit Ausnahme des Eigentümers U, welcher sich nicht gestört fühle. Außerdem sei der Wintergarten nur „angelehnt“ mit einer Schiene. Eine störende bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG wäre nicht gegeben.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den überreichten Unterlagen Bezug genommen.
14Die Akte des Amtsgerichts Ratingen mit dem Aktenzeichen 8 C 296/14 ist zu Beweiszwecken beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
16Die Klage ist unbegründet.
17Die Klägerin als Verband ist nicht Inhaberin der Ansprüche, welche sie im Klagewege geltend macht.
18Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass Ansprüche auf Entfernung von Störungen nur den einzelnen Wohnungseigentümern zustehen, die Gemeinschaft aber nach § 10 Abs. 6 Satz 3, 2. Halbsatz WEG die Ausübung des Anspruchs durch Beschluss an sich ziehen kann (gekorene Ausübungsbefugnis).
19An einem solchen Beschluss fehlt es vorliegend. Der unter TOP 5 der Wohnungseigentümerversammlung der Eigentümergemeinschaft vom 21.05.2015 gefasste Beschluss ist nichtig. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat unter TOP 5 den Beschluss gefasst, „die individuellen Ansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber dem Miteigentümer M auf Entfernung seines Wintergartens auf die Wohnungseigentümergemeinschaft zu übertragen. Die Verwaltung wird ermächtigt, die Anwaltskanzlei L zu beauftragen, den Anspruch der Gemeinschaft auf Entfernung des Wintergartens gegen den Miteigentümer M gerichtlich und auch außergerichtlich durchzusetzen.“ Mit diesem Beschluss haben die Wohnungseigentümer gerade nicht die Befugnis zur Ausübung der Individualrechte im eigenen Namen auf den rechtsfähigen Verband der Wohnungseigentümer im Sinne einer bloß gesetzlichen Prozessstandschaft übertragen. Vielmehr wurde beschlossen, die Individualansprüche der einzelnen Eigentümer auf den rechtsfähigen Verband der Wohnungseigentümergemeinschaft zu übertragen. Die Beschlusskompetenz aus § 10 Abs. 6 Satz 3, Halbsatz 2 WEG ermöglicht indessen keine Verfügung über das Individualrecht selbst, sondern lediglich die Übertragung der Befugnis zur Ausübung der Individualrechte (BGH, Urteil vom 17.12.2010 – V ZR 125/10 - , juris, OLG München, Beschluss vom 22.01.2010 – 34 Wx 125/09 - , juris).
20Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, die Formulierung der Beschlussfassung unter TOP 5 der Wohnungseigentümerversammlung vom 21.05.2015 beinhalte auch die Übertragung der Befugnis zur Ausübung der Individualrechte im eigenen Namen durch den rechtsfähigen Verband. Ausweislich des Wortlautes wurden die individuellen Ansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer im Sinne einer (Vollrechts-) Abtretung beschlossen, das heißt, es wurde über das Individualrecht selbst verfügt.
21Der unter TOP 5 der Wohnungseigentümerversammlung vom 21.05.2015 gefasste Mehrheitsbeschluss ist auch nicht dahingehend auslegungsfähig, dass hiermit die Übertragung der Befugnis zur Ausübung der Individualrechte der einzelnen Wohnungseigentümer auf Entfernung des Wintergartens im eigenen Namen durch den rechtsfähigen Verband übertragen werden sollte. Denn es hätte insoweit einer ausdrücklichen Beschlussfassung betreffend die Vergemeinschaftung der Befugnis zur Ausübung der Individualrechte im eigenen Namen auf den rechtsfähigen Verband der Wohnungseigentümer im Sinne einer bloß gesetzlichen Prozessstandschaft bedurft; eine solche Beschlussfassung ist einer Auslegung nicht zugänglich. Beschlüsse von Wohnungseigentümern sind wegen ihrer Wirkung gegenüber Sonderrechtsnachfolgern wie im Grundbuch eingetragene Erklärungen aus sich heraus objektiv und normativ auszulegen (LG Hamburg, Urteil vom 02. Mai 2012 – 318 S 79/17 - , juris).
22Weil eine Verfügung über das Individualrecht selbst – hier des Beseitigungsanspruchs der einzelnen Wohnungseigentümer – von der Beschlusskompetenz des § 10 Abs. 6 Satz 3, Halbsatz 2 WEG nicht gedeckt wird, ist der unter TOP 5 der Wohnungseigentümerversammlung vom 21.05.2015 gefasste Beschluss nichtig. Die absolute Beschlussunzuständigkeit macht einen Beschluss nicht nur anfechtbar, sondern nichtig (BGH, Beschluss vom 20. Septentember 2000 – V ZB 58/99 - , WuM 2000, 620-623).
23Mangels einer wirksamen Beschlussfassung betreffend die Übertragung der Ausübung des Anspruchs der einzelnen Wohnungseigentümer gegen den Beklagten auf Entfernung des Wintergartens auf die Klägerin ist die Klägerin nicht aktivlegitimiert bzw. nicht prozessführungsbefugt.
24Mangels Bestehen einer Hauptforderung steht der Klägerin gegen den Beklagten auch kein Anspruch auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.
25Zudem ist der Beschluss unter TOP 5 der Wohnungseigentümerversammlung vom 21.05.2015 insgesamt nichtig, da aus den vorgenannten Gründen auch derjenige Teil der Beschlussfassung nichtig ist, welcher sich darauf bezieht, die Verwaltung zu ermächtigen, die Anwaltskanzlei L zu beauftragen, den Anspruch der Gemeinschaft auf Entfernung des Wintergartens gegen den Miteigentümer M gerichtlich und auch außergerichtlich durchzusetzen. Im Hinblick darauf sind die Rechtsanwaltskosten, welche durch die Abfassung des Schreibens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 05.08.2015 angefallen sind, nicht erstattungsfähig.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
27Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
28Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
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(1) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet,
- 1.
die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten und - 2.
das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen oder, wenn keine entsprechenden Vereinbarungen oder Beschlüsse bestehen, aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst.
(2) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet,
- 1.
deren Sondereigentum nicht über das in Absatz 1 Nummer 2 bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen und - 2.
Einwirkungen nach Maßgabe des Absatzes 1 Nummer 2 zu dulden.
(3) Hat der Wohnungseigentümer eine Einwirkung zu dulden, die über das zumutbare Maß hinausgeht, kann er einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen.
Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht beschlossen oder verlangt werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des insgesamt zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheitsleistungen können auch durch unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer auf dem Gebiet der Europäischen Union geschäftsansässigen Bank, Genossenschaftsbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.
1
Tatbestand:
2Der Beklagte ist Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft der Klägerin. Ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer errichtete er einen Anbau/Wintergarten auf seine zur Wohnung Nummer 73 der Teilungserklärung gehörenden Terrasse. Mit Schreiben vom 02.10.2013 wurde der Beklagte durch die Verwaltung aufgefordert, den Wintergarten zu entfernen. Der Beklagte kam dem nicht nach. Auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 22.05.2014 fasste die Wohnungseigentümergemeinschaft unter Tagesordnungspunkt 6 folgenden Beschluss:
3"Die Wohnungseigentümergemeinschaft ermächtigt die Verwaltung, die
4Rechtsanwaltskanzlei L-T-Q-T Rechtsanwälte und Notare, Tstraße,
5N, zu beauftragen, die Ansprüche der Ge-
6meinschaft auf Entfernung des Wintergartens gegen den Miteigentümer
7M gerichtlich und außergerichtlich durchzusetzen.“
8Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie als Verband berechtigt sei, einen Anspruch auf Entfernung des Wintergartens gegen den Beklagten geltend zu machen. Sie behauptet, dass unter Tagesordnungspunkt 6 der Wohnungseigentümerversammlung vom 22.05.2014 ein entsprechender Beschluss, mit welchem die Klägerin die Verfolgung von Beseitigungsansprüchen an sich gezogen hat, gefasst worden wäre.
9Die Klägerin beantragt,
101. den Beklagten zu verurteilen, den zu seiner Wohnung laut Teilungserklärung Nummer 73, ohne Zustimmung der Klägerin erstellt und an der Außenmauer des Gebäudes angebrachten Anbau/Wintergarten zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen;
112. den Beklagten zu verurteilen, die vorgerichtlichen Kosten der Inanspruchnahme des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Höhe von 492,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Klageschrift zu zahlen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin nicht klagebefugt sei. Er trägt insoweit vor, dass es an einer entsprechenden Beschlussfassung fehle. Darüber hinaus erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung. Außerdem behauptet er, dass die Rechte der Wohnungseigentümer nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt würden. Die anderen Wohnungseigentümer könnten den Wintergarten nicht sehen mit Ausnahme des Eigentümers U, welcher sich nicht gestört fühle.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den überreichten Unterlagen Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist unbegründet.
18Die Klägerin als Verband ist nicht Inhaberin der Ansprüche, welche sie im Klagewege geltend macht.
19Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass Ansprüche auf Entfernung von Störungen nur den einzelnen Wohnungseigentümern zustehen, die Gemeinschaft aber nach § 10 Abs. 6 Satz 3 2. Alternative WEG die Ausübung des Anspruchs durch Beschluss an sich ziehen kann.
20An einem derartigen Beschluss fehlt es vorliegend. Ausweislich des in Kopie vorgelegten Protokolls über die ordentliche Wohnungseigentümerversammlung der Eigentümergemeinschaft vom 22.05.2014 wurde unter Tagesordnungspunkt 6 ausschließlich der Beschluss gefasst: "Die Wohnungseigentümergemeinschaft ermächtigt die Verwaltung, die Rechtsanwaltskanzlei L-T-Q-T Rechtsanwälte und Notare, Tstraße, N, zu beauftragen, die Ansprüche der Gemeinschaft auf Entfernung des Wintergartens gegen den Miteigentümer M gerichtlich und außergerichtlich durchzusetzen." Einen Mehrheitsbeschluss, mit welchem die Klägerin die Verfolgung von Beseitigungsansprüchen an sich zieht und zu einer gemeinschaftlichen Angelegenheit macht, haben die Wohnungseigentümer auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 22.05.2014 hingegen nicht gefasst. Etwas derartiges lässt sich der Formulierung unter Tagesordnungspunkt 6 der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 22.05.2014 nicht entnehmen. Es wurde lediglich beschlossen, die Verwalterin zu ermächtigen, die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu beauftragen, die Ansprüche der Gemeinschaft auf Entfernung des Wintergartens gegen den Beklagten außergerichtlich und gerichtlich durchzusetzen.
21Der unter Tagesordnungspunkt 6 der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 22.05.2014 gefasste Mehrheitsbeschluss ist auch nicht dahingehend auslegungsfähig, dass hiermit Ansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer auf Entfernung des Wintergartens auf die Klägerin als Verband übertragen werden sollten. Hierzu hätte es einer konkreten Beschlussfassung bedurft, weil die einzelnen Wohnungseigentümer im Falle der Vergemeinschaftung von Individualansprüchen auf eine eigene, individuelle Verfolgung des ihnen zustehenden Beseitigungsanspruchs verzichten.
22Da eine ausdrückliche Beschlussfassung betreffend die Vergemeinschaftung der Individualansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer gegen den Beklagten auf Entfernung des Wintergartens fehlt, ist die Klägerin nicht prozessführungsbefugt.
23Mangels Bestehen einer Hauptforderung steht der Klägerin gegen den Beklagten auch kein Anspruch auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.
24Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
25Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
26Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt von dem Beklagten Beteiligung an den Unterhaltungskosten für eine Privatstraße, die über das im Gemeinschaftseigentum stehende Flurstück 68, Flur 12 der Gemarkung Altstadt C. (bezeichnet vormals als Flurstück 45/18) verläuft. Das Grundstück ist mit einem Geh- und Fahrtrecht u.a. zugunsten der im Eigentum des Beklagten stehenden Grundstücke 45/15 und 45/17 belastet. In der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung heißt es unter "Absichtserklärung für vorstehende Rechte": "Mit den Berechtigten und Verpflichteten wird der Eigentümer Vereinbarungen treffen, in denen bestimmt wird, wie die Eigentümer der gesamten mit den Dienstbarkeiten belasteten Flächen, insbesondere Wegeund Zufahrtsflächen, die Kosten der Instandhaltung, der Pflege sowie der Verkehrssicherung nach einem angemessenen Verteilungsschlüssel zu tragen haben…"
- 2
- Auf dem Flurstück 45/17 betreibt ein Pächter des Beklagten u.a. einen Lebensmittelmarkt; das Flurstück 45/15 wird als Kundenparkplatz genutzt. Die Grundstücke verfügen über eine Anbindung zum öffentlichen Straßennetz. Sie sind auch über die Privatstraße zu erreichen, deren Durchfahrt allerdings aus einer Richtung durch das Verkehrszeichen 260 (Anlage 2 zur StVO) für Kraftfahrzeuge verboten ist. Aus der Gegenrichtung ist die Straße als verkehrsberuhigte Zone (Zeichen 325.1 der Anlage 3 zur StVO) ausgewiesen. Sie wird gleichwohl in beiden Fahrtrichtungen von Kunden des Lebensmittelmarktes genutzt. Der Beklagte verweigert eine Beteiligung an der Unterhaltung der Straße und wendet hierzu insbesondere ein, er sei nicht Halter im Sinne von § 1020 Satz 2 BGB. Nunmehr verlangt die Klägerin von dem Beklagten jeweils 70 % der entstandenen Unterhaltungskosten und der von ihr für erforderlich gehaltenen Instandhaltungsrücklage.
- 3
- Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 1.620,53 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Zahlungsanspruch weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die geltend gemachten Ansprüche scheiterten daran, dass der Beklagte nicht als Halter der Privatstraße angesehen werden könne (§ 1020 Satz 2 BGB). Auf der Grundlage des Partei- vorbringens lasse sich nicht feststellen, dass der Beklagte die Straße selbst nutze oder er deren Nutzung durch Dritte in zurechenbarer Weise veranlasst habe. Stets habe sich der Beklagte mit der Schließung der Straße einverstanden erklärt und betont, auf die Ausübung des Wegerechts derzeit keinen Wert zu legen. Davon abgesehen habe er die Klägerin aufgefordert, die Privatstraße gegen die unbefugte Nutzung zu sichern. Dass der Beklagte die Dienstbarkeit nicht aufgeben wolle, sei nicht treuwidrig (§ 242 BGB). § 1020 Abs. 2 BGB enthalte keine Verpflichtung, die Anlage zu halten. Es stelle ein legitimes Interesse dar, wenn der Beklagte das Geh- und Fahrtrecht im Hinblick auf jederzeit mögliche Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse weiter vorhalten wolle.
II.
- 5
- Der Revision bleibt der Erfolg versagt. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Klage zwar für zulässig, jedoch für unbegründet erachtet.
- 6
- 1. Von der Zulässigkeit der Klage geht das Berufungsgericht stillschweigend aus. Damit hat es der Sache nach auch die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Befugnis der Klägerin bejaht, die geltend gemachten Ansprüche im eigenen Namen einzuklagen. Dies ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
- 7
- a) Allerdings stehen die geltend gemachten Ansprüche der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft materiell rechtlich nicht zu. Inhaber der Ansprüche aus § 1020 Satz 2 BGB ist nur der Eigentümer des belasteten Grundstücks. Der Umstand, dass vorliegend unstreitig nur das Gemeinschaftseigentum von dem Geh- und Fahrtrecht betroffen ist, macht deutlich, dass mit der Dienstbarkeit nicht ein Grundstück der in den Grenzen des § 10 Abs. 6 WEG rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft belastet ist, sondern lediglich das im Miteigentum sämtlicher Wohnungseigentümer stehende Grundstück. Da das Gemeinschaftseigentum nicht im Vermögen des Verbandes steht (vgl. nur Senat, Beschluss vom 30. März 2006 - V ZB 17/06, NJW 2006, 2187, 2188; BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2006 - I ZB 83/06, NJW 2007, 518), kommen als Anspruchsberechtigte nach § 1020 Satz 2 BGB allein die Wohnungseigentümer in Betracht. Für Schadensersatzansprüche nach §§ 280, 281 BGB, die aus einer Verletzung dieses Anspruches resultieren (dazu Senat, Urteil vom 12. November 2004 - V ZR 42/04, BGHZ 115, 124), sowie für die im Hinblick auf die künftige Unterhaltung der Straße geforderte Instandhaltungsrücklage gilt nichts anderes.
- 8
- b) Die fehlende Rechtsinhaberschaft der Klägerin ist jedoch deshalb unschädlich , weil die Wohnungseigentümergemeinschaft in gesetzlicher Prozessstandschaft handelt, soweit ihr das Gesetz die Befugnis verleiht, Rechte der Wohnungseigentümer auszuüben (vgl. nur Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 80/09, NJW 2010, 933, 934 mwN).
- 9
- Nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG ist die Wohnungseigentümergemeinschaft ohne weiteres zur Ausübung der gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer befugt; insoweit besteht eine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes. Für sonstige Rechte mit gemeinsamer Empfangszuständigkeit , die die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich geltend machen können (§ 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG), kommt nur eine gekorene Ausübungsbefugnis in Betracht, bei der lediglich ein Zugriffsermessen besteht. Bei der Abgrenzung ist nach allgemeiner Auffassung eine wertende Betrachtung geboten. Während die geborene Ausübungsbefugnis voraussetzt, dass nach der Interessenlage ein gemeinschaftliches Vorgehen erforderlich ist, genügt es bei der gekorenen, dass die Rechtsausübung durch den Verband förderlich ist (vgl. zum Ganzen nur Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 10 Rn. 244 ff.; Riecke/Schmid/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 10 Rn. 417; Timme/Dötsch, WEG, § 10 Rn. 446 ff., 454 ff.; jeweils mwN). Gemessen daran ist die Klägerin nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG befugt, die Klageansprüche im eigenen Namen geltend zu machen.
- 10
- Für Schadensersatzansprüche, die auf die Verletzung des Gemeinschaftseigentums gestützt werden, ist anerkannt, dass eine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes besteht (Jennißen in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 10 Rn. 76; Riecke/Schmid/Elzer, aaO, § 10 Rn. 418), weil deren Durchsetzung - anders als etwa die Verfolgung eines Unterlassungsanspruches nach § 1004 BGB (dazu Beschluss vom 30. März 2006 - V ZB 17/06, NJW 2006, 2187, 2188 mwN) - nicht den einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft überlassen bleiben kann (Klein in Bärmann, aaO, § 10 Rn. 254 f.; Timme/Dötsch, aaO, § 10 Rn. 458, 484; vgl. auch Senat, Urteil vom 11. Dezember 1992 - V ZR 118/91, BGHZ 121, 22, 23 ff.). Vielmehr sind diese Ansprüche im Interesse einer geordneten Verwaltung des Gemeinschaftseigentums einheitlich geltend zu machen. Gleiches gilt für die hier in Rede stehenden Zahlungsansprüche, die in ihrem Kern ebenfalls eine - wenn auch nicht rechtswidrige - Inanspruchnahme des Gemeinschaftseigentums voraussetzen (§ 1020 Satz 1 WEG). Auch bei diesen Ansprüchen erscheint nur eine von vornherein gebündelte Rechtsdurchsetzung durch den Verband sachgerecht.
- 11
- 2. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Klage für unbegründet erachtet.
- 12
- a) Soweit die Klägerin eine Instandhaltungsrücklage verlangt, fehlt es bereits an einer Anspruchsgrundlage. § 1020 Satz 2 WEG gibt einen solchen Anspruch nicht her. Auf die Vorschriften der §§ 745, 748 BGB (zur entsprechenden Anwendung des Rechts über die Bruchteilsgemeinschaft, wenn auch der Eigentümer des dienenden Grundstücks den Weg benutzt, vgl. Senat, Urteil vom 12. November 2004 - V ZR 42/04, BGHZ 115, 118 ff.) lässt sich die Klage schon deshalb nicht stützen, weil die Revision auf kein tatsächliches Vorbringen verweist, aufgrund dessen davon auszugehen wäre, dass die Klägerin, der Beklagte und die sonstigen Dienstbarkeitsberechtigten einen auf die Bildung einer Rücklage gerichteten Beschluss gefasst haben.
- 13
- b) Die auf die Erstattung der aufgewandten Instandhaltungskosten gerichtete Klage ist ebenfalls nicht gerechtfertigt.
- 14
- aa) Mit Blick auf die auf die Verletzung der Verpflichtung aus § 1020 Satz 2 BGB gestützte Zahlungsklage legt das Berufungsgericht zutreffend zugrunde, dass es sich bei der Straße zwar um eine Anlage im Sinne von § 1020 Satz 2 BGB handelt (vgl. dazu nur Senat, Urteil vom 17. Februar 2006 - V ZR 49/05, NJW 2006, 1428, 1429), der Beklagte jedoch nicht als deren Halter angesehen werden kann. Mit dem Begriff des Haltens stellt § 1020 Satz 2 BGB auf die tatsächlichen Verhältnisse ab (vgl. MünchKomm-BGB/Joost, 5. Aufl., § 1020 BGB Rn. 9; Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1020 Rn. 13 u. 15; vgl. auch Soergel/ Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1020 Rn. 5). Da das Gesetz keine Verpflichtung des Dienstbarkeitsberechtigten zum Halten einer Anlage kennt und das Halten nach allgemeiner Auffassung endet, wenn der Berechtigte die Nutzung nach außen hin erkennbar aufgibt, kann die Haltereigenschaft nicht schon aus der rechtlichen Befugnis gefolgert werden, das Grundstück entsprechend dem Inhalt des Wege- und Fahrrechts zu nutzen. Vielmehr ist erforderlich, dass der Dienstbarkeitsberechtigte die Anlage tatsächlich für eigene Zwecke einsetzt (MünchKomm -BGB/Joost, aaO, Rn. 9; NK-BGB/Otto, BGB, 3. Aufl., § 1020 BGB Rn. 53; vgl. auch Staudinger/Mayer, BGB, aaO, Rn. 13). Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.
- 15
- (1) Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die Straße nicht selbst (durch eigenes Befahren oder Begehen) genutzt, wird von der Revision nicht angegriffen.
- 16
- (2) Allein der Umstand, dass der Beklagte sein Grundstück verpachtet und er damit eine Ursache dafür gesetzt hat, dass Kunden und Lieferanten des Lebensmittelmarktes die im Eigentum der Wohnungseigentümer stehende Straße (in einer Richtung sogar verbotswidrig) befahren und begehen, reicht für die Bejahung der Haltereigenschaft nicht aus. Denn die bloße Verursachung des Verhaltens Dritter rechtfertigt nicht ohne weiteres den Schluss, der Beklagte habe dadurch den Weg für seine eigenen Zwecke eingesetzt. Umstände, die diesen Schluss zulassen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Revision verweist auf kein tatsächliches Vorbringen, aus dem sich ergibt, dass der Beklagte das Recht aus der Dienstbarkeit seinen Vertragspartnern zur Ausübung überlassen oder zumindest einer Nutzung des Weges durch seine Vertragspartner zugestimmt hat. Allerdings müsste bei wertender Betrachtung dann von einer (mittelbaren ) Nutzung des Weges durch den Beklagten ausgegangen werden, wenn die verpachtete Fläche ohne das Befahren und Begehen des dienenden Grundstücks nicht zweckentsprechend verwendet werden könnte. So verhält es sich hier jedoch nicht, weil die Pachtfläche selbst über einen Anschluss an das öffentliche Straßennetz verfügt und damit die Inanspruchnahme des über das Gemeinschaftseigentum verlaufenden Weges nicht Voraussetzung für eine zweckentsprechende Nutzung der verpachteten Gewerbefläche ist.
- 17
- bb) Auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Wie bereits dargelegt, ist der Dienstbarkeitsberechtigte nicht verpflichtet, von den ihm eingeräumten Nutzungsmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch zu machen. Zu Recht geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass eine Grunddienstbarkeit im Hinblick auf mögliche tatsächliche Veränderungen selbst dann vorgehalten werden kann, wenn der Berechtigte von den aus dem dinglichen Recht folgenden Befugnissen einstweilen keinen Gebrauch macht. Soweit die Revision darauf verweist, dass eine Grunddienstbarkeit bei einem nachträglichen dauerhaften Wegfall des durch die Grunddienstbarkeit http://www.juris.de/jportal/portal/t/j4i/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=53&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE103128514&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 9 - gesicherten Vorteils erlischt, ergibt sich daraus schon deshalb nichts zugunsten der Kläger, weil das Erlöschen der Dienstbarkeit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt anspruchsbegründend im Sinne der Klageforderung wirkt. Davon abgesehen ist für einen dauerhaften Wegfall auch nichts ersichtlich.
- 18
- cc) Schließlich ist die Klage auch nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung der Revision folgt ein Anspruch nicht aus der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung. Die bloße Erklärung der Absicht, es solle mit den "Berechtigten und Verpflichteten" eine Vereinbarung über die Kosten der Instandhaltung, der Pflege und der Verkehrssicherung getroffen werden, ist bei der gebotenen nächstliegenden Auslegung (vgl. dazu nur Senat, Beschluss vom 21. Februar 1991 - V ZB 13/90, BGHZ 113, 374, 378; Urteil vom 3. Juli 2008 - V ZR 20/07, NZM 2008, 732, 734; jeweils mwN) nicht dahin zu verstehen, die Eigentümer des herrschenden Grundstücks hätten Instandhaltungskosten unabhängig von einer tatsächlichen Ausübung der aus der Dienstbarkeit fließenden Befugnisse zu zahlen und dies bereits vor Zustandekommen der anvisierten Vereinbarungen.
III.
- 19
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Krüger Stresemann Czub Roth Brückner
AG Paderborn, Entscheidung vom 24.02.2009 - 57 C 243/08 -
LG Paderborn, Entscheidung vom 27.05.2010 - 5 S 38/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.000 DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, und zwar der Antragsteller zu 2 seit Dezember 1990, der Antragsteller zu 3 seit Oktober 1998 und die Antragsgegnerin seit August 1993. Die Antragsgegnerin hat die in ihrem Sondereigentum stehenden Räume an einen Gaststättenbetreiber verpachtet, der den zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Vorgarten als Freischankfläche nutzt.Am 18. April 1989 beschloß die Wohnungseigentümerversammlung mit den Stimmen der Anwesenden mehrheitlich, der Rechtsvorgängerin der An-
tragsgegnerin die Nutzung des Vorgartens im Rahmen des Lokalbetriebs zu genehmigen unter der ”Voraussetzung” einer Einigung mit dem Verwaltungsbeirat und zwei weiteren, nicht anwesenden Wohnungseigentümern. Diese beiden Wohnungseigentümer und der Verwaltungsbeirat erklärten in der Folgezeit ihre Zustimmung unter bestimmten Auflagen, z.B. Errichtung einer schallschluckenden Markise. Ab 1992 beschwerte sich u.a. die Antragstellerin zu 1 über Lärmbelästigungen durch den Gaststättenbetrieb. In der Wohnungseigentümerversammlung vom 28. April 1998 wurde die Regelung erneut zur Abstimmung gestellt. Für den Antrag auf Aufhebung der Genehmigung zur Nutzung des Vorgartens ergab sich keine Stimmenmehrheit, wohl aber für einen Auftrag an den Verwaltungsbeirat, mit der Antragsgegnerin Vereinbarungen vorzubereiten, um die aufgetretenen Mängel abzustellen.
Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin antragsgemäß verpflichtet, es zu unterlassen, den vor ihrem Sondereigentum gelegenen Vorgarten zum Betrieb einer Gaststätte zu nutzen. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige weitere Beschwerde möchte das Kammergericht zurückweisen. Es sieht sich hieran jedoch durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Oktober 1998 (NZM 1999, 378) gehindert und hat deshalb die Sache mit Beschluß vom 15. Dezember 1999 (NZM 2000, 137 = FGPrax 2000, 16) dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist statthaft (§ 43 Abs. 1, 3 WEG, § 45 Abs. 1 WEG i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG).
Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, durch einen nicht angefochtenen und somit bestandskräftig gewordenen Mehrheitsbeschluß könne ein Sondernutzungsrecht an Gemeinschaftsflächen nicht begründet werden. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (NZM 1999, 378) in einer auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung unter Bezugnahme auf die in BGHZ 54, 65 veröffentlichte Entscheidung des VII. Zivilsenats vom 21. Mai 1970 die Auffassung vertreten, ein die Nutzung von Gemeinschaftseigentum zugunsten eines Wohnungseigentümers in Abweichung der Teilungserklärung regelnder bestandskräftiger Eigentümerbeschluß sei als ”Ersatzvereinbarung” für alle Beteiligten verbindlich, auch wenn er der Allstimmigkeit bedurft hätte. Der Beschluß sei weder wegen Überschreitung der Regelungskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft noch wegen eines Eingriffs in den dinglichen Kernbereich des Wohnungseigentums nichtig. Diese Divergenz rechtfertigt die Vorlage.
III.
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach § 45 Abs. 1 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG, §§ 27, 29, 22 Abs. 1 FGG zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Der Senat tritt der Auffassung des vorlegenden Kammergerichts in Berlin bei.
Die Antragsteller können gemäß § 15 Abs. 3 WEG in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB von der Antragsgegnerin Unterlassung der alleinigen Nut-
zung des zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Vorgartens durch den Gaststättenbetrieb verlangen. Dieser Gebrauch ist unzulässig, weil der durch den Eigentümerbeschluß erfolgte Ausschluß des Mitgebrauchs (1) unwirksam ist. An der in BGHZ 54, 65 veröffentlichten Entscheidung wird insoweit nicht mehr festgehalten und der Anwendungsbereich der darauf beruhenden Rechtsprechung des Senats zur Gültigkeit von bestandskräftigen Mehrheitsbeschlüssen mit Vereinbarungsinhalt eingegrenzt (2). Der Eigentümerversammlung fehlte die Beschlußkompetenz (3). Dies macht den Beschluß nichtig (4), und zwar mit Wirkung ex tunc (5).
1. In Übereinstimmung mit dem vorlegenden Gericht legt der Senat den Eigentümerbeschluß vom 18. April 1989 in eigener Kompetenz (Senat, BGHZ 139, 288, 292) als Einräumung eines Sondernutzungsrechts an den Vorgartenbereichen zugunsten des Eigentümers der Teileigentumseinheit Nr. 3 aus. Die in dem Beschluß genannte "Voraussetzung" einer Einigung zwischen der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin, dem Verwaltungsbeirat sowie zwei Wohnungseigentümern und einer Bekanntgabe des Verhandlungsergebnisses durch Rundschreiben ist eingetreten. Daß die in der Zustimmung genannten Auflagen teilweise nicht erfüllt worden sind, hat auf die Begründung des Sondernutzungsrechts keinen Einfluß, sondern hätte allenfalls zu einem Widerruf der Zustimmung berechtigt, der jedoch nicht erklärt worden ist. Unter diesen Umständen bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob, wie das vorlegende Gericht durchaus zutreffend in Erwägung zieht, in der in der Eigentümerversammlung vom 28. April 1998 erfolgten mehrheitlichen Ablehnung einer Aufhebung des Eigentümerbeschlusses vom 18. April 1989 nicht dessen positive Bestätigung zu sehen ist, weil die Eigentümerversammlung zugleich einen Beschluß gefaßt hat, der die Aufrechterhaltung des Beschlusses vom 18. April
1989 gerade zur Voraussetzung hat (zur Beschlußqualität eines Negativbeschlusses vgl. Wenzel, Festschrift für Merle [2000] 353, 355, 361).
2. Zu Recht nimmt das vorlegende Gericht weiterhin an, daß ein Sondernutzungsrecht durch einen bestandskräftigen Mehrheitsbeschluß der Wohnungseigentümerversammlung nicht begründet werden kann.
a) Allerdings hat der früher für Entscheidungen über Vorlagen in Wohnungseigentumssachen zuständige VII. Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 21. Mai 1970 (BGHZ 54, 65) ausgeführt, daß ein Eigentümerbeschluß über die Einräumung eines Sondernutzungsrechts an einem Kellerraum unter gleichzeitiger baulicher Veränderung nur ungültig ist, wenn er auf entsprechenden Anfechtungsantrag hin für ungültig erklärt wird. Die nicht auf die zugrundeliegende Fallgestaltung beschränkte Begründung sowie der Leitsatz der Entscheidung sind in der Folgezeit von der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur als ein allgemeiner Rechtssatz verstanden und auf die Abänderung des Gesetzes oder der Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluß übernommen worden (vgl. BayObLG NJW-RR 1992, 81, 83; 1993, 85, 86; NJW 1995, 202, 203; Demharter, MittBayNot 1996, 417; Sauren, NJW 1995, 178 m.w.N.). Dies hat der erkennende Senat bisher nicht getan. Er hat zwar auch an dem Rechtssatz festgehalten, dies aber jeweils bei anderen Fallgestaltungen ausgesprochen. So ging es in dem Beschluß vom 16. September 1994 (BGHZ 127, 99) um die Gültigkeit eines bestandskräftigen Mehrheitsbeschlusses, durch den einer Zahnärztin die praxisbedingten Bewirtschaftungsmehrkosten in Anwendung der in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Klausel, wonach sie diese Kosten allein zu tragen hatte, nicht konkret, sondern pauschal auferlegt wurden. Da der Senat diese Handhabung als nicht
mehr von der Klausel gedeckt ansah, andererseits die praxisbedingten Bewirtschaftungsmehrkosten sich bei der Erfassung einer Pauschalierung nicht generell entziehen, handelte es sich um einen Fall, in dem die Eigentümer die Teilungserklärung (Vereinbarung) nicht abgeändert, sondern nur fehlerhaft angewendet haben (vereinbarungswidriger Beschluß). Gegenstand der Entscheidung vom 4. Mai 1995 (BGHZ 129, 329) war ein Beschluß über ein absolutes Verbot der Hundehaltung, also eine Gebrauchsregelung, die sich nicht mehr in dem Rahmen der “Ordnungsmäßigkeit” im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG hielt und deswegen einer Vereinbarung bedurft hätte, diese mithin substituierte (vereinbarungsersetzender Beschluß). Lediglich die Entscheidung vom 11. Juli 1991 (BGHZ 115, 151) über die Zulässigkeit der Erhebung von pauschalen Verzugszinsen in Höhe von 10% betraf einen Mehrheitsbeschluß, durch den gesetzliche Bestimmungen abbedungen wurden (gesetzes-, bzw. vereinbarungsändernder Beschluß; zur Terminologie vgl. Wenzel, Festschrift für Hagen [1999], 231, 235; ders. ZWE 2000, 2 f.). Die Frage, ob ein solcher Beschluß nichtig ist, hat der Senat jedoch ausdrücklich offengelassen. Sie ist nunmehr bejahend zu beantworten. Der Senat hält insoweit an der in BGHZ 54, 65 veröffentlichten Ausgangsentscheidung des VII. Zivilsenats nicht mehr fest, die der Sache nach auch die Einräumung eines Sondernutzungsrechts betraf. Daraus folgt zugleich, daß der in der Entscheidung aufgestellte und vom Senat übernommene Rechtssatz, daß ein unangefochtener Mehrheitsbeschluß auch dann gültig ist, wenn die Angelegenheit einem Mehrheitsbeschluß nicht zugänglich war, sondern eine Vereinbarung bzw. Einstimmigkeit erfordert hätte, nur für vereinbarungsersetzende und v ereinbarungswidrige Beschlüsse, nicht dagegen für vereinbarungsändernde oder Beschlüsse gilt, die gesetzliche Bestimmungen abbedingen.
b) Diese teilweise Aufgabe und Abgrenzung der bisherigen Rechtsprechung ist geboten, weil die Praxis von der durch die Rechtsprechung eröffneten Möglichkeit, bestehende Vereinbarungen durch Mehrheitsbeschluß abzuändern , vielfach ausufernden Gebrauch gemacht hat (Demharter, WuM 2000, 291, 292) mit zum Teil fatalen Folgen (vgl. Bassenge, NZM 2000, 649). Dies geschieht entweder in der Erwartung, daß eine Anfechtung des – in jedem Fall rechtswidrigen - Beschlusses aus Kostengründen unterbleibt, oder in der Annahme , daß alles, was vereinbart werden könne, auch beschlossen werden dürfe (vgl. Müller, NZM 2000, 648; anders ders. Festschrift für Bärmann und Weitnauer, 1990, S. 505, 510), bzw. daß die gesetzlichen Kompetenzzuweisungen nicht zwingend seien und ”weitergehende Beschlußfassungen” erlaubten (Deckert, NZM 2000, 361, 362; Rapp, DNotZ 2000, 185, 192). Diese Praxis stellt jedoch den gesetzlichen Regelungszusammenhang von Vertragsund Mehrheitsprinzip (siehe unter 3.) geradezu auf den Kopf (vgl. Bärmann/ Pick/Merle, WEG, 8. Aufl. § 23 Rdn. 160 a) und widerspricht dem Bestimmtheitsgrundsatz (vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. § 16 III, 3 b dd [S. 481]), wonach unter der Geltung des Vertragsprinzips eine im Gesetz nicht vorgesehene Mehrheitskompetenz einer eindeutigen Ermächtigung bedarf. Außerdem wird § 10 Abs. 2 WEG umgangen und die Publizität des Grundbuchs entwertet (Häublein, ZMR 2000, 423, 426; Rapp, DNotZ 2000, 185, 189 ff; Röll, ZWE 2000, 13, 15). Da vereinbarungsändernde Beschlüsse zu ihrer Wirksamkeit gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nicht der Eintragung in das Grundbuch bedürfen, ergibt sich der Inhalt des Wohnungseigentums nach dieser Praxis nicht mehr aus dem Grundbuch, sondern aus den – oft laienhaft verfaßten und auslegungsbedürftigen – Protokollen der Eigentümerversammlungen. Die im Streitfall erfolgte Einräumung eines Sondernutzungsrechts durch Mehrheitsbeschluß ist ein anschauliches Beispiel
dafür. Dies zu legitimieren, läuft dem Gesetz zuwider. Es hat die Mehrheitsmacht bewußt auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt und auf diese Weise dafür Sorge getragen, daß jeder Wohnungseigentümer darauf vertrauen kann, daß sein Eigentum mehrheitsfest ist (Häublein, ZMR 2000, 423, 426; Wenzel, ZWE 2000, 2, 7). Selbst wenn man im Hinblick auf die gerade bei großen Gemeinschaften bestehenden Schwierigkeiten, die Zustimmung aller Eigentümer zu einer im Interesse ordnungsmäßiger Verwaltung liegenden Abänderung bestehender Vereinbarungen – notfalls klageweise – zu erlangen, das Fehlen einer erleichternden Möglichkeit für einen Mangel des Gesetzes halten wollte, käme man an der Tatsache nicht vorbei, daß hierin eine bewußte Entscheidung des Gesetzgebers liegt und entsprechende Ä nderungen des Gesetzes bisher keine Mehrheit gefunden haben (vgl. Häublein, ZMR 2000, 423, 426; Röll WE 1992, 244, 245). Hieran ist die Rechtsprechung gebunden und kann sie nicht aus Praktikabilitätserwägungen (vgl. Deckert, NZM 2000, 361, 363; Würfel, DWE 2000, 14 ff.) korrigieren.
c) Hinzu kommt, daß die Frage, ob für die Begründung eines Sondernutzungsrechts durch bestandskräftigen Mehrheitsbeschluß an der Entscheidung vom 21. Mai 1970 festzuhalten ist, in der obergerichtlichen Judikatur und in der Literatur nach wie vor heftig umstritten ist (bejahend BayObLGZ, 1973, 267, 269; NJW-RR 1990, 1104, 1105; 1992, 81, 83; 1993, 85, 86; OLG Düsseldorf NZM 1999, 378; OLG Frankfurt OLGZ 1986, 38, 39; OLG Hamm, WE 1997, 384, 385; OLG Köln, NZM 1998, 979, 980; Deckert, WE 1999, 2, 5; Demharter, MittBayNot 1996, 417; Hauger, WE 1993, 231, 233; Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 3. Aufl., Rdn. 167, 180; Münstermann-Schlichtmann, DWE 1991, 55, 56; Schuschke, NZM 1999, 241, 243; Palandt/Bassenge, BGB, 59. Aufl., § 10 WEG Rdn. 19; verneinend KG NJW-RR 1987, 653, 654; OLG
Karlsruhe, ZMR 1991, 33, 34; OLG Köln, NJW-RR 1992, 598; WE 1998, 193, 194 m. Anm. Ott S. 200; Soergel/Stürner, BGB, 12. Aufl., § 10 WEG Rdn. 10 c; Staudinger/Kreuzer, BGB, 12. Aufl., WEG § 10 Rdn. 59; Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl., § 15 Rdn. 23 ff; Belz, DWE 1991, 130, 136; DWE 1996, 140, 143; WE 1997, 293, 296; ders. Handbuch des Wohnungseigentums, 3. Aufl., Rdn. 84; Bielefeld, DWE 1993, 92, 98; Fisch, MittRhNotK 1999, 213, 224; Kreuzer, MittBayNot 1996, 339, 341; WE 1997, 362, 364; ders. Festschrift Merle (2000), 203, 209; Lüke, DNotZ 1997, 960, 962; Röll, ZWE 2000, 13, 14; Wenzel, ZWE 2000, 2, 5; differenzierend nach Inhalt und Ausmaß Bärmann /Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 23 Rdn. 113 a). Auch dies erfordert eine Überprüfung der bisherigen Rechtsprechung. Dabei kann offen bleiben, ob der Beschluß vom 21. Mai 1970 nicht schon durch die von dem erkennenden Senat vertretene Kernbereichstheorie (BGHZ 127, 99, 105; 129, 329, 333; Demharter, MittBayNot 1996, 417) überholt ist, weil der mit der Begründung eines Sondernutzungsrechts einhergehende Entzug des Mitgebrauchs der übrigen Wohnungseigentümer der Einräumung eines Nießbrauchs, einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, einer Grunddienstbarkeit oder auch einer Regelung nach § 1010 BGB vergleichbar ist (Belz, DWE 1996, 140, 143; ders. WE 1997, 293, 296; ders., Handbuch des Wohnungseigentums, 3. Aufl., Rdz. 84), die zugleich den Haftungsgegenstand eines beschränkten Liegenschaftsrechts im Sinne der §§ 877, 876 BGB nachteilig verändert (hierzu vgl. BGHZ 91, 343, 345 = NJW 1984, 2409; OLG Frankfurt, WE 1998, 232, 233; Staudinger /Gursky [1995] § 877 Rdn. 48). Jedenfalls fehlt der Wohnungseigentümerversammlung die Beschlußkompetenz. Sie betrifft die formelle Legitimation des Beschlusses und nicht wie die Kernbereichstheorie die materiell-rechtliche Frage, inwieweit das Wohnungseigentum mehrheitsfest ist. Der Gegenstand beider Rechtsfiguren ist verschieden, so daß die erste Rechtsfigur nicht wegen
der zweiten entbehrlich ist (a.A. Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., WEG § 23 Rdn. 115).
3. Das Wohnungseigentumsgesetz unterscheidet zwischen Angelegenheiten , die die Wohnungseigentümer durch (Mehrheits-)Beschluß, und solchen , die sie durch Vereinbarung regeln können. Gemäß § 23 Abs. 1 WEG können durch Beschlußfassung solche Angelegenheiten geordnet werden, über die nach dem Wohnungseigentumsgesetz oder nach einer Vereinbarung die Wohnungseigentümer durch Beschluß entscheiden können. Anderenfalls bedarf es einer Vereinbarung, § 10 Abs. 1 WEG. Die Mehrheitsherrschaft bedarf damit der Legitimation durch Kompetenzzuweisung. Sie ist nach dem Willen des Gesetzgebers nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Sie wird vom Gesetz nur dort zugelassen, wo es um das der Gemeinschaftsgrundordnung nachrangige Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander, namentlich um die Ausgestaltung des ordnungsgemäßen Gebrauchs und um die ordnungsmäßige Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 15 Abs. 2, § 21 Abs. 1 und 3 WEG) geht (Senat, BGHZ 115, 151, 154). Hierdurch unterscheidet sich das Wohnungseigentumsgesetz bewußt von den gesetzlichen Vorschriften , die für die körperschaftlich organisierten Verbände des Gesellschaftsrechts grundsätzlich das Mehrheitsprinzip anordnen, und orientiert sich an der für Personengesellschaften geltenden Rechtslage. Wenn aber das Gesetz die Mehrheitsmacht auf bestimmte Bereiche beschränkt, kann jeder Eigentümer darauf vertrauen, daß sein Wohnungseigentumsrecht im übrigen mehrheitsfest ist (Häublein, ZMR 2000, 423, 426; Wenzel, ZWE 2000, 2, 7). Ist eine Angelegenheit weder durch das Wohnungseigentumsgesetz noch durch Vereinbarung dem Mehrheitsprinzip unterworfen, kann eine Regelung durch Mehrheitsbeschluß nicht erfolgen: Der Mehrheit fehlt von vorneherin jede Be-
schlußkompetenz, die Wohnungseigentümerversammlung ist für eine Beschlußfassung absolut unzuständig (vgl. Senat, BGHZ 115, 151, 152; Bärmann /Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 23 Rdn. 160 a; Buck, WE 1998, 90, 92; Wenzel, ZWE 2000, 2, 4). Daß die Vorschriften des Gesetzes gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG abdingbar sind, ist unerheblich. Entscheidend ist, daß dies nur im Wege der Vereinbarung möglich ist (Weitnauer, WE 1995, 163, 164). Was zu vereinbaren ist, kann nicht beschlossen werden, solange nicht vereinbart ist, daß dies auch beschlossen werden darf (Müller, Festschrift für Bärmann und Weitnauer [1990] S. 505, 510; anders ders. NZM 2000, 648 und NZM 2000, 854). Die Beschlußkompetenz wächst der Mehrheit auch nicht dadurch zu, daß ein in angemaßter Kompetenz gefaßter Beschluß bestandskräftig wird und der Beschlußgegenstand damit zukünftig dem Mehrheitsprinzip unterfällt (vgl. OLG Düsseldorf NZM 2000, 875, 876). Aus § 23 Abs. 4 WEG ergibt sich nichts anderes (a.A. Demharter, WuM 2000, 291, 293; Müller, NZM 2000, 854). Die Bestimmung erlaubt keine Durchbrechung des Vertragsprinzips, sondern ist systematisch und teleologisch dem Geltungsbereich des Mehrheitsprinzips verhaftet.
Die hier erfolgte Zuweisung der ausschließlichen Nutzung des im Gemeinschaftseigentum stehenden Vorgartens an die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin ist als Begründung eines Sondernutzungsrechts einer Beschlußfassung von vorneherein entzogen (Ott, ZWE 2000, 333, 336; Wenzel, ZWE 2000, 2, 5 f.; a.A. Buck, NZM 2000, 645, 649). Sie unterfällt nicht der Bestimmung des § 15 WEG, weil sie nicht eine Konkretisierung des Gebrauchs, sondern neben der Zuweisung an den begünstigten Wohnungseigentümer für die übrigen Wohnungseigentümer den vollständigen Ausschluß vom Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums samt der damit verbundenen Gebrauchs-
vorteile zum Gegenstand hat. Ein solcher Gebrauchsentzug ist aber keine Regelung des Gebrauchs nach § 15 WEG, weil diese den Mitgebrauch voraussetzt. Er ändert vielmehr § 13 Abs. 2 WEG ab und hat deswegen nicht (auch) vereinbarungsersetzenden Charakter (a.A. Häublein, ZMR 2000, 423, 429), sondern gesetzesändernden Inhalt. Eine solche Regelung ist dem Mehrheitsprinzip von vorneherein ebensowenig zugänglich wie die Ä nderung einer Vereinbarung.
4. Die absolute Beschlußunzuständigkeit macht einen Beschluß nicht nur anfechtbar, sondern nichtig (vgl. BayObLGZ 1984, 198, 203; 1985, 345, 346; 1990, 312, 314; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 23 Rdn. 123; Weitnauer/ Lüke, WEG, 8. Aufl., § 23 Rdn. 25; Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums , 3. Aufl., Rdn. 397; krit. Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., WEG § 23 Rdn. 113 ff). Dies folgt allerdings nicht schon aus § 23 Abs. 4 WEG i.V.m. der Überlegung, daß auf die Legitimation durch Kompetenzzuweisung nicht verzichtet werden kann (a.A. Wenzel, ZWE 2000, 2, 5). Denn die Vorschrift setzt eine Beschlußkompetenz voraus (Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 23 Rdn. 160 a; Häublein, ZMR 2000, 423, 428; Kümmel, ZWE 2000, 387, 391; Ott, ZWE 2000, 333, 336). Die Nichtigkeit ergibt sich jedoch aus der Tatsache, daß die Wohnungseigentümer von der gesetzlichen Kompetenzzuweisung - ohne dahingehende Öffnungsklausel in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung - nicht durch Mehrheitsbeschluß, sondern nach § 10 Abs. 1 WEG nur durch Vereinbarung abweichen können. Diese Vorschrift ist unter dem beschriebenen Regelungszusammenhang, der das Vertragsprinzip zur Regel und das Mehrheitsprinzip zur Ausnahme macht, zwingend. Im Ergebnis gilt insoweit nichts anderes als bei Satzungsdurchbrechungen im Gesellschaftsrecht ohne
Einhaltung der für eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften (vgl. hierzu BGHZ 123, 15, 19; Wenzel, ZWE 2000, 2, 7).
Anders verhält es sich dagegen in den Angelegenheiten, welche die Regelung des Gebrauchs (§ 15 WEG), der Verwaltung (§ 21 WEG) und der Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 22 WEG) betreffen. Hier räumt das Gesetz den Wohnungseigentümern ausdrücklich die Möglichkeit einer Mehrheitsentscheidung ein, sofern es um eine ”ordnungsmäßige” Maßnahme geht. Die Wohnungseigentümerversammlung ist also nicht von vorneherein für eine Beschlußfassung absolut unzuständig (Buck, WE 1998, 90, 92 f; Wenzel, ZWE 2000, 2, 4 ff.). Sie darf nur keine Beschlüsse fassen, die über die ”Ordnungsmäßigkeit” des Gebrauchs, der Verwaltung und der Instandhaltung hinausgehen. Da dies aber von den Umständen des Einzelfalles abhängt und die Frage der Abgrenzung vielfach nicht leicht zu entscheiden ist, kann die Beschlußzuständigkeit nicht davon abhängen , ob eine Maßnahme ordnungsmäßig ist. Die ”Ordnungsmäßigkeit” ist aus Gründen der Rechtssicherheit nicht kompetenzbegründend (a.A. Häublein, ZMR 2000, 423, 429), so daß für Gebrauchs-, Verwaltungs- und Instandhaltungsregelungen an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, daß in diesen Angelegenheiten bestandskräftige Mehrheitsbeschlüsse gültig sind, auch wenn der Regelungsgegenstand den Abschluß einer Vereinbarung oder Einstimmigkeit erfordert hätte (vereinbarungsersetzende Beschlüsse).
Die Nichtigkeit des Eigentümerbeschlusses vom 18. April 1989 kann von den Antragstellern auch ohne gerichtliche Feststellung und ohne zeitliche Befristung geltend gemacht werden (BGHZ 107, 268, 270 f.; Bärmann/Pick/Merle
aaO § 23 Rdn. 107; a.A. Häublein, ZMR 2000, 423, 430 ff.). Sie rechtfertigt das Unterlassungsbegehren.
5. Der Senat ist sich bewußt, daß die Entscheidung über den zugrundeliegenden Einzelfall hinaus auch für andere Problemfelder, wie z.B. die Ä nderung des einer Mehrheitsentscheidung entzogenen gesetzlichen bzw. vereinbarten Kostenverteilungsschlüssels (vgl. Würfel DWE 2000, 14) oder die Aufhebung der Zustimmungsverpflichtung des Verwalters oder der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Vermietung/Veräußerung nach § 12 WEG durch Mehrheitsbeschluß (vgl. Röll, ZWE 2000, 13, 16), Bedeutung hat. Soweit es dabei um die Frage ihrer sog. unechten Rückwirkung geht, betrifft dies nur in der Vergangenheit liegende, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte, wie z.B. Beschlüsse über den generellen Kostenverteilungsschlüssel, nicht dagegen Beschlüsse über konkrete Abrechnungen (Kümmel, ZWE 2000, 387, 388). Ist der durch Beschluß geregelte Sachverhalt - wie hier - noch nicht abgeschlossen , wird es jeweils darauf ankommen, ob und inwieweit im Vertrauen auf den von dem Bundesgerichtshof bisher uneingeschränkt aufgestellten Rechtssatz, daß bestandskräftige Mehrheitsbeschlüsse mit Vereinbarungsinhalt gültig sind, rechtlich schützenswerte Positionen entstanden sind, deren Beseitigung zu unzumutbaren Härten führen würde, so daß die Folgen der Entscheidung im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ausnahmsweise nur für die Zukunft gelten können (vgl. BGHZ 132, 6, 11; 132, 119, 131). Ein solcher Vertrauenstatbestand ist hier jedoch nicht begründet worden, weil die Frage der Einräumung eines Sondernutzungsrechts durch bestandskräftigen Mehrheitsbeschluß nach der in BGHZ 54, 65 veröffentlichten Entscheidung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur weiter heftig um-
stritten war und eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung sich hierzu nicht entwickelt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Entscheidung über den Geschäftswert auf § 48 Abs. 3 WEG.
Wenzel Lambert-Lang Krüger Klein Lemke
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.