Amtsgericht Nürtingen Beschluss, 24. Feb. 2010 - 42 C 1524/09

bei uns veröffentlicht am24.02.2010

Tenor

Die Erinnerung der Klägerin vom 12. Januar 2010 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Nürtingen vom 18. Dezember 2009 wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

Die Kosten werden des Erinnerungsverfahrens trägt die Klägerin.

Gründe

 
I.
Die Klägerin machte im Klageverfahren vorgerichtliche Anwaltskosten als Nebenkosten geltend. Diese wurden antragsgemäß in Höhe von 99,75 EUR (0,75 Geschäftsgebühr gemäß RVG VV 2300) im Urteil tituliert.
Die Klägerin war vorprozessual noch von einem anderen Rechtsanwalt vertreten worden.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 4. November 2009 beantragte die Klägerin gegen den Beklagten die Kosten des Verfahrens auf 279,40 EUR zzgl. der Gerichtskosten festzusetzen. Darin enthalten war eine 1,3 Verfahrensgebühr gemäß RVG VV 3100 in Höhe von 172,90 EUR.
Mit Beschluss vom 18. Dezember 2009, der Klägerin zugestellt am 29.12.2009, setzte die Rechtspflegerin die Kosten inklusive Gerichtskosten mit 448,52 EUR gegen den Beklagten fest. In Höhe von 49,88 EUR wurde dem Antrag der Klägerin nicht gefolgt; abgezogen wurde die Hälfte der vorgerichtlich entstandenen und titulierten Geschäftsgebühr. Hiergegen richtet sich die Erinnerung vom 12. Januar 2010.
II.
1. Die Erinnerung der Klägerin ist zulässig.
Die Erinnerung ist statthaft (§§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 2 ZPO, 11 Abs. 2 Satz 1 RpflG). Die Beschwerdesumme von 200,00 EUR ist nicht erreicht. Die zweiwöchige Erinnerungsfrist (§ 11 Abs. 2 Satz 1 RpflG, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ist gewahrt,
2. Die Erinnerung ist jedoch unbegründet. Zurecht wurde im Rahmen der Kostenfestsetzung eine (fiktive) Anrechnung entsprechend Vormerkung 3 Abs. 4 RVG VV vorgenommen.
Die unterliegende Partei hat nicht alle entstandenen Kosten des Rechtsstreits, sondern gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Diese Beschränkung ist Ausdruck der Regulierungsfunktion des Kostenrechts, die Parteien zu ökonomischer Prozessführung anzuhalten. Jede Partei hat daher nach Treu und Glauben die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig wie möglich zu halten, soweit sich das mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten prozessualen Belange vereinbaren lässt. Die aus Sicht einer wirtschaftlich denkenden Partei nicht als erforderlich erscheinenden Aufwendungen sind nicht notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und gehen zu Lasten der obsiegenden Partei. Kommen mehrere gleichwertige Maßnahmen in Betracht, ist grundsätzlich die kostengünstigste zu wählen (vgl. Giebel , in: MünchKomm, ZPO, 3. Aufl., § 91 Rn. 38 und Herget , in: Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 91 Rn. 12 jeweils m.w.N.).
§ 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO, wonach die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten sind, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder ein Wechsel eintreten musste, betrifft zwar grds. nur den Anwaltswechsel während des gerichtlichen Verfahrens (OLG Koblenz vom 20.08.2008, Az. 14 W 524/08). Die Norm ist aber Ausdruck des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsprinzips des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Bei der Beurteilung, welche Aufwendungen notwendig sind, kann der Rechtsgedanke des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO daher berücksichtigt werden.
10 
Ist die Vertretung durch verschiedene Rechtsanwälte für die vorprozessuale Tätigkeit einerseits und das gerichtliche Verfahren andererseits zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, sind deshalb dadurch bedingte Mehraufwendungen nicht notwendig und im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht zu erstatten.
11 
Weil Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV grundsätzlich nur anwendbar ist, wenn die Partei vorprozessual von demselben Rechtsanwalt vertreten wird (AG Saarbrücken, NJW-RR 2008, 1669 (1670)), mindert sich in diesem Fall zwar die Verfahrensgebühr des Prozessbevollmächtigten nicht um die hälftige Geschäftsgebühr. Im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und der Frage, welche Kosten von der unterliegenden Partei zu erstatten sind, ist jedoch ein fiktive Anrechnung vorzunehmen. Eine wirtschaftlich denkende Partei hätte angesichts der höheren Kosten keinen anderen Rechtsanwalt mit der Prozessführung betraut, sofern nicht andere gewichtige Gründe den Wechsel erfordern. Ob es zu einer fiktiven Anrechnung kommt, hängt somit von den Umständen im Einzelfall ab.
12 
Vorliegend wurden von der Klägerin keinerlei Gründe für den Anwaltswechsel vorgetragen. Es ist somit nicht ersichtlich, ob und weshalb der Wechsel notwendig war. Die fiktive Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr ist deshalb zurecht erfolgt.
13 
Im Übrigen erkennt auch das OLG Koblenz (a.a.O.) die Möglichkeit der fiktiven Anrechnung an, nämlich in Fällen, in denen die Partei ihre gerichtliche Vertretung offensichtlich ohne jedes Eigeninteresse in verschiedene Hände gelegt hat. Weil die Klägerin keinerlei Gründe für den Wechsel der Vertretung vorgetragen hat, müsste selbst nach dieser Rechtsprechung eine Anrechnung erfolgen.
14 
3. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus §§ 11 Abs. 2 Satz 4 RPflG, 97 Abs. 1 ZPO. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben (§ 11 Abs. 4 RpflG).

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 104 Kostenfestsetzungsverfahren


(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Proz

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Finanzgericht Hamburg Beschluss, 19. Nov. 2015 - 3 KO 226/15

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Tatbestand 1 A. Im Erinnerungsverfahren betreffend die festgesetzten Prozessbevollmächtigten-Kosten sind fünf Punkte streitig; nämlich ..

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(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.

(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.

(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.

(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.

(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.

(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.

(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.

(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.

(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.