Amtsgericht Köln Beschluss, 06. Mai 2015 - 72 IN 514/13
Tenor
Über das Vermögen
des […]
wird wegen Zahlungsunfähigkeit […] das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Eröffnung erfolgt aufgrund des […] Antrags einer Gläubigerin.
Zum Insolvenzverwalter wird ernannt […]
1
Gründe:
2Der Schuldner ist zahlungsunfähig. Einer Liquidität, die entweder bereits verfügbar ist oder innerhalb von drei Wochen verfügbar gemacht werden kann, im Gesamtumfang von 27.204,90 € stehen ungesicherte fällige Verbindlichkeiten in Höhe von mindestens 2.698.184,49 € gegenüber.
3I.
4Der Schuldner verfügt nach den Feststellungen des Sachverständigen derzeit über Liquidität, die entweder bereits verfügbar ist oder innerhalb von drei Wochen verfügbar gemacht werden kann, im Gesamtumfang von 27.204,90 € (Forderungen aus Mietverhältnis von 24.124,42 €, freie Guthaben bei Kreditinstituten von 3.080,48 €). Soweit im Gutachten zunächst ein höherer Betrag hinsichtlich des freien Guthabens bei Kreditinstituten von 454.895,89 genannt ist, ist dieser ausweislich des dem Gutachten beigefügten Status (Aktiva I.6.) durch aktuellere Erkenntnisse überholt; diese Differenz hat ohnehin keine Auswirkungen auf die Zahlungsunfähigkeit. Die über das freie Guthaben bei Kreditinstituten von 3.080,48 € (Aktiva I.6. c und d) hinausgehenden Guthaben des Schuldners bei Kreditinstituten in Höhe von weiteren 5.091.255,30 € (Aktiva I.6. a und e) sind insoweit nicht zugunsten des Schuldners als freie Liquidität zu berücksichtigen, da der Schuldner hierüber tatsächlich nicht frei verfügen kann. Insbesondere hinsichtlich der Guthaben unter Aktiva I.6.a in Höhe von 4.938.358,79 € teilte das Kreditinstitut mit Schreiben vom 17.11.2014 (Bl. 367/368) ausdrücklich mit, dass eine Bestätigung über die freie Verfügungsmöglichkeit der Depositeneinlagen nicht erteilt werden könne, und listete entsprechende Sicherungsrechte Dritter auf (auch wenn diese bereits teilweise geändert worden sind, vgl. Beschluss vom 19.12.2014, II. der Gründe). Unerheblich ist insoweit, dass der Schuldner der Auffassung ist, dass diese Sicherungsrechte von den Sicherungsgläubigern aufgegeben werden müssten, da das Kreditinstitut nach den Feststellungen des Sachverständigen tatsächlich derzeit keine Gelder von den Konten freigibt und, soweit ersichtlich, innerhalb der nächsten drei Wochen auch nicht freigeben wird und der Schuldner deshalb – allein hierauf kommt es an – gerade nicht frei über diese verfügen kann.
5II.
6Gegen den Schuldner bestehen fällige ungesicherte Verbindlichkeiten in Höhe von mindestens 2.698.184,49 €, nämlich die durch das Urteil des LG Köln […] zugunsten der Antragstellerin titulierte Forderung in Höhe von 2.500.000 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2012, mithin ca. 350.000 €, abzüglich eines verpfändeten Kontoguthabens in Höhe von 151.815,51 €. Diese Forderung hat der Schuldner – wie auch weitere ungesicherte Verbindlichkeiten – bestritten. Nicht zu berücksichtigen ist insoweit eine vom Schuldner für möglicherweise berechtigt gehaltene Eventualverbindlichkeit in Höhe von 300.000 €, da diese durch die Verpfändung eines Guthabenkontos in selber Höhe gesichert ist und dieses Guthaben aufgrund der Verpfändung bereits nicht als freie Liquidität des Schuldners berücksichtigt wurde.
71.
8Soll der Eröffnungsgrund allein aus einer einzigen Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet werden und ist diese bestritten, muss diese Forderung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voll bewiesen sein (BGH, Beschl. v. 14.12.2005 – IX ZB 207/04, NZI 2006, 174). Ist die Forderung tituliert, muss der Schuldner Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit in dem dafür vorgesehenen Verfahren verfolgen (BGH, Beschl. v. 29.6.2006 – IX ZB 245/05, NZI 2006, 588). Solange die Vollstreckbarkeit nicht auf diese Weise beseitigt ist, braucht das Insolvenzgericht die Einwendungen des Schuldners nicht zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 14.01.2010 – IX ZB 177/09, NZI 2010, 225). Soweit ersichtlich, hat der BGH dies jedoch bislang nur für vollstreckbare öffentlich-rechtliche Forderungen (so Beschl. v. 17.9.2009 – IX ZB 26/08, ZInsO 2009, 2072, und Beschl. v. 6.5.2010 – IX ZB 176/09, ZInsO 2010, 1091), Forderungen aus einer vollstreckbaren notariellen Urkunde (so Beschl. v. 29.11.207 – IX ZB 12/07, NZI 2008, 182, und Beschl. v. 14.01.2010 – IX ZB 177/09, NZI 2010, 225) oder durch ein rechtskräftiges Urteil titulierte Forderungen (so Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 15/06, NZI 2006, 642) ausdrücklich entschieden – teilweise auch nur zur Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung gemäß § 14 InsO –, nicht jedoch für den Vollbeweis einer Forderung bei der Eröffnungsentscheidung durch eine vorläufig vollstreckbare Entscheidung eines Zivilgerichts (vgl. insoweit zur Passivierung von Forderungen nach nicht rechtskräftigem Urteil eines Oberlandesgerichts im Überschuldungsstatus AG Hamburg, Beschl. v. 20.8.2004 – 67a 346/04, ZInsO 2004, 991).
9Ist die insolvenzbegründende Forderung nur vorläufig vollstreckbar tituliert, ist umstritten, in welchem Umfang Einwendungen des Schuldners gegen die Forderung im Rahmen der Eröffnungsentscheidung beachtlich sein sollen.
10Teilweise wird entsprechend der zitierten Rechtsprechung des BGH vertreten, dass Einwendungen des Schuldners gegen eine titulierte Forderung – von offensichtlichen Fällen abgesehen – grundsätzlich nur in dem für den jeweiligen Einwand vorgesehenen Verfahren geltend gemacht werden könnten. Das Insolvenzgericht brauche die Einwendungen des Schuldners nicht zu berücksichtigen, auch wenn dieser einen Rechtsbehelf eingelegt hat, solange die Vollstreckbarkeit nicht beseitigt ist. Gleichwohl dürfe das Insolvenzgericht etwaige Einwendungen und die Rechtsbehelfsaussichten im Rahmen der freien Beweiswürdigung berücksichtigen. Die Entscheidung schwieriger rechtlicher oder tatsächlicher Fragen sei jedoch nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts, sondern des Erkenntnisverfahrens. Ebenso sei es nicht Sache des Insolvenzgerichts, rechtlich oder tatsächlich zweifelhaften Einwendungen gegen titulierte Forderungen nachzugehen. Ist hingegen ein Rechtsbehelf eingelegt und die Vollstreckbarkeit beseitigt, seien die Parteien auf das Erkenntnisverfahren zu verweisen (Schröder, in: HambKomm-InsO, 5. Aufl. 2015, § 16 Rn. 9a).
11Nach einer zweiten Auffassung ist die Rechtslage anders, wenn ein nicht rechtskräftiger und somit lediglich vorläufig vollstreckbarer Titel über eine zivilrechtliche Forderung vorliegt. Die Rechtsprechung des BGH zu rechtskräftigen Titeln bzw. vollstreckbaren Urkunden sei nicht auf vorläufig vollstreckbare Titel zu übertragen, auch wenn der BGH – in obiter dicta – insoweit nicht immer differenziert habe. Auch wenn die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, binde ein solcher Titel das Insolvenzgericht daher nicht, sodass es die Aussichten eines vom Schuldner eingelegten Rechtsmittels nach freiem Ermessen zu würdigen habe. Die vorläufige Vollstreckbarkeit sei kein Beweis für den Bestand und die Fälligkeit der titulierten Forderung, da der vorweggenommene Zwangszugriff nach § 717 Abs. 2 ZPO auf Gefahr des Gläubigers erfolge. Nicht rechtskräftigen Titeln komme eine erheblich verminderte Beweiskraft zu. Im Zweifel sei der Insolvenzantrag somit – wie bei streitigen Verbindlichkeiten, die nicht tituliert sind – abzuweisen, wenn der Schuldner die fragliche Schuld schlüssig bestreitet und seine Rechtsverteidigung nicht erkennbar aussichtslos ist (LG Hildesheim, Beschl. v. 08.01.2007j – 7 T 140/06, ZIP 2008, 325, 326 f.; LG Potsdam, Beschl. v. 11.7.2007 – 5 T 448/07, ZInsO 2007, 999, 1000, unter Berufung auf BGH, Beschl. v. 19.12.1991 – III ZR 9/91; Henkel, ZInsO 2011, 1237, 1239; Kirchhof, in: HK-InsO, 7. Aufl. 2014, § 16 Rn. 16).
12Zutreffend ist (mit Schmahl/Vuja, in: MüKo-InsO, 3. Aufl. 2013, § 16 Rn. 39) danach zu differenzieren, ob dem vorläufig vollstreckbaren Titel eine gerichtliche Sachprüfung unter Berücksichtigung der Einwendungen des Schuldners zugrunde liegt. Hat ein Gericht in erster Instanz eine Forderung für begründet erachtet, ist das Insolvenzgericht zu einer eigenen Sachprüfung weder verpflichtet noch berechtigt. Solange die Entscheidung weder aufgehoben noch ihre Vollstreckung eingestellt worden ist, hat das Insolvenzgericht vom Bestand der Forderung auszugehen. Handelt es sich bei dem Titel demgegenüber um ein Versäumnisurteil, einen Vollstreckungsbescheid, eine vollstreckbare Urkunde oder einen Leistungsbescheid eines öffentlich-rechtlichen Gläubigers, hat das Insolvenzgericht die Einwendungen des Schuldners sachlich zu prüfen. Ist die Rechtsverteidigung des Schuldners nicht offensichtlich aussichtslos, ist die Begründetheit der Forderung von den jeweiligen Fachgerichten zu klären und der Eröffnungsantrag zurückzuweisen. Nur wenn der Schuldner keine substantiierten Einwendungen gegen die Forderung erhebt oder seine Einwendungen auch unter Zugrundelegung seines eigenen Vorbringens rechtlich unerheblich sind, kann das Gericht zur Feststellung des Eröffnungsgrunds die Forderung des antragstellenden Gläubigers berücksichtigen (Schmahl/Vuja, in: MüKo-InsO, 3. Aufl. 2013, § 16 Rn. 39). Zwar spricht gegen diese Auffassung, dass stets die Möglichkeit besteht, dass ein nur vorläufig vollstreckbarer Titel im Rechtsmittelverfahren aufgehoben wird und das für einen Schuldner mit einem schweren, zumeist existenziellen Eingriff in seine Rechte verbundene Insolvenzverfahren aus ex-post-Sicht zu Unrecht eröffnet worden ist. Allein durch die faktische Unterbrechung des Rechtsmittelverfahrens kann der Schuldner im Übrigen zivilprozessuale Rechte insbesondere auch im laufenden Rechtsmittelverfahren verlieren. Demgegenüber ist jedoch nicht zu verkennen, dass nach hier vertretener Auffassung bei einer gerichtlichen Sachprüfung der Gläubiger den Bestand seiner Forderung zumindest einmal zur vollen Überzeugung eines Gerichts nachgewiesen hat (vgl. auch Pape, NJW 1993, 297, 302, zur Zulässigkeit eines Konkursantrags). Die Entscheidung schwieriger rechtlicher oder tatsächlicher Fragen, insbesondere über rechtlich oder tatsächlich zweifelhafte Einwendungen, verbleibt hiernach regelmäßig im hierfür vorgesehenen Erkenntnisverfahren. Wird zur Überzeugungsbildung des Insolvenzgerichts im Rahmen der Eröffnungsentscheidung demgegenüber ein rechtskräftiger – und nicht nur ein vorläufig vollstreckbarer – Titel verlangt, wenn der Eröffnungsgrund allein aus einer einzigen bestrittenen Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet wird, besteht für den Gläubiger im Übrigen die Gefahr, dass ein unredlicher Schuldner bis zur Rechtskraft eines Titels auch bei Anordnung von Sicherungsmaßnahmen Teile seines Vermögens verschieben und ein Insolvenzverfahren verschleppen kann (vgl. auch hier Pape, NJW 1993, 297, 301). Die Rechtsprechung des BGH steht diesem Ergebnis nicht entgegen, da der Sachverhalt bei Vorliegen eines nur vorläufig vollstreckbaren Titels nicht mit den vom BGH bislang entschiedenen Fällen vergleichbar ist (so im Ergebnis auch Henkel, ZInsO 2011, 1237, 1239): Bei einem rechtskräftigen Urteil ist das Erkenntnisverfahren bereits abgeschlossen; der Schuldner hatte rechtliches Gehör und somit zumindest die Möglichkeit erhalten, seine Einwände geltend zu machen. Bei Forderungen aus einer vollstreckbaren Urkunde hatte der Schuldner bei der Schaffung des Titels mitgewirkt und hat damit selbst Fakten geschaffen, die ihm im Insolvenzverfahren entgegengehalten werden können. Bei vollstreckbaren öffentlich-rechtlichen Forderungen richten sich auch die Vollstreckbarkeit und die etwaige Geltendmachung von Einwänden nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften und unterscheiden sich bereits deshalb von der (vorläufigen) Vollstreckbarkeit eines zivilgerichtlichen Urteils.
132.
14Vorliegend ist das Bestehen der Forderung der Antragstellerin durch das erstinstanzliche Urteil des LG Köln […] zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen. Das OLG Köln hat die Berufung gegen dieses Urteil mit einstimmigem Beschluss […] gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und diesen Beschluss und das angefochtene landgerichtliche Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt; der Schuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Letztere Entscheidung ist weder aufgehoben noch die Vollstreckung hieraus eingestellt worden. Auch hat der Schuldner bislang keine Sicherheit geleistet; er ist nach eigenem Bekunden hierzu auch nicht in der Lage. Das OLG Köln hat die Revision nicht zugelassen. Unerheblich ist hiernach, dass der BGH über die Nichtzulassungsbeschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des OLG Köln noch nicht entschieden hat.
15Rechtsmittelbelehrung:
16Gegen diesen Beschluss steht dem Schuldner das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes erklärt werden.
17Die sofortige Beschwerde muss innerhalb von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Köln eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde.
18Die Frist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung. Zum Nachweis der Zustellung genügt ggf. auch die öffentliche Bekanntmachung. Diese gilt als bewirkt, sobald nach dem Tag der unter www.insolvenzbekanntmachungen.de erfolgten Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind. Maßgeblich für den Beginn der Beschwerdefrist ist der frühere Zeitpunkt.
19Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie soll begründet werden.
20Köln, 06.05.2015
21Amtsgericht
22Richter am Amtsgericht
ra.de-Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Köln Beschluss, 06. Mai 2015 - 72 IN 514/13
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BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten des Verfahrens der Rechtsbeschwerde – an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gründe:
I.
- 1
- Mit notariellem Vertrag vom 22. Juni 1997 verkaufte die weitere Beteiligte (fortan: Gläubigerin) der Schuldnerin ein Grundstück zum Preis von 175.000.000 DM. Die Schuldnerin unterwarf sich wegen aller Zahlungsansprüche aus dem Vertrag der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde sollte auch ohne Nachweis der Fälligkeit der geschuldeten Leistung erteilt werden können. Die Gläubigerin erhielt eine entsprechende vollstreckbare Ausfertigung. Unter dem 10. Oktober 1998 teilte der Notar mit, dass die Fälligkeitsvoraussetzungen hinsichtlich der ersten Kaufpreisrate von 75.000.000 DM (= 38.346.891 Euro) vor- lägen. Die Schuldnerin zahlte nicht. Ein Zwangsvollstreckungsversuch im Januar 2004 verlief erfolglos.
- 2
- Am 14. Juli 2004 hat die Gläubigerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt. Die Schuldnerin hat demgegenüber die Fälligkeit der Kaufpreisforderung bestritten und behauptet, der Gläubigerin gehe es nur darum, sich vom Vertrag zu lösen. Das Amtsgericht hat den Insolvenzantrag als unzulässig abgewiesen, weil die Schuldnerin glaubhaft gemacht habe, dass die titulierte Forderung nicht fällig sei. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin weiter.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist nach § 34 Abs. 1, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Entgegen der Ansicht der Schuldnerin ist die Rechtsbeschwerde ausreichend begründet worden (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Zwar ist eine kraft Gesetzes statthafte Rechtsbeschwerde unzulässig, wenn mit ihrer Begründung nur gegen einen von zwei selbstständig tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung die Zulässigkeitsvoraussetzungen dargelegt werden (BGH, Beschl. v. 29. September 2005 – IX ZB 430/02, WM 2006, 59, 60). Auch ohne die zunächst fehlende, erst nach Ablauf der Begründungsfrist (§ 575 Abs. 2 ZPO) nachgereichte Seite 7 genügt die Beschwerdebegründung der Gläubigerin diesen Anforderungen jedoch. Sie legt schlüssig und substantiiert (vgl. BGHZ 152, 7, 8 f) Zulässigkeitsgründe (§ 574 Abs. 2 ZPO) hinsichtlich beider Begründun- gen dar, auf die das Beschwerdegericht die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde gestützt hatte.
- 4
- In der Sache führt die Rechtsbeschwerde zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
- 5
- Das 1. Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die Gläubigerin habe kein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sie sei dadurch ausreichend geschützt, dass sie noch Eigentümerin des verkauften Grundstücks sei, also über ausreichende Sicherheiten dagegen verfüge, das Grundstück zu verlieren, ohne den Kaufpreis zu erhalten. Außerdem könne sie den Kaufpreisanspruch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nicht durchsetzen. Gemäß § 103 InsO stehe nur dem Verwalter das Recht zu, die Erfüllung des Kaufvertrages zu verlangen; die Gläubigerin könne dessen Entscheidung nur abwarten. Im vorliegenden Fall würde der Verwalter voraussichtlich die Erfüllung des Vertrages ablehnen. Das Insolvenzverfahren sei folglich für die Gläubigerin wirtschaftlich sinnlos.
- 6
- 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 7
- a) Gemäß § 14 Abs. 1 InsO ist der Antrag eines Gläubigers nur zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat. Das Tatbestandsmerkmal "rechtliches Interesse" ist eingefügt worden, um sicherzustellen, dass nur solche Gläubiger Anträge stellen, die im Falle der Eröffnung als Insolvenzgläubiger am Verfahren beteiligt wären, und um missbräuchlichen Anträgen vorzubeugen, die etwa zu dem Zweck gestellt werden, Zahlungen solventer, aber zahlungsunwilliger Schuldner zu erzwingen (amtliche Begründung zu § 16 Reg.-E., BT-Drucks. 12/2443, S. 113). In aller Regel wird einem Gläubiger, dem eine Forderung zusteht und der einen Eröffnungsgrund glaubhaft macht, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon wegen des staatlichen Vollstreckungsmonopols nicht abgesprochen werden können (HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 14 Rn. 22; MünchKomm-InsO/Schmahl, § 14 Rn. 41). Da die Gläubigerin auf dem Standpunkt steht, dass die vertraglichen Voraussetzungen für die Abwicklung des Vertrages erfüllt sind, und die Weigerung der Antragsgegnerin auf einen Mangel an Zahlungsmittel zurückführt, ist ihr zunächst das rechtliche Interesse nicht abzusprechen, das dafür vorgesehene Verfahren einzuschlagen, also einen Insolvenzantrag zu stellen.
- 8
- b) Dass die Gläubigerin noch Eigentümerin des verkauften Grundstücks ist, lässt ihr rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin nicht entfallen. Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wäre die Gläubigerin mit ihrer Forderung auf Zahlung der ersten Kaufpreisrate Insolvenzgläubigerin. Es ginge also zunächst nicht um eine Aussonderung des Grundstücks (§ 47 InsO). Die vom Beschwerdegericht für maßgeblich gehaltene Frage einer Sicherung gegen den Verlust des Eigentums am Grundstück ohne Gegenleistung stellt sich derzeit nicht.
- 9
- c) Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters aus § 103 Abs. 1 InsO steht einem rechtlichen Interesse der Gläubigerin ebenfalls nicht entgegen. Gemäß § 103 Abs. 1 InsO hat zwar allein der Verwalter das Recht zu entscheiden, ob ein vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Vertrag durchgeführt werden soll oder nicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Gläubigerin wirtschaftlich sinnlos wäre. Entweder der Verwalter wählt die Erfüllung des Vertrages.
- 10
- 3. Die angefochtene Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Sie ist aufzuheben; die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO). Für die erneute Entscheidung weist der Senat auf folgende rechtliche Gesichtspunkte hin:
- 11
- a) Soll der Eröffnungsgrund aus einer einzigen Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet werden und ist diese Forderung bestritten, muss sie für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 – IX ZB 207/04, WM 2006, 492, 493). Den ihr obliegenden Beweis hat die Gläubigerin jedoch mit der Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Kaufvertrages geführt. Im eröffneten Verfahren obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen, wenn ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt (§ 179 Abs. 2 InsO). Diese Wertung gilt auch im Eröffnungsverfahren. Die Schuldnerin hätte ihre Einwendungen gegen die titulierte Forderung oder gegen deren Vollstreckbarkeit in den für den jeweiligen Einwand vorgesehenen Verfahren überprüfen lassen können (etwa §§ 732, 767, 768 ZPO; vgl. HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 14 Rn. 12 f). Das hat sie nicht getan. Das Insolvenzgericht kann diese Prüfung – von offensichtlichen Fällen einmal abgesehen – nicht nachholen. Ebenso wie es nicht Sache des Insolvenzgerichts ist, den Bestand ernsthaft bestrittener, rechtlich zweifelhafter Forderungen zu überprüfen (vgl. BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005, aaO), obliegt es ihm nicht, rechtlich oder tatsächlich zweifelhaften Einwänden gegen eine titulierte Forderung nachzugehen.
- 12
- b) Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird (§ 1 Satz 1 InsO). Rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig ist ein Antrag nicht erst dann, wenn unerlaubte Zwecke verfolgt werden, sondern bereits dann, wenn es dem Antragsteller um die Erreichung anderer Ziele als desjenigen der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger geht (Jaeger/Gerhardt, InsO § 14 Rn. 4). Insbesondere dient das Insolvenzverfahren nicht der Beendigung eines lästigen Vertragsverhältnisses (BGH, Urt. v. 22. Mai 1962 – VI ZR 256/61, WM 1962, 929, 930; OLG Oldenburg MDR 1955, 175, 176; Jaeger/Gerhardt, aaO). Die tatsächlichen Voraussetzungen des Missbrauchseinwands hat jedoch derjenige glaubhaft zu machen, der sich auf ihn beruft. Der Umstand allein, dass der hier streitige Vertrag bisher nicht durchgeführt werden konnte, wird den Schluss auf ein insolvenzzweckwidriges Verhalten nicht rechtfertigen können. Grundsätzlich ist es Sache des Gläubigers zu entscheiden , ob er sich von einem Vertrag löst oder aber seine Forderung nach wie vor durchzusetzen versucht.
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 11.10.2004 - 500 IN 85/04 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.08.2005 - 25 T 16/05 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die Festsetzung des Gegenstandswerts entspricht dem Betrag der von dem Beschwerdeführer mit dem Insolvenzantrag verfolgten Forderung. Einer ausdrücklichen Klarstellung, dass das Beschwerdegericht auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden hat, bedarf es nicht. Dies ergibt sich bereits aus der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und der Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Ganter Gehrlein Vill Lohmann Fischer
AG Nürnberg, Entscheidung vom - 8200 IN 1437/08 -
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 15.07.2009 - 11 T 3385/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 7.487,93 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 7, 6 Abs. 1, § 34 Abs. 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist aber unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO).
- 2
- 1. Der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts weicht nicht in entscheidungserheblicher Weise zum Nachteil des Schuldners von der Rechtsprechung des Senats ab.
- 3
- a) Ein Gläubiger, der die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Schuldners beantragt, muss - neben dem Eröffnungsgrund - seine Forderung gegen den Schuldner glaubha ft machen. Leitet er den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit allein aus seiner Forderung ab und ist diese bestritten, muss die Forderung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 - IX ZB 207/04, WM 2006, 492, 493). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners folgt aus einer Vielzahl weiterer Forderungen.
- 4
- b) Glaubhaft ist die Forderung des weiteren Beteiligten, weil sie auf einem bestandskräftigen Haftungsbescheid beruht. Dass der Schuldner die Rücknahme seines Einspruchs gegen den Haftungsbescheid angefochten hat, ist unerheblich, weil die Einspruchsrücknahme nicht nach den bürgerlichrechtlichen Regelungen angefochten werden kann (BFHE 96, 552; BGHZ 12, 284, 285). Im Übrigen ist ein Anfechtungsgrund nicht substantiiert dargelegt.
- 5
- c) Mit Recht hat das Beschwerdegericht dem Vorbringen des Schuldners , er habe mit dem Finanzamt eine Verrechnung von Ansprüchen auf Erstattung von Einkommensteuer vereinbart, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Ist die Forderung des die Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreibenden Gläubigers tituliert, muss der Schuldner Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit in dem dafür vorgesehenen Verfahren verfolgen. Solange die Vollstreckbarkeit nicht auf diese Weise beseitigt ist, braucht das Insolvenzgericht die Einwendungen des Schuldners nicht zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05, WM 2006, 1632, 1633; v. 27. Juli 2006 - IX ZB 15/06, NZI 2006, 642; v. 29. November 2007 - IX ZB 12/07, ZInsO 2008, 103, 104 Rn. 9). Dies gilt auch für vollstreckbare öffentlich-rechtliche Forderungen (MünchKomm-InsO/Schmahl, 2. Aufl. § 14 Rn. 25; vgl. ferner BGH, Beschl. v.
- 6
- 2. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist auch das Verfahrensgrundrecht des Schuldners auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt. Der angeblich übergangene Vortrag betraf nicht den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags des Schuldners zu einer Frage von zentraler Bedeutung. Aus dem Umstand, dass das Beschwerdegericht diesen Vortrag in seiner Begründung nicht ausdrücklich erwähnt hat, kann daher nicht geschlossen werden, es habe ihn nicht zur Kenntnis genommen und berücksichtigt (BVerfGE 86, 133, 145 f; 96, 205, 216 f; BGHZ 154, 288, 300).
Gehrlein Grupp
Vorinstanzen:
AG Halle (Saale), Entscheidung vom 24.07.2007 - 59 IN 659/06 -
LG Halle, Entscheidung vom 18.12.2007 - 2 T 323/07 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 6, 7, 26, 34 Abs. 1 InsO), jedoch unzulässig; weder hat die Sache rechtsgrundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
- 2
- 1. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene, als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage, ob die den Insolvenzantrag stellende Finanzbehörde den Anforderungen an die Glaubhaftmachung bzw. den Nachweis ihrer Forderungen gegen den Schuldner gemäß § 14 InsO durch Vorlage der Steuerbeschei- de genügt, wenn über die den Steuerbescheiden zugrundeliegenden Steuerforderungen ein finanzgerichtliches Verfahren anhängig ist, in dem auch über die Frage zu entscheiden ist, ob der Schuldner rechtzeitig Einspruch eingelegt hat, ist nicht klärungsbedürftig.
- 3
- Ebenso wenig ist klärungsbedürftig die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene , als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage, ob das Insolvenzgericht einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne des § 16 InsO annehmen darf, wenn über die Forderungen, auf die der Eröffnungsantrag gestützt wird, ein finanzgerichtliches Verfahren anhängig ist.
- 4
- Beide Fragen sind geklärt (vgl. BGH, Beschl. v. 14. Januar 2010 - IX ZB 177/09, ZIP 2010, 291, 292 Rn. 6 ff m.w.N.).
- 5
- Nach § 14 Abs. 1 InsO muss der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft machen. Eröffnet wird das Verfahren, wenn ein Eröffnungsgrund gegeben ist (§ 16 InsO). Soll der Eröffnungsgrund aus einer einzigen Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet werden und ist diese Forderung bestritten, muss sie für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein (BGH, Beschl. v. 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05, ZIP 2006, 1452, 1453 f Rn. 11; BGH, Beschl. v. 14. Januar 2010 aaO S. 292 Rn. 6).
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- Ist die Forderung des die Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreibenden Gläubigers tituliert, muss der Schuldner Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit in dem dafür vorgesehenen Verfahren verfolgen (BGH, Beschl. v. 29. November 2007 - IX ZB 12/07, ZIP 2008, 281, 282 Rn. 9; v. 14. Januar 2010 aaO). Solange die Vollstreckbarkeit nicht auf diese Weise beseitigt ist, braucht das Insolvenzgericht die Einwendungen des Schuldners nicht zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 17. September 2009 - IX ZB 26/08, ZInsO 2009, 2072 Rn. 5 m.w.N.; v. 14. Januar 2010 aaO).
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- Dies gilt auch für vollstreckbare öffentlich-rechtliche Forderungen (BGH, Beschl. v. 17. September 2009 aaO). Ob hiervon bei unstreitigen oder offensichtlichen Sachverhalten eine Ausnahme zu machen ist, bedarf keiner Klärung, denn der Sachverhalt ist streitig und das Ergebnis des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht offensichtlich.
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- Der Schuldner hat nicht dargelegt, dass die Vollziehung der Steuerbescheide , die weder durch die behaupteten Einsprüche (vgl. § 361 Abs. 1 AO) noch durch die (Untätigkeits-) Klage gehemmt worden war (vgl. § 69 Abs. 1 FGO), ausgesetzt worden wäre (§ 361 Abs. 2 AO, § 69 Abs. 2 bis 4 FGO). Er hat nicht einmal entsprechende Anträge dargelegt.
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- 2. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Schuldners lag schon deshalb nicht vor, weil das nach seiner Auffassung übergangene Vorbringen - insbesondere die von ihm erhobene Klage vor dem Finanzgericht und sein dortiger Vortrag zur rechtzeitigen Einlegung der Einsprüche - aus den dargelegten Gründen nicht entscheidungserheblich war.
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- 3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 20.03.2008 - 72 IN 102/07 -
LG Köln, Entscheidung vom 23.06.2009 - 1 T 30/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die Festsetzung des Gegenstandswerts entspricht dem Betrag der von dem Beschwerdeführer mit dem Insolvenzantrag verfolgten Forderung. Einer ausdrücklichen Klarstellung, dass das Beschwerdegericht auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden hat, bedarf es nicht. Dies ergibt sich bereits aus der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und der Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Ganter Gehrlein Vill Lohmann Fischer
AG Nürnberg, Entscheidung vom - 8200 IN 1437/08 -
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 15.07.2009 - 11 T 3385/09 -
(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.
(2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören.
(3) Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. Der Schuldner hat die Kosten auch dann zu tragen, wenn der Antrag eines Gläubigers wegen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksamen nichtöffentlichen Stabilisierungsanordnung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz abgewiesen wird und der Gläubiger von der Stabilisierungsanordnung keine Kenntnis haben konnte.
(1) Die vorläufige Vollstreckbarkeit tritt mit der Verkündung eines Urteils, das die Entscheidung in der Hauptsache oder die Vollstreckbarkeitserklärung aufhebt oder abändert, insoweit außer Kraft, als die Aufhebung oder Abänderung ergeht.
(2) Wird ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil aufgehoben oder abgeändert, so ist der Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist. Der Beklagte kann den Anspruch auf Schadensersatz in dem anhängigen Rechtsstreit geltend machen; wird der Anspruch geltend gemacht, so ist er als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen.
(3) Die Vorschriften des Absatzes 2 sind auf die im § 708 Nr. 10 bezeichneten Berufungsurteile, mit Ausnahme der Versäumnisurteile, nicht anzuwenden. Soweit ein solches Urteil aufgehoben oder abgeändert wird, ist der Kläger auf Antrag des Beklagten zur Erstattung des von diesem auf Grund des Urteils Gezahlten oder Geleisteten zu verurteilen. Die Erstattungspflicht des Klägers bestimmt sich nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Wird der Antrag gestellt, so ist der Anspruch auf Erstattung als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen; die mit der Rechtshängigkeit nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts verbundenen Wirkungen treten mit der Zahlung oder Leistung auch dann ein, wenn der Antrag nicht gestellt wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.