Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Sept. 2009 - IX ZB 26/08

bei uns veröffentlicht am17.09.2009
vorgehend
Amtsgericht Halle (Saale), 59 IN 659/06, 24.07.2007
Landgericht Halle, 2 T 323/07, 18.12.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 26/08
vom
17. September 2009
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und
Grupp
am 17. September 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 18. Dezember 2007 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 7.487,93 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 7, 6 Abs. 1, § 34 Abs. 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist aber unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO).
2
1. Der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts weicht nicht in entscheidungserheblicher Weise zum Nachteil des Schuldners von der Rechtsprechung des Senats ab.
3
a) Ein Gläubiger, der die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Schuldners beantragt, muss - neben dem Eröffnungsgrund - seine Forderung gegen den Schuldner glaubha ft machen. Leitet er den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit allein aus seiner Forderung ab und ist diese bestritten, muss die Forderung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 - IX ZB 207/04, WM 2006, 492, 493). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners folgt aus einer Vielzahl weiterer Forderungen.
4
b) Glaubhaft ist die Forderung des weiteren Beteiligten, weil sie auf einem bestandskräftigen Haftungsbescheid beruht. Dass der Schuldner die Rücknahme seines Einspruchs gegen den Haftungsbescheid angefochten hat, ist unerheblich, weil die Einspruchsrücknahme nicht nach den bürgerlichrechtlichen Regelungen angefochten werden kann (BFHE 96, 552; BGHZ 12, 284, 285). Im Übrigen ist ein Anfechtungsgrund nicht substantiiert dargelegt.
5
c) Mit Recht hat das Beschwerdegericht dem Vorbringen des Schuldners , er habe mit dem Finanzamt eine Verrechnung von Ansprüchen auf Erstattung von Einkommensteuer vereinbart, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Ist die Forderung des die Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreibenden Gläubigers tituliert, muss der Schuldner Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit in dem dafür vorgesehenen Verfahren verfolgen. Solange die Vollstreckbarkeit nicht auf diese Weise beseitigt ist, braucht das Insolvenzgericht die Einwendungen des Schuldners nicht zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05, WM 2006, 1632, 1633; v. 27. Juli 2006 - IX ZB 15/06, NZI 2006, 642; v. 29. November 2007 - IX ZB 12/07, ZInsO 2008, 103, 104 Rn. 9). Dies gilt auch für vollstreckbare öffentlich-rechtliche Forderungen (MünchKomm-InsO/Schmahl, 2. Aufl. § 14 Rn. 25; vgl. ferner BGH, Beschl. v.
8. Mai 2008 - IX ZB 195/07). Ob hiervon bei unstreitigen oder offensichtlichen Sachverhalten eine Ausnahme zu machen ist, braucht nicht entschieden zu werden, weil ein solcher Fall nicht vorliegt. Die Gegenforderungen des Schuldners sind nicht einmal substantiiert dargelegt. Der Ausgang des finanzgerichtlichen Verfahrens betreffend die Einkommensteuer braucht unter diesen Umständen nicht abgewartet zu werden.
6
2. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist auch das Verfahrensgrundrecht des Schuldners auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt. Der angeblich übergangene Vortrag betraf nicht den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags des Schuldners zu einer Frage von zentraler Bedeutung. Aus dem Umstand, dass das Beschwerdegericht diesen Vortrag in seiner Begründung nicht ausdrücklich erwähnt hat, kann daher nicht geschlossen werden, es habe ihn nicht zur Kenntnis genommen und berücksichtigt (BVerfGE 86, 133, 145 f; 96, 205, 216 f; BGHZ 154, 288, 300).
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein Grupp
Vorinstanzen:
AG Halle (Saale), Entscheidung vom 24.07.2007 - 59 IN 659/06 -
LG Halle, Entscheidung vom 18.12.2007 - 2 T 323/07 -

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Insolvenzordnung - InsO | § 6 Sofortige Beschwerde


(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen. (2) Die Beschwerdefrist beginn

Insolvenzordnung - InsO | § 34 Rechtsmittel


(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. (2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldne

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(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.

(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.

(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(3) Sobald eine Entscheidung, die den Eröffnungsbeschluß aufhebt, Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekanntzumachen. § 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Die Wirkungen der Rechtshandlungen, die vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber vorgenommen worden sind, werden durch die Aufhebung nicht berührt.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 245/05
vom
29. Juni 2006
in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Gläubiger, dem eine Forderung zusteht und der einen Eröffnungsgrund
glaubhaft macht, hat regelmäßig ein rechtliches Interesse an der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens.

b) Beruht die Forderung des antragstellenden Gläubigers auf einem gegenseitigen
Vertrag, entfällt das rechtliche Interesse des Gläubigers an der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens nicht im Hinblick auf das Wahlrecht eines
künftigen Insolvenzverwalters aus § 103 InsO.

c) Hat der antragstellende Gläubiger, dessen Forderung zugleich den Insolvenzgrund
bildet, den ihm obliegenden Beweis durch Vorlage eines vollstreckbaren
Titels geführt, können Einwendungen des Schuldners gegen die
Forderung oder gegen die Vollstreckbarkeit des Titels regelmäßig nur in den
für den jeweiligen Einwand vorgesehenen Verfahren geltend gemacht werden.
BGH, Beschluss vom 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter, Vill
und Cierniak, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer
am 29. Juni 2006

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12. August 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten des Verfahrens der Rechtsbeschwerde – an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Mit notariellem Vertrag vom 22. Juni 1997 verkaufte die weitere Beteiligte (fortan: Gläubigerin) der Schuldnerin ein Grundstück zum Preis von 175.000.000 DM. Die Schuldnerin unterwarf sich wegen aller Zahlungsansprüche aus dem Vertrag der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde sollte auch ohne Nachweis der Fälligkeit der geschuldeten Leistung erteilt werden können. Die Gläubigerin erhielt eine entsprechende vollstreckbare Ausfertigung. Unter dem 10. Oktober 1998 teilte der Notar mit, dass die Fälligkeitsvoraussetzungen hinsichtlich der ersten Kaufpreisrate von 75.000.000 DM (= 38.346.891 Euro) vor- lägen. Die Schuldnerin zahlte nicht. Ein Zwangsvollstreckungsversuch im Januar 2004 verlief erfolglos.
2
Am 14. Juli 2004 hat die Gläubigerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt. Die Schuldnerin hat demgegenüber die Fälligkeit der Kaufpreisforderung bestritten und behauptet, der Gläubigerin gehe es nur darum, sich vom Vertrag zu lösen. Das Amtsgericht hat den Insolvenzantrag als unzulässig abgewiesen, weil die Schuldnerin glaubhaft gemacht habe, dass die titulierte Forderung nicht fällig sei. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin weiter.

II.


3
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 34 Abs. 1, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Entgegen der Ansicht der Schuldnerin ist die Rechtsbeschwerde ausreichend begründet worden (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Zwar ist eine kraft Gesetzes statthafte Rechtsbeschwerde unzulässig, wenn mit ihrer Begründung nur gegen einen von zwei selbstständig tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung die Zulässigkeitsvoraussetzungen dargelegt werden (BGH, Beschl. v. 29. September 2005 – IX ZB 430/02, WM 2006, 59, 60). Auch ohne die zunächst fehlende, erst nach Ablauf der Begründungsfrist (§ 575 Abs. 2 ZPO) nachgereichte Seite 7 genügt die Beschwerdebegründung der Gläubigerin diesen Anforderungen jedoch. Sie legt schlüssig und substantiiert (vgl. BGHZ 152, 7, 8 f) Zulässigkeitsgründe (§ 574 Abs. 2 ZPO) hinsichtlich beider Begründun- gen dar, auf die das Beschwerdegericht die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde gestützt hatte.
4
In der Sache führt die Rechtsbeschwerde zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
5
Das 1. Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die Gläubigerin habe kein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sie sei dadurch ausreichend geschützt, dass sie noch Eigentümerin des verkauften Grundstücks sei, also über ausreichende Sicherheiten dagegen verfüge, das Grundstück zu verlieren, ohne den Kaufpreis zu erhalten. Außerdem könne sie den Kaufpreisanspruch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nicht durchsetzen. Gemäß § 103 InsO stehe nur dem Verwalter das Recht zu, die Erfüllung des Kaufvertrages zu verlangen; die Gläubigerin könne dessen Entscheidung nur abwarten. Im vorliegenden Fall würde der Verwalter voraussichtlich die Erfüllung des Vertrages ablehnen. Das Insolvenzverfahren sei folglich für die Gläubigerin wirtschaftlich sinnlos.
6
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7
a) Gemäß § 14 Abs. 1 InsO ist der Antrag eines Gläubigers nur zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat. Das Tatbestandsmerkmal "rechtliches Interesse" ist eingefügt worden, um sicherzustellen, dass nur solche Gläubiger Anträge stellen, die im Falle der Eröffnung als Insolvenzgläubiger am Verfahren beteiligt wären, und um missbräuchlichen Anträgen vorzubeugen, die etwa zu dem Zweck gestellt werden, Zahlungen solventer, aber zahlungsunwilliger Schuldner zu erzwingen (amtliche Begründung zu § 16 Reg.-E., BT-Drucks. 12/2443, S. 113). In aller Regel wird einem Gläubiger, dem eine Forderung zusteht und der einen Eröffnungsgrund glaubhaft macht, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon wegen des staatlichen Vollstreckungsmonopols nicht abgesprochen werden können (HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 14 Rn. 22; MünchKomm-InsO/Schmahl, § 14 Rn. 41). Da die Gläubigerin auf dem Standpunkt steht, dass die vertraglichen Voraussetzungen für die Abwicklung des Vertrages erfüllt sind, und die Weigerung der Antragsgegnerin auf einen Mangel an Zahlungsmittel zurückführt, ist ihr zunächst das rechtliche Interesse nicht abzusprechen, das dafür vorgesehene Verfahren einzuschlagen, also einen Insolvenzantrag zu stellen.
8
b) Dass die Gläubigerin noch Eigentümerin des verkauften Grundstücks ist, lässt ihr rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin nicht entfallen. Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wäre die Gläubigerin mit ihrer Forderung auf Zahlung der ersten Kaufpreisrate Insolvenzgläubigerin. Es ginge also zunächst nicht um eine Aussonderung des Grundstücks (§ 47 InsO). Die vom Beschwerdegericht für maßgeblich gehaltene Frage einer Sicherung gegen den Verlust des Eigentums am Grundstück ohne Gegenleistung stellt sich derzeit nicht.
9
c) Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters aus § 103 Abs. 1 InsO steht einem rechtlichen Interesse der Gläubigerin ebenfalls nicht entgegen. Gemäß § 103 Abs. 1 InsO hat zwar allein der Verwalter das Recht zu entscheiden, ob ein vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Vertrag durchgeführt werden soll oder nicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Gläubigerin wirtschaftlich sinnlos wäre. Entweder der Verwalter wählt die Erfüllung des Vertrages.
Dann hat er anstelle des Schuldners den Vertrag zu erfüllen; die Gläubigerin erhält die vertraglich vereinbarte Gegenleistung aus der Masse. Oder der Verwalter lehnt die Erfüllung des Vertrages ab. Dann kann dem anderen Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung des Vertrages zustehen, die er als Insolvenzgläubiger geltend zu machen, also zur Tabelle anzumelden hat (§ 103 Abs. 2 Satz 1 InsO). Auch in diesem Fall wäre die Gläubigerin also Insolvenzgläubigerin und als solche am Insolvenzverfahren beteiligt. Die zwischen der Gläubigerin und der Schuldnerin streitige Frage, ob auch die Gläubigerin vertragliche Pflichten verletzt und dadurch die Durchführung des Vertrags vereitelt hat, wäre gegebenenfalls im Prozesswege zu klären.
10
3. Die angefochtene Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Sie ist aufzuheben; die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO). Für die erneute Entscheidung weist der Senat auf folgende rechtliche Gesichtspunkte hin:
11
a) Soll der Eröffnungsgrund aus einer einzigen Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet werden und ist diese Forderung bestritten, muss sie für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 – IX ZB 207/04, WM 2006, 492, 493). Den ihr obliegenden Beweis hat die Gläubigerin jedoch mit der Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Kaufvertrages geführt. Im eröffneten Verfahren obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen, wenn ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt (§ 179 Abs. 2 InsO). Diese Wertung gilt auch im Eröffnungsverfahren. Die Schuldnerin hätte ihre Einwendungen gegen die titulierte Forderung oder gegen deren Vollstreckbarkeit in den für den jeweiligen Einwand vorgesehenen Verfahren überprüfen lassen können (etwa §§ 732, 767, 768 ZPO; vgl. HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 14 Rn. 12 f). Das hat sie nicht getan. Das Insolvenzgericht kann diese Prüfung – von offensichtlichen Fällen einmal abgesehen – nicht nachholen. Ebenso wie es nicht Sache des Insolvenzgerichts ist, den Bestand ernsthaft bestrittener, rechtlich zweifelhafter Forderungen zu überprüfen (vgl. BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005, aaO), obliegt es ihm nicht, rechtlich oder tatsächlich zweifelhaften Einwänden gegen eine titulierte Forderung nachzugehen.
12
b) Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird (§ 1 Satz 1 InsO). Rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig ist ein Antrag nicht erst dann, wenn unerlaubte Zwecke verfolgt werden, sondern bereits dann, wenn es dem Antragsteller um die Erreichung anderer Ziele als desjenigen der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger geht (Jaeger/Gerhardt, InsO § 14 Rn. 4). Insbesondere dient das Insolvenzverfahren nicht der Beendigung eines lästigen Vertragsverhältnisses (BGH, Urt. v. 22. Mai 1962 – VI ZR 256/61, WM 1962, 929, 930; OLG Oldenburg MDR 1955, 175, 176; Jaeger/Gerhardt, aaO). Die tatsächlichen Voraussetzungen des Missbrauchseinwands hat jedoch derjenige glaubhaft zu machen, der sich auf ihn beruft. Der Umstand allein, dass der hier streitige Vertrag bisher nicht durchgeführt werden konnte, wird den Schluss auf ein insolvenzzweckwidriges Verhalten nicht rechtfertigen können. Grundsätzlich ist es Sache des Gläubigers zu entscheiden , ob er sich von einem Vertrag löst oder aber seine Forderung nach wie vor durchzusetzen versucht.
Ganter Vill Cierniak Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 11.10.2004 - 500 IN 85/04 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.08.2005 - 25 T 16/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 195/07
vom
8. Mai 2008
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und
Dr. Fischer
am 8. Mai 2008

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 24. September 2007 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 6.991.794,30 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die nach §§ 6, 7 InsO in Verbindung mit § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Weder stellt sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§§ 4 InsO, 574 Abs. 2 ZPO).
2
Die Schuldnerin hält die Rechtsbeschwerde aus dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeitssicherung für zulässig, weil das Landgericht von der Rechtsprechung des Senats zu rechtsmissbräuchlichen Insolvenzanträgen abgewichen sei (vgl. BGHZ 157, 242, 246 f; BGH, Beschl. v. 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05, ZIP 2006, 1452, 1453). Dies trifft nicht zu. Die erste Entscheidung führt im Gegenteil aus, dass ein frühzeitig gestellter Insolvenzantrag (wie hier derjenige eines öffentlichen Gläubigers) gerade den gesetzlichen Zielen der Gläubigergleichbehandlung entspreche, weshalb auch dessen Ankündigung als solche rechtlich nicht zu beanstanden sei (BGH, aaO S. 246). Das Verhalten der weiteren Beteiligten zu 1 entspricht, wie das Landgericht zutreffend gewürdigt hat, diesen rechtlichen Vorgaben. Auch von der zweiten Entscheidung wird nicht abgewichen. Diese betont, dass ein Gläubiger, dem eine Forderung zusteht und der einen Eröffnungsgrund glaubhaft macht, in aller Regel das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht abgesprochen werden kann (BGH, aaO S. 1453). Dies gilt, ohne dass es einer besonderen Hervorhebung bedürfte, auch für öffentliche Gläubiger. Deren Möglichkeiten, die ihnen zustehenden Forderungen mit hoheitlichem Zwang im Wege der Einzelzwangsvollstreckung durchzusetzen, sind in Fällen mit Auslandsberührung begrenzt. Im Übrigen können mit Zwangsmitteln keine anfechtungsfesten Positionen mehr geschaffen werden, wenn erkennbar ist, dass ein Eröffnungsgrund vorliegt.
3
Das Beschwerdegericht hat sich mit den Umständen des Einzelfalls, aus denen die Schuldnerin eine Ausnahme von den vorgenannten Grundsätzen ableiten will, in der gebotenen Weise auseinandergesetzt. Es hat sich auch mit dem Vorwurf befasst, der Gläubigerin gehe es nur um die Ausforschung der Vermögensverhältnisse der Schuldnerin.
4
2. Die Auffassung der Schuldnerin, das Landgericht habe zu Unrecht ihre Zahlungsunfähigkeit angenommen, obwohl Zahlungsunwilligkeit vorliege, was ein Eingreifen durch das Rechtsbeschwerdegericht aus Gründen der Einheitlichkeitssicherung nötig mache, geht fehl. Auch in diesem Punkt hat sich das Landgericht an der einschlägigen Rechtsprechung des Senats orientiert (BGHZ 163, 134, 137 ff). Die Würdigung des Landgerichts bezieht sich auf den entschiedenen Einzelfall.
5
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (vgl. § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein Fischer
Vorinstanzen:
AG Ludwigsburg, Entscheidung vom 30.09.2005 - 3 IN 274/05-j -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 24.09.2007 - 19 T 6/06 -

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.