Amtsgericht Köln Beschluss, 30. Juni 2016 - 612 AR 40/16
Tenor
Der Antrag des Angeklagten S.T. vom 17.05.2016, die Richterin am Amtsgericht Dr. K. wegen Besorgnis der Befangenheit in dieser Sache von der Ausübung des Richteramtes auszuschließen, ist begründet.
1
Gründe:
2Der zulässige Ablehnungsantrag ist gemäß § 24 Abs. 2 StPO begründet.
3Nach § 24 Abs. 2 StPO findet wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Ein derartiges Misstrauen ist gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zur Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Dabei kommt es zwar auf den Standpunkt des Ablehnenden an, nicht aber auf seinen subjektiven Eindruck und ggf. unzutreffende Vorstellungen vom Sachverhalt. Maßgebend sind vielmehr die Sichtweise eines vernünftigen Ablehnenden und die Vorstellungen, die sich ein geistig gesunder Prozessbeteiligter bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann. Der Ablehnende muss daher Gründe für sein Befangenheitsgesuch vorbringen, die jedem besonnenen unbeteiligten Dritten unmittelbar einleuchten (vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 24 Rn. 8 m.w.Nachw.). Die Gründe sind grundsätzlich glaubhaft zu machen (§ 26 Abs. 2 StPO).
4Der Angeklagte stützt den Befangenheitsantrag primär darauf, dass die abgelehnte Richterin durch ihre Verfügung vom 02.09.2015 den Eindruck hervorgerufen habe, sie habe sich bereits vor Beginn der Hauptverhandlung in der Beurteilung der Schuldfrage zuungunsten des Angeklagten festgelegt.
5Die Vorgehensweise der Richterin ist tatsächlich geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Dabei ist letztlich der Rechtsgedanke aus § 22 Nr. 4 StPO heranzuziehen. Danach ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn er in der Sache u.a. als Beamter der Staatsanwaltschaft tätig gewesen ist. Im vorliegenden Fall hat die abgelehnte Richterin die Staatsanwaltschaft um Überprüfung der Abschlussverfügung vom 09.07.2015 gebeten, mit der das Verfahren gegen den Angeklagten gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden war und gegebenenfalls um Erweiterung der Anklage gebeten. Die bisherige Aussage eines Zeugen sei hinreichend für die Annahme, dass er an einer gemeinschaftlichen Körperverletzung beteiligt war. Damit hat sich die Richterin in eine Postion begeben, die der einer Staatsanwältin ähnlich ist.
6Bei dieser Sachlage ist aus der Sicht des Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit nachvollziehbar und das Ablehnungsgesuch begründet.
7Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 28 Abs. 1 StPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Köln Beschluss, 30. Juni 2016 - 612 AR 40/16
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Amtsgericht Köln Beschluss, 30. Juni 2016 - 612 AR 40/16
Referenzen - Gesetze
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.
(1) Das Ablehnungsgesuch ist bei dem Gericht, dem der Richter angehört, anzubringen; es kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Das Gericht kann dem Antragsteller aufgeben, ein in der Hauptverhandlung angebrachtes Ablehnungsgesuch innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich zu begründen.
(2) Der Ablehnungsgrund und in den Fällen des § 25 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 die Voraussetzungen des rechtzeitigen Vorbringens sind glaubhaft zu machen. Der Eid ist als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen. Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug genommen werden.
(3) Der abgelehnte Richter hat sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern.
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen,
- 1.
wenn er selbst durch die Straftat verletzt ist; - 2.
wenn er Ehegatte, Lebenspartner, Vormund oder Betreuer des Beschuldigten oder des Verletzten ist oder gewesen ist; - 3.
wenn er mit dem Beschuldigten oder mit dem Verletzten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war; - 4.
wenn er in der Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft, als Polizeibeamter, als Anwalt des Verletzten oder als Verteidiger tätig gewesen ist; - 5.
wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist.
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
(1) Der Beschluß, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, ist nicht anfechtbar.
(2) Gegen den Beschluß, durch den die Ablehnung als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, ist sofortige Beschwerde zulässig. Betrifft die Entscheidung einen erkennenden Richter, so kann sie nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden.