Amtsgericht Köln Urteil, 24. Feb. 2016 - 581 Ds 39/16

Gericht
Tenor
Der Angeklagte wird wegen Diebstahls und unerlaubten Besitzes von Amphetamin zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten und einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 5,- Euro kostenpflichtig verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Einzelstrafen: Zu 1) 6 Monate Freiheitsstrafe Zu 2) 20 Tagessätze zu je 5,- Euro Geldstrafe Angewandte Vorschriften: §§ 242 Abs. 1, 53 StGB, 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG |
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Der Angeklagte wird wegen Diebstahls und unerlaubten Besitzes von Amphetamin zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten und einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 5,- Euro kostenpflichtig verurteilt.
3Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
4Einzelstrafen:
5Zu 1) 6 Monate Freiheitsstrafe
6Zu 2) 20 Tagessätze zu je 5,- Euro Geldstrafe
7Angewandte Vorschriften: §§ 242 Abs. 1, 53 StGB, 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG
8Der nach seinen Angaben 1992 in N. geborene Angeklagte gibt ferner an dort Abitur gemacht zu haben und eine Ausbildung als Mechaniker und Informatiker durchlaufen zu haben. Seit ca. einem Jahr will er sich im Bundesgebiet unangemeldet aufgehalten haben, bevor er sich nachweislich am 17.12. als Asylsuchender meldete und eine entsprechende Bescheinigung mit Gültigkeit bis zum 25.12. 2015 erhielt. In der Folgezeit wurde er vom zuständigen Ausländeramt in C. einer Asylbewerberunterkunft in D. bei E. zugewiesen, wo er einige Tage auch zugebracht hat. Ausweispapiere besitze er keine; er sei über Spanien seinerzeit eingereist. Auf den Vorhalt, dass er ohne Papiere voraussichtlich nicht durch Spanien und Frankreich nach Deutschland gelangen konnte, hat er im Folgenden die Aussage verweigert.
9Strafrechtlich ist er unter den ihm angegebenen Personalien bislang noch nicht in Erscheinung getreten. Allerdings wurde er am 29.12.2015 von der Bundespolizei vorläufig festgenommen, nachdem er ohne gültigen Fahrschein von F. nach G. gefahren sein soll und am 31.12.2015, nachdem er in Bochum in einer Gaststätte einen Taschendiebstahl begangen haben soll. Die Tatsache der polizeilichen Kontrollen, anders als die ihnen zugrundeliegenden Vorwürfe, hat der Angeklagte eingeräumt.
10In der Sache selbst hat die Hauptverhandlung zu folgenden Feststellungen geführt:
11I.
12In der Nacht vom 31.12.2015 auf den 01.01.2016 kam es im Bereich des Kölner Hauptbahnhofs zu einer Vielzahl von Übergriffen auf Geschädigte, die sich im Gedränge innerhalb der Menschenmenge befanden und denen – zum Teil unter sexuell übergriffigen Berührungen – Wertgegenstände, insbesondere Mobiltelefone und Geldbörsen entwendet wurden. In diesem Zusammenhang ergriff der Angeklagte gegen 23.15 Uhr im Bereich des Bahnhofsvorplatzes das Mobilteleofn I. der Geschädigten K., die damit gerade den Kölner Dom fotografieren wollte und zog es ihr aus der Hand. Anschließend rannte er mit seiner Beute, die er für sich behalten wollte, davon. In Höhe des Taxiplatzes wurde er von einem Mitbürger, der auf den Diebstahl aufmerksam geworden war, zu Fall gebracht und anschließend polizeilich festgenommen. Auf dem Boden liegend händigte er der Geschädigten, die hinter ihm hergelaufen war, sogleich ihr Handy aus.
13II.
14Weiterhin verfügte der Angeklagte über 0,1 Gramm Amphetamin, das er in einem Tütchen verpackt in seiner linken Socke mit sich führte.
15Eine um 01.35 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,05 Promille im Mittelwert. Außerdem wurde festgestellt, dass der Angeklagte Cannabis konsumiert hatte. Bezüglich anderer Drogen war die Ergebnismitteilung negativ. Im sogenannten Torkelbogen wurde von dem aufnehmenden Polizeibeamten PK L. festgehalten, dass keine körperlichen Auffälligkeiten vorhanden waren und das Bewusstsein klar und die Augen unauffällig; allerdings sei der Angeklagte aggressiv gewesen, so dass ein Atemalkoholtest im PGD nicht möglich gewesen sei.
16Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund des vollumfänglichen Geständnisses des Angeklagten und den Bekundungen der Zeugen K., M., L. und O.
17Die Zeugin K. hat noch einmal beschrieben, wie der Angeklagte ihr von hinten das Handy, welches sie für 350,00 Euro eine Woche zuvor erworben hatte, aus der Hand gerissen hat. Sie war sich sicher, dass der Angeklagte der Täter war, weil er, als sie ihn beschuldigte, weglief und sie später auf die geschilderte Weise wieder in den Besitz des Handys kam. Auch der Zeuge M. hat bestätigt, dass allein der Angeklagte der Täter gewesen sein konnte; er habe die Entwendung aus ca. einem Meter Entfernung selbst gesehen und die Zeugin auf ihn als Täter aufmerksam gemacht. Der Zeuge L. berichtete, hinter dem Taxistand den Angeklagten auf dem Boden liegend gesehen zu haben, wo er aus seiner Hosentasche das Handy hervorholte und der Zeugin K. aushändigte, welche über ihn gebeugt gewesen sei. Die Zeugin O. schließlich bekundete zum Ergebnis ihrer Ermittlungen, dass der Angeklagte noch vor dem Tattag zweimal polizeilich festgehalten worden war (am 29.12. und 31.12.2015), und dabei erkennungsdienstlich behandelt wurde; ferner, dass der Angeklagte in seiner polizeilichen Vernehmung sowohl die Täterschaft beim Diebstahl bestritten hat; er bestand damals auf eine Gegenüberstellung mit der Zeugin K. und dass er auch jeden Beikonsum von Drogen zum Alkohol in Abrede gestellt hat: „Ich nehme keine Drogen, nur Alkohol“.
18Hiernach hat sich der Angeklagte eines Diebstahls und eines unerlaubten Besitzes von Amphetamin schuldig gemacht. Beide Taten stehen im Verhältnis der Tatmehrheit nach § 53 StGB.
19Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Tat voll schuldfähig. Nach dem Ergebnis der Blutentnahme wies er zum Zeitpunkt der Tat einen maximalen Alkoholisierungsgrad von ca. 1,8 Promille Blutalkohol auf (für die ersten beiden Stunden zugrunde gelegter Abbauwert von 0,2 Promille plus Sicherheitszuschlag). Bzgl. des zeitgleich oder vorher genossenen Marihuanas ist eine Auswirkung auf die Schuldfähigkeit nach den Erfahrungen des Gerichtes (Fachabteilung für Btm-Sachen 10 jährige Erfahrung) auszuschließen; mit dem wesentlichen psychodiagnostischen Merkmal, dem unauffälligen Verhalten des Angeklagten bei seiner Festnahme (BGH 1 STR 15/12) ist eine andere Bewertung auch nicht vereinbar. Die Aggressivität bezog der Zeuge L. dementsprechend auch eher auf die Situation der Festnahme als solcher, die dem Angeklagten nicht behagte, als auf eine Einschränkung seiner Schuldfähigkeit. Die von ihm angeordnete Blutentnahme sei allein zur Beweissicherung erfolgt. Auch der Eindruck der übrigen Zeugen vereinbart sich mit der psychodiagnostischen Bewertung des Zeugen L.
20Bei der Strafzumessung war die Strafe im ersten Fall zwischen Geldstrafe und Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren zu finden. Dabei war zu Gunsten des Angeklagten sein in der Hauptverhandlung abgegebenes Geständnis und die gegenüber der Geschädigten ausgesprochenen Entschuldigung zu berücksichtigen und die Tatsache, dass er bislang offenbar strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Ferner die Tatsache, dass die Geschädigte in den Besitz des Diebesguts zurückgelangt ist. Zu seinen Lasten war die raubähnliche Begehungsweise (auf öffentlicher Straße von hinten aus der Hand – Reißen) sowie der Wert des Entwendeten (350,- Euro) zu berücksichtigen. Darüber hinaus dass der Angeklagte bereits zwei Tage zuvor (am 29.12. und 31.12.) von der Bundespolizei wegen strafbaren Fehlverhaltens angehalten worden war, und der Angeklagte gleichwohl sein Verhalten nicht darauf ausgerichtet hat. Außerdem die Tatsache, dass der Angeklagte über mehr als ein halbes Jahr hinweg illegal im Bundesgebiet gelebt hat, bevor er seine Meldung als Asylbewerber einleitete. Schließlich war die Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit zu berücksichtigen, die in Verbindung mit dem genossenen Cannabis ihn eher tatgeneigt gemacht hat sowie die erlittene Untersuchungshaft, die auf ihn eingewirkt hat. Dabei war dem Geständnis des Angeklagten und der ausgesprochenen Entschuldigung kein besonderer Beweiswert zuzuerkennen, da er durch die Gegenüberstellung und die Beobachtungen der Zeugen eindeutig überführt war. Unter Abwägung aller Umstände erschien dem Gericht eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten ausreichend, aber auch erforderlich, um dem Angeklagten das in seiner Tat liegende Unrecht vor Augen zu halten. Denn erkennbar ist er nur sehr eingeschränkt bereit, sich an die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetze zu halten, was sowohl ein illegales Leben hier als auch sein unbesorgtes Verhalten nach zwei polizeilichen vorläufigen Festnahmen angeht. In diesem Zusammenhang ist für das Gericht auch von Bedeutung, dass der Angeklagte höchstwahrscheinlich seine Personalpapiere allein deshalb weggeworfen hat, um seine Abschiebung zu erschweren. Denn das der Angeklagte ohne gültige Personalpapiere durch Spanien, Frankreich und Belgien nach Deutschland gelangt sein soll, erscheint vollkommen unwahrscheinlich.
21Für den unerlaubten Drogenbesitz erschien dem Gericht ebenso wie der Verteidigung eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 5,- Euro schuld- und tatangemessen. Von einer Zusammenführung zu einer einheitlichen Freiheitsstrafe hat das Gericht zur besseren Einwirkung auf den Angeklagten abgesehen. Denn es erschein sinnvoll, ihn sowohl an der Freiheit, als auch an seinem Vermögen zu strafen.
22Die Freiheitsstrafe konnte schließlich zur Bewährung ausgesetzt werden, da es sich offenbar um die erste Verurteilung des Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe handelt.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.

Annotations
(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.
(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.
(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.
(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.