Amtsgericht Köln Beschluss, 17. Juni 2016 - 503 Gs 1078/16
Tenor
Der Antrag der Staatsanwaltschaft Köln vom 02.06.2016, die Beschlagnahme der Kranken- und Pflegeunterlagen bei dem Beschuldigten betreffend die gesondert Verfolgte Patientin J anzuordnen, wird zurückgewiesen.
1
GRÜNDE:
2Der Antrag der Staatsanwaltschaft Köln vom 02.06.2016 war zurückzuweisen, da nach dem derzeitigen Ermittlungsstand nicht der für die beantragte Beschlagnahme gemäß § 98 StPO i.V.m. § 94 Abs. 2 StPO erforderliche Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten des Beschuldigten vorliegt.
3Die Voraussetzungen der hier alleine in Betracht kommenden Strafbarkeit wegen unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 278 StGB liegen nicht vor.
4Tathandlung des § 278 StGB ist das Ausstellen eines inhaltlich unrichtigen Zeugnisses über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft.
5Das dem Beschuldigten Arzt hier vorgeworfene Verhalten, nämlich das wiederholte Ausstellen von (Folge-)Rezepten ohne vorherige ärztliche Untersuchung der gesondert Verfolgten J ist nicht von dem Tatbestandsmerkmal des inhaltlich unrichtigen „Gesundheitszeugnisses" erfasst. Zwar liegt nach der überwiegenden Rechtsprechung die Ausstellung eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses bereits dann vor, wenn durch einen Arzt ein Zeugnis über einen Befund erstellt wird, ohne dass zuvor eine ärztliche Untersuchung stattgefunden hat. Allerdings handelt es sich bei den hier verfahrensgegenständlichen Rezepten schon nicht um Gesundheitszeugnisse i.S.d. § 278 StGB. Dies folgt bereits aus der Zweckbestimmung von Rezepten. Denn ein Rezept dient seiner Zweckbestimmung nach nicht dem Nachweis einer bestimmten medizinischen Diagnose gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft, sondern dem Nachweis gegenüber der Apotheke, dass seitens des ausstellenden Arztes dem Rezeptempfänger ein bestimmtes rezeptpflichtiges Medikament verordnet worden ist. Eine Aussage über den (aktuellen) Gesundheitszustand des Rezeptempfängers bzw. über die Erhebung eines bestimmten (aktuellen) ärztlichen Befundes ist einem Rezept in der Regel gerade nicht zu entnehmen. Alleine der Umstand, dass auf den hier verfahrensgegenständlichen Rezepten die Diagnose „AK-Mangelsyndrom" vermerkt war, macht das Rezept daher auch noch nicht zu einem Gesundheitszeugnis.
6Da mithin bereits der objektive Tatbestand des § 278 StGB nicht erfüllt ist, bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob ausreichend tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beschuldigte in subjektiver Hinsicht wider besseren Wissens gehandelt hat.
7Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte dem gewerbsmäßigen Betrug zum Nachteil der Beihilfekasse der Stadt L durch die gesondert verfolgte J beteiligt gewesen sein könnte, liegen ebenfalls nicht vor.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Köln Beschluss, 17. Juni 2016 - 503 Gs 1078/16
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Amtsgericht Köln Beschluss, 17. Juni 2016 - 503 Gs 1078/16
Referenzen - Gesetze
(1) Beschlagnahmen dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 in den Räumen einer Redaktion, eines Verlages, einer Druckerei oder einer Rundfunkanstalt darf nur durch das Gericht angeordnet werden.
(2) Der Beamte, der einen Gegenstand ohne gerichtliche Anordnung beschlagnahmt hat, soll binnen drei Tagen die gerichtliche Bestätigung beantragen, wenn bei der Beschlagnahme weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn der Betroffene und im Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger des Betroffenen gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. Der Betroffene kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen. Die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich nach § 162. Der Betroffene kann den Antrag auch bei dem Amtsgericht einreichen, in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat; dieses leitet den Antrag dem zuständigen Gericht zu. Der Betroffene ist über seine Rechte zu belehren.
(3) Ist nach erhobener öffentlicher Klage die Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft oder eine ihrer Ermittlungspersonen erfolgt, so ist binnen drei Tagen dem Gericht von der Beschlagnahme Anzeige zu machen; die beschlagnahmten Gegenstände sind ihm zur Verfügung zu stellen.
(4) Wird eine Beschlagnahme in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Beschlagnahme in Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.
(1) Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen.
(2) Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden sie nicht freiwillig herausgegeben, so bedarf es der Beschlagnahme.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Führerscheine, die der Einziehung unterliegen.
(4) Die Herausgabe beweglicher Sachen richtet sich nach den §§ 111n und 111o.
(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr als Arzt oder andere approbierte Medizinalperson ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen ausstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von unrichtigem Ausstellen von Gesundheitszeugnissen verbunden hat, Impfnachweise oder Testzertifikate betreffend übertragbare Krankheiten unrichtig ausstellt.