Amtsgericht Köln Beschluss, 23. Feb. 2016 - 332 F 27/15


Gericht
Tenor
1. Den Eltern O. und N.H. wird die elterliche Sorge für das Kind M., geb. am xx.xx.xxxx entzogen. Es wird Vormundschaft angeordnet.
2. Zum Vormund wird das Jugendamt Köln bestellt.
Die Vormundschaft wird berufsmäßig geführt.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Verfahrenswert: 3.000,00 €
1
Gründe:
2I.
3Das Kind M.H. wurde am xx.xx.xxxx durch die Kindesmutter geboren. Vater ist der Antragsgegner zu 2), mit dem die Kindesmutter seit 08.05.2015 verheiratet ist.
4Die Kindesmutter hatte nach eigenen Angaben die Schwangerschaft nicht bemerkt. Das Kind wurde für seine Eltern überraschend in der 30. Schwangerschaftswoche mit einem Gewicht von 1.300g geboren und musste bis zum 18.12.2014 in der Klinik verbleiben.
5Bei der Entlassung aus der Klinik befand sich das Kind in einem guten Allgemeinzustand mit seitengleicher Spontanmotorik und unauffälligen Neugeborenenreflexen. M. wog am 18.12.2014 nach Angaben der Kindesmutter ca. 3.000g, nach den vorliegenden Krankenhausunterlagen ca. 2.185g.
6Die Kindeseltern lebten sodann mit dem Säugling im Haushalt der Großeltern väterlicherseits.
7Eine durch die Kinderklinik eingesetzte Hebamme wurde nach 2-3 Besuchen von den Kindeseltern entlassen.
8Am 27.12.2014 brachten die Eltern M., welche zu diesem Zeitpunkt 2.450g wog, zu Notfallambulanz, da diese häufig schrie. Als das Geschrei nach drei Tagen trotz der verordneten Sab Simplex-Tropfen nicht besser wurde, brachten die Kindeseltern M. am 30.12.2014 erneut ins Krankenhaus. M. wog zu diesem Zeitpunkt nur noch 2.375g, so dass man den Gewichtsverlust stationär abklären wollte.
9Sie blieb nach dem Entlassungsbericht der behandelnden Ärzte zur Beobachtung bis zum 07.01.2015 in der Kinderklinik. Die Kindeseltern behaupten, M. sei bis zum 13.01.2015 im Krankenhaus gewesen.
10Nach eigenen Angaben besuchten die Kindeseltern M. während ihres Krankenhausaufenthaltes täglich für 1-2 Stunden.
11Am 11.02.2015 wurde M. anlässlich eines Routinetermins von ihrer Kinderärztin Frau Dr. T. untersucht. Bei dieser Routineuntersuchung wurden zahlreiche Hämatome an Armen und Beinen festgestellt.
12Im Zuge der Untersuchung dieser Auffälligkeiten, die sich auch nicht mit der durchgeführten wöchentlichen Krankengymnastik erklären ließen, wurde M. geröntgt. Hierbei wurde eine laterale Rippenfraktur mit Kallusbildung an der 4. bis 8. Rippe auf der linken Seite und an der 4. bis 7. Rippe auf der rechten Seite festgestellt.
13Durch das Jugendamt der Stadt Köln wurde ein rechtsmedizinisches Gutachten in Auftrag gegeben. In diesem vom Institut für Rechtsmedizin erstellten Gutachten kommen die begutachtenden Ärzte, Prof. Dr. S. und Frau Dr. C., zu dem Ergebnis, dass die festgestellten Hämatome bei einem drei Monate alten Kind, das sich nicht eigenständig bewegen kann, nur durch äußere Einwirkung zu erklären sind. Da die Befunde nur diskret ausgebildet seien, könnten sie – wenn auch bei einem nicht mobilen Säugling auffällig und ungewöhnlich – mit vermehrtem Festhalten z. B. bei pflegerischen Maßnahmen erklärt werden.
14Ausgesprochen ungewöhnlich seien, so die Rechtsmediziner, allerdings die diagnostizierten Rippenbrüche, die bei einem Säugling auch bei heftigen Brustkorbverbiegungen, z.B. bei Wiederbelebungsmaßnahmen, nicht vorkommen.
15Das Auftreten symmetrischer Rippenbrüche sei daher nur durch eine massive Brustkorbkompression und kräftige Gewalteinwirkung zu erklären.
16Ein ungeschickter Umgang oder festeres Zufassen sei auszuschließen.
17In ihrem Gutachten kommen die Rechtsmediziner ferner zu der Erkenntnis, dass die Knochenbrüche bereits mehrere Wochen alt gewesen sein müssen, da ein Knochenkallus erst ca. 14 bis 21 Tage nach Verletzungsentstehung feststellbar sei.
18Ferner diagnostizieren sie, dass die Rippenbrüche für M. extrem schmerzhaft gewesen sein müssen.
19M. wurde am 18.02.2015 durch das Jugendamt in Obhut genommen und bei einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht, wo sie seit dem lebt. Eine Dauerpflegefamilie wurde bereits gefunden.
20Das Jugendamt hat bei der Anhörung im Termin empfohlen, das Kind in dieser Dauerpflegefamilie unterzubringen, da die Eltern mit einer angemessenen Versorgung und Erziehung des Kindes überfordert und die Misshandlungsvorwürfe nicht geklärt seien.
21Durch das Jugendamt der Stadt Köln als Antragsteller wird daher beantragt,
22den Kindeseltern das Sorgerecht für das Kind M.H., geboren am xx.xx.xxxx zu entziehen und Vormundschaft anzuordnen.
23Die Kindeseltern beantragen,
24den Antrag zurückzuweisen.
25Sie behaupten, mit den Rippenbrüchen nichts zu tun zu haben und sich diese nicht erklären zu können. Sie behaupten ferner, die Rippenbrüche könnten nur in der Zeit des stationären Krankenhausaufenthaltes durch Dritte erfolgt sein.
26Das Kind habe bei seiner Entlassung, welche ihrer Behauptung nach erst Mitte Januar gewesen sei, trotz der schweren Verletzungen keine Schmerzreaktionen beim Anfassen gezeigt.
27Ihrer Ansicht nach wären unberechtigte Bedenken hinsichtlich ihrer Erziehungsfähigkeit nur aufgrund der Misshandlungsvorwürfe aufgekommen.
28Frau P. als Verfahrensbeistand hat berichtet, dass insbesondere die Kindesmutter bei Interaktionsbeobachtungen sehr hilflos gewirkt habe. Sie habe den Kopf von M. nicht gehalten und sie von hinten angesprochen. Der Kindesmutter fehle das natürliche Gespür, sich als Mutter zu verhalten.
29Die Eltern seien in ihrer Erziehungsfähigkeit eingeschränkt. Es sei bereits fraglich, ob Feinfühligkeit und Empathie erlernbar seien. Die Angaben der Eltern seien widersprüchlich und die Misshandlungsvorwürfe nicht geklärt. Aus ihrer Sicht komme daher eine Rückführung zu den leiblichen Eltern nicht in Betracht.
30Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Krankenhausakte und der Strafakte der Staatsanwaltschaft Köln (Az. 162 UJs 4/15) sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens der Diplom Psychologin B.D. zur Erziehungsfähigkeit der Eltern. Auf die Ergebnisse der Gutachten wird ebenso wie auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 05.05.2015 und 02.02.2016 Bezug genommen.
31II.
32Die elterliche Sorge für das Kind M.H., geboren am xx.xx.xxxx, ist den Kindeseltern gemäß §§ 1666, 1666a BGB zu entziehen und auf einen Vormund zu übertragen.
33Diese Maßnahme ist zur Überzeugung des Gerichts nach Würdigung aller Umstände erforderlich, um eine schwerwiegende Gefahr für das körperliche, geistige und seelische Wohl des minderjährigen Kindes abzuwenden.
34Die Entziehung der elterlichen Sorge steht in Übereinstimmung mit der Empfehlung des Verfahrensbeistands.
351.
36Gemäß § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes (oder sein Vermögen) gefährdet ist und die sorgeberechtigten Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Dabei sind Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden sind, nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann (§ 1666a BGB).
37Bei der Auslegung des Begriffs „Kindeswohl“ ist zu berücksichtigen, dass gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG dem Erziehungsrecht der Eltern ein Vorrang zukommt und der Staat in dieses Erziehungsrecht nur nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG bei strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingreifen darf. Dabei ist weiter zu beachten, dass das den Eltern gewährte Grundrecht auf Pflege und Erziehung des Kindes in erster Linie dem Kindeswohl dient, das oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (BVerfG, FamRZ 2004, 354, 355 m.w.N.).
38Im Rahmen des Kindeswohls ist zu beachten, dass das Kind ein Recht auf ungestörte körperliche und seelische Entwicklung sowie einen Anspruch auf Erziehung und Pflege hat. Dabei gilt jedoch gleichzeitig, dass es nicht Aufgabe des Staates ist, für die bestmögliche Förderung zu sorgen, sondern sich staatliche Eingriffe auf Abwehr von Gefahren beschränken müssen.
39Auch unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist eine Entziehung des Sorgerechts unumgänglich. Es liegt eine erheblichen Gefahr für die körperliche und seelische Entwicklung des Kindes und somit eine akute Gefährdung des Kindeswohls bei einer Rückkehr in den elterlichen Haushalt vor.
40a)
41Bei beiden Eltern sind so erhebliche Defizite in der Erziehungsfähigkeit festzustellen, dass das grundrechtlich verankerte Erziehungsrecht der Eltern hinter den Interessen des Kindes zurücktreten muss.
42Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Erziehungsfähigkeit beider Kindeseltern nicht in einem für das Kind erforderlichen Maße gegeben ist, so dass es auch ausgeschlossen ist, das Sorgerecht einem Elternteil allein zu übertragen.
43aa)
44Unter „Erziehungsfähigkeit“ versteht man, wie von der Sachverständigen mit weiteren Literaturnachweisen ausgeführt wird, die Fähigkeit des Erwachsenen, eine dem Kindeswohl angemessene Versorgung und Betreuung des Kindes sicher zu stellen, die vom Kind signalisierten oder altersentsprechenden Bedürfnisse wahrzunehmen (Feinfühligkeit) und erzieherisch angemessen auf sie einzugehen. Ferner sei die Fähigkeit, eine differenzierte, an den kindlichen Bedürfnissen orientierte Beziehung zum Kind zu führen und sich flexibel an die unterschiedlichen Entwicklungsstufen und -aufgaben des Kindes anzupassen, ebenso bedeutsam wie die Fähigkeit, in realistischem Maße einen entwicklungsförderlichen Ausgleich zwischen Bedürfnisbefriedigung und -versagung herzustellen.
45Bereits das Vermögen, die Versorgung des Kindes sicher zu stellen, ist vorliegend höchstens eingeschränkt gegeben.
46Zwar kommt die Sachverständige zu dem Ergebnis, in der Person der Kindesmutter diesbezügliches Potential zu erkennen. Dem steht jedoch gegenüber, dass M. unter anderem auch wegen ihrer Gewichtsabnahme stationär beobachtet wurde und sich aus den Krankenhausunterlagen ergibt, dass sie in der Klinik täglich zugenommen hat.
47Auch ist zu bedenken, dass die Kindeseltern zwar angegeben haben, ihre Tochter mit Ausnahme der Klinikaufenthalte ununterbrochen selbst beaufsichtigt zu haben, dass es in dieser Zeit allerdings höchst wahrscheinlich zu massiven Misshandlungen gekommen ist, welche die Eltern entweder selbst ausgeführt oder jedenfalls nicht verhindert haben.
48Das Gericht hält diesbezüglich die Angaben der Eltern, man habe M. die Rippen im Krankenhaus gebrochen, für wenig glaubhaft.
49Insofern ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Eltern bereits einen fehlerhaften Entlassungszeitpunkt aus der Klinik vortragen. Ausweislich der ärztlichen Unterlagen wurde M. bereits am 07.01.2015 und nicht wie von den Eltern angegeben am 13.01.2015 entlassen.
50Die Gerichtsmediziner stellten fest, dass die am 11.02.2015 diagnostizierten Rippenbrüche aufgrund der festgestellten Kallusbildung bereits 14-21 Tage alt (und nicht wie vom Verfahrensbevollmächtigten vorgetragen 5-6 Wochen alt) gewesen sein müssen.
51Am 11.02.2015 war M. aber bereits seit 35 Tagen aus dem Krankenhaus entlassen.
52Auch wenn das Gericht die theoretische Möglichkeit sieht, dass – wie von den Gerichtsmedizinern angegeben – sich durch die Atembewegungen dieser Zeitraum noch verlängern kann, spricht ferner gegen die Theorie der Eltern, dass sich aus den Behandlungsunterlagen keinerlei Anzeichen für eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit oder vermehrtes Schreien des Kindes in der Klinik ergeben, und es der allgemeinen Lebenserfahrung nach eher unwahrscheinlich ist, dass das gesamte Krankenhauspersonal, welches sich um M. gekümmert hat, kollusiv zusammengearbeitet hat, um die Misshandlungen zu vertuschen.
53Da insofern keinerlei Anhaltspunkte für eine Misshandlung durch das Krankenhauspersonal vorliegen und sich das Kind ansonsten unter ständiger Sorge der Eltern befand, geht das Gericht davon aus, dass die Eltern allein als Verursacher in Betracht kommen oder dies zumindest aus familienrichterlicher Sicht nicht ausgeschlossen werden kann. In diesem Fall führt die Sachverständige aus, dass der Säugling schwere Verunsicherung und Überforderung des misshandelnden Elternteils und hieraus resultierende schwerwiegende Verletzungen erleben musste.
54bb)
55Dies ist allerdings nur ein Aspekt, der beim Entzug der elterlichen Sorge und der Feststellung der fehlenden Erziehungsfähigkeit der Eltern zu berücksichtigen war.
56Ausschlaggebend war, dass beide Kindeseltern dem Gericht gegenüber den Eindruck erweckt haben, auf emotionaler Ebene ihrem Kind nicht ansatzweise gerecht werden zu können und nicht in der Lage zu sein, die Bedürfnisse ihrer Tochter richtig einzuschätzen. Auch unter Berücksichtigung, dass der Kindesvater bereits eine Tochter hat, überraschte es, dass sie, als im Umgang mit Säuglingen relativ unerfahrene Eltern, die Hebamme bereits nach wenigen Terminen aus durch das Gericht nicht nachvollziehbaren Gründen abbestellt haben.
57Für das Gericht ist ferner nicht verständlich, dass die Kindeseltern M. während ihres Krankenhausaufenthaltes nur 1-2 Stunden täglich besucht haben. Die Begründung in der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2015, man habe sich um die Renovierung der zum 01.03.2015 zu beziehenden Wohnung gekümmert, überzeugt nicht und beweist, dass die Kindeseltern die Interessen ihrer Tochter nicht ausreichend erkennen.
58Dabei müsste es nach Ansicht des Gerichts jedem Elternteil eines Säuglings ein natürliches Anliegen sein, sein Baby nicht allein bei fremdem Pflegepersonal in einem anonymen Krankenhaus zu lassen und dessen Bedürfnis nach Nähe, Zuneigung und Wärme zu befriedigen.
59Bei einem Säugling wie M., die zehn Wochen zu früh mit einem Gewicht von nur 1.300g geboren wurde, wäre eine natürliche Reaktion der Eltern bei Gewichtsabnahme extreme Sorge gewesen. Wenn die Kindeseltern hingegen vorliegend ihre Tochter 22-23 Stunden pro Tag dem Krankenhauspersonal überlassen, ohne sich selbst um sie zu kümmern, und eine Wohnungsrenovierung für wichtiger erachten, spricht auch dies gegen ein Bewusstsein um die Interessen und Bedürfnisse des Säuglings.
60Dass die Kindeseltern vor der Sachverständigen D. plötzlich angeben, sie wären sechs bis acht Stunden bzw. fast den ganzen Vormittag bei M. gewesen, lässt weitere Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Eltern aufkommen.
61Zu beachten ist diesbezüglich auch, dass die Sachverständige die kurzen Besuche der Eltern als Indiz dafür ansieht, dass die Eltern Schwierigkeiten mit dem Bindungsaufbau zu ihrer Tochter haben.
62Die Einschätzung des Gerichts, dass es den Eltern an Empathie fehle, wird gestützt durch die Einblicke der Sachverständigen D. in die Eltern-Kind-Beziehung. Die Sachverständige kommt in ihren Interaktionsbeobachtungen zu dem Schluss, dass die Eltern in ihrem Spielangeboten teilweise ideenlos wirkten. Bisweilen hätten sie einen unsicheren Eindruck erweckt, und auch die Ansprache durch den Kindesvater sei teilweise zu wenig kindgerecht gewesen.
63Dem entspricht auch der von Seiten des Jugendamtes der Sachverständigen übermittelte Eindruck, die Eltern hätten in Anbetracht der Inobhutnahme und bei Konfrontationen mit den erlittenen Verletzungen des Kindes wenig Emotionalität gezeigt.
64Auch Frau P. als Verfahrensbeistand schätzt die Eltern als wenig einfühlend in die verletzungsbedingten Schmerzen und kaum betroffen ein.
65Die Eindrücke, die Eltern seien teilweise unsicher und hilflos und ihnen fehle der gesunde, elterliche Instinkt, haben sich in der mündlichen Verhandlung bestätigt.
66Außerdem spricht gegen die Erziehungsfähigkeit der Kindeseltern, dass sie die Schmerzen ihres Babys durch die Rippenbrüche nicht wahrgenommen haben.
67b)
68Die Übernahme der elterlichen Sorge durch ein Elternteil kommt ebenfalls nicht in Betracht.
69aa)
70Selbst wenn die Sachverständige hinsichtlich der Kindesmutter Grundkompetenzen zur Pflege und Versorgung sieht, ist sie nicht in der Lage, auch emotional den Bedürfnissen des Kindes gerecht zu werden.
71Bedenken bestehen hier bereits aufgrund der widersprüchlichen Angaben beispielsweise zur Schwangerschaft und der Epilepsie der Kindesmutter.
72Bei der Kindesmutter ist ausweislich des Entlassungsberichts vom 14.08.2015, welchen die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vorlegte, im Alter von 14 Jahren eine idiopathische generalisierte Epilepsie diagnostiziert worden. Nach der medikamentösen Einstellung sei sie danach 10 Jahre anfallsfrei gewesen. Allerdings habe sie 20 Monate zuvor aufgrund eines Kinderwunsches das Medikament eigenmächtig abgesetzt. Die Angaben der Kindesmutter in der mündlichen Verhandlung, sie habe das Medikament bereits zwei bis drei Jahre vorher ohne einen Kinderwunsch zu haben aus Dummheit abgesetzt, sind hierzu widersprüchlich.
73Sollte die Kindesmutter das Medikament wegen eines Kinderwunschs abgesetzt haben, ist nicht nachvollziehbar, dass sie dann angibt, die Schwangerschaft nicht bemerkt zu haben. Die Sachverständige betont hierzu, dass die Nichtbeachtung der Schwangerschaft ein weiteres Zeichen dafür sei, dass die Beziehung zum Fötus bereits in der Schwangerschaft beeinträchtigt gewesen sei und dies für eine Überforderung mit der Schwangerschaft spreche.
74Ferner müsse mit unsachgemäßen Reaktionen der Mutter gerechnet werden, da diese Gewaltübergriffe durch ihre Mutter in ihrer eigenen Jugend erlitten habe.
75Diesen Einschätzungen schließt sich das Gericht an.
76bb)
77Auch eine Übernahme der elterlichen Sorge durch den Kindesvater scheidet im Interesse des Kindeswohls aus.
78Beim Kindesvater waren in den mündlichen Verhandlungen durch das Gericht bereits erhebliche Defizite in der Selbstwahrnehmung festzustellen.
79Die Kindesmutter wird durch ihren Ehemann, der häufig auch in ihrem Namen auf Nachfragen des Gerichts geantwortet hat, bevormundet.
80Der Kindesvater hat zu verstehen gegeben, dass er die von der Sachverständigen festgestellten Erziehungsdefizite nicht ernst nimmt. Vielmehr sah er sich dazu in der Lage, gemeinsam mit seinen Adoptiveltern der Kindesmutter im Laufe dieses Verfahrens Tipps zur Pflege und Erziehung zu geben.
81Der Kindesvater war es auch, der die Hebamme, die der jungen Familie sicherlich hätte helfen können, nach zwei bis drei Terminen abbestellt hat.
82Er erliegt der fehlerhaften Annahme über ausreichende Kenntnisse der Babypflege und Kindererziehung zu verfügen, weil er bereits eine Tochter habe, die bei ihrer Geburt vor sechs Jahren in den ersten paar Monaten mit ihrer Mutter mit ihm in einem Haushalt gewohnt habe. Dass er zu ihr keinerlei Kontakt mehr hat und damit ein Desinteresse an seinem eigenen Kind bestätigt, erkennt er nicht.
83Ferner hat sich der Kindesvater in der mündlichen Verhandlung in diverse Widersprüche verstrickt.
84So gab er an, er habe, seit er mit seiner Frau seit 2013 zusammen sei, keine Alkoholprobleme mehr und sei nicht einmal feiern gewesen.
85Dem widerspricht, dass die Hausärztin des Kindesvaters der Sachverständigen gegenüber angegeben haben soll, ihn bei einer Untersuchung mit einer Alkoholfahne angetroffen zu haben.
86Widersprüchlich ist ferner, dass der Kindesvater behauptet keinerlei Alkohol zu trinken, um im Notfall seine Tochter, jederzeit ins Krankenhaus bringen zu können, wobei M. seit einem Jahr nicht mehr in seinem Haushalt lebt. Gleichzeitig ist er aber dem Verdacht der Epilepsie in seiner Person, nicht weiter nachgegangen, obwohl ihm durch seine Ärzte geraten wurde, sich medizinisch weiter untersuchen und medikamentös einstellen zu lassen und ein Jahr lang auf das Autofahren zu verzichten.
87Die Angaben des Kindesvaters vermitteln insoweit den Eindruck, er sage das aus, was seiner Vermutung nach das Gericht von ihm hören will.
88c)
89Zusammenfassend ist insofern festzuhalten, dass M. – wie auch durch die Sachverständige betont wurde - aufgrund der durch die Misshandlung hervorgehenden Entwicklungsrisiken konstant eine einfühlsame, liebevolle und dauerhafte Versorgung benötigt.
90Durch die bisherigen Wechsel der Bezugspersonen sei nach Auffassung der Sachverständigen für das Kindeswohl ein erhöhtes Maß an zuverlässigen, stabilen und dauerhaften Beziehungserfahrungen sowie eine erhöhte Feinfühligkeit der Bezugspersonen gegenüber kindlichen Signalen erforderlich.
91Für M. sei es insoweit notwendig, dass ihre künftige Bezugsperson körperlich und psychisch präsent sowie feinfühlig gegenüber kindlichen Signalen ist und über wesentliche Fürsorgequalitäten insbesondere bei der Anleitung und Führung bei dysregulierten Gefühlen des Kindes, der Annahme des Kindes und der Spieleinfühligkeit verfüge.
92Dies können die Kindeseltern nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht gewährleisten. Die Eltern haben sich nach dem übereinstimmenden Eindruck aller Beteiligten, d.h. der Mitarbeiter des Jugendamtes, der Sachverständigen, des Verfahrensbeistandes, und des Gerichts als in mehreren Situationen überfordert erwiesen. Ihnen fehlt die natürliche Fähigkeit, die Bedürfnisse des Kindes zu erkennen und qualifiziert darauf einzugehen.
93Sie waren nicht in der Lage, wenn sie nicht sogar selbst daran beteiligt waren, ihr Kind vor Misshandlungen zu schützen und seine Schmerzen zu erkennen. Unterstellt, die Misshandlungen wurden von dritter Seite ausgeführt, sieht das Gericht bei ihnen nicht die notwendigen Führungsqualitäten, welche M. in Zukunft braucht, um die schlechten Erfahrungen ihrer frühesten Kindheit zu verarbeiten und zu einem hoffentlich weitgehend normalen Kind und Erwachsenen heranzuwachsen und ihr Entwicklungsrisiko zu minimieren.
942.
95Dabei musste auf Grund der umfassend festgestellten, fehlenden Erziehungseignung beider Eltern das Sorgerecht insgesamt entzogen werden. Gerade auf Grund der Probleme in praktisch allen Belangen der Erziehung und Sorge war eine Entziehung von Teilbereichen nicht ausreichend, um umfassend das Wohl der Kinder sicherzustellen.
963.
97Daher war die Einrichtung einer Vormundschaft, welche auf das Jugendamt aufgrund Ermangelung anderer, geeigneter Personen übertragen wurde, erforderlich.
98III.
99Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG.
100Rechtsbehelfsbelehrung:
101Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
102Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Köln eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
103Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.


Annotations
(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.
(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.
(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere
- 1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen, - 2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen, - 3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, - 4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen, - 5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge, - 6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.
(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.
(1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Dies gilt auch, wenn einem Elternteil vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Nutzung der Familienwohnung untersagt werden soll. Wird einem Elternteil oder einem Dritten die Nutzung der vom Kind mitbewohnten oder einer anderen Wohnung untersagt, ist bei der Bemessung der Dauer der Maßnahme auch zu berücksichtigen, ob diesem das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück zusteht, auf dem sich die Wohnung befindet; Entsprechendes gilt für das Wohnungseigentum, das Dauerwohnrecht, das dingliche Wohnrecht oder wenn der Elternteil oder Dritte Mieter der Wohnung ist.
(2) Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen.
(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.
(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.
(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere
- 1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen, - 2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen, - 3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, - 4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen, - 5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge, - 6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.
(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.
(1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Dies gilt auch, wenn einem Elternteil vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Nutzung der Familienwohnung untersagt werden soll. Wird einem Elternteil oder einem Dritten die Nutzung der vom Kind mitbewohnten oder einer anderen Wohnung untersagt, ist bei der Bemessung der Dauer der Maßnahme auch zu berücksichtigen, ob diesem das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück zusteht, auf dem sich die Wohnung befindet; Entsprechendes gilt für das Wohnungseigentum, das Dauerwohnrecht, das dingliche Wohnrecht oder wenn der Elternteil oder Dritte Mieter der Wohnung ist.
(2) Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.