Amtsgericht Gütersloh Urteil, 28. Juli 2014 - 10 C 6/14
Gericht
Tenor
Der Beklagte wird weiter verurteilt, dem Kläger Einsicht in ein dem Beklagten vorliegendes Gutachten der ______ zum dortigen Aktenzeichen _____________ betreffend den Wohnwagen mit der Fahrgestellnummer ____________ zu gewähren.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 147,56 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte 25 Prozent und der Kläger 75 Prozent.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 600,00 EUR. Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
TATBESTAND
2Die Parteien streiten um Einsichtnahme in ein Schadensgutachten sowie Leistungen aus einem Versicherungsvertrag.
3Der Beklagte ist ein Versicherungsunternehmen. Der Kläger unterhält bei dem Beklagten eine Kfz-Versicherung für einen Wohnwagen, Typ ________, amtliches Kennzeichen _______
4Im Jahr 2010 erlitt der Wohnwagen – damals im Eigentum eines Dritten stehend – einen Hagelschaden. Die _______ holte als Versicherung des damaligen Eigentümers ein Schadensgutachten ein. Der Kläger erwarb den Wohnwagen am 24.01.2011. Zu diesem Zeitpunkt war dem Kläger lediglich eine Delle im Außenblech neben dem Toilettenfenster bekannt.
5Der Wohnwagen des Klägers wurde am 27.07.2013 durch Hagelschlag beschädigt. Der Kläger meldete den Schaden beim Beklagten. In der Folgezeit begutachtete ein Mitarbeiter des Ingenieurbüros __________, den Wohnwagen. Die ______ stellte dem Beklagten das Gutachten aus dem Jahr 2010 zur Verfügung.
6Mit Schreiben vom 25.10.2013 teilte der Beklagte mit, seine Ermittlungen hätten ergeben, dass der Wohnwagen bereits im Jahr 2010 einen Hagelschaden erlitten habe und verlangte vom Kläger den Nachweis der Instandsetzung des Vorschadens anhand von Rechnungsbelegen.
7Der Kläger behauptet, das Gutachten sei dem Beklagten von der _____ „zum Zwecke der Regulierung eines Versicherungsfalls“ überlassen worden. Bei seiner Begutachtung des Wohnwagens habe Herr … auch den Inhalt des Gutachtens der ______ berücksichtigt. Erst Herr … habe ihm anhand der von der ______stammenden Unterlagen von einem Vorschaden in Kenntnis gesetzt.
8Ursprünglich hat der Kläger Verurteilung des Beklagten zur Einsichtgewährung in das Gutachten der _____ begehrt. Sodann hat er seinen Antrag um Einsichtnahme in das Gutachten des Ingenieurbüros … erweitert. Diesen Antrag hat der Beklagte anerkannt. Mit Schriftsatz vom 24.03.2014 hat der Kläger zusätzlich einen Zahlungsantrag gestellt. Er beantragt nunmehr:
91. Den Beklagten zu verurteilen, ihm Einsicht in ein dem Beklagten vorliegendes Gutachten der _____ zum dortigen Aktenzeichen ___________ betreffend den Wohnwagen mit der Fahrgestellnummer __________ zu gewähren.
102. Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 147,56 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
113. Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.703,57 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2013 zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte widerspricht der Klageänderung.
15Er behauptet, die _____ habe ihm das Gutachten mit der Bitte „um vertraulichen Verbleib in ihren Unterlagen“ überlassen. Bereits dem Gutachten des Ingenieurbüros sei zu entnehmen, dass das Gutachten der _______ dem Sachverständigen Schwarzkopf nicht bekannt gewesen sei. Denn von Vorschäden sei in dem Gutachten des Ingenieurbüros keine Rede.
16ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
17Die Klage hat lediglich teilweise Erfolg.
18I.
19Hinsichtlich des Antrags zu 3) ist die Klage bereits unzulässig.
20Der Beklagte hat der Klageänderung durch Einführung eines weiteren Streitgegenstandes in das laufende Verfahren nicht zugestimmt, § 263 Alt. 1 ZPO. Die Klageänderung ist auch nicht als sachdienlich im Sinne des § 263 Alt. 2 ZPO anzusehen. Denn Sachdienlichkeit ist nur dann anzunehmen, wenn mit der geänderten Klage die noch bestehenden Streitpunkte mit erledigt werden können und dadurch ein neuer Prozess vermieden wird (Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 263 Rn. 13). Ausweislich der mit dem Klageänderungsschriftsatz vorgebrachten Begründung begehrt der Kläger lediglich eine Abschlagszahlung. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass es nach Vorlage des Gutachtens zu einem weiteren Rechtsstreit kommt, in dem der Kläger über die nunmehr begehrte Abschlagszahlung hinausgehende Zahlungsansprüche verfolgt.
21II.
22Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Gewährung von Einsicht in das Gutachten der _______________ zu.
23Ein solcher Anspruch ergibt sich vorliegend zumindest nach Treu und Glauben aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag. Das Versicherungsverhältnis ist in besonderer Weise von Treu und Glauben geprägt (BGHZ 40, 387; Prölss, in: Prölss/ Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, Vorbem. II Rn. 8). Hierdurch entstehen ergänzende Leistungs- und Verhaltenspflichten für beide Parteien des Versicherungsverhältnisses. Zum Kreis der ergänzenden Pflichten des Versicherers gehören auch Informationspflichten. Die, soweit sie keine gesetzliche Ausformung gefunden habe, ihre Grundlage in § 242 BGB haben können.
24Indem der Beklagte vorliegend seine überlegene Sachkunde genutzt hat, um das Gutachten der ______ anzufordern hat er sich gegenüber dem Kläger einen Informationsvorsprung verschafft. Dieses Verhalten ist für sich betrachtet nicht zu beanstanden. Hält der Beklagte jedoch dem Kläger dann das Ergebnis dieses Gutachtens entgegen, um diesen Aufzufordern Reparaturnachweise eines ihm bis dahin unbekannten Vorschadens beizubringen und sich so einer Regulierung zu entziehen, verstößt der Beklagte gegen die ihm aus Treu und Glauben erwachsenen Informationspflichten gegenüber seinem Versicherten. Denn er setzt seine überlegene Finanzkraft und Sachkunde zum Nachteil seines Vertragspartners ein. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob dem Beklagten das Gutachten der _____ mit der Maßgabe überlassen wurde, dieses vertraulich bei den Unterlagen zu belassen. Denn im Rahmen der insoweit vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen ist dem Informationsinteresse des Versicherungsnehmers zumindest der Vorzug einzuräumen. Überdies hat der Beklagte das Gutachten selbst zum Gegenstand des hier in Mitten stehenden Schadensfalls gemacht, indem er sich gegenüber dem Kläger auf das Ergebnis des Gutachtens berufen hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist es dem Kläger vorliegend auch nicht zuzumuten, sich zunächst an den Verkäufer des Wohnwagens zu wenden und von diesem die erforderlichen Unterlagen zu Umfang und Beseitigung des Vorschadens zu beschaffen. Denn einerseits weiß der Kläger zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht, ob der Verkäufer des Wohnwagens noch über entsprechende Unterlagen verfügt. Andererseits ist es vollkommen unklar, ob dieser etwaig noch vorhandene Unterlagen freiwillig an den Kläger herausgeben wird oder ob der Kläger einen solchen Anspruch nicht erst im Klagewege geltend machen müsste. Auf diese Unsicherheiten braucht sich der Kläger nicht einzulassen, wenn sein Versicherer im Besitz der erforderlichen Unterlagen ist.
25III.
26Der Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten folgt aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB i.V.m. Nr. 2300, 2303 VV RVG a.E. i.V.m. Teil 3, Vorb. 3, Abs. 3 VV RVG.
27IV.
28Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 93 ZPO. Soweit der Beklagte den Anspruch auf Einsichtnahme in das Gutachten des Ingenieurbüros …anerkannt hat, waren die Kosten gemäß § 93 ZPO dem Kläger aufzuerlegen. Denn der Beklagte hat insoweit keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Veranlassung zur Klageerhebung bietet eine Partei, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen (BGH NJW 2006, 2490 [2491]). Vorliegend kann der Kläger von dem Beklagten Einsicht in das Gutachten verlangen. Der Beklagte befand sich indes weder in Verzug noch hat er den Anspruch bestritten oder die Leistung verweigert. Der Kläger konnte daher nicht annehmen, eine außerprozessuale Aufforderung zur Einsichtgewährung in das Gutachten werde ohne Erfolg bleiben und er werde nur durch eine Klage zu seinem Recht kommen (Hüßtege, in: Thomas/ Putzo, ZPO, 31. Aufl. 2010, § 93 Rn. 6). Der Beklagte hat den Anspruch auf Einsichtnahme in das Gutachten auch sofort anerkannt.
29Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO und §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
30Der Streitwert wird auf 3.703,57 EUR festgesetzt.
31Rechtsbehelfsbelehrung:
32A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
33a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
34b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
35Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bielefeld, Niederwall 71, 33602 Bielefeld, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
36Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bielefeld zu begründen.
37Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bielefeld durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
38Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
39B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Gütersloh statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Gütersloh, Friedrich-Ebert-Str. 30, 33330 Gütersloh, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
40Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
41Gütersloh, 28.07.2014AmtsgerichtRichter |
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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.