Amtsgericht Dortmund Beschluss, 31. Aug. 2016 - 306 III 15/16

Gericht
Tenor
Der Antrag auf Änderung des Vornamens und der Feststellung der Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird auf 5.000,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag war zurückzuweisen, da die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 TSG nicht erfüllt sind, wonach Gutachten von zwei Sachverständigen mit Erfahrung auf dem Gebiet des Transsexualismus einzuholen sind.
3Dies war im vorliegenden Fall nicht möglich, denn die antragstellende Person hat mitgeteilt, die Begutachtung durch Sachverständige abzulehnen. Ohne die Mitwirkung der antragstellenden Person kann eine ordnungsgemäße Begutachtung nicht durchgeführt werden.
4Zwar hat die antragstellende Person vorgetragen, dass sämtliche Voraussetzungen der § 1, 8 TSG erfüllt seien. Die Einholung der Gutachten ist jedoch unabdingbare Voraussetzung für eine Vornamensänderung und eine Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit nach dem TSG.
5I.
6Diese Voraussetzung ist entgegen dem Vortrag der antragstellenden Person verfassungsgemäß.
71.
8Es liegt kein ungerechtfertigter Eingriff in die Rechte aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG vor.
9So hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 11.01.2011 ausgeführt:
10„Der Gesetzgeber kann bei der Bestimmung der Geschlechtszugehörigkeit eines Menschen grundsätzlich von dessen äußeren Geschlechtsmerkmalen zum Zeitpunkt der Geburt ausgehen und die personenstandsrechtliche Anerkennung des im Widerspruch dazu stehenden empfundenen Geschlechts eines Menschen von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen. Da das Geschlecht maßgeblich für die Zuweisung von Rechten und Pflichten sein kann und von ihm familiäre Zuordnungen abhängig sind, ist es ein berechtigtes Anliegen des Gesetzgebers, dem Personenstand Dauerhaftigkeit und Eindeutigkeit zu verleihen, ein Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Geschlechtszugehörigkeit möglichst zu vermeiden und einer Änderung des Personenstands nur stattzugeben, wenn dafür tragfähige Gründe vorliegen und ansonsten verfassungsrechtlich verbürgte Rechte unzureichend gewahrt würden. Dabei kann er, um beliebige Personenstandswechsel auszuschließen, einen auf objektivierte Kriterien gestützten Nachweis verlangen, dass die selbstempfundene Geschlechtszugehörigkeit, die dem festgestellten Geschlecht zuwiderläuft, tatsächlich von Dauer und ihre Anerkennung für den Betroffenen von existentieller Bedeutung ist.“ (BVerfG NJW 2011, 912)
11Das Erfordernis der Einholung zweier Sachverständigengutachten stellt einen solchen auf objektivierte Kriterien gestützten Nachweis dar.
12Es ist der antragstellenden Person zuzugeben, dass im Rahmen der Begutachtung Details des Intimlebens preisgegeben werden müssen.
13Indes ist zu berücksichtigen, dass gerade die innere Verfasstheit der antragstellenden Person Gegenstand des Verfahrens ist und daher auch genau für diese innere Verfasstheit Nachweise nach objektivierten Kriterien zu verlangen sind. Jegliche Art von zu erbringendem Nachweis dürfte daher zu einem Eingriff in die Intimsphäre der betroffenen Person führen.
14Dass dieser Nachweis durch Einholung von Sachverständigengutachten erbracht werden kann, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 11.01.20111 deutlich gemacht (vgl. BVerfG a.a.O.).
15Mit Blick auf die ärztliche Schweigepflicht ist der Eingriff in die Intimsphäre der betroffenen Person auch auf die Gutachter begrenzt, die im Übrigen durch ihre fachspezifische Expertise besonders darauf geschult sein dürften, den mit der Preisgabe intimer Details einhergehenden Problemen Rechnung zu tragen.
16Der Umstand, dass zwei und nicht nur ein Gutachten gefordert werden, trägt der besonderen Bedeutung Rechnung, die das Verfahren für das Leben der antragstellenden Person hat. Es kann das Risiko einer möglichen Fehleinschätzung eines einzelnen Gutachters minimiert werden, was sowohl im Interesse des Gesetzgebers an der Dauerhaftigkeit und Eindeutigkeit des Personenstands als auch im Interesse der antragstellenden Person an der Vermeidung von Fehleinschätzungen liegt.
17Dass die Begutachtung Kosten verursacht, ist dabei, insbesondere mit Blick auf die hohe Bedeutung der beantragten Entscheidung, in Kauf zu nehmen, zumal die Möglichkeit der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe gegeben ist.
18Auch die Behauptung, dass die einzuholenden Gutachten faktisch keine Aussagekraft haben sollen, trägt nicht.
19Aus der richterlichen Praxis sind gerade auch in jüngerer Zeit durchaus Fälle bekannt, in denen Gutachten zu dem Ergebnis kamen, dass entweder ein echtes Zugehörigkeitsempfinden oder aber die erforderliche Stabilität nicht gegeben seien, wobei sich teilweise laut Angaben der Gutachter psychische Probleme und der transsexuelle Wunsch überlagerten.
20Gerade der Nachweis, dass der transsexuelle Wunsch stabil und unbeeinflusst ist von anderen Aspekten der inneren Verfasstheit einer antragstellenden Person, dürfte am ehesten durch die Einholung von Sachverständigengutachten zu erbringen sein.
212.
22Ein Verstoß gegen Art. 3 I GG ist ebenfalls nicht ersichtlich, denn entgegen den Ausführungen der antragstellenden Person liegt keine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem vor.
23Die antragstellende Person bezieht sich insoweit auf die Voraussetzungen einer Vornamensänderung nach dem NamÄndG iVm NamÄndVwV und führt aus, dass hier ein einfaches Verwaltungsverfahren durchgeführt wird und keinerlei Gutachten einzuholen seien.
24Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der dort erforderliche wichtige Grund regelmäßig ein äußerlicher, für jedermann erkennbarer Grund ist, wohingegen im Rahmen des TSG eine von den äußeren Geschlechtsmerkmalen abweichende innere Verfasstheit der betroffenen Person der Grund für die beantragte Namensänderung ist.
253.
26Eine Verletzung von Art. 1 I GG ist nicht gegeben.
27Es ist nicht ersichtlich, dass das Erfordernis der Einholung zweier Gutachten die antragstellende Person zum Objekt, zu einem bloßen Mittel oder einer vertretbaren Größe herabwürdigt wird (vgl. MD/Herdegen, Art. 1 I Rn. 33) oder aber hierin eine willkürliche Missachtung, verächtliche Behandlung oder Erniedrigung der antragstellenden Person zum Ausdruck kommt (vgl. BVerfG NJW 1971, 275; NJW 1952, 297).
28II.
29Aus den oben genannten Gründen kommt auch eine Verletzung von Art. 8 I EMRK nicht in Betracht.
30III.
31Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.
32Die Kostenfolge ergibt sich aus § 22 Abs. 1 GNotKG.
33Rechtsbehelfsbelehrung:
34Gegen diese Entscheidung ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Die Beschwerde ist innerhalb einer Frist von 1 Monat bei dem Amtsgericht Dortmund durch Einreichung einer Beschwerdeschrift in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe an den jeweiligen Beschwerdeführer. Wenn an ihn eine schriftliche Bekanntgabe nicht erfolgen konnte, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
35Die Beschwerdeschrift muss die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird und sie muss den angefochtenen Beschluss bezeichnen. Auch ist sie vom Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.

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(1) Auf das gerichtliche Verfahren sind die Vorschriften des Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(2) Das Gericht hört den Antragsteller persönlich an.
(3) Das Gericht darf einem Antrag nach § 1 nur stattgeben, nachdem es die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt hat, die auf Grund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung mit den besonderen Problemen des Transsexualismus ausreichend vertraut sind. Die Sachverständigen müssen unabhängig voneinander tätig werden; in ihren Gutachten haben sie auch dazu Stellung zu nehmen, ob sich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft das Zugehörigkeitsempfinden des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird.
(4) Gegen die Entscheidung, durch die einem Antrag nach § 1 stattgegeben wird, steht den Beteiligten die sofortige Beschwerde zu. Die Entscheidung wird erst mit der Rechtskraft wirksam.
(1) Die Vornamen einer Person sind auf ihren Antrag vom Gericht zu ändern, wenn
- 1.
sie sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, - 2.
mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird, und - 3.
sie - a)
Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist, - b)
als Staatenloser oder heimatloser Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, - c)
als Asylberechtigter oder ausländischer Flüchtling ihren Wohnsitz im Inland hat oder - d)
als Ausländer, dessen Heimatrecht keine diesem Gesetz vergleichbare Regelung kennt, - aa)
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt oder - bb)
eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich dauerhaft rechtmäßig im Inland aufhält.
(2) In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künftig führen will.
(1) Auf Antrag einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und die seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, ist vom Gericht festzustellen, daß sie als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, wenn sie
- 1.
die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 erfüllt, - 2.
(weggefallen) - 3.
dauernd fortpflanzungsunfähig ist und - 4.
sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen hat, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist.
(2) In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künftig führen will; dies ist nicht erforderlich, wenn seine Vornamen bereits auf Grund von § 1 geändert worden sind.
(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.
(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.
(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.
(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.