Amtsgericht Borken Urteil, 17. Juli 2014 - 12 C 201/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
3Entscheidungsgründe:
4Die zulässige Klage ist unbegründet.
5I.
6Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 509,25 EUR aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag nicht zu.
7Die Beklagte ist auf der Grundlage der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen nicht zur Schadensregulierung gegenüber der Klägerin verpflichtet.
81. Gemäß § 2 Ziff. 2 Buchst. b) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Anlage K2, Blatt 8 d.A.) ist der Verlust des Handys durch Diebstahl nur dann versichert, wenn das Gerät in persönlichem Gewahrsam sicher mitgeführt wurde oder wenn andere, vorliegend nicht einschlägige Voraussetzungen gegeben sind.
9Die nach der genannten Bestimmung erforderliche Voraussetzung, dass das Gerät „im persönlichen Gewahrsam sicher mitgeführt wurde“ verlangt einen gesteigerten persönlichen Gewahrsam insbesondere während der Zeit, in der sich der Versicherungsnehmer in der Öffentlichkeit aufhält oder fortbewegt, wobei das Maß des geforderten Sicherungsverhaltens vom Wert des Gegenstandes, der Intensität des Diebstahlsanreizes sowie insbesondere von dem Gefährdungsgrad der jeweiligen Örtlichkeit und Situation abhängt (LG Berlin, Urteil vom 09.09.2010 – Az. 7 S 26/10; AG Köln, Urteil vom 12.10.2009 – Az. 147 C 16/09). Demgemäß gibt es Orte, an denen die Gefährdung aus der Situation heraus auch ohne Rücksicht auf den Wert des Gegenstandes, wie u.a. innerhalb einer anonymen Menschenmenge, offensichtlich ist (AG Köln, a.a.O.). Erforderlich ist, dass der Versicherungsnehmer den Gegenstand entsprechend seinem äußeren Wert und den äußeren Umständen der Gefährdung sichert und körpernah trägt oder hält, so dass die naheliegenden Gefahren eines Verlustes vermieden werden und er jederzeit bereit und in der Lage ist, einen möglichen Diebstahlsversuch abzuwehren (LG Berlin, a.a.O., m.w.N.).
10Ein sicherer persönlicher Gewahrsam in diesem Sinne ist vorliegend nicht gegeben.
11Die Klägerin sowie die Zeugin S haben übereinstimmend geschildert, am Dienstag den 13.08.2013 in der Gelsenkirchener Innenstadt unterwegs gewesen zu sein. Die Klägerin habe ihr Handy zuletzt im Geschäft Q in der Hand gehabt. Die Klägerin habe das Handy in ihrer Handtasche verstaut. Dann seien sie durch die Innenstadt und in weitere Geschäfte gegangen. Die Handtasche habe die Klägerin über der Schulter getragen und den Arm auf die Handtasche gelegt. Ca. eine halbe Stunde nach dem Wegpacken des Handys habe die Klägerin den Verlust des Gerätes bemerkt. Die Klägerin hat weiterhin behauptet, den Reißverschluss ihrer Handtasche verschlossen zu haben, ohne dass die Zeugin S diese Behauptung durch ihre Aussage zu bestätigen vermochte. Überdies hat die Klägerin dargelegt, dass es sowohl in dem Geschäft Q als auch in der Fußgängerzone ziemlich voll gewesen sei; überall seien Leute gewesen.
12Weder den Darlegungen der Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung noch der Aussage der vernommenen Zeugin S lässt sich ein sicherer persönlicher Gewahrsam des entwendeten Handys entnehmen.
13Die Klägerin bewegte sich im Zeitpunkt des Verlustes des Handys auf stark belebten öffentlichen Verkehrsflächen in der Innenstadt bzw. in gut besuchten Ladenlokalen. Zu dem Handy hielt sie weder Blickkontakt noch bestand ein unmittelbarer körperlicher Kontakt zu dem Gerät. Lediglich zu der auf der Schulter getragenen Handtasche, nicht aber zu dessen Inhalt, bestand ein unmittelbarer Körperkontakt, indem die Klägerin die Handtasche auf der Schulter trug und dabei den Arm auf die Tasche legte. Die Handtasche war – den Vortrag der Klägerin als richtig unterstellt, sie habe die Handtasche nach Hineinlegen des Handys wieder verschlossen – durch einen Reißverschluss gesichert. Allerdings befand sich der Öffner des Reißverschlusses hinten am Rücken und damit außerhalb des Blickfeldes der Klägerin. Aufgrund dieser Umstände bestand die Gefahr, dass der Reißverschluss der Handtasche unbemerkt von hinten geöffnet werden und das Handy herausgezogen werden konnte, ohne dass die Klägerin bereit gewesen wäre, einen solchen Diebstahlsversuch abzuwehren. Angesichts der aufgrund der Örtlichkeit offensichtlich gesteigerten Gefährdungslage wäre es zumutbar gewesen, den Verschlussmechanismus der Handtasche, etwa durch Handauflegen oder durch Anbringen eines Zahlenschlosses, zu sichern (vgl. LG Berlin, a.a.O.), die Handtasche vor dem Oberkörper zu tragen oder die Tasche zumindest dergestalt über der Schulter zu tragen, dass sich der Öffner des Reißverschlusses vorne befunden hätte.
142. Die streitgegenständliche Regelung unter § 2 Ziff. 2 Buchst. b) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen stellt entgegen der Ansicht der Klägerin bei der hier vorgenommenen Auslegung des Begriffes des „sicheren persönlichen Gewahrsams“ keine nach § 305c BGB überraschende oder im Sinne von § 307 BGB unangemessen benachteiligende und damit unwirksame Klausel dar.
15Denn es handelt sich bei der streitgegenständlichen Handy-Versicherung gerade nicht um eine reine Diebstahlsversicherung, die letztlich überraschend gering ausfällt. Vielmehr stellt der Verlust durch Diebstahl nur eine einer Reihe von Gefahren dar, die von der Versicherung abgedeckt werden. So besteht Versicherungsschutz beispielsweise auch bei Beschädigung und Zerstörung des Gerätes durch Bedienungsfehler, Bodenstürze, Bruchschäden, Flüssigkeitsschäden, Brand, Vandalismus etc., Verlust des Gerätes durch Raub oder Plünderung (siehe § 2 Ziff. 2 Buchst. b) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, Anlage K2, Blatt 8 d.A.). Im Gegensatz zu den meisten anderen versicherten Gefahren, wie Beschädigung durch Bodenstürze, Bedienungsfehler etc., enthält die Klausel bzgl. der Gefahr des Verlustes des Gerätes durch Einbruchdiebstahl und Diebstahl weitergehende bzw. qualifizierte Anforderungen. Insofern musste die Klägerin damit rechnen, dass nicht jeder „einfache“ bzw. „normale“ Diebstahl mitversichert ist (siehe auch LG Berlin, a.a.O.).
16II.
17Mangels Hauptforderung besteht ebenfalls kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.
18III.
19Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
20IV.
21Der Streitwert des Rechtsstreits wird auf 509,29 EUR festgesetzt.
22Rechtsbehelfsbelehrung:
23Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
24a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
25b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
26Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Münster, Am Stadtgraben 10, 48143 Münster, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
27Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Münster zu begründen.
28Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Münster durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
29Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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(1) Des Tatbestandes bedarf es nicht, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. In diesem Fall bedarf es auch keiner Entscheidungsgründe, wenn die Parteien auf sie verzichten oder wenn ihr wesentlicher Inhalt in das Protokoll aufgenommen worden ist.
(2) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestands und der Entscheidungsgründe nicht, wenn beide Parteien auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten. Ist das Urteil nur für eine Partei anfechtbar, so genügt es, wenn diese verzichtet.
(3) Der Verzicht nach Absatz 1 oder 2 kann bereits vor der Verkündung des Urteils erfolgen; er muss spätestens binnen einer Woche nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht erklärt sein.
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden im Fall der Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen oder wenn zu erwarten ist, dass das Urteil im Ausland geltend gemacht werden wird.
(5) Soll ein ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe hergestelltes Urteil im Ausland geltend gemacht werden, so gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisurteilen entsprechend.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.