Amtsgericht Bochum Beschluss, 31. Okt. 2016 - 60 F 281/16
Gericht
Tenor
Die mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bochum vom 21.06.2012 (Az. 69 F 96/12) angeordnete Vormundschaft ist beendet.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Der Verfahrenswert wird auf 3.000,- € festgesetzt.
1
Gründe
2Durch Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bochum vom 21.06.2012 (Az. 69 F 96/12) ist gemäß § 1674 Abs. 1 BGB das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt und Vormundschaft angeordnet worden.
3Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sind sorgerechtliche Regelungen nicht mehr veranlasst, nachdem der Betroffene volljährig geworden ist.
4Nach § 1882 BGB endet die Vormundschaft durch Wegfall der in § 1773 BGB für ihre Begründung bestimmenden Voraussetzungen, hier durch Erreichen des 18. Lebensjahres.
5Da die Vormundschaft kraft Gesetzes endet, war dies vom Familiengericht lediglich deklaratorisch festzustellen.
6Der Eintritt der Volljährigkeit ist gemäß Art. 7, 24 EGBGB nach dem Recht des Staates Guinea zu beurteilen.
7Eine nach Art. 3 EGBGB vorrangige staatsvertragliche Regelung liegt nicht vor. Insbesondere ist auch das KSÜ nicht anzuwenden, da es die Frage der Volljährigkeit nicht regelt und im Übrigen dessen Anwendungsbereich nur Kinder bis zum 18. Lebensjahr erfasst (Art. 2 KSÜ).
8Ob Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention vorrangig anwendbar wäre – falls es sich bei dem Betroffenen um einen Flüchtling im Sinne der Konvention handeln würde – kann dahinstehen. Hiernach wäre deutsches Recht anzuwenden, so dass die Volljährigkeit ebenfalls mit 18 Jahren eintreten würde.
9Die Volljährigkeit des Betroffenen ist daher mit Vollendung des 18. Lebensjahres eingetreten.
10Gemäß Art. 1 des Code de l‘Enfant Guineen vom 19.08.2008 ist jede Person unter 18 Jahren ein Kind, so dass im Umkehrschluss die Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintritt.
11Insoweit ist die entgegenstehende Regelung des Art. 443 Code Civil, nach welcher die Volljährigkeit mit Vollendung des 21. Lebensjahres eintritt, durch Art. 442 des Code de l‘Enfant Guineen außer Kraft gesetzt.
12In diesem Sinne haben auch das Justizministerium der Republik Guinea in einer Mitteilung an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und Guineische Staatsangehörige im Ausland für die deutsche Botschaft in Conakry vom 19.04.2016 und die Botschaft der Republik Guinea in Berlin in einer Bestätigung vom 30.09.2016 Stellung genommen.
13Dabei ist zu beachten, dass die Bestätigung der Botschaft der Republik Guinea vom 30.09.2016 explizit auf eine vorherige Anfrage des Familiengerichts Bochum – in einem anderen, gleichartigen Verfahren – bezüglich des Verhältnisses des Code de l’Enfant Guineen zu dem Code Civil, nach Rücksprache mit dem dortigen Justizministerium, erstellt worden ist.
14Insoweit handelt es sich auch nicht – wie von dem Vormund ausgeführt – nur um eine beabsichtigte, sondern bereits vollzogene Gesetzesänderung.
15Die in dem Beschluss des OLG Bremen vom 23.02.2016 (Az. 4 UF 186/15) zum Ausdruck kommende Rechtsansicht, Art. 1 des Code de l‘Enfant Guineen definiere nur den Anwendungsbereich des Gesetzes, nicht aber das Volljährigkeitsalter, wird von dem Gericht aus den dargestellten Gründen nicht geteilt.
16Auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes kann sich der Betroffene nicht berufen, nachdem das Gericht die Rechtslage zu jedem Zeitpunkt eigenständig zu beurteilen hat.
17Der persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 151 FamFG bedurfte es nicht, nachdem dieser bereits volljährig ist, es in der Sache nur um die Entscheidung einer Rechtsfrage geht, zu welcher die persönliche Anhörung nichts beitragen kann und dem Beschluss zudem nur deklaratorische Wirkung zukommt.
18Nachdem die Volljährigkeit und der damit verbunden der Entfall der Vormundschaft von Gesetzes wegen eintreten, konnte die Vormundschaft auch nicht aufgrund der sozialen Situation des Betroffenen verlängert werden.
19Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.
20Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 45 Abs.1 FamGKG
21Rechtsbehelfsbelehrung:
22Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Bochum, Viktoriastr. 14, 44787 Bochum schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
23Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Bochum eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
24Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
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Annotations
Kindschaftssachen sind die dem Familiengericht zugewiesenen Verfahren, die
- 1.
die elterliche Sorge, - 2.
das Umgangsrecht und das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes, - 3.
die Kindesherausgabe, - 4.
die Vormundschaft, - 5.
die Pflegschaft oder die gerichtliche Bestellung eines sonstigen Vertreters für einen Minderjährigen oder für ein bereits gezeugtes Kind, - 6.
die Genehmigung von freiheitsentziehender Unterbringung und freiheitsentziehenden Maßnahmen nach § 1631b des Bürgerlichen Gesetzbuchs, auch in Verbindung mit § 1795 Absatz 1 Satz 3 und § 1813 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 7.
die Genehmigung oder Anordnung einer freiheitsentziehenden Unterbringung, freiheitsentziehenden Maßnahme oder ärztlichen Zwangsmaßnahme bei einem Minderjährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker oder - 8.
die Aufgaben nach dem Jugendgerichtsgesetz
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.
(1) In einer Kindschaftssache, die
- 1.
die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge, - 2.
das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft, - 3.
das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes, - 4.
die Kindesherausgabe oder - 5.
die Genehmigung einer Einwilligung in einen operativen Eingriff bei einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (§ 1631e Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
(2) Eine Kindschaftssache nach Absatz 1 ist auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betrifft.
(3) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.