Urteils-Kommentar zu Verwaltungsgericht Gera Urteil, 15. März 2024 - 5 K 704/23 Ge von Dirk Streifler
Zusammenfassung und Urteilsbesprechung
Sachverhalt: Das Verwaltungsgericht Gera befasste sich mit der Klage einer Soloselbständigen, die eine Änderung des Schlussbescheides zur Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer Corona-Überbrückungshilfe ("Neustarthilfe") begehrte. Die Klägerin hatte aufgrund eines Abrechnungsfehlers durch ihren Steuerberater einen niedrigeren Betrag als ursprünglich bewilligt erhalten. Konkret wurde in der Endabrechnung der ausgezahlte Förderbetrag als Umsatz angegeben, was zu einer Rückforderung von 1.018,65 Euro führte.
Kernaussage des Urteils: Das Gericht entschied, dass Abrechnungsfehler, die in der Sphäre des Fördermittelantragstellers liegen, grundsätzlich nicht zu einer Verpflichtung der Behörde führen, den Schlussbescheid zu ändern. Eine Ausnahme kann nur in besonderen Fällen gemacht werden, die von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelt wurden. Die Klägerin konnte in ihrem Fall jedoch keine solchen besonderen Umstände darlegen.
Entscheidungsgründe
1. Fehlerhafte Endabrechnung: Die Klägerin gab an, dass ihr Steuerberater versehentlich den ausgezahlten Förderbetrag als Umsatz eingetragen hatte. Dieser Fehler wurde erst nach Erlass des Schlussbescheides bemerkt. Die Beklagte, die Thüringer Aufbaubank, lehnte eine Korrektur des Bescheides ab und verwies auf die Verantwortung des Steuerberaters.
2. Vertrauen auf sachkundige Dritte: Das Gericht bestätigte, dass die Verwaltungspraxis der Thüringer Aufbaubank korrekt war, die Angaben des Steuerberaters der Klägerin ohne tiefgehende Prüfung zu akzeptieren. Dies ist in Massenverfahren wie der Neustarthilfe notwendig, um den Verwaltungsaufwand in vertretbaren Grenzen zu halten.
3. Keine offensichtliche Rechtswidrigkeit: Der Schlussbescheid wurde auf Grundlage der eingereichten und bestätigten Daten erstellt. Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass der Fehler so offensichtlich war, dass die Behörde ihn hätte bemerken müssen.
4. Ermessensentscheidung: Die Rücknahme eines Verwaltungsaktes nach § 48 Abs. 1 ThürVwVfG liegt im Ermessen der Behörde. Eine Ermessensreduktion auf Null liegt nur vor, wenn die Aufrechterhaltung des Bescheides "schlechthin unerträglich" wäre. Dies ist in Fällen gegeben, in denen z.B. ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vorliegt oder die Behörde sich treuwidrig verhält. Solche Umstände lagen hier nicht vor.
5. Haftung des Steuerberaters: Das Gericht verwies die Klägerin auf mögliche Haftungsansprüche gegen ihren Steuerberater, der den Abrechnungsfehler verursacht hatte.
Urteil: Die Klage wurde abgewiesen, da der Schlussbescheid formell und materiell rechtmäßig war und keine Rechtsverletzung der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorlag. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Bedeutung für die Praxis: Dieses Urteil verdeutlicht die Bedeutung der korrekten Dateneingabe durch Steuerberater und die Grenzen der behördlichen Nachprüfungspflicht in Massenverfahren. Die Verantwortung für Abrechnungsfehler liegt primär beim Antragsteller und dessen Berater. Eine Korrektur des Schlussbescheides kann nur in Ausnahmefällen verlangt werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die eine Ermessensreduktion auf Null rechtfertigen.
Fazit
Für Rechtsanwälte bedeutet dieses Urteil, dass bei der Beratung von Mandanten zur Beantragung und Abrechnung von Fördermitteln besonderes Augenmerk auf die Sorgfaltspflicht gelegt werden muss. Fehler durch Berater können zu erheblichen finanziellen Nachteilen führen, die nicht ohne Weiteres durch eine Korrektur der Bescheide kompensiert werden können. Rechtsmittel gegen solche Bescheide sind nur erfolgreich, wenn klar ersichtlich ist, dass die Behörde ihre Ermessensspielräume falsch genutzt hat oder ein grober Verstoß gegen geltendes Recht vorliegt.