Erbrechtliche Instrumente zur Steueroptimierung nach dem Erbfall
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Ob bei einer Erbschaft Erbschaftssteuer anfällt, hängt insbesondere auch von der Erbfolge ab. Im Idealfall verteilt sich das Vermögen auf mehrere nahe Angehörige mit jeweils hohen Erbschaftsteuer-Freibeträgen. Bei dem Klassiker der Testamentsgestaltung, dem sogenannten Berliner Testament, ist das jedoch nicht gewährleistet. Hier setzen sich die Ehegatten nämlich für den ersten Erbfall gegenseitig zu Alleinerben ein, so dass die Freibeträge der Kinder – immerhin je 400.000 Euro – ungenutzt bleiben.
In vielen Fällen lässt sich jedoch eine unerwünschte erbschaftsteuerbelastende Erbfolge auch nach dem Erbfall vermeiden, indem der Begünstigte das Erbe ausschlägt, um so doch noch die günstigere Erbfolge zu erreichen. Doch was passiert, wenn anschließend nicht der gewünschte Erbe berufen ist, sondern ein anderer?
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einer Entscheidung zum Erbrecht aus dem Februar 2021 wichtige Erkenntnisse hierzu geliefert (Beschluss vom 6.2.2021 - Aktenzeichen 21 W 167/20).
Kettenausschlagung der Angehörigen nach dem Erbfall
Der Sachverhalt ereignete sich wie folgt: Der Erblasser und seine Frau hatten zwei Kindern: einen Sohn und eine Tochter. Sie errichteten ein Ehegattentestament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Weitere Verfügungen trafen sie zu nicht. Nach dem Tod des Erblassers schlug die Ehefrau das Erbe aus. Ihr Sohn schlug das Erbe ebenfalls aus, während ihre Tochter das Erbe annahm. Die Beteiligten gingen davon aus, dass durch die Ausschlagung der Ehefrau und des Sohnes, die Tochter Alleinerbin geworden sei. Die Tochter beantragte daraufhin einen Erbschein, der sie als Alleinerbin auswies. Das Nachlassgericht wies darauf hin, dass der Enkel des Erblassers (Sohn des ausschlagenden Sohnes) nicht berücksichtigt worden sei. Erteilt wurde lediglich ein sogenannter Teilerbschein, der die Tochter zur hälftigen Miterbin einer Erbengemeinschaft auswies.
Alles wieder zurück: Die Anfechtung der Ausschlagungserklärung
Daraufhin erklärte die Ehefrau des Erblassers die Anfechtung der Ausschlagungserklärung und kündigte an, einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein zu beantragen. Sie begründete die Anfechtung damit, dass sie sich über die Erbfolge geirrt habe. Sie habe erreichen wollen, dass ihre Tochter Alleinerbin werde. Der Enkel wollte das jedoch nicht einfach so hinnehmen. Nach seiner Ansicht sei die Ehefrau bei der Ausschlagung einem unbeachtlichen Motivirrtum unterlegen und eine Anfechtung somit ausgeschlossen.
Das Gericht schloss sich dieser Ansicht an und lehnte den Antrag der Ehefrau ab, da es sich lediglich um einen Irrtum über mittelbare Rechtsfolgen gehandelt habe, der nicht zur Anfechtung berechtige.
Es kam zur Beschwerde beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Die Ehefrau argumentierte damit, dass es sich um einen beachtlichen Inhaltsirrtum handle. Ein solcher liege dann vor, wenn der Ausschlagende irrig angenommen habe, seine Erklärung führe zum unmittelbaren Übergang des Erbteils auf bestimmte Miterben.
Nur bestimmte Irrtümer sind im Erbrecht beachtlich
Auch beim OLG konnte sich die Frau nicht durchsetzen, da kein die Anfechtung ermöglichender Grund vorgelegen habe. Insoweit sei es denkbar, dass die Anfechtung erklärt wird, wenn sich der Anfechtende über die Person, die an seiner statt Erbe wird, irrt.
Die Frankfurter Richter deuteten an, dass nach ihrer Ansicht ein solcher Irrtum grundsätzlich beachtlich sei, da es sich um einen Rechtsfolgenirrtum handle, der als Inhaltsirrtum zur Anfechtung der Ausschlagungserklärung berechtige. Im Ergebnis kam es darauf jedoch nicht an, da eine Anfechtung nicht möglich sei, wenn nicht wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen eingetreten sind. Der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher Auswirkungen, die zu den gewollten Rechtsfolgen hinzutreten, stellen daher lediglich ein unbeachtlicher Motivirrtum dar.
Die Ehefrau hatte mit ihrer Ausschlagung genau die Wirkung erzielt, die sie beabsichtigt hatte und zwar, dass ihre Kinder Erben geworden sind. Dass anschließend durch die Ausschlagung des Sohnes nicht die ursprünglich von der Ehefrau gewünschte Erbfolge, nämlich die Alleinerbschaft der Tochter, eingetreten ist, spielt für die Anfechtbarkeit der Ausschlagung durch die Ehefrau keine Rolle mehr. Insofern handelte es sich tatsächlich lediglich um einen unbeachtlichen Motivirrtum, dem die Ehefrau unterlegen ist, so dass sie die Ausschlagung nicht mit Erfolg anfechten konnte.
Die „Reparatur“ steuerschädlicher Testamente
Der Fall zeigt, dass es zwar möglich ist, eine aus Sicht der Erbschaftsteuer ungünstige Erbfolge nach dem Erbfall noch zu verändern. Die Umsetzung im Detail kann aber komplex sein. Das Erbrecht stellt neben der Ausschlagung hier noch das weitere Instrument der Geltendmachung von Pflichtteilen zur Verfügung. Im Falle des Berliner Testaments könnten also die enterbten Kinder schon im ersten Erbfall eine Partizipation in Höhe ihrer Pflichtteile verlangen und so ihre Erbschaftsteuer-Freibeträge nutzen. Hier müssen jedoch auch mögliche Pflichtteilsstrafklauseln im Testament und ihre Folgen berücksichtigt werden.
Bei der Beratung in diesem Bereich sollte daher stets auf einen Rechtsanwalt vertraut werden, der sowohl im Erbrecht als auch im Erbschaftsteuerrecht zu Hause ist.