Verkehrsrecht: Keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses

bei uns veröffentlicht am17.10.2013

Rechtsgebiete

Autoren

Rechtsanwalt

für Familien- und Erbrecht

EnglischDeutsch
Zusammenfassung des Autors
bei mangelnder Kenntnis der genauen Funktionsweise des Geschwindigkeitsmessgerätes ESO ES 3.0.
Das OLG Zweibrücken hat mit dem Beschluss vom 15.04.2013 (Az: 1 SsBs 14/12) folgendes entschieden:

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Landstuhl vom 3. Mai 2012 mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Landstuhl zurückverwiesen.


Gründe:

Die Kreisverwaltung K. hat gegen die Betroffene mit Bußgeldbescheid vom 14. September 2010 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein Bußgeld und ein Fahrverbot festgesetzt. Grundlage des Bußgeldbescheids ist eine Geschwindigkeitsmessung mit dem Einseitensenor 3.0 der Firma X1. in der Gemarkung R. am 18. August 2010. Auf ihren Einspruch hat das Amtsgericht Landstuhl die Betroffene mit Urteil vom 10. Februar 2011 wegen der im Bußgeldbescheid bezeichneten Ordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 600 € verurteilt und ein Fahrverbot von 3 Monaten angeordnet. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat der Senat mit Beschluss vom 16. Januar 2002 das Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zu erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Landstuhl zurückverwiesen. Mit Urteil vom 3. Mai 2012 hat das Amtsgericht Landstuhl die Betroffene freigesprochen. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde eingelegt und das Rechtsmittel mit der Sachrüge begründet.

Die gem. § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat - zumindest vorläufig - Erfolg. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil die Feststellungen im Rahmen der Beweiswürdigung lückenhaft sind und damit den Anforderungen der §§ 261, 267 Abs. 5 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG nicht entsprechen.

Wenn auch in Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind, kann für deren Inhalt grundsätzlich nichts anderes als im Strafverfahren gelten. Denn auch im Bußgeldverfahren sind die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die rechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin. Sie müssen daher so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand gesetzt wird, die Beweiswürdigung des Tatrichters auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen. Bei einem freisprechenden Urteil müssen die Urteilsgründe gemäß § 267 Abs. 5 StPO ergeben, ob der Betroffene für nicht überführt (Freispruch aus tatsächlichen Gründen) oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angesehene Tat nicht zu ahnden ist (Freispruch aus rechtlichen Gründen). Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter regelmäßig darlegen, welche Feststellungen er getroffen hat, auf welche für erwiesen erachteten Tatsachen das Gericht seine Überzeugung stützt, wie sich der Betroffene eingelassen hat und - in einer für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbaren Weise der Sachverhaltswürdigung - aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen weiteren Feststellungen nicht getroffen werden können. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt erschöpfend gewürdigt ist.

Im vorliegenden Fall führt das Amtsgericht in den Urteilsgründen aus, die Betroffene sei aus rechtlichen Gründen freizusprechen. Welchen Sachverhalt das Amtsgericht für erwiesen erachtet, ergibt sich aus den Urteilsgründen allerdings nicht. Die weiteren Ausführungen des Amtsgerichts zeigen, dass der Freispruch aus tatsächlichen Gründen erfolgt ist, die Betroffene nämlich des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht überführt ist. Lediglich das vorliegende Beweismittel - die Geschwindigkeitsmessung mit dem Einseitensenor 3.0 der Firma X1. - hält das Amtsgericht aus rechtlichen Gründen nicht für verwertbar. Das Amtsgericht hat sich insoweit dem Vortrag der Betroffenen angeschlossen. Die Betroffene hat das Geschwindigkeitsmessverfahren mit dem oben genannten Gerät nicht im Detail, aber dem Grunde nach angegriffen und dazu vorgetragen:

Die Messung mit diesem Gerät sei durch den Verteidiger selbst unter Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht auf die Plausibilität hin nachzuprüfen, weil der Gerätehersteller die Einsichtnahme in die Messdaten verweigere. Dies verstoße gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz und die Aufklärungspflicht des Gerichts, außerdem gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens, mithin Art 103 GG. Die Betroffene habe keine Möglichkeit ein vorhandenes Beweismittel inhaltlich nachzuvollziehen. Zudem werde ihr gewissermaßen als Zirkelschluss der BGH- Rechtsprechung zum standardisierten Messverfahren die Beweismöglichkeit versagt.

Ergänzend hat das Amtsgericht ausgeführt:

Der vorab beauftragte Sachverständige habe in seinem auch in der jetzigen Hauptverhandlung verlesenen Gutachten ausgeführt, dass zwar bei den einzelnen Fotos des Films Nr. ... bei den Einblendungen des seitlichen Abstands in Bezug auf die Aufnahmeposition der Fahrzeuge keine unplausiblen Messpositionen festgestellt werden konnten, jedoch stark abweichende Positionen einiger der aufgenommenen Fahrzeuge zur Fotolinie (wobei jeweils weitere Fahrzeuge im Bereich der Fotolinie nicht festzustellen waren). Es sei deshalb, so der Sachverständige, möglich, dass eine unzulässige Bedienung des Messgerätes oder eine Fehlmessung vorgelegen habe, die in einer Ablichtung von Fahrzeugen trotz Nichterreichens oder sogar Überschreitens der Fotolinie ausgedrückt wird. Der Sachverständige habe durch Vergleich mit mehreren Messfotos des betroffenen Films Nr. ... aufgezeigt, dass es verschiedene Situationen gab, so auch die der Betroffenen, in welchen das gemessene Fahrzeug nicht mit der Fahrzeugfront an der Fotolinie stand, sondern davor oder gar schon darüber. Auch das Fahrzeug der Betroffenen sei bei Auslösung des Lichtbildes noch vor der Fotolinie befindlich gewesen, erreicht habe die Fotolinie aber bereits der dem Fahrzeug der Betroffenen zugeordnete Schattenwurf des Fahrzeugs gehabt. Vorliegend habe sich zwar nur das Fahrzeug der Betroffenen im Ablichtungsbereich befunden. Ob eine Zuordnung und damit eine plausible Messung aber tatsächlich erfolgt sei, könne der Sachverständige ohne Preisgabe der Messdaten nicht prüfen. Ihm stehe nur das X1.-eigene Auswertprogramm zur Verfügung, das eine Preisgabe der Messdaten nicht vorsehe. Die Fotolinie selbst sei aber kein Fixum für die Messung, sondern erlaube nur eine eindeutige Zuordnung der Messung zu einem bestimmten Fahrzeug. Damit sei die Richtigkeit der Messung selbst aber nicht nachweisbar, weder durch den Verteidiger vorab noch durch das Gericht. Ein wesentlicher Aspekt der Sachaufklärung in der Hauptverhandlung, § 244 Abs. 2 StPO, sei damit nicht erreichbar. Das Gericht habe feststellen müssen, dass eine tatsächliche sachverständige und damit auch gerichtliche Prüfung der Messung nicht möglich sei. Dies sei nur dann unschädlich, wenn eine Messung exakt gemäß der Bedienungsanleitung vorliege. Wenn dies nicht der Fall sei, demnach eine Fehlmessung möglich sein könne, etwa bei Nichterreichen der Fotolinie, müsse es dem Gericht und noch viel mehr dem Betroffenen möglich sein, die Messung in Gänze zu überprüfen. Dies sei hier nicht möglich. Dass ein per se fehlerfreies Gerät vorliegen soll, könne als Prämisse nicht gelten. Denn zum einen habe die Herstellerfirma schon mehrfach neue Softwareversionen aufspielen müssen, u. a. weil es Zuordnungsprobleme gab. Zum anderen wäre es dann unlogisch, eine Fehlertoleranz für das Messgerät anzugeben.

Diese Ausführungen belegen nicht, dass bei der konkreten Messung von der Bedienungsanleitung des Gerätes abgewichen worden ist. Die Abweichung sieht das Amtsgericht darin, dass das Fahrzeug der Betroffenen bei Auslösung des Bildes noch vor der Fotolinie befindlich gewesen sei und lediglich der dem Fahrzeug der Betroffenen zugeordnete Schattenwurf die Fotolinie erreicht gehabt habe. In diesem Zusammenhang führt das Amtsgericht allerdings selbst aus, der Hersteller des Geräts verweise in seiner beigezogenen und der Akte beiliegenden Bedienungsanleitung (Stand 2010) zur Problematik des „vorauslaufenden Schattens“ auf S. 43 auf einen von der physikalisch-technischen Bundesanstalt (PTB) genehmigten Hinweis, der wie folgt lautet:

„In seltenen Fällen kann die vordere Position durch Lichteffekte (z. B. vorauslaufende Schatten o. Ä.) abweichen. Diese Effekte haben keine Auswirkung auf den Geschwindigkeitsmesswert. Eine sichere Auswertung kann trotzdem erfolgen, wenn anhand der Fahrtrichtungssymbolik, der Position bezüglich der Fotolinie und des gemessenen Abstands eine eindeutige Zuordnung möglich ist. Dies ist auf jeden Fall gegeben, wenn nur ein Fahrzeug in Frage kommt.“

Damit fehlt es an einem konkreten Anhaltspunkt für eine Fehlmessung. Die mangelnde Kenntnis der genauen Funktionsweise des Geschwindigkeitsmessgerätes X1. ES 3.0 allein begründet keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses.

Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, weil das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil keine Feststellungen zum Sachverhalt getroffen hat.

Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Landstuhl zurückzuverweisen (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 354 Abs. 2 StPO).

Für die neue Entscheidung wird im Falle einer Verurteilung der Betroffenen Folgendes zu beachten sein:

Auch beim Ordnungswidrigkeitenverfahren kann jede vermeidbare Verzögerung den Betroffenen zusätzlichen fühlbaren Belastungen aussetzen. Diese treten mit zunehmender Verzögerung des Verfahrens in Widerstreit zu dem aus dem Rechtsstaatsgebot abgeleiteten Grundsatz, wonach das Bußgeld verhältnismäßig sein und in einem gerechten Verhältnis zum Verschulden des Täters stehen muss. Deshalb kann die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung auch Auswirkungen auf die Höhe des Bußgeldes haben

Nach Ablauf von nahezu 2 Jahr und 8 Monaten seit der Ordnungswidrigkeit wird zu prüfen sein, ob ein Fahrverbot seinen erzieherischen Sinn noch entfalten kann.

Gesetze

Gesetze

7 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 79 Rechtsbeschwerde


(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn 1. gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,2. eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 71 Hauptverhandlung


(1) Das Verfahren nach zulässigem Einspruch richtet sich, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung, die nach zulässigem Einspruch gegen einen Strafbefehl gelten. (2) Zur besseren Aufklärung der Sa

Anwälte der Kanzlei die zu passenden Rechtsgebieten beraten

Anwälte der Kanzlei die zu Verkehrsrecht beraten

Rechtsanwältin

Rechtsanwalt für Verkehrsrecht


Herzlich Willkommen, ich bin Ihr kompetenter Ansprechpartner für alle Belange im Verkehrsrecht. Mit jahrelanger Erfahrung als spezialisierter Verkehrsrechtsanwalt stehe ich Ihnen zur Seite, um Ihre Rechte effektiv zu verteidigen. In meinem Tätigk
Verkehrsrecht
DeutschEnglisch

Artikel zu passenden Rechtsgebieten

Artikel zu Verkehrsrecht

2.9. Rechtsprechung zur Handy-Nutzung im Straßenverkehr

13.12.2007

Rechtsberatung zum Verkehrsrecht - BSP Bierbach Streifler & Partner PartGmbB Berlin Mitte
Verkehrsrecht

2.2. Rechtsprechung zur Abstandsmessung

01.01.1970

Rechtsanwalt für Verkehrsrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Verkehrsrecht

2.5. Rechtsprechung zum Bußgeldverfahren

03.07.2009

Rechtsanwalt für Verkehrsrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Verkehrsrecht

2.10. Rechtsprechung zur ordnungsgemäßen Inbetriebnahme eines KFZ

03.07.2009

Rechtsanwalt für Verkehrsrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Verkehrsrecht

1.2. Rechtsprechung zu Fragen der Verschuldenshaftung

10.07.2009

Rechtsanwalt für Verkehrsrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Verkehrsrecht

Referenzen

(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn

1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
2.
eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach § 72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
3.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war,
4.
der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder
5.
durch Beschluß nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.
Gegen das Urteil ist die Rechtsbeschwerde ferner zulässig, wenn sie zugelassen wird (§ 80).

(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach § 72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.

(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. § 342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.

(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach § 72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden ist.

(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.

(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von § 354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Das Verfahren nach zulässigem Einspruch richtet sich, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung, die nach zulässigem Einspruch gegen einen Strafbefehl gelten.

(2) Zur besseren Aufklärung der Sache kann das Gericht

1.
einzelne Beweiserhebungen anordnen,
2.
von Behörden und sonstigen Stellen die Abgaben von Erklärungen über dienstliche Wahrnehmungen, Untersuchungen und Erkenntnisse (§ 77a Abs. 2) verlangen.
Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung kann das Gericht auch dem Betroffenen Gelegenheit geben, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern, ob und welche Tatsachen und Beweismittel er zu seiner Entlastung vorbringen will; § 69 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 ist anzuwenden.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn

1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
2.
eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach § 72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
3.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war,
4.
der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder
5.
durch Beschluß nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.
Gegen das Urteil ist die Rechtsbeschwerde ferner zulässig, wenn sie zugelassen wird (§ 80).

(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach § 72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.

(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. § 342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.

(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach § 72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden ist.

(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.

(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von § 354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.