Verbraucherrecht: Widerrufsbelehrung mit Verweisung auf Rechtsvorschriften ungültig

erstmalig veröffentlicht: 15.08.2020, letzte Fassung: 19.10.2022
Zum Wohle des Verbraucherschutzes muss eine Widerrufsbelehrung bei Vertragsschluss in klarer und prägnanter Form erfolgen. Nach einer Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof steht nun fest: Dies schließt es aus, dass innerhalb der Widerrufsbelehrung auf Rechtsnormen verwiesen wird, die unter Umständen wiederum Verweisungen enthalten. Zu den klar anzugebenen Informationen gehören auch die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist – Streifler & Kollegen Rechtsanwälte – Anwalt für Verbraucherrecht Berlin

 

 

Im vorliegenden Sachverhalt stritten die Parteien vor dem LG Saarbrücken über die Gültigkeit einer Widerrufsbelehrung, die in einem Verbraucherkreditvertrag enthalten war. Anstatt genaue Informationen zum Beginn der Widerrufsfrist bei fehlenden Pflichtangaben zu enthalten, verwies die Widerrufsbelehrung lediglich auf eine Norm des nationalen Rechts (§ 492 II BGB), die wiederum eine Verweisung auf Art. 247 §§ 6-13 EGBGB enthält.

In dieser Vorschrift werden die Angaben aufgezählt, die verpflichtend im Verbraucherdarlehensvertrag enthalten sein müssen. Fehlt eine dieser Angaben in der Vertragsurkunde, so hat dies gem. § 356b II 1 BGB i.V.m. § 492 II, VI BGB zur Folge, dass die Widerrufsfrist von einem Monat erst mit Nachholung der Angaben zu laufen beginnt.

Da in der Widerrufsbelehrung in diesem Fall nicht alle Pflichtangaben aufgezählt wurden, sondern lediglich auf die entsprechenden Normen verwiesen war, wurden dem Verbraucher auch nicht alle Informationen gewährt, die er gegebenenfalls benötigte, um festzustellen, ob die Frist für den Widerruf bereits begonnen hatte.

I. Modalitäten zur Fristberechnung sind Pflichtangaben der Widerrufsbelehrung 

In einem Vorabentscheidungsverfahren untersuchte der Europäische Gerichtshof (EuGH) daraufhin zunächst die Frage, ob Art. 10 Abs. 2 lit. p der Richtlinie 2008/48/EG dahin auszulegen ist, dass zu den Informationen, die nach dieser Bestimmung in einem Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form anzugeben sind, die in Art. 14 Abs. 1 UAbs. 2 dieser RL vorgesehenen Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist gehören.

Dies bejahte der EuGH unter Auslegung der Bestimmung, die vorgibt, dass unter anderem „die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts“ in klarer und prägnanter Form anzugeben sind. Hierzu zählen auch die im Detail unübersichtlichen Regelungen zur Berechnung der Widerrufsfrist [siehe hierzu auch: (…)]. Dafür spreche auch die Wertung des Erwägungsgrundes 31 der Richtlinie, der vorgibt, dass dem Verbraucher „alle notwendigen Informationen über die Rechte und Pflichten, die sich für den Verbraucher aus dem Kreditvertrag ergeben“ in eben diesem Vertrag enthalten sein sollen. Den Verbrauchern solle durch die Richtlinie ein „hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen“ gewährt werden, „um die Entwicklung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarktes bei Verbraucherkrediten zu erleichtern“.

II. Vertragsurkunde muss alle Modalitäten ausdrücklich enthalten

Des Weiteren beschäftigte sich der EuGH mit der Frage, ob Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL 2008/48/EG dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser RL genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist.

Der EuGH stellte fest, dass der Verbraucher in einem solchen Fall auf Grundlage des Vertrags weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtungen bestimmen noch überprüfen könne, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle nach der Bestimmung des § 492 II BGB erforderlichen Angaben enthält und erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist, über die er verfügen kann, für ihn zu laufen begonnen hat oder nicht. Dies sei für die Ausübung seiner Rechte jedoch dringend erforderlich. Der Verbraucher müsse die gem. Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL 2008/48/EG zwingenden Informationen kennen und verstehen können. Dafür müsste die Widerrufsbelehrung über den genauen Inhalt der jeweiligen Vorschriften belehren und nicht bloß auf diese verweisen.

III. Fazit

Beide Vorlagefragen wurden somit zugunsten der Verbraucher beantwortet. Dies ist angesichts des hohen Stellenwertes des Verbraucherschutzes in der Europäischen Union keine große Überraschung.

Wie groß die Auswirkungen dieser Entscheidung auf die Praxis der deutschen Gerichte sein wird, kann jedoch noch nicht vorhergesagt werden. Konkret bleibt die Frage offen, ob die Auslegung des Art. 10 der Richtlinie im Fall vor dem LG Saarbrücken überhaupt von Relevanz sein kann. Hier stritten die Parteien über den Widerruf eines Immobiliardarlehensvertrags. Diese sind jedoch von der Richtlinie 2008/48/EG gerade nicht erfasst. Der deutsche Gesetzgeber hatte sich lediglich in diesem Bereich für eine „überschießende Umsetzung“ der Richtlinie entschieden – diesen Bereich also „mitgeregelt“, obwohl er hierzu europarechtlich gar nicht verpflichtet gewesen wäre. Nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist für eine solche überschießende Umsetzung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zwingend eine richtlinienkonforme Auslegung vorzunehmen.  

IV. Entscheidung des EuGH

Das EuGH hat mit Urteil vom 26.03.2020 (C-66/19) entschieden:

1. Leitsätze des Gerichts:

1. Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL 2008/48/EG ist dahin auszulegen, dass zu den Informationen, die nach dieser Bestimmung in einem Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form anzugeben sind, die in Art. 14 Abs. 1 UAbs. 2 dieser RL vorgesehenen Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist gehören.

2. Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL 2008/48/EG ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser RL genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist.

EuGH, Urt. v. 26.3.2020 – C-66/19 (vorlegendes Gericht: LG Saarbrücken)

2. Zum Sachverhalt:

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL 2008/48/EG. Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen JC, einem Verbraucher, und der Kreissparkasse Saarlouis über die Ausübung des Rechts auf Widerruf des zwischen beiden geschlossenen Kreditvertrags durch JC.

Im Jahr 2012 schloss JC als Verbraucher bei einem Kreditinstitut, der Kreissparkasse Saarlouis, einen grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensvertrag über 100 000 € mit einem bis zum 30.11.2021 gebundenen Sollzinssatz von 3,61 % pro Jahr (im Folgenden: in Rede stehender Vertrag). Unter Ziff. 14 („Widerrufsinformation“) dieses Vertrags hieß es:

„Widerrufsrecht

Der Darlehnsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-​Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehnsnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat. …“

Mit Schreiben vom 30.1.2016 erklärte JC gegenüber der Kreissparkasse Saarlouis den Widerruf seiner Vertragserklärung zu dem Darlehensvertrag. Sodann erhob er beim LG Saarbrücken (Deutschland) Klage auf Feststellung, dass erstens die Forderung der Kreissparkasse Saarlouis aus dem in Rede stehenden Vertrag bezogen auf den 30.4.2018 66 537,57 € nicht überschreitet, dass sich zweitens die Kreissparkasse Saarlouis mit der Annahme der Zahlung dieser Summe in Annahmeverzug befindet und dass sie drittens verpflichtet ist, ihm sämtliche aus der Verweigerung der Rückabwicklung entstehenden Schäden zu ersetzen. Hilfsweise begehrte JC die Feststellung, dass der Kreissparkasse Saarlouis aus dem Darlehensvertrag ab dem Zugang der Widerrufserklärung kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsmäßige Tilgung zusteht. Die Kreissparkasse Saarlouis stellte Antrag auf Klageabweisung mit der Begründung, dass sie JC ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt habe und die Frist für die Ausübung dieses Rechts abgelaufen gewesen sei, als sich JC darauf habe berufen wollen.

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die RL 2008/48 nach ihrem Art. 2 Abs. 2 lit. a nicht für grundpfandrechtlich gesicherte Kreditverträge gelte. Der deutsche Gesetzgeber habe jedoch von der im ErwG 10 dieser RL vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die in der RL vorgesehenen Bestimmungen auf nicht in den Geltungsbereich der RL fallende Bereiche wie die für solche Verträge geltende Regelung anzuwenden. Unter diesen Umständen ist es der Ansicht, dass die Auslegung der Bestimmungen dieser RL für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits erforderlich sei und dass der EuGH für diese Auslegung in der vorliegenden Rechtssache zuständig sei. Hierfür beruft es sich auf das Urt. v. 17.7.1997, Giloy (C-​130/95, EU:C:1997:372).

In der Sache wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob die Verweisung auf § 492 Abs. 2 BGB, die in dem in Rede stehenden Vertrag im Hinblick auf die dem Darlehensnehmer zu erteilenden Pflichtangaben vorgenommen wird, dem in Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL 2008/48 vorgesehenen Erfordernis genügt, dass im Kreditvertrag das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts in „klarer, prägnanter“ Form angegeben werden müssen. Es stellt insb. fest, dass § 492 Abs. 2 BGB selbst auf eine andere nationale Vorschrift verweise, nämlich auf Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB, worin wiederum auf weitere Bestimmungen des BGB verwiesen werde. Damit müsse der Verbraucher, um alle Pflichtangaben herauszufinden, deren Erteilung für das Anlaufen der Widerrufsfrist maßgeblich sei, auf nationale Vorschriften zugreifen, die in verschiedenen Gesetzeswerken enthalten seien. Außerdem sei der Verbraucher gezwungen, gem. Art. 247 § 9 EGBGB zu bestimmen, ob der Vertrag, den er mit dem Gewerbetreibenden geschlossen habe, ein Immobiliardarlehen im Sinne von § 503 BGB betreffe, wobei diese Frage von einem rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittsverbraucher nicht beantwortet werden könne.

Unter diesen Umständen hat das LG Saarbrücken beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL 2008/48 dahin gehend auszulegen, dass zu den erforderlichen Angaben zur „Frist“ oder zu den „anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts“ auch die Voraussetzungen für den Beginn der Widerrufsfrist zählen?

2. Falls die erste Frage bejaht wird: Steht Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL 2008/48 einer Auslegung entgegen, dass eine Widerrufsinformation „klar“ und „prägnant“ ist, wenn sie hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist die für den Fristanlauf zu erteilenden Pflichtangaben nicht selbst vollständig benennt, sondern diesbezüglich auf eine nationalgesetzliche Vorschrift – vorliegend § 492 Abs. 2 BGB in der bis zum 12.6.2014 gültigen Fassung – verweist, die ihrerseits auf weitere nationale Vorschriften – vorliegend Art. 247 §§ [6] bis 13 EGBGB in der bis zum 12.6.2014 gültigen Fassung – weiterverweist, und der Verbraucher daher gehalten ist, zahlreiche Gesetzesvorschriften in verschiedenen Gesetzeswerken zu lesen, um Klarheit darüber zu erhalten, welche Pflichtangaben erteilt sein müssen, damit die Widerrufsfrist bei seinem Darlehensvertrag anläuft?

3. Falls die zweite Frage verneint wird (und gegen eine Verweisung auf nationalgesetzliche Vorschriften keine grundsätzlichen Bedenken bestehen): Steht Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL 2008/48 einer Auslegung entgegen, wonach eine Widerrufsinformation „klar“ und „prägnant“ ist, wenn die Verweisung auf eine nationale Gesetzesvorschrift – vorliegend § 492 Abs. 2 BGB in der bis zum 12.6.2014 gültigen Fassung – und deren Weiterverweisung – vorliegend auf Art. 247 §§ [6] bis 13 EGBGB in der bis zum 12.6.2014 gültigen Fassung – zwingend dazu führt, dass der Verbraucher über das bloße Lesen von Vorschriften hinausgehend eine juristische Subsumtion vorzunehmen hat – etwa, ob ihm das Darlehen zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Verträge und deren Zwischenfinanzierung üblichen Bedingungen gewährt wurde oder verbundene Verträge vorliegen –, um Klarheit darüber zu erhalten, welche Pflichtangaben erteilt sein müssen, damit die Widerrufsfrist bei seinem Darlehensvertrag anläuft?

3. Aus den Gründen:

Die deutsche Regierung macht in ihren schriftlichen Erklärungen geltend, der EuGH sei für die Beantwortung der Vorlagefragen nicht zuständig, da die RL 2008/48/EG nicht für grundpfandrechtlich gesicherte Darlehensverträge gelte und der deutsche Gesetzgeber trotz der ihm vom Unionsgesetzgeber eingeräumten Befugnis keine Entscheidung getroffen habe, die in dieser RL vorgesehene Regelung auf nicht in ihren Geltungsbereich fallende Bereiche wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bereich der grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherkreditverträge anzuwenden.

Das deutsche Recht habe auch schon vor der Verabschiedung der RL 2008/48/EG eine Regelung für solche Verträge vorgesehen. Da diese Regelung als richtlinienkompatibel angesehen worden sei, habe der nationale Gesetzgeber es lediglich für sachgerecht gehalten, die Vorschriften für den Verbraucherkredit und für grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen zusammenzufassen.

Nach Art. 2 Abs. 2 lit. a der RL 2008/48/EG gilt diese nicht für Kreditverträge, die entweder durch eine Hypothek oder eine vergleichbare Sicherheit, die in einem Mitgliedstaat gewöhnlich für unbewegliches Vermögen genutzt wird, oder durch ein Recht an unbeweglichem Vermögen gesichert sind.

Der Unionsgesetzgeber hat jedoch, wie sich aus dem ErwG 10 dieser RL ergibt, klargestellt, dass ein Mitgliedstaat für Kreditverträge, die nicht in den Geltungsbereich der RL fallen, innerstaatliche Vorschriften beibehalten oder einführen kann, die den Bestimmungen dieser RL oder manchen ihrer Bestimmungen entsprechen.

Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass der deutsche Gesetzgeber so die Entscheidung getroffen hat, die von der RL 2008/48/EG vorgesehene Regelung auf Verträge wie den in Rede stehenden anzuwenden.

Der EuGH hat wiederholt seine Zuständigkeit für die Entscheidung über Vorabentscheidungsersuchen bejaht, die Unionsvorschriften in Fällen betrafen, in denen der betreffende Sachverhalt nicht unter das Unionsrecht und daher allein in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fiel, aber diese Unionsvorschriften aufgrund eines Verweises im nationalen Recht auf ihren Inhalt galten (Urt. v. 12.7.2012, SC Volksbank România, C-​602/10, EU:C:2012:443, Rn. 86 = BeckRS 2012, 81452 und die dort angeführte Rspr.).

29Dabei hat er namentlich betont, dass dann, wenn sich nationale Rechtsvorschriften zur Regelung von Sachverhalten, die nicht in den Geltungsbereich des betreffenden Unionsrechtsakts fallen, nach den in diesem Rechtsakt getroffenen Regelungen richten, ein klares Interesse der Union daran besteht, dass die aus diesem Unionsrechtsakt übernommenen Bestimmungen einheitlich ausgelegt werden, um künftige Auslegungsunterschiede zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Urt. v. 19.10.2017, Solar Electric Martinique, C-​303/16, EU:C:2017:773, Rn. 26 = BeckRS 2017, 128373 und die dort angeführte Rspr.).

Im Übrigen spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen des nationalen Gerichts, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der EuGH nicht zu prüfen hat. Die Zurückweisung des Ersuchens eines nationalen Gerichts ist dem EuGH nur möglich, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, das Problem hypothetischer Natur ist oder er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urt. v. 3.7.2019, UniCredit Leasing, C-242/18, EU:C:2019:558, Rn. 46 = DStRE 2019, 965 und die dort angeführte Rspr.).

Außerdem hat der EuGH wiederholt festgestellt, dass er nicht befugt ist, im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens darüber zu entscheiden, wie nationale Vorschriften auszulegen sind oder ob ihre Auslegung durch das vorlegende Gericht richtig ist; diese Auslegung fällt nämlich in die ausschließliche Zuständigkeit der nationalen Gerichte (Urt. v. 3.7.2019, UniCredit Leasing, C-​242/18, EU:C:2019:558, Rn. 47 = DStRE 2019, 965 und die dort angeführte Rspr.).

Das Vorabentscheidungsersuchen ist daher zulässig.

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL 2008/48/EG dahin auszulegen ist, dass zu den Informationen, die nach dieser Bestimmung in einem Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form anzugeben sind, die in Art. 14 Abs. 1 UAbs. 2 dieser RL vorgesehenen Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist gehören.

Nach Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL sind im Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form nicht nur „das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts“ und „die Frist … für die Ausübung des Widerrufsrechts“ anzugeben, sondern auch „die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts“.

Wie sich aus Art. 10 Abs. 2 der RL 2008/48/EG im Licht deren ErwG 31 ergibt, ist das Gebot, in Kreditverträgen auf Papier oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger die in dieser Vorschrift benannten Punkte in klarer, prägnanter Form anzugeben, erforderlich, damit der Verbraucher seine Rechte und Pflichten zur Kenntnis nehmen kann (Urt. v. 9.11.2016, Home Credit Slovakia, C-​42/15, EU:C:2016:842, Rn. 31 = BKR 2017, 62).

Dieses Gebot dient der Verwirklichung des Ziels der RL 2008/48/EG, das darin besteht, in Bezug auf Verbraucherkredite eine vollständige und obligatorische Harmonisierung in einigen Schlüsselbereichen vorzusehen, die als notwendig erachtet wird, um allen Verbrauchern in der Union ein hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen zu gewährleisten und um die Entwicklung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts bei Verbraucherkrediten zu erleichtern (Urt. v. 9.11.2016, Home Credit Slovakia, C-42/15, EU:C:2016:842, Rn. 32 = BKR 2017, 62).

Angesichts der Bedeutung des Widerrufsrechts für den Verbraucherschutz ist die Information über dieses Recht für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung. Um von dieser Information vollumfänglich profitieren zu können, muss der Verbraucher im Vorhinein die Bedingungen, Fristen und Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts kennen (vgl. entsprechend Urt. v. 23.1.2019, Walbusch Walter Busch, C-​430/17, EU:C:2019:47, Rn. 46 = NJW 2019, 1363).

Außerdem würde die Wirksamkeit des in Art. 14 der RL 2008/48/EG vorgesehenen Widerrufsrechts ernsthaft geschwächt, wenn die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist nicht zu den gem. Art. 10 Abs. 2 dieser RL im Kreditvertrag zwingend anzugebenden Modalitäten für die Ausübung dieses Rechts gehörten.

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL 2008/48/EG dahin auszulegen ist, dass zu den Informationen, die nach dieser Bestimmung in einem Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form anzugeben sind, die in Art. 14 Abs. 1 UAbs. 2 dieser RL vorgesehenen Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist gehören.

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL 2008/48/EG dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser RL genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist.

Vorab ist festzustellen, dass im Ausgangsverfahren der in Rede stehende Vertrag klarstellt, dass die Widerrufsfrist nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat, zu laufen beginnt. § 492 Abs. 2 BGB verweist seinerseits auf Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB, worin wiederum auf weitere Bestimmungen des BGB verwiesen wird.

Das vorlegende Gericht stellt somit fest, dass die Pflichtangaben, deren Erteilung an den Verbraucher gem. Art. 10 Abs. 2 lit. p und Art. 14 Abs. 1 UAbs. 2 der RL 2008/48/EG für den Beginn der Frist für den Widerruf des Vertrags maßgeblich sei, als solche nicht in dem in Rede stehenden Vertrag enthalten seien. Um sie herauszufinden, müsse sich der Verbraucher daher mit einer Vielzahl nationaler Bestimmungen beschäftigen, die in verschiedenen Gesetzeswerken enthalten seien.

Wie sich aus Art. 14 Abs. 1 UAbs. 2 lit. b der RL 2008/48/EG ergibt, beginnt die Widerrufsfrist erst zu laufen, wenn dem Verbraucher die Informationen gem. Art. 10 dieser RL übermittelt wurden, sofern der betreffende Zeitpunkt nach dem Tag des Abschlusses des Kreditvertrags liegt. Besagter Art. 10 zählt die Informationen auf, die in Kreditverträgen anzugeben sind.

Verweist aber ein Verbrauchervertrag hinsichtlich der Informationen, die nach Art. 10 der RL 2008/48/EG anzugeben sind, auf bestimmte Vorschriften des nationalen Rechts, so kann der Verbraucher auf der Grundlage des Vertrags weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung bestimmen noch überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle nach dieser Bestimmung erforderlichen Angaben enthält, und erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist, über die er verfügen kann, für ihn zu laufen begonnen hat.

Im Übrigen ist es für die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung und insb. für die Ausübung der Rechte des Verbrauchers, zu denen dessen Widerrufsrecht zählt, erforderlich, dass der Verbraucher die Punkte, die der Kreditvertrag gem. Art. 10 Abs. 2 der RL 2008/48/EG zwingend enthalten muss, kennt und gut verstehtSieht eine Verbraucherschutzrichtlinie für den Gewerbetreibenden die Pflicht vor, den Verbraucher über den Inhalt der ihm unterbreiteten Vertragserklärung zu informieren, und sind bestimmte Aspekte davon durch bindende Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geregelt, so muss der Gewerbetreibende den Verbraucher insoweit nach der Rechtsprechung des EuGH über den Inhalt dieser Vorschriften belehren (vgl. in diesem Sinne Urt. v. 26.4.2012, Invitel, C-​472/10, EU:C:2012:242, Rn. 29 = EuZW 2012, 786).

Eine bloße Verweisung in allgemeinen Vertragsbedingungen auf Rechtsvorschriften, die die Rechte und Pflichten der Parteien festlegen, reicht daher nicht aus (vgl. in diesem Sinne Urt. v. 21.3.2013, RWE Vertrieb, C-​92/11, EU:C:2013:180, Rn. 50 = NJW 2013, 2253).

In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens ist daher festzustellen, dass ein Verweis in dem in Rede stehenden Vertrag auf die nationalen Rechtsvorschriften entsprechend der Darstellung oben in Rn. 41 nicht dem vorstehend in den Rn. 43 bis 47 behandelten Erfordernis genügt, den Verbraucher gem. Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL 2008/48/EG in klarer, prägnanter Form über die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren.

Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL 2008/48/EG dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser RL genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist.

In Anbetracht der Antwort auf die zweite Frage erübrigt sich die Beantwortung der dritten Frage.

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem EuGH sind nicht erstattungsfähig. 

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