Gesellschaftsrecht: Zum Recht eines Quasi-Gesellschafters auf außerordentliche Kündigung

bei uns veröffentlicht am09.04.2015

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Die Rechtsfolgen einer derartigen Kündigung ergeben sich aus den für das Ausscheiden eines Gesellschafters vorgesehenen gesetzlichen Regeln, sofern und soweit nichts anderes vereinbart ist.
Der BGH hat in seinem Versäumnisurteil vom 20.01.2015 (Az.: II ZR 444/13) folgendes entschieden:

Der einem Gesellschafter einer Personengesellschaft aufgrund der Regelungen im Treuhand- und im Gesellschaftsvertrag gleichgestellte Treugeber kann seine Beteiligung durch Kündigung gegenüber der Gesellschaft beenden und hat dann einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Zahlung eines etwaigen Abfindungsguthabens, wenn er bei seinem Beitritt über die Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung waren oder hätten sein können, nicht vollständig und verständlich aufgeklärt worden ist.


Tatbestand:

Der Kläger beteiligte sich mit einer Einlage in Höhe von 20.000 € zuzüglich eines Agios in Höhe von 1.000 € gemäß Beitrittserklärung vom 5. November 2005 über die Beklagte zu 4 als Treuhandkommanditistin an der Beklagten zu 1, einem Prozesskostenhilfefonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft. Mit der Behauptung, er sei über die Risiken der Beteiligung unzureichend aufgeklärt worden, hat er von den Beklagten Rückzahlung seiner Einlage und Ersatz von Anwaltskosten Zug um Zug gegen Übertragung seiner Gesellschaftsbeteiligung sowie die Feststellungen verlangt, dass die Beklagten mit der Annahme des Angebots zur Übertragung der Beteiligung im Verzug seien und dass die Beklagte zu 1 aus dem Beteiligungsvertrag keine Rechte mehr herleiten könne. Hilfsweise hat er im Wege der Stufenklage Rechnungslegung über sein Auseinandersetzungsguthaben begehrt. Über die Vermögen der Beklagten zu 2 bis 4 - Komplementärin, Gründungskommanditistin und Treuhänderin der Beklagten zu 1 - sind mittlerweile Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Das Landgericht hat durch Teilurteil die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Der Senat hat die Revision insoweit zugelassen, als die Berufung hinsichtlich der hilfsweise erhobenen Stufenklage zurückgewiesen worden ist.


Entscheidungsgründe:

Über die Revision ist, da die Beklagte zu 1 trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht.

Aufgrund der beschränkten Zulassung der Revision steht fest, dass der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1 auf Rückzahlung seiner Einlage und Ersatz der Anwaltskosten hat. Weiter sind die Feststellungsanträge des Klägers rechtskräftig abgewiesen. Erfolg hat aber seine Revision, die sich nur gegen die Abweisung der hilfsweise erhobenen Stufenklage richtet.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Abweisung des Hilfsantrags ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens zu. Denn er sei nicht Gesellschafter der Beklagten geworden. Etwaige Ansprüche könnten sich nur aus dem Treuhandvertrag ergeben. Diese richteten sich aber allein gegen die Beklagte zu 4 als Treuhänderin. Fehle es damit an den Voraussetzungen des mit der Stufenklage verfolgten Anspruchs, könne die Stufenklage insgesamt abgewiesen werden.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht in allen Punkten stand.

Für das Revisionsverfahren ist zu unterstellen, dass der Kläger bei Abschluss des Treuhandvertrags über die Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung waren oder hätten sein können, nicht verständlich und vollständig aufgeklärt worden ist und dass dieser Aufklärungsmangel für seine Beitrittsentscheidung ursächlich geworden ist. Damit hat er als Treugeber, der nach dem Treuhand- und dem Gesellschaftsvertrag im Innenverhältnis einem Kommanditisten gleichgestellt ist, ein Recht auf außerordentliche Kündigung des Treuhand- und Gesellschaftsvertrags und einen Anspruch auf Zahlung eines nach den Regeln des Gesellschaftsvertrags oder - soweit der Gesellschaftsvertrag keine Regelungen enthält - den gesetzlichen Bestimmungen zu berechnenden - möglichen - Abfindungsguthabens. Folglich hat er auch einen Anspruch gegen die Beklagte, dass sie eine Auseinandersetzungsbilanz aufstellt und ihm so Rechnung legt.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass im Falle einer so genannten offenen oder qualifizierten Treuhand die an der Gesellschaft Beteiligten ihr gesellschafterliches Innenverhältnis so gestalten können, als ob die Treugeber selbst Gesellschafter wären. Durch eine solche Regelung besteht für die Beteiligten die Möglichkeit, ihre Rechtsbeziehungen untereinander der wirklichen Sachlage anzupassen. In dieser Hinsicht, d.h. bezogen auf das Innenverhältnis, sind sie durch zwingendes Recht nicht eingeschränkt. Die Gestaltung ihrer internen Rechtsbeziehungen ist im allgemeinen einer freien vertraglichen Vereinbarung zugänglich.

Nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags, den der Senat selbst auslegen kann , und unter Berücksichtigung des Treuhandvertrags und der Beitrittserklärung des Klägers handelt es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen einerseits der Treuhandkommanditistin und der Beklagten und andererseits dem Kläger als Treugeber nicht um ein einfaches Treuhandverhältnis, sondern um eine von gesellschaftsrechtlichen Bindungen überlagerte Treuhandbeziehung. Nach § 6 des Gesellschaftsvertrags sollen die Treugeber im Innenverhältnis wie unmittelbar beteiligte Gesellschafter behandelt werden. Das soll insbesondere gelten für die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, am Gewinn und Verlust, an der Verteilung des Auseinandersetzungsguthabens sowie für die Ausübung der Stimm- und Kontrollrechte. Dementsprechend heißt es in § 8 des Treuhandvertrags, dass der Treugeber wirtschaftlich die Stellung haben solle, als wäre er unmittelbar beteiligter Kommanditist. Der Gesellschaftsvertrag solle für und gegen ihn gelten. Damit hat der Kläger als "QuasiGesellschafter" im Innenverhältnis zur Beklagten alle Rechte, die auch ein Kommanditist hat.

Zu diesen Rechten gehört auch das Recht des Anlegers, sich durch eine außerordentliche Kündigung von dem Vertrag zu lösen, wenn er - wie hier zu unterstellen ist - durch eine nicht ordnungsgemäße Aufklärung über die für seine Anlageentscheidung erheblichen Umstände zum Beitritt bestimmt worden ist.

Nach der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft kann sich der Gesellschafter nicht - etwa aufgrund einer Irrtumsanfechtung - mit Wirkung ex tunc von dem fehlerhaften Beitrittsvertrag lösen. Er kann seine Gesellschafterstellung aber durch eine Kündigung mit Wirkung ex nunc beenden. Die Rechtsfolgen einer derartigen Kündigung ergeben sich aus den für das Ausscheiden eines Gesellschafters vorgesehenen gesetzlichen Regeln der §§ 738 ff. BGB, 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 HGB, sofern und soweit nichts anderes vereinbart ist.

Von diesem Kündigungsrecht hat der Kläger nach seinem Vortrag mit Schreiben vom 16. November 2010, spätestens aber mit der Klageerhebung am 1. November 2011 Gebrauch gemacht. Denn jedenfalls mit der Klage hat er zu erkennen gegeben, dass er nicht weiter Gesellschafter der Beklagten sein wolle.

Danach ist die Beklagte verpflichtet, nach § 738 BGB und § 24 des Gesellschaftsvertrags eine Auseinandersetzungsbilanz aufzustellen, um die Höhe des Abfindungsanspruchs des Klägers - oder des von ihm auszugleichenden Fehlbetrags - zu ermitteln.

Die Sache muss an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.

So muss das Berufungsgericht Feststellungen zu der Frage treffen, ob der Kläger bei seinem Beitritt nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist. Dabei wird es die Entscheidung des Senats vom 9. Juli 2013 zu den ähnlich strukturierten Zweite J. GmbH & Co. Prozesskostenfonds KG und Dritte J. GmbH & Co. Prozesskostenfonds KG zu beachten haben.

Weiter muss das Berufungsgericht den Stichtag der Rechnungslegung feststellen. Die dafür maßgebliche Bilanz ist nach § 24 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags zum letzten Bilanzstichtag vor dem Zugang der Kündigungserklärung aufzustellen. Dazu ist aufzuklären, ob und gegebenenfalls wann der Beklagten das Kündigungsschreiben des Klägers vom 16. November 2010 zugegangen ist. War das im Jahr 2010, ist Stichtag der 31. Dezember 2009, sofern das Geschäftsjahr der Beklagten mit dem Kalenderjahr übereinstimmt. Ansonsten ist die Kündigungserklärung in Form der Klage erst im Jahr 2011 zugegangen, so dass auf die Bilanz zum 31. Dezember 2010 abzustellen wäre.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Versäumnisurteil kann die säumige Partei innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung des Versäumnisurteils beginnt, schriftlich Einspruch durch eine von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnete Einspruchsschrift beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe einlegen.

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Handelsgesetzbuch - HGB | § 161


(1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine Kommanditgesellschaft, wenn bei einem oder bei einigen von den Gesellschaftern die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläu

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 738 Auseinandersetzung beim Ausscheiden


(1) Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so wächst sein Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zu. Diese sind verpflichtet, dem Ausscheidenden die Gegenstände, die er der Gesellschaft zur Benutzung überlassen hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 24 Sitz


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(1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine Kommanditgesellschaft, wenn bei einem oder bei einigen von den Gesellschaftern die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt ist (Kommanditisten), während bei dem anderen Teil der Gesellschafter eine Beschränkung der Haftung nicht stattfindet (persönlich haftende Gesellschafter).

(2) Soweit nicht in diesem Abschnitt ein anderes vorgeschrieben ist, finden auf die Kommanditgesellschaft die für die offene Handelsgesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung.

(1) Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so wächst sein Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zu. Diese sind verpflichtet, dem Ausscheidenden die Gegenstände, die er der Gesellschaft zur Benutzung überlassen hat, nach Maßgabe des § 732 zurückzugeben, ihn von den gemeinschaftlichen Schulden zu befreien und ihm dasjenige zu zahlen, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Sind gemeinschaftliche Schulden noch nicht fällig, so können die übrigen Gesellschafter dem Ausscheidenden, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.

(2) Der Wert des Gesellschaftsvermögens ist, soweit erforderlich, im Wege der Schätzung zu ermitteln.

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