Familienrecht: Gewaltenschutz – Stinkefinger kann Verstoß gegen das Kontaktverbot sein

erstmalig veröffentlicht: 08.10.2019, letzte Fassung: 27.10.2023

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Autoren

Rechtsanwalt

für Familien- und Erbrecht

EnglischDeutsch

Wird der sog. „Stinkefinger“ gezeigt, kann dies ein Verstoß gegen das zum Zweck des Gewaltschutzes ausgesprochene Verbot sein, mit der geschützten Person in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen. In diesem Fall kann ein Ordnungsmittel verhängt werden – BSP Rechtsanwälte – Anwalt für Familienrecht Berlin

Das musste sich ein Mann vor dem Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken sagen lassen. Er hatte dem Antragsteller und dessen Frau (der Mutter des gemeinsamen Kindes) bei einem zufälligen Zusammentreffen den sog. „Stinkefinger“ (Faust mit nach oben gestrecktem Mittelfinger) gezeigt. Damit hat er gegen das ihm gegenüber durch einstweilige Anordnung des Amtsgerichts ausgesprochene Verbot verstoßen, mit den Antragstellern in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen. Es handelte sich, wie die Antragsteller zu Recht geltend machen, um eine Kontaktaufnahme durch körperliche Gestik.

Es war daher ein Ordnungsmittel zu verhängen. Das Gericht hält ein Ordnungsgeld für ausreichend, das sich mit 100 EUR im unteren Bereich des gesetzlichen Rahmens von bis zu 250.000 EUR bewegt. Es handelte sich um einen erstmaligen und weniger gewichtigen Verstoß. Für diesen scheint der genannte Betrag ausreichend. Dabei wurde bereits berücksichtigt, dass bei dem Vorfall das gemeinsame 7-jährige Kind anwesend war. 

Das OLG Zweibrücken hat mit Beschluss vom 12.04.2019 – 6 WF 44/19 – entschieden: 

Amtlicher Leitsatz:

Ein zur Verhängung eines Ordnungsmittels führender Verstoß gegen das zum Zweck des Gewaltschutzes ausgesprochene Verbot, mit der geschützten Person in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen, kann auch vorliegen, wenn der sog. „Stinkefinger“ gezeigt wird.

Tenor: 

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers X. wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Germersheim vom 7. Februar 2019 geändert und wie folgt neu gefasst:

Gegen den Antragsgegner wird ein Ordnungsgeld in Höhe von 100 €, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von zwei Tagen verhängt.

2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens zu tragen.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 500 €.

Gründe: 

Die zulässige Beschwerde führt in der Sache zum Erfolg.

Es wird vom Antragsgegner nicht bestritten und steht fest, dass er dem Antragsteller X. bei einem zufälligen Zusammentreffen am 17. April 2018 den sog. „Stinkefinger“  gezeigt hat. Damit hat er gegen das ihm gegenüber durch einstweilige Anordnung des Amtsgerichts vom 14. März 2018 gemäß § 1 GewSchG ausgesprochene Verbot verstoßen, mit dem Antragsteller in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen. Es handelte sich, wie der Antragsteller zu Recht geltend macht, um eine Kontaktaufnahme durch körperliche Gestik.

Es ist daher gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG; § 890 Abs. 1 ZPO ein Ordnungsmittel zu verhängen. Das Beschwerdegericht hält ein Ordnungsgeld für ausreichend, das sich mit 100 € im unteren Bereich des gesetzlichen Rahmens von 5 bis zu 250.000 €  bewegt. Es handelte sich um einen erstmaligen und weniger gewichtigen Verstoß, für den der genannte Betrag auch unter Berücksichtigung der Belange des bei dem Vorfall anwesenden, damals 7-jährigen gemeinsamen Kindes der Antragstellerin Y. und des Antragsgegners ausreichend erscheint.

Weil Ordnungsmittel nach § 890 ZPO auch einen repressiven, strafähnlichen Sanktionscharakter haben, steht es ihrer Verhängung hier nicht entgegen, dass die in der einstweiligen Anordnung bestimmte Verbotsfrist bis zum 14. September 2018 mittlerweile abgelaufen ist.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts bedurfte es auch nicht der Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung durch den Antragsteller. Es handelt sich um die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung  und der Vollstreckungsantrag richtete sich an das Gericht, das den Titel erlassen hatte, als zuständigem Vollstreckungsorgan 

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs. 5, 81 FamFG. Für den Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens ist berücksichtigt, dass die zugrundeliegende befristete einstweilige Anordnung mittlerweile ausgelaufen ist.

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(1) Hat eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person widerrechtlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Anordnungen sollen befristet werden; die Frist kann verlängert werden. Das Gericht kann insbesondere anordnen, dass der Täter es unterlässt,

1.
die Wohnung der verletzten Person zu betreten,
2.
sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten,
3.
zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält,
4.
Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,
5.
Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen,
soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
eine Person einer anderen mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung widerrechtlich gedroht hat oder
2.
eine Person widerrechtlich und vorsätzlich
a)
in die Wohnung einer anderen Person oder deren befriedetes Besitztum eindringt oder
b)
eine andere Person dadurch unzumutbar belästigt, dass sie ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 2 Buchstabe b liegt eine unzumutbare Belästigung nicht vor, wenn die Handlung der Wahrnehmung berechtigter Interessen dient.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 oder des Absatzes 2 kann das Gericht die Maßnahmen nach Absatz 1 auch dann anordnen, wenn eine Person die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hat, in den sie sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel vorübergehend versetzt hat.

(1) Soweit in den vorstehenden Unterabschnitten nichts Abweichendes bestimmt ist, sind auf die Vollstreckung

1.
wegen einer Geldforderung,
2.
zur Herausgabe einer beweglichen oder unbeweglichen Sache,
3.
zur Vornahme einer vertretbaren oder nicht vertretbaren Handlung,
4.
zur Erzwingung von Duldungen und Unterlassungen oder
5.
zur Abgabe einer Willenserklärung
die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung entsprechend anzuwenden.

(2) An die Stelle des Urteils tritt der Beschluss nach den Vorschriften dieses Gesetzes.

(3) Macht der aus einem Titel wegen einer Geldforderung Verpflichtete glaubhaft, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, hat das Gericht auf seinen Antrag die Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft in der Entscheidung auszuschließen. In den Fällen des § 707 Abs. 1 und des § 719 Abs. 1 der Zivilprozessordnung kann die Vollstreckung nur unter derselben Voraussetzung eingestellt werden.

(4) Ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder Vorlage einer Sache oder zur Vornahme einer vertretbaren Handlung zu vollstrecken, so kann das Gericht durch Beschluss neben oder anstelle einer Maßnahme nach den §§ 883, 885 bis 887 der Zivilprozessordnung die in § 888 der Zivilprozessordnung vorgesehenen Maßnahmen anordnen, soweit ein Gesetz nicht etwas anderes bestimmt.

(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.

(2) Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.

(3) Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlungen entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurteilt werden.

(1) Das Gericht wird in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden können, von Amts wegen tätig und bestimmt die im Fall der Zuwiderhandlung vorzunehmenden Vollstreckungsmaßnahmen. Der Berechtigte kann die Vornahme von Vollstreckungshandlungen beantragen; entspricht das Gericht dem Antrag nicht, entscheidet es durch Beschluss.

(2) Die Vollstreckung darf nur beginnen, wenn der Beschluss bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.

(3) Der Gerichtsvollzieher ist befugt, ein Auskunfts- und Unterstützungsersuchen nach § 757a der Zivilprozessordnung zu stellen. § 758 Abs. 1 und 2 sowie die §§ 759 bis 763 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Ein Beschluss, der im Vollstreckungsverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

(5) Für die Kostenentscheidung gelten die §§ 80 bis 82 und 84 entsprechend.