Vergabekammer Südbayern Beschluss, 23. Nov. 2016 - Z3-3/3194/1/20/03/15

23.11.2016

Gericht

Vergabekammer Südbayern

Tenor

1. Der Antrag auf Aufhebung der von den Antragsgegnern vorgenommenen Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens wird zurückgewiesen.

2. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung, dass die Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens rechtswidrig gewesen ist, wird zurückgewiesen.

3. Der hilfsweise gestellte Antrag festzustellen, dass die Antragsgegner verpflichtet waren, das Verfahren zur Vergabe der vertragsgegenständlichen Linienverkehre in einen rechtsfehlerfreien Stand zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen, wird zurückgewiesen.

4. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung angefallenen Auslagen der Antragsgegner zu tragen.

5. Für das Verfahren wird eine Gebühr i. H. v. ... Euro festgesetzt.

Auslagen sind nicht angefallen.

6. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragsgegner wird für notwendig erklärt.

Gründe

I.

Die Antragsgegner, vertreten durch die A.er Tarif- und Verkehrsverbund GmbH schrieben Personenbeförderungsleistungen mit Omnibussen nach dem PBefG gem. Art. 5 Abs.1 VO (EG) Nr. 1370/2007 i. V. m. der RL 2004/18 aus.

Bezüglich der streitgegenständlichen Vergabe erfolgte bereits am 04.02.2015 unter der Nummer 2015/S 2...5eine Vorinformation gem. Art. 7 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007/EG /§ 8 a Abs. 2 Satz 2 PBefG. Hierin wurde unter Punkt II. 1.1) die Vergabe der ...-Regionalbuslinien 27, 51, 52, 54, 56, 57, 58, 59, 420, AST 420, 459 als Linienbündel „L. Nord“ angekündigt. Weiter wurde unter Punkt II.1.5) eine Beschränkung der Vergabe an Subunternehmer auf 30% der Leistung gemessen an den Fahrplankilometern festgelegt.

Nachdem die Antragsgegner die Vorabbekanntmachung veröffentlicht hatten, rügte die Antragstellerin am 25.02.2015 unter anderem, dass die Bieter nur bis zu 30% der Leistung gemessen an den Fahrplankilometern an Subunternehmer vergeben können. Die VOL/A EG nach der das Vergabeverfahren durchgeführt werde, lasse den Einsatz von Subunternehmern uneingeschränkt zu. Da man einen höheren Einsatz von Subunternehmern beabsichtige, müsse man befürchten, bis ins Jahr 2024 vom Markt ausgeschlossen zu werden.

Auch liege für das Vergabeverfahren nicht die erforderliche Vergabereife vor. Vorliegend sei Gegenstand der ausgeschriebenen Leistung auch die Erbringung der Verkehrsdienstleistung auf der Linie 420. Hinsichtlich dieser bestehe bereits eine bestandskräftige personenbeförderungsrechtliche Liniengenehmigung nach § 42 PBefG für den Zeitraum vom 01.10.2009 bis zum 30.09.2017. Ohne eine wirksam erteilte Genehmigung dürfe und könne der obsiegende Bieter die ausgeschriebene Verkehrsdienstleistung nicht erbringen.

Die Antragsgegner teilten am 03.03.2015 mit, die Vergabebekanntmachung im Hinblick auf die Rüge betreffend der Unmöglichkeit der Leistung anzupassen, um die dargelegten Auswirkungen der bestandskräftigen personenbeförderungsrechtlichen Liniengenehmigung zu vermeiden. Bei der Beschränkung des Subunternehmereinsatzes auf 30% bleibe es aufgrund der anwendbaren Regelung des Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/2007. Auch werde durch die bereits in der ersten Vertragsperiode angekündigte Ausschreibung im offenen Verfahren ein Höchstmaß an wettbewerblichen Chancen eröffnet und somit den Vorgaben der Vergabekammer Südbayern entsprochen.

Im Anschluss daran veröffentlichten die Antragsgegner die Vergabe des Linienverkehrs auf den ...-Regionalbuslinien 27, 51, 52, 54, 56, 59, 459 (Linienbündel „L. Nord 01“) sowie optional zusätzlich die Regionalbuslinien 420 sowie AST 420 im Rahmen einer europaweiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften unter der Nummer 2015/S 047-081632 am 07.03.2015. Die Leistung soll im Rahmen eines Offenen Verfahrens nach den Vorgaben der VOL/A für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 30.04.2017 vergeben werden. Die Vergütung soll nach Ziffer III.1.2) monatlich abgerechnet und in Form von monatlichen Abschlägen gezahlt werden. Nach Ziffer II.1.8) und II.1.9) der Bekanntmachung erfolgt keine Aufteilung in Lose. Nebenangebote sind nicht zugelassen.

Der Zuschlag erfolgt nach Ziffer IV. 2.1) auf das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien:

1. Gesamtausgleich je Fahrplankilometer Gewichtung 95

2. Garantierte Zeit der Bereitstellung Ersatzfahrzeuge Gewichtung 5

Im Punkt III.1.4) der Vergabebekanntmachung vom 07.03.2015 wird im Punkt 2 vorgegeben, dass

„Die Bieter bis zu 30% der Leistung (gemessen an den Fahrplankilometern) an Subunternehmen vergeben können. ...“

Diese Vorgabe wird unter Punkt 2.3.2 der Leistungsbeschreibung im Punkt 2.3.2.1 wiederholt. Auch der zwischen den Parteien zu schließende Verkehrsvertrag, der Bestandteil der Vergabeunterlagen war, regelt unter § 5 Abs. 1 Satz 1 folgendes:

„Der Auftragnehmer kann mit Zustimmung des Auftraggebers im Sinne des Art. 4 Abs. 7 der VO (EG) Nr. 1370/2007 bis zu 30% der vertragsgegenständlichen Leistung an Subunternehmer vergeben.“

Punkt II.1.5) der Bekanntmachung weist darauf hin, dass die Regionalbuslinie 420 und der AST-Verkehr 420 optional vergeben wird. Weiter wird unter Punkt II.2.1 und 2.2) hinsichtlich der Option unter Punkt 2 folgendes ausgeführt,

„Für die ...-Regionalbuslinie 420 liegt eine Liniengenehmigung mit einer Laufzeit bis 30.09.2017 vor. Der zugrundeliegende öffentliche Dienstleistungsauftrag läuft am 31.12.2015 aus. Die zuständige Genehmigungsbehörde, Regierung von S.., wurde darüber informiert. Es wurde der Widerruf der Liniengenehmigung durch die Regierung von S.. gemäß § 25 Abs. 1 Nr. PBefG angeregt. Die Vergabestelle hat weder Kenntnis darüber, ob die Regierung von S.. bis zum 01.01.2016 die Genehmigung widerrufen wird bzw. ob der Altkonzessionär wegen der Beendigung des öffentlichen Dienstleistungsauftrages die Erbringung von der Betriebspflicht beantragen wird.

Der AST-Verkehr 420 wird nach derzeitigem Kenntnisstand genehmigungsrechtlich als Annex der Liniengenehmigung für die ...-Regionalbuslinie 420 behandelt.

Aufgrund dieses Sachverhalts hat der Bieter zwei Kalkulationsblätter für folgende Optionen abzugeben:

a) Fortbestehen der Liniengenehmigung des Altkonzessionärs für die ...-Regionalbuslinie 420 (Option 1)

b) Wegfall der Liniengenehmigung des Altkonzessionärs für die ...-Regionalbuslinie 420 (Option 2)“

Als Schlusstermin für die Anforderung der Vergabeunterlagen wurde der 15.04.2015, für die Abgabe von Angeboten der 07.05.2015 benannt.

Da die Antragsgegner den Rügen der Antragstellerin in der Vergabebekanntmachung nicht abhalfen, wandte sich diese, ohne nochmals gerügt zu haben, durch ihren Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 17.03.2015 an die Vergabekammer Südbayern und beantragte, die Antragsgegner gemäß § 115 GWB unverzüglich über den Nachprüfungsantrag zu informieren. Weiter wurde beantragt:

1. Die Antragsgegner werden vorbehaltlich einer dauerhaften Aufgabe des Beschaffungswillens angewiesen, das Verfahren zur Vergabe der vertragsgegenständlichen Linienverkehre in den rechtsfehlerfreien Stand zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

2. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.

3. Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

Für den Fall, dass die Antragsgegner das Verfahren ohne Ausspruch der Vergabekammer freiwillig und umgehend in einen rechtsfehlerfreien Stand zurückversetzen, sowie für den Fall, dass die Antragsgegner dauerhaft vom Beschaffungsvorhaben Abstand nehmen, werde hilfsweise beantragt, wie folgt zu erkennen:

4. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegner verpflichtet waren, das Verfahren zur Vergabe der vertragsgegenständlichen Linienverkehre in rechtfehlerfreien Stand zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

5. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin durch diese wird für notwendig erklärt.

6. Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Die Vergabekammer Südbayern sei gemäß § 106a Abs. 3 GWB und § 104 GWB zuständig, da die Antragsgegner bayerische Gebietskörperschaften mit Sitz im Regierungsbezirk S.. seien. Die Antragsgegner seien zudem als Gebietskörperschaften auch öffentliche Auftraggeber gemäß § 98 GWB. Auch betreffe die streitgegenständliche Leistung Dienstleistungen im Bereich der Personenbeförderung und es handle sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag in Form eines entgeltlichen Beschaffungsvertrags gemäß § 99 Abs. 1, 4 GWB. Der maßgebliche Schwellenwert gemäß § 2 Nr. 3 VgV sei überschritten.

Die Antragstellerin sei auch antragsbefugt i. S. d. § 107 Abs. 2 GWB. Sie erbringe auch im räumlichen Zuständigkeitsgebiet der Antragsgegner mit Bussen Dienstleistungen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV)und würde dies auch in Zukunft gerne tun. Deshalb habe sie ihr Interesse am Auftrag durch Teilnahme am Wettbewerb bekundet. Sie sei zudem einer Verletzung ihrer Rechte nach § 97 Abs. 1 GWB aufgrund der Nichtbeachtung von Vergabevorschriften durch die Antragsgegner ausgesetzt. Um eine reelle Zuschlagschance zu haben, beabsichtige sie, mehr als 30% der Fahrplankilometer auf Subunternehmer zu übertragen. Durch die Beschränkung der Subunternehmerquote auf 30% werde die Antragstellerin daher ihrer Zuschlagschance beraubt. Zudem könne die Antragstellerin aufgrund des Verbots der Parallelbedienung keine Liniengenehmigung für die ausgeschriebenen Linien 420/AST 420 erhalten, da diese für die fragliche Laufzeit des öffentlichen Dienstleistungsauftrags bereits einem anderen Verkehrsunternehmen erteilt sei. Auch hätte die Antragstellerin bei einer längeren Laufzeit bessere Chancen.

Der Antrag sei auch begründet, da die Beschränkung der Übertragung des Auftrags auf Subunternehmer in Höhe von 30% der Fahrplankilometer unzulässig sei. Die VOL/A-EG lasse den Einsatz von Nachunternehmen uneingeschränkt zu (EuGH, Urt. v. 18.3.2004, Rs. C-314/01; VK Bund, Beseht, v. 30.8.2013 -VK 2-70/13). Der EuGH halte im benannten Urteil fest, dass ein Verbot der Subvergabe gegen die europäischen Vergaberichtlinien verstoße. Dem stehe Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/07 auch nicht entgegen.

Die VO (EG) Nr. 1370/07 sei vorliegend gemäß Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/07 gar nicht anwendbar. Die VO (EG) Nr. 1370/07 enthalte sektorspezifisches Vergaberecht, welches jedoch ausweislich Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/07 subsidiär zum allgemeinen Vergaberecht sei.

Der Art. 5 Abs. 1 S. 2 VO (EG) Nr. 1370/07 laute:

„Dienstleistungsaufträge oder öffentliche Dienstleistungsaufträge gemäß der Definition in den Richtlinien 2004/17/EG oder 2004/18/EG für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen werden jedoch gemäß den in jenen Richtlinien vorgesehenen Verfahren vergeben, sofern die Aufträge nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen im Sinne jener Richtlinien annehmen.“

Die Norm eröffne den Anwendungsbereich der Verordnung demnach nur für Dienstleistungskonzessionen. Die angegriffene Vergabe weise keinerlei Risiko für den zukünftigen Auftragnehmer auf. Ausgeschrieben würden Bruttoverträge. Auch die Antragsgegner gingen nicht davon aus, dass es sich bei den Leistungen um Dienstleistungskonzessionen handele. Der siegreiche Bieter werde von den Antragsgegnern schlicht ein Entgelt für die Erbringung einer Leistung erhalten. Dabei handle es sich nicht um ein Verwertungsrecht, sondern um einen klassischen öffentlichen Dienstleistungsauftrag.

Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/07 nur 5% Eigenerbringung verlange. Selbst wenn man entgegen obiger Ausführungen von der Anwendbarkeit der Verordnung auf „allgemeine Vergaben“ ausgehen wolle, fordere der Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/07 lediglich, dass der Betreiber verpflichtet werde, „einen bedeutenden Teil der Leistung“ selbst zu erbringen. Die Antragsgegner forderten jedoch eine Selbsterbringungsquote in Höhe von 70% der Leistung. Dies sei kein „bedeutender Teil“, sondern bereits ein „weit überwiegender Teil“. Von einem „bedeutenden Teil“ sei schon ab 5% Eigenerbringung auszugehen. Die Rechtsprechung zur VO (EG) Nr. 1370/07 gehe davon aus, dass ein „angemessener Gewinn“, wie ihn die VO (EG) Nr. 1370/07 Verkehrsunternehmen zugestehe, bei 3% des Auftragswerts bereits erreicht sei. Folglich sei jedenfalls bei 5% Eigenerbringung gemessen am Verkehrsvolumen die Bedeutsamkeitsschwelle überschritten. Im Vergleich hierzu forderten die Antragsgegner mit 70% eine vierzehn Mal so hohe Eigenerbringung, mithin 1400% der europarechtlich vorgesehenen Quote. Dies stelle einen schwerwiegenden und diskriminierenden Eingriff in die Rechte der Antragstellerin dar, beschränke den Wettbewerb und verstoße mithin gegen § 97 GWB.

Der Nachprüfungsantrag sei deshalb begründet. Darüber hinaus werde zur weiteren Begründung Akteneinsicht in die zugrunde liegenden Unterlagen beantragt.

Mit Schreiben vom 17.03.2015 leitete die Vergabekammer entsprechend dem Nachprüfungsantrag gegenüber den Vertretern der Stadt A., dem Landkreis A. per Telefax das Vergabenachprüfungsverfahren ein und forderte sämtliche die Vergabe betreffenden Unterlagen an.

Die Antragsgegner legten über die A.er Verkehrs- und Tarifverbund GmbH am 25.03.2015 die Vergabeakten vor. Darüber hinaus nahm der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner mit Schreiben vom 23.03.2015 Stellung zum Nachprüfungsantrag und beantragte,

1. der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung angefallenen Kosten der Antragsgegner zu tragen.

3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragsgegner wird für notwendig erklärt.

Anders als die Antragstellerin meine, sei die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 auf die hier bekanntgemachte Vergabe eines Öffentlichen Dienstleistungsauftrages zur Durchführung von Linienverkehren auf den ...-Regionalbuslinien 25, 51, 52, 54, 56, 59, 420, AST 420 und 459 sehr wohl anwendbar. Es treffe zwar zu, dass es sich bei dem mit der Auftragsbekanntmachung vom 07.03.2015 bekanntgemachten Auftragsgegenstand nicht um die Vergabe einer Dienstleistungskonzession sondern um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag handle. Demgemäß sei auch ein Offenes Verfahren veröffentlicht worden. Infolgedessen kämen vorliegend nicht die Regelungen des Art. 5 Abs. 2 bis 6 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zur Anwendung, die die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen regeln. Dieses Vorgehen stehe im Einklang mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007, wonach Dienstleistungsaufträge oder öffentliche Dienstleistungsaufträge gemäß der Definition in den Richtlinien 2004/17/EG oder 2004/18/EG für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen gemäß den in jenen Richtlinien vorgesehenen Verfahren vergeben werden. Art. 5 Abs.1 letzter Satz der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 regle in diesem Fall, dass die Absätze 2 bis 6 des Artikels 5 nicht anwendbar seien.

Im Übrigen gelte jedoch die Verordnung unverändert und unmittelbar. Dies folge daraus, dass die Verordnung am 03.12.2009 in Kraft getreten und seitdem gemäß Art. 288 Unterabsatz 2 AEUV unmittelbar geltendes Recht sei (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 02.03.2011 - Az.: VII-Verg 48/10). Das bedeute auch, dass mit Ausnahme der Absätze 2 bis 6 des Artikels 5 die übrigen Bestimmungen der Verordnung auch bei der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages, der nach den europäischen Vergaberichtlinien vergeben werde, unmittelbar anzuwenden seien. Demgemäß sei auch die Regelung nach Art. 4 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 als unmittelbar geltendes Recht im Falle der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages, der keine Dienstleistungskonzession darstelle, anwendbar. Nach Art. 4 Abs. 7 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 sei mit den Unterlagen des wettbewerblichen Vergabeverfahrens und den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen transparent anzugeben, ob und in welchem Umfang eine Vergabe von Unteraufträgen in Frage komme. Eine Einschränkung des Bestimmungsrechts erfolge lediglich durch Art. 4 Abs. 7 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007. Danach sei der mit der Durchführung betraute Betreiber verpflichtet, einen bedeutenden Teil selbst zu erbringen. Hierbei handle es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff und die Festlegung des Umfangs der Vergabe von Unteraufträgen liege im Ermessen der zuständigen Behörde. Davon haben die Auftraggeber Gebrauch gemacht. Die insofern erfolgten Überlegungen seien in dem internen Aktenvermerk unter Nr. 5 dokumentiert und sachgemäß sowie ermessensfehlerfrei. Unabhängig davon werde darauf hingewiesen, dass in der Literatur die Auffassung vertreten werde, dass der Leistungsanteil bedeutend sei, der ca. 20 bis 30% des Wertes der Dienste betrage. Art. 4 Abs. 7 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 sei auch auf den hier zu vergebenden öffentlichen Dienstleistungsauftrag anwendbar. Der Verordnungsgeber verwende in Artikel 4 einheitlich den Begriff „öffentlicher Dienstleistungsauftrag“. Art. 2 Buchst. i der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 bezeichne den Begriff „öffentlicher Dienstleistungsauftrag“. Diese Definition erfasse sowohl den öffentlichen Dienstleistungsauftrag, wie er in den europäischen Vergaberichtlinien definiert sei, als auch eine Dienstleitungskonzession oder sonstige rechtsverbindliche Akte, die die in der Definition beschriebene Übereinkunft bekunden. Daher beschreibe Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 die Anforderungen an den Inhalt eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages zur Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten unabhängig davon, ob es sich dabei um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag i. S. d. europäischen Vergaberichtlinien oder um eine Dienstleistungskonzession handle.

Gemäß Artikel 1 Abs. 1 sei es Zweck der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007, festzulegen, wie die zuständigen Behörden unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs tätig werden können, um die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu gewährleisten, die unter anderem zahlreicher, sicherer, höherwertiger oder preisgünstiger seien als diejenigen, die das freie Spiel des Marktes ermöglicht hätte. Demgegenüber verfolgten die europäischen Vergaberichtlinien den Zweck, zur Sicherstellung eines freien Dienstleistungsverkehrs Beschränkungen des Zugangs zur öffentlichen Auftragsvergabe aufzuheben. Aufgrund dieser unterschiedlichen Zielsetzung sei des dem Verordnungsgeber gestattet, Einschränkungen hinsichtlich des Anteils der Unterauftragsvergabe zu ermöglichen.

Der Vertreter der Antragstellerin bekräftigte und untermauerte mit Schriftsatz vom 07.04.2015 seine Rechtsauffassung. Auf den Inhalt des Schriftsatzes wird verwiesen.

Der Antragstellerin wurde am 14.04.2015 Einsicht in die Vergabeakten gewährt. Zudem wurden mit Schreiben vom 14.04.2015 alle Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 29.04.2015 in die Regierung von Oberbayern geladen, wobei die Vergabenachprüfungsverfahren Z3-3-3194-1-10-02/15, Z3-3-3194-1-11-02/15, Z3-3-3194-1-12-02/15 sowie Z3-3-3194-1-20-03/15 verbunden wurden.

Am 17.04.2015 äußerte sich der Vertreter der Antragstellerin fristgerecht zur gewährten Akteneinsicht und sah sich darin bestätigt, dass die Antragsgegner im Vergabevermerk keine hinreichenden Gründe für die vorgenommene Beschränkung der Subvergabe dokumentiert hätten. Auch lasse sich aus der Dokumentation zur vorgenommenen Beschränkung entnehmen, dass diese gerade keine ermessensfehlerfreie Abwägung vorgenommen hätten. So fehle eine Betrachtung der zu betrachtenden Kriterien des Streckennetzes, der Personenkilometer und der Einnahmen gänzlich. Die vom Verordnungsgeber im Erwägungsgrund 19 festgelegten Ermessensdirektiven seien nicht beachtet worden. Lediglich auf Seite 14 des Vermerks finde sich als Motivation der Mittelstandsschutz. Dieser sei aber wie schon vorgetragen nur vorgeschoben.

Ebenfalls am 20.04.2015 äußerte sich der Vertreter der Antragsgegner zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 07.04.2015 und wies darauf hin, dass die dortigen Ausführungen im Wesentlichen darauf basierten, dass diese die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 für nicht eröffnet halte. Ein solches Verständnis werde aber bereits durch den Art. 1 derselben nicht gedeckt. Gänzlich abwegig sei es, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung den Anwendungsbereich der gesamten Verordnung steuere. Die Auffassung werde auch nicht durch die angeführte Formulierung in Art. 4 Abs. 7 Satz 2 der Verordnung gestützt, da ein Betreiber auch dann nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 betraut werde, wenn die Vergabe von den EU-Richtlinien erfasst werde. Auch im Hinblick auf die Beschränkung der Subvergabe sei nicht erkennbar, warum eine Differenzierung vorgenommen werden sollte. Sowohl die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 als auch die EU-Vergaberichtlinien eröffneten die Möglichkeit der Beschränkung.

Durch den Vorsitzenden der Vergabekammer Südbayern wurde in der Folge am 20.04.2015 die Frist zur Entscheidung gem. § 113 GWB bis zum 29.05.2015 verlängert.

Am 24.04.2015 wiesen die Antragsgegner den Vorwurf zurück, dass keine ermessensfehlerfreie Entscheidung im Hinblick auf die Abwägung zur Höhe der Beschränkung der Subvergabe getroffen worden sei. Ziel der Antragsgegner sei gewesen, Bieter, die sich bisher lediglich als Subunternehmer am Vergabeverfahren beteiligten zur selbstständigen Abgabe eines Angebotes zu bewegen. Für den Fall, dass sich kleinere Unternehmen aufgrund der Größe Ihres Betriebes hierzu nicht in der Lage sähen, sei die Möglichkeit der Abgabe eines Angebotes in Form von Bietergemeinschaften eröffnet. Auch habe man - unabhängig davon, dass diese keine bindende Wirkung hätten - nicht gegen die im Erwägungsgrund Nr. 19 festgeschriebenen Ermessensdirektiven verstoßen, da sich diese hierzu nicht äußerten.

Im weiteren Verlauf teilten die Antragsgegner mit Schreiben vom 28.04.2015 mit, dass streitgegenständliche Vergabeverfahren gemäß § 20 EG Abs. 1 Buchst. b) VOL/A am 27.04.2015 aufgehoben zu haben.

Die Stadt G. habe nach Einleitung des Vergabeverfahrens beim Landratsamt A. die Übertragung der ÖPNV-Aufgabe „Stadtbusvergabe G.“ nach Art. 9 BayÖPNV für das Gebiet der Stadt G. zum nächstmöglichen Zeitpunkt beantragt. Damit erfasse die beantragte Übertragung den überwiegenden Teil der ...-Regionalbuslinien des Linienbündels „L. Nord“, der Gegenstand des Vergabeverfahrens sei. Da der Landkreis A. spätestens zum 01.01.2016 nicht mehr die Zuständigkeit für die von der Aufgabenübertragung erfassten ...-Regionalbuslinien besitzen werde, müsse der Gegenstand des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens angepasst werden. Neben der erheblichen Reduzierung des Leistungsvolumens einerseits sei zudem eine verkehrliche Abstimmung der verbleibenden ...-Regionalbuslinien mit den von der Stadt G. nach der Aufgabenübertragung zu organisierenden Linienverkehren notwendig.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin reagierte hierauf am 28.04.2015, indem dieser gegenüber den Antragsgegnern die Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens rügte, da die Voraussetzung hierfür nicht vorliege. Bisher liege lediglich ein Antrag auf Übertragung der Aufgabenträgerschaft vor. Eine Entscheidung über diesen Antrag sei bisher aber noch nicht getroffen worden und auch zeitnah nicht absehbar. Infolgedessen sei eine wesentliche Änderung der Grundlagen des Vergabeverfahrens bislang noch nicht eingetreten, was § 20 EG Abs. 1 Buchst. b) VOL/A aber voraussetze. Maßgeblich sei hier der Zeitpunkt der Aufhebung. Zudem werde bezweifelt, dass der ... die beabsichtigte Antragstellung der Stadt G. für die Übertragung der Aufgabenträgerschaft nicht bereits vor der Einleitung des Vergabeverfahrens kannte, bzw. kennen musste.

Die mündliche Verhandlung fand am 29.04.2015 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt, in deren Verlauf die Sach- und Rechtslage erörtert wurde. Beide Parteien erhielten im Hinblick auf die erfolgte Aufhebung des Vergabeverfahrens Schriftsatzfrist bis zum 20.05.2015. Die Antragsgegner wurden zudem gebeten, spätestens bis zum 05.05.2015 den Antrag der Stadt G., der zur Aufhebung des Vergabeverfahrens geführt hat und etwaige damit zusammenhängende Entscheidungen von zuständigen Gremien vorzulegen.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin änderte Punkt 1 des Nachprüfungsantrages vom 17.03.2015 ab. Nunmehr wurde beantragt, die von den Antragsgegnern vorgenommene Aufhebung aufzuheben und das Vergabeverfahren der verfahrensgegenständlichen Linienverkehre in rechtsfehlerfreien Stand zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen. Alle übrigen Anträge des Nachprüfungsantrags vom 17.03.2015 sollten bestehen bleiben. Die Antragsgegner beantragten weiter die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags. Im Übrigen wird auf das Protokoll verwiesen.

Am 05.05.2015 kamen die Antragsgegner der Bitte der Vergabekammer Südbayern um Übermittlung des Antrags der Stadt G. vom 01.04.2015 sowie der damit zusammenhängenden Schreiben nach, die in der Folge an die Antragstellerin weitergeleitet wurden.

Durch den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wurde in der Folge mit Schreiben vom 20.05.2015 weiter die Auffassung vertreten, dass die durch die Antragsgegner vorgenommene Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens rechtswidrig und daher durch die Vergabekammer aufzuheben sei. Für die auf § 20 Abs. 1 lit. b) EG VOL/A gestützte Entscheidung fehlten die Voraussetzungen. Auch lägen die Voraussetzungen des BayÖPNVG nicht vor. Der § 9 des BayÖPNVG sehe lediglich die Übertragung einzelner Aufgaben des ÖPNV vor. Eine durch die Kammer avisierte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof werde begrüßt. Die Frage, ob eine Beschränkung der Subvergabe über Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/2007 geschehen dürfe, sei von grundsätzlicher europarechtlicher Bedeutung. Zwar habe die Vergabekammer keine Vorlagepflicht, jedoch ein Vorlagerecht. Eine Vorlage liege daher im pflichtgemäßen Ermessen der erkennenden Kammer. Die Antragstellerin sei der Meinung, dass dieses vorliegend auf Null reduziert sei. Es werde daher beantragt,

das Verfahren durch Beschluss auszusetzen und beim Europäischen Gerichtshof die Vorabentscheidung über dies vorzulegenden Fragen zu beantragen.

Am 20.05.2015 nahm der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner zum Antrag der Antragstellerin, die vorgenommene Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens aufzuheben und das Vergabeverfahren der verfahrensgegenständlichen Linienverkehre in rechtsfehlerfreien Stand zurück zu versetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer Südbayern zu wiederholen, Stellung und vertrat die Meinung, dass dieser Antrag unbegründet sei.

Die Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahren sei gemäß § 20 EG Absatz 1 Buchst. b) VOL/A rechtmäßig erfolgt, da sich die Grundlagen der Ausschreibung durch den Antrag der Stadt G. vom 01.04.2015 wesentlich geändert hätten. Gemäß Art. 9 Abs. 1 BayÖPNVG hätten die Landkreise den kreisangehörigen Gemeinden oder deren Zusammenschlüssen durch Verordnung einzelne Aufgaben des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehrs auf deren Verlangen zu übertragen, wenn die Nahverkehrsbeziehungen im Wesentlichen auf das Gebiet einer Gemeinde oder eines Zusammenschlusses von Gemeinden beschränkt sei. Nach dem Wortlaut der Vorschrift bestehe auf Seiten der Gemeinde G. ein Rechtsanspruch gegenüber dem Landkreis A. auf Übertragung. Der Landkreis A. sei rechtlich nicht in der Lage, den Übertragungsantrag abzulehnen.

Mit Vorlagebeschluss vom 05.06.2016 wurde das streitgegenständliche Verfahren dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der VO (EG) Nr. 1370/2007 mit folgende Fragen zur Vorabentscheidung nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgelegt.

a. Kommen bei einem Vergabeverfahren nach Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 in Verbindung mit der Richtlinie 2004/18/EG bzw. der Richtlinie 2014/24/EU grundsätzlich nur die Vorschriften dieser Richtlinien zur Anwendung, so dass von den genannten Richtlinien abweichende Vorschriften in der VO (EG) Nr. 1370/2007 unangewendet bleiben müssen?

b. Richtet sich demnach die Zulässigkeit der Vergabe von Unteraufträgen bei einem Vergabeverfahren nach Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 in Verbindung mit der Richtlinie 2004/18/EG bzw. 2014/24/EU ausschließlich nach den vom Gerichtshof zur Richtlinie 2004/18/EG entwickelten Regeln und nach der Regelung des Art. 63 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU oder kann ein öffentlicher Auftraggeber abweichend davon auch bei einem derartigen Vergabeverfahren gem. Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/2007 eine prozentuale Eigenerbringungsquote (gemessen an den Fahrplankilometern) für die Bieter festschreiben?

c. Ist für den Fall, dass Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/2007 auf Vergabeverfahren nach Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 in Verbindung mit der Richtlinie 2004/18/EG bzw. 2014/24/EU anwendbar ist, der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf den Erwägungsgrund 19 der VO (EG) Nr. 1370/2007 bei der Festlegung der Selbsterbringungsquote frei, so dass die Forderung einer Selbsterbringungsquote von 70% gemessen an den Fahrplankilometern durch den Auftraggeber gerechtfertigt sein kann?

Das Verfahren wurde bis zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV des Gerichtshofs der Europäischen Union über diese Frage ausgesetzt.

Mit Beschluss vom 07.08.2015 wurde die Stadt G., deren Interessen im streitgegenständlichen Vergabeverfahren von der Entscheidung der Vergabekammer in erheblicher Weise berührt sein könnten, beigeladen.

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 27.10.2016 (C‑292/15) entschieden:

1. Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates ist dahin auszulegen, dass bei der Vergabe eines Auftrags für den öffentlichen Personenverkehrsdienst mit Bussen Art. 4 Abs. 7 der Verordnung auf den Auftrag anwendbar bleibt.

2. Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1370/2007 ist dahin auszulegen, dass er einen öffentlichen Auftraggeber nicht daran hindert, einem Betreiber, der mit der Verwaltung und Erbringung eines öffentlichen Personenverkehrsdienstes mit Bussen wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden betraut ist, eine Selbsterbringungsquote von 70% aufzuerlegen.

Mit Schreiben vom 08.11.2016 erklärten die Antragsgegner, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs die Rechtsauffassung der Antragsgegner vollumfänglich bestätigen würde. Die vorgenommene Beschränkung der Subuntemehmerqoute sei daher rechtmäßig erfolgt mit der Folge, dass der hierauf bezogene Nachprüfungsantrag unbegründet sei.

Darüber hinaus sei im Amtsblatt des Antragsgegners zu 2 am 03.12.2015 die Verordnung zur Aufgabenübertragung nach Art. 9 Abs. 1 BayÖPNVG auf die Beigeladene bekannt gemacht worden. Zum 01.01.2016 seien die Vereinbarungen zwischen dem Antragsgegner zu 2 und der Beigeladenen zur Aufgabenübertragung in Kraft getreten.

Die Vergabekammer hat daraufhin mit Schreiben vom 03.11.2016 die Beteiligten zu einer zweiten mündlichen Verhandlung am 14.11.2016 geladen.

Die Beigeladene teilte zum aktuellen Sachstand der beabsichtigten Direktvergabe an die G.er Verkehrsgesellschaft mbH als interner Betreiber mit, dass der Antragsgegner zu 2 mit Verordnung vom 16.11.2015 der Beigeladenen die Zuständigkeit für die Planung, Organisation und Sicherstellung des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehrs deren Stadtgebiet übertragen habe. Zur Regelung des Näheren sei zusätzlich eine Vereinbarung und eine Zweckvereinbarung abgeschlossen worden. Zusätzlich habe die Beigeladene mit der Antragsgegnerin zu 1 am 17 12.2015 ebenfalls eine Zweckvereinbarung abgeschlossen. Die Übertragung der Aufgabenträgerschaft auf die Beigeladene sei am 01.01.2016 in Kraft getreten. An diesem Tage habe die Beigeladene auch die Vorinformation zur beabsichtigten Direktvergabe an einen internen Betreiber gemäß Art. 5 Abs. 2 VO(EG) Nr. 1370/2007 an das Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union versandt. Die Beigeladene habe in der Zwischenzeit außerdem die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung der G.er Verkehrsgesellschaft mbH vorgenommen, so dass sie über sie die Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausüben könne. Der Betrauungsakt für die Direktvergabe an den internen Betreiber liege im Entwurf vor. Er werde zum Jahresende vom Stadtrat der Beigeladenen beschlossen werden, und dann nach Ablauf der Jahresfrist durch Bekanntgabe an die Geschäftsführung der G.er Verkehrsgesellschaft mbH vollzogen und außenwirksam werden.

Die Antragstellerin habe die Vorabbekanntmachung der Beigeladenen zum Anlass genommen, durch eine neu gegründete Firma gemeinsam mit einer Tochter der Regionalbus A. GmbH einen eigenwirtschaftlichen Antrag gemäß § 12 Abs. 6 PBefG für den Stadtverkehr in G. zu stellen. Mit Bescheid vom 16.09.2016 habe die Regierung von S.. den eigenwirtschaftlichen Antrag abgelehnt, da ohne eine allgemeine Vorschrift ein eigenwirtschaftlicher Betrieb des Stadtverkehrs nicht möglich sei, kein Rechtsanspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift bestehe, die Voraussetzungen für den Erlass einer allgemeinen Vorschrift wegen einer Einzelfallregelung nicht gegeben seien, und letztlich auch, weil nur ein Bruchteil der 1,0 bzw. 1,2 Mio. Euro Ausgleichsmittel auf den Ausgleich von Durchtarifierungs- und Harmonisierungsverlusten aus der Anwendung des AW-Gemeinschaftstarifs entfallen würde. Die Finanzierung von Betriebsleistungen über eine Allgemeine Vorschrift sei nach Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 jedoch nicht zulässig. Abschließend sei im Zusammenhang mit dem eigenwirtschaftlichen Antrag noch darauf hinzuweisen, dass der gemeinschaftliche Antrag von Teilen eines mutmaßlichen Kartells gestellt worden sei, gegen welches vom Bundeskartellamt und Staatsanwaltschaft A. auch wegen vermuteter Absprachen im Wettbewerb ermittelt werde.

Die Antragstellerin beantragt hilfsweise zu den bereits gestellten Anträgen festzustellen, dass die Aufhebung rechtswidrig gewesen ist.

Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert.

Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

1. Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags

1.1 Zuständigkeit

Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.

Die sachliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus § 104 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bzw. § 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung zur Regelung von Organisation und Zuständigkeiten im Nachprüfungsverfahren für öffentliche Aufträge (BayNpV). Die örtliche Zuständigkeit ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BayNpV gegeben, da die Vergabestelle ihren Sitz im Regierungsbezirk S.. und damit im Zuständigkeitsbereich der Kammer hat.

Vorliegend beabsichtigten die Antragsgegner gemäß der Vergabebekanntmachung für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 30.04.2017 einen Dienstleistungsvertrag im Sinne des § 99 Abs. 1, 4 GWB über die Erbringung der Personenbeförderung mit Omnibussen für die vertragsgegenständlichen...-Regionalbuslinien 27, 51, 52, 54, 56, 59, 459 (Linienbündel „L. Nord 01“) sowie optional zusätzlich die Regionalbuslinien 420 sowie AST 420 zu vergeben. Dieser Dienstleistungsauftrag hätte auch ohne Zweifel den Schwellenwert des § 2 Abs. 1 Satz 1 VgV i. V. m. der Verordnung (EU) Nr. 1336/2013 der Kommission vom 13. Dezember 2013 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG, 2004/18/EG und 2009/81/EG des Europäischen Parlaments in Höhe von 207.000 Euro überschritten.

Die Richtlinie 2004/17/EG ist nach § 2 Abs. 2 VgV im Streitfall nicht anzuwenden, da die Antragsgegner keine Sektorenauftraggeber sind, sondern als Antragsgegner im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB einzustufen sind. Das OLG Düsseldorf hat dazu bereits in seinem Beschluss vom 21.07.2010 - VII-Verg 19/10 ausgeführt, dass als Sektorenauftraggeber nur anzusehen ist, wer Verkehrsleistungen selbst erbringt. Die bloße Organisation solcher Dienstleistungen, wie vorliegend, macht den Auftraggeber nicht zu einem Sektorenauftraggeber. Einer dahingehenden Annahme widersprechen Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und b, Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2004/17 sowie die Bestimmungen in den Anhängen IV und V, in denen durchweg davon die Rede ist, dass nur solche Auftraggeber der Sektorenrichtlinie unterliegen, die Verkehrsleistungen als solche „erbringen“ oder „ausführen“. In diesem Sinn ist auch § 1 Satz 2 SektVO richtlinienkonform zu verstehen (vgl. OLG Düsseldorf, 07.11.2012, VII-Verg 11/12).

Der vorliegende Auftrag unterfällt nach Auffassung der erkennenden Kammer Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der unmittelbar geltenden VO Nr. 1370/2007. Es soll - wie außer Streit steht - zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen ein Dienstleistungsauftrag im Sinn der Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 1370/2007 gemäß der Definition in der Richtlinie 2004/18/EG vergeben werden. Der Weg zu den Nachprüfungsinstanzen ist damit gem. § 102 GWB in unmittelbarer Anwendung uneingeschränkt eröffnet.

Etwas anderes würde sich auch nicht für den Fall ergeben, dass es sich um eine Vergabe nach Art. 5 Abs. 2 bis 6 der VO (EG) 1370/2007 handelt. Zwar erfolgt im Falle des Art. 5 Abs. 1 S. 2 VO ein Rechtsschutz nach Maßgabe der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG (sowie der nationalen Umsetzungsgesetzgebung), während in den Fällen des Art. 5 Abs. 2 bis 6 VO der Rechtsschutz in Art. 5 Abs. 7 VO geregelt ist. Im letztgenannten Fall rechtfertigt sich die Zuständigkeit der Vergabekammer dann aber aus einer analogen Anwendung des § 102 GWB. Auf die Ausführungen des OLG Düsseldorf im Beschluss vom 02.03.2011, VII-Verg 48/10 wird diesbezüglich verwiesen.

Eine Ausnahmebestimmung des § 100 Abs. 2 GWB liegt nicht vor.

1.2 Antragsbefugnis

Die Antragstellerin ist antragsbefugt.

Gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.

Vorliegend hat die Antragstellerin durch die Rüge vom 25.02.2015, der Einreichung des Nachprüfungsantrages vom 17.03.2015 sowie des Antrags die durch die Antragsgegner vorgenommene Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben, da diese rechtsfehlerhaft erfolgt sei, ihr Interesse am strittigen Auftrag in ausreichender Weise dargelegt. Jedenfalls für ihren Hauptantrag auf Aufhebung der Aufhebung des Vergabeverfahrens ist sie damit antragsbefugt.

1.3 Formerfordernis

Der Nachprüfungsantrag vom 17.03.2015 genügt den Anforderungen an den § 108 Abs. 1 und 2 GWB.

1.4 Erfüllung der Rügeobliegenheit

§ 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB gibt vor, dass ein Nachprüfungsantrag unzulässig ist, wenn mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Diese Frist ist vorliegend im Hinblick auf die Bekanntmachung vom 07.03.2015 zu beachten, da auf diese unter Punkt VI. 4.2) hingewiesen wurde. Anders verhält es sich im Hinblick auf die Vorbekanntmachung vom 04.02.2015, da hier ein entsprechender Hinweis fehlt.

Unabhängig davon wurde die 15 Tagesfrist aber von der Antragstellerin eingehalten, da die Antragsgegner mit Schreiben vom 03.03.2015 den Rügen der Antragstellerin vom 25.02.20145, die diese aufgrund der Veröffentlichung der Vorbekanntmachung vom 04.02.2015 vortrug nicht abgeholfen haben, die Antragstellerin aber schon am 17.03.2015 den streitgegenständlichen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Südbayern einreichte.

Auch ist die Antragstellerin ihrer Rügeobliegenheit im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB fristgerecht nachgekommen. Die Antragsgegner veröffentlichten vorliegend am 04.02.2015 unter Punkt Il. 1. 3) in der Vorabbekanntmachung nach Art. 7 Absatz 2 der Verordnung 1370/2007 i. V. m. § 8 a Abs. 2 PBefG die Durchführung eines offenen Verfahrens für die Verkehrsleistungen der... Regionalbuslinien 27, 51,52, 56, 57, 58, 59, 420 und AST 420 sowie 459 mit Wirkung zum 01.01.2016 bis 30.04.2017 gemäߧ 3 EG Abs. 1 VOL/A vergeben zu wollen.

Die Antragstellerin wandte sich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB mit Schreiben vom 25.02.2015 gegen mehrere Vorgaben, die die Vorabbekanntmachung enthielt und ist damit ihrer Rügeverpflichtung fristgerecht nachgekommen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin diese Rügen nach Veröffentlichung der Bekanntmachung vom 07.03.2015 aus der die Vergabe der oben genannten Regionalbuslinien hervorging nicht nochmals wiederholte, ehe sie einen Nachprüfungsantrag einreichte.

Das Oberlandesgericht München entschied mit Beschluss vom 22.06.2011 - Az.:Verg 6/11 zwar, dass „eine reine Vorinformation grundsätzlich noch kein Beginn eines Ausschreibungsverfahrens ist, weil nur eine geplante Ausschreibung angekündigt wird (OLG München, B. v. 12.11.2010 - Az.: Verg 21/10)“. Es führt aber darüber hinaus weiter an, dass im dort zu entscheidenden Vergabenachprüfungsverfahren, in dem es um die Rechtmäßigkeit einer Direktvergabe ging, die Verordnung 1370/2007 die Veröffentlichung der Vergabe ein Jahr zuvor vorsieht, weshalb die europaweite Bekanntmachung als erster Schritt des Ausschreibungsverfahrens anzusehen und letztlich Teil der Vergabehandlung selbst (OLG Düsseldorf, B. v. 3.3.2011 - Az.: Verg 48/10) sei.

Die Vergabekammer Südbayern schließt sich dieser Sichtweise an. Hinsichtlich des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens bleibt infolgedessen festzustellen, dass die Antragstellerin die am 25.02.2015 vorgetragenen Rügen nach Bekanntgabe der Vergabe nicht nochmals wiederholen musste.

Darüber hinaus wandte sich die Antragstellerin auch gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB unverzüglich gegen die vorgenommene Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens, indem diese nach einer entsprechenden Mitteilung der Antragsgegner vom 28.04.2015 gegenüber diesen am selben Tag eine Rüge vorbrachte.

2. Begründetheit des Nachprüfungsantrags

a) Der Antrag auf Aufhebung der von den Antragsgegnern vorgenommenen Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens war abzulehnen.

Die Aufhebung des Vergabeverfahrens ist rechtmäßig nach § 20 EG Abs. 1 b) oder d) VOL/A erfolgt. Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung einer Aufhebungsentscheidung im Nachprüfungsverfahren ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Zumindest zu diesem Zeitpunkt war die Aufhebung von den Aufhebungsgründen des § 20 EG Abs. 1 b) oder d) VOL/A gedeckt.

Nach § 20 EG Abs. 1 b) VOL/A kann ein Vergabeverfahren ganz oder bei Vergabe nach Losen auch teilweise aufgehoben werden, wenn sich die Grundlagen des Vergabeverfahrens wesentlich geändert haben. Für eine wesentliche Änderung der Grundlagen ist eine derartige Änderung erforderlich, dass eine Auftragsvergabe auf der Grundlage der bisherigen Vergabeunterlagen für den Auftraggeber oder die Bieter unzumutbar geworden ist (OLG Düsseldorf, B. v. 03.01.2005 - Az.: VII - Verg 72/04; OLG München, B. v. 04.04.2013 - Az.: Verg 4/13)

Nach § 20 Abs. 1 d) VOL/A kann ein Vergabeverfahren aus einem sonstigen schwerwiegenden Grund aufgehoben werden, wenn Gründe vorliegen, die mit den Aufhebungsgründen des § 20 Abs. 1 a bis c) VOL/A vergleichbar sind und die die Durchführung des Verfahrens und die Vergabe des Auftrags selbst ausschließen. Im Einzelnen bedarf es für die Feststellung eines schwerwiegenden Grundes einer Interessenabwägung, für die die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls maßgeblich sind (BGH, B. v. 20.03.2014 - Az.: X ZB 18/13).

Nach Art. 9 Abs. 1 BayÖPNVG haben die Landkreise den kreisangehörigen Gemeinden oder deren Zusammenschlüssen durch Verordnung einzelne Aufgaben des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr auf deren Verlangen zu übertragen, wenn die Nahverkehrsbeziehungen im Wesentlichen auf das Gebiet einer Gemeinde oder eines Zusammenschlusses von Gemeinden beschränkt sind.

Die Stadt der G. hat mit Antrag vom 1. April 2015 an den Landkreis A. beantragt den „Stadtbusverkehr G.“ für das Gebiet der Stadt G. nach Art. 9 Abs. 1 BayÖPNVG auf diese zu übertragen.

Im Amtsblatt des Landkreises A. wurde am 3. Dezember 2015 die Verordnung zur Aufgabenübertragung nach Art. 9 Abs. 1 BayÖPNVG auf die Stadt G. vom 16.11.2015 bekannt gemacht. Die Verordnung ist am 1. Januar 2016 in Kraft getreten.

Der Landkreis A. hat der Stadt G. durch diese Verordnung die Zuständigkeit für die Planung, Organisation und Sicherstellung des allgemeinen Personennahverkehrs im Stadtgebiet G. übertragen.

Für die von der Übertragung betroffenen Linien wurden zusätzlich eine Vereinbarung und eine Zweckvereinbarung abgeschlossen (Bekanntmachung der Regierung von S.. vom 1. Dezember 2015; Gz.: 2.3621.1-1/201) Die Regierung von S.. hat die Verordnung und die Zweckvereinbarungen mit den dazugehörigen Anlagen mit Schreiben vom 20.11.2015 (Gz. : 2-3621. 1-1/201) gemäß Art. 12 Abs. 2 des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit (KommZG) genehmigt. Die Rechtsakte traten gemäß Art. 13 Abs. 4 KommZG ebenfalls zum 1.1.2016 in Kraft.

Die Antragstellerin hat die Übertragungsverordnung bis dato nicht gem. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO im Wege des Normenkontrollverfahrens angegriffen. Die Verordnung regelt - solange sie nicht aufgehoben wird - die Zuständigkeit der Antragsgegner bzgl. der Vergabe der streitgegenständlichen Linien. Da die Auftraggeber ihre Zuständigkeit für die Planung, Organisation und Sicherstellung des allgemeinen Personennahverkehrs im Stadtgebiet G. verloren haben, durften sie ein entsprechendes Vergabeverfahren rechtmäßig aufheben, da ihr entsprechender Beschaffungsbedarf entfallen war. Die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob die Übertragung rechtmäßig i. S. d. Art. 9 Abs. 1 BayÖPNVG erfolgt ist, spielt ungeachtet der ungeklärten rechtlichen Frage, ob die Vergabekammer im Nachprüfungsverfahren zu einer Inzidentkontrolle untergesetzlicher Rechtsnormen befugt wäre (siehe dazu Portz/St. in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht § 157 GWB Rn. 35), für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahren keine Rolle.

Da die Übertragung von Linien auf die Stadt G. den überwiegenden Teil des Linienbündels „L. Nord“ umfasst, haben sich die Grundlagen des Vergabeverfahrens wesentlich geändert. Die Antragsgegner haben die Zuständigkeit verloren, den streitgegenständlichen Auftrag zu erteilen. Der Verlust der Zuständigkeit, einen öffentlichen Auftrag zu erteilen, führt regelmäßig zur einer wesentlichen Änderung der Grundlagen eines Vergabeverfahren.

Für eine Aufhebung nach § 20 EG Abs. 1 b) VOL/A können nur Gründe angeführt werden, die dem Ausschreibenden nicht bereits vor Einleitung der Verfahrens bekannt waren. Erst nachträglich, das heißt nach Beginn der Vergabeverfahren bekannt gewordene Gründe berechtigen zur Aufhebung wegen der wesentlichen Änderung der Vergabeunterlagen (OLG Celle, B. v. 13.01.2011 - Az.: 13 Verg 15/10; OLG Düsseldorf, B. v. 26.06.2013 - Az.: VII-Verg 2/13).

Auch ein schwerwiegender Grund i. S. d. § 20 EG Abs. 1 d) VOL/A darf nicht vom Auftraggeber verursacht worden sein. Ein zur sanktionslosen Aufhebung der Ausschreibung Anlass gebendes Fehlverhalten der Vergabestelle kann danach schon deshalb nicht ohne weiteres genügen, weil diese es andernfalls in der Hand hätte, nach freier Entscheidung durch Verstöße gegen das Vergaberecht den bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bestehenden Bindungen zu entgehen. Das wäre mit Sinn und Zweck des Vergabeverfahrens nicht zu vereinbaren (OLG Frankfurt, B. v. 04.08.2015 - Az.: 11 Verg 4/15).

Vorliegend ist allerdings weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass die Antragsgegner die Bekanntmachung bereits in Kenntnis eines unmittelbar bevorstehenden Antrags der Stadt G. auf Übertragung der Zuständigkeit veröffentlicht hätten und damit Gründe angeführt hätten, die bereits vor Einleitung des Vergabeverfahrens bestanden haben.

Das Vergabeverfahren konnte demnach nach § 20 EG Abs. 1 b) oder d) VOL/A rechtmäßig aufgehoben werden.

b) Der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung, dass die Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens rechtswidrig gewesen ist, war ebenfalls zurückzuweisen, da die Aufhebung - wie oben gezeigt von den Aufhebungsgründen des § 20 EG Abs. 1 b) oder d) VOL/A gedeckt und damit rechtmäßig war.

Zudem ist für diesem Antrag bereits das Bestehen eines Feststellungsinteresses zweifelhaft, da offensichtlich weder eine Wiederholungsgefahr besteht noch der Antragstellerin durch die Aufhebung ein Schaden entstanden ist, da ein Angebot nicht abgegeben wurde.

c) Der hilfsweise gestellte Antrag festzustellen, dass die Antragsgegner verpflichtet waren, das Verfahren zur Vergabe der vertragsgegenständlichen Linienverkehre in einen rechtsfehlerfreien Stand zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen, war abzulehnen.

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 27.10.2016 (C‑292/15) entschieden, dass

1. Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates ist dahin auszulegen, dass bei der Vergabe eines Auftrags für den öffentlichen Personenverkehrsdienst mit Bussen Art. 4 Abs. 7 der Verordnung auf den Auftrag anwendbar bleibt.

2. Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1370/2007 ist dahin auszulegen, dass er einen öffentlichen Auftraggeber nicht daran hindert, einem Betreiber, der mit der Verwaltung und Erbringung eines öffentlichen Personenverkehrsdienstes mit Bussen wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden betraut ist, eine Selbsterbringungsquote von 70% aufzuerlegen.

Die Antragsgegner haben daher in den Vergabeunterlagen rechtmäßig eine Selbsterbringungsquote von 70% gefordert.

3. Kosten des Verfahrens

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 128 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 25.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und im Einzelfall auf 50.000 Euro erhöht werden kann. Im Einzelfall kann, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden.

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Sie wird vorliegend auf ... € festgesetzt.

Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft mit den festgesetzten Kosten verrechnet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten der Antragsgegner wird als notwendig angesehen.

Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragsgegner beruht auf § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG.

Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB von ihr nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte sind die Antragsgegner hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen.

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(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit 1. von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 de

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 97 Grundsätze der Vergabe


(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt. (2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 107 Allgemeine Ausnahmen


(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen 1. zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,2. für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem u

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 128 Auftragsausführung


(1) Unternehmen haben bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Regelunge

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 99 Öffentliche Auftraggeber


Öffentliche Auftraggeber sind 1. Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,2. andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewe

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 100 Sektorenauftraggeber


(1) Sektorenauftraggeber sind 1. öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben,2. natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben, wenn a) d

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 98 Auftraggeber


Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

Personenbeförderungsgesetz - PBefG | § 12 Antragstellung


(1) Der Antrag auf Erteilung der Genehmigung soll enthalten 1. in allen Fällen a) Namen sowie Wohn- und Betriebssitz des Antragstellers, bei natürlichen Personen außerdem Geburtstag und Geburtsort,b) Angaben darüber, ob der Antragsteller bereits eine

Personenbeförderungsgesetz - PBefG | § 42 Begriffsbestimmung Linienverkehr


Linienverkehr ist eine zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichtete regelmäßige Verkehrsverbindung, auf der Fahrgäste an bestimmten Haltestellen ein- und aussteigen können. Er setzt nicht voraus, daß ein Fahrplan mit bestimmten Abfahrts

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 2 Vergabe von Bauaufträgen


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Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 104 Verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge


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Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 102 Sektorentätigkeiten


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Personenbeförderungsgesetz - PBefG | § 25 Widerruf der Genehmigung


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Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sowie zur Ausrichtung von Wettbewerben zu regeln. Diese Ermächtigung umfasst die Bef

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 115 Anwendungsbereich


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Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 108 Ausnahmen bei öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit


(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, die von einem öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 an eine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts vergeben werden, wenn 1. der öf

Sektorenverordnung - SektVO 2016 | § 1 Anwendungsbereich


(1) Diese Verordnung trifft nähere Bestimmungen über das einzuhaltende Verfahren bei der dem Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterliegenden Vergabe von Aufträgen und die Ausrichtung von Wettbewerben zum Zwecke von Tätigkeiten auf

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nicht mehr alle Voraussetzungen des § 13 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 vorliegen,
2.
bei eigenwirtschaftlichen Verkehren die Betriebspflichten nachhaltig nicht erfüllt werden oder
3.
bei Verkehren nach § 8a Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 nach Feststellung der zuständigen Behörde kein wirksamer öffentlicher Dienstleistungsauftrag mehr besteht.
Die erforderliche Zuverlässigkeit des Unternehmers ist insbesondere nicht mehr gegeben, wenn in seinem Verkehrsunternehmen trotz schriftlicher Mahnung die der Verkehrssicherheit dienenden Vorschriften nicht befolgt werden oder den Verpflichtungen zuwidergehandelt wird, die dem Unternehmer nach diesem Gesetz oder nach den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften obliegen.

(2) Die Genehmigungsbehörde kann die Genehmigung widerrufen, wenn die Voraussetzungen des § 13 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 nicht mehr vorliegen oder der Unternehmer die ihm gesetzlich obliegenden arbeitsrechtlichen, sozialrechtlichen oder die sich aus seinem Unternehmen ergebenden steuerrechtlichen Verpflichtungen wiederholt nicht erfüllt oder in schwerwiegender Weise dagegen verstoßen hat.

(3) Auf Verlangen der Genehmigungsbehörde hat der Unternehmer den Nachweis zu führen, dass die Voraussetzungen des § 13 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen und die sonst in Absatz 2 bezeichneten Verpflichtungen erfüllt werden. Die Finanzbehörden dürfen den Genehmigungsbehörden Mitteilung über die wiederholte Nichterfüllung der sich aus dem Unternehmen ergebenden steuerrechtlichen Verpflichtungen oder die Abgabe der Vermögensauskunft nach § 284 der Abgabenordnung machen.

(3a) Soweit beim Verkehr mit Kraftomnibussen eine Genehmigung nicht nach Artikel 13 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 zu entziehen ist, hat die zuständige Behörde die Genehmigung zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung der Berufszulassung hätten führen müssen. Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 ist entsprechend anzuwenden. Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3a sind auf den Widerruf der Genehmigung für die Übertragung der Betriebsführung entsprechend anzuwenden.

Dieser Abschnitt ist anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und die Ausrichtung von Wettbewerben durch öffentliche Auftraggeber.

(1) Verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge sind öffentliche Aufträge, deren Auftragsgegenstand mindestens eine der folgenden Leistungen umfasst:

1.
die Lieferung von Militärausrüstung, einschließlich dazugehöriger Teile, Bauteile oder Bausätze,
2.
die Lieferung von Ausrüstung, die im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags vergeben wird, einschließlich der dazugehörigen Teile, Bauteile oder Bausätze,
3.
Liefer-, Bau- und Dienstleistungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der in den Nummern 1 und 2 genannten Ausrüstung in allen Phasen des Lebenszyklus der Ausrüstung oder
4.
Bau- und Dienstleistungen speziell für militärische Zwecke oder Bau- und Dienstleistungen, die im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags vergeben werden.

(2) Militärausrüstung ist jede Ausrüstung, die eigens zu militärischen Zwecken konzipiert oder für militärische Zwecke angepasst wird und zum Einsatz als Waffe, Munition oder Kriegsmaterial bestimmt ist.

(3) Ein Verschlusssachenauftrag im Sinne dieser Vorschrift ist ein Auftrag im speziellen Bereich der nicht-militärischen Sicherheit, der ähnliche Merkmale aufweist und ebenso schutzbedürftig ist wie ein Auftrag über die Lieferung von Militärausrüstung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder wie Bau- und Dienstleistungen speziell für militärische Zwecke im Sinne des Absatzes 1 Nummer 4, und

1.
bei dessen Erfüllung oder Erbringung Verschlusssachen nach § 4 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes oder nach den entsprechenden Bestimmungen der Länder verwendet werden oder
2.
der Verschlusssachen im Sinne der Nummer 1 erfordert oder beinhaltet.

Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

Öffentliche Auftraggeber sind

1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.

Für die Vergabe von Bauaufträgen sind Abschnitt 1 und Abschnitt 2, Unterabschnitt 2 anzuwenden. Im Übrigen ist Teil A Abschnitt 2 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 2019 (BAnz AT 19.02.2019 B2) anzuwenden.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sowie zur Ausrichtung von Wettbewerben zu regeln. Diese Ermächtigung umfasst die Befugnis zur Regelung von Anforderungen an den Auftragsgegenstand und an das Vergabeverfahren, insbesondere zur Regelung

1.
der Schätzung des Auftrags- oder Vertragswertes,
2.
der Leistungsbeschreibung, der Bekanntmachung, der Verfahrensarten und des Ablaufs des Vergabeverfahrens, der Nebenangebote, der Vergabe von Unteraufträgen sowie der Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen, die soziale und andere besondere Dienstleistungen betreffen,
3.
der besonderen Methoden und Instrumente in Vergabeverfahren und für Sammelbeschaffungen einschließlich der zentralen Beschaffung,
4.
des Sendens, Empfangens, Weiterleitens und Speicherns von Daten einschließlich der Regelungen zum Inkrafttreten der entsprechenden Verpflichtungen,
5.
der Auswahl und Prüfung der Unternehmen und Angebote sowie des Abschlusses des Vertrags,
6.
der Aufhebung des Vergabeverfahrens,
7.
der verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Anforderungen im Hinblick auf den Geheimschutz, auf die allgemeinen Regelungen zur Wahrung der Vertraulichkeit, auf die Versorgungssicherheit sowie auf die besonderen Regelungen für die Vergabe von Unteraufträgen,
8.
der Voraussetzungen, nach denen Sektorenauftraggeber, Konzessionsgeber oder Auftraggeber nach dem Bundesberggesetz von der Verpflichtung zur Anwendung dieses Teils befreit werden können, sowie des dabei anzuwendenden Verfahrens einschließlich der erforderlichen Ermittlungsbefugnisse des Bundeskartellamtes und der Einzelheiten der Kostenerhebung; Vollstreckungserleichterungen dürfen vorgesehen werden.
Die Rechtsverordnungen sind dem Bundestag zuzuleiten. Die Zuleitung erfolgt vor der Zuleitung an den Bundesrat. Die Rechtsverordnungen können durch Beschluss des Bundestages geändert oder abgelehnt werden. Der Beschluss des Bundestages wird der Bundesregierung zugeleitet. Hat sich der Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang der Rechtsverordnungen nicht mit ihnen befasst, so werden die unveränderten Rechtsverordnungen dem Bundesrat zugeleitet.

(1) Der Antrag auf Erteilung der Genehmigung soll enthalten

1.
in allen Fällen
a)
Namen sowie Wohn- und Betriebssitz des Antragstellers, bei natürlichen Personen außerdem Geburtstag und Geburtsort,
b)
Angaben darüber, ob der Antragsteller bereits eine Genehmigung für eine Verkehrsart besitzt oder besessen hat,
c)
eine Darstellung der Maßnahmen zur Erreichung des Ziels der vollständigen Barrierefreiheit des beantragten Verkehrs entsprechend den Aussagen im Nahverkehrsplan (§ 8 Absatz 3 Satz 3),
d)
Beginn und Ende der beantragten Geltungsdauer,
e)
gegebenenfalls den Nachweis über einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007;
2.
bei einem Straßenbahn- oder Obusverkehr
a)
eine Übersichtskarte, in der die beantragte Strecke mit Haltestellen und alle in dem Verkehrsgebiet bereits vorhandenen Schienenbahnen, Obuslinien, Kraftfahrzeuglinien und Schiffahrtslinien, letztere soweit sie dem Berufsverkehr dienen, eingezeichnet sind,
b)
Beförderungsentgelte und Fahrplan,
c)
auf Verlangen der Genehmigungsbehörde einen Bauplan mit Kostenanschlag sowie Beschreibung der Anlage, Angaben über die höchste und tiefste Lage des Fahrdrahts, Längs- und Querschnitte sowie Pläne für notwendige Änderungen an öffentlichen Straßen, Beschreibung der Fahrzeuge einschließlich der Schaltpläne und der Betriebsweise;
3.
bei einem Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen
a)
eine Übersichtskarte in der unter Nummer 2 Buchstabe a beschriebenen Form,
b)
die Länge der Linie, bei Unterwegsbedienung auch der Teilstrecken, in Kilometern,
c)
Angaben über die Zahl, die Art und das Fassungsvermögen (Sitz- und Stehplätze) der zu verwendenden Fahrzeuge,
d)
Beförderungsentgelte und Fahrplan;
3a.
bei einem Linienbedarfsverkehr mit Kraftfahrzeugen abweichend von Nummer 3
a)
eine Übersichtskarte, in der das beantragte Gebiet und alle in dem Gebiet bereits vorhandenen Verkehre entsprechend den Vorgaben in Nummer 2 Buchstabe a eingezeichnet sind,
b)
Angaben über die Anzahl, die Art und das Fassungsvermögen der zu verwendenden Fahrzeuge und
c)
Beförderungsentgelte und Bedienzeiten;
4.
bei einem Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen
a)
Verkehrsform des Gelegenheitsverkehrs (§ 46),
b)
Angaben über die Zahl, die Art und das Fassungsvermögen (Sitzplätze) der zu verwendenden Fahrzeuge,
c)
und ergänzend bei einem gebündelten Bedarfsverkehr eine Übersichtskarte, in der das Gebiet, in dem der Verkehr durchgeführt werden soll, eingezeichnet ist.
Bei einem Personenfernverkehr (§ 42a Satz 1) genügt abweichend von Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a eine Übersichtskarte, in der die beantragte Strecke mit Haltestellen eingezeichnet ist und abweichend von Satz 1 Nummer 3 Buchstabe d der Fahrplan. Der Antrag auf Erteilung der Genehmigung sowie die dafür notwendigen Dokumente können in elektronischer Form eingereicht werden.

(1a) Um bestimmte Standards des beantragten Verkehrs verbindlich zuzusichern, kann der Antragsteller dem Genehmigungsantrag weitere Bestandteile hinzufügen, die als verbindliche Zusicherungen zu bezeichnen sind.

(2) Dem Antrag sind Unterlagen beizufügen, die ein Urteil über die Zuverlässigkeit des Antragstellers und die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebs ermöglichen.

(3) Die Genehmigungsbehörde kann weitere Angaben und Unterlagen, insbesondere Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses, verlangen. Sie hat bei einem Antrag auf Erteilung der Genehmigung von Linien- oder Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen das Kraftfahrt-Bundesamt um Auskunft über den Antragsteller zu ersuchen. Bei einem Personenfernverkehr kann sie geeignete Unterlagen verlangen, aus denen sich ergibt, dass die zuständigen Stellen vor Ort den beantragten Haltestellen zugestimmt haben.

(4) Das Genehmigungsverfahren soll im Falle des § 3 Abs. 3 erst dann eingeleitet werden, wenn auch der Antrag auf Erteilung der Genehmigung für den Betrieb vorliegt. Die Verfahren sind nach Möglichkeit miteinander zu verbinden.

(5) Der Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für einen eigenwirtschaftlichen Verkehr mit Straßenbahnen, Obussen oder Kraftfahrzeugen im Linienverkehr ist spätestens zwölf Monate vor dem Beginn des beantragten Geltungszeitraums zu stellen. Die Genehmigungsbehörde kann verspätete Anträge zulassen, wenn kein genehmigungsfähiger Antrag gestellt worden ist. Die Genehmigungsbehörde kann andere Termine setzen. Sie muss hierauf in der Bekanntmachung nach § 18 hinweisen. Danach sind Ergänzungen und Änderungen von Anträgen nur dann zulässig, wenn sie von der Genehmigungsbehörde im öffentlichen Verkehrsinteresse angeregt worden sind.

(6) Beabsichtigt die zuständige Behörde die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages nach Artikel 5 Absatz 2 bis 4 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 oder nach dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, ist der Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für einen eigenwirtschaftlichen Verkehr mit Straßenbahnen, Obussen oder Kraftfahrzeugen im Linienverkehr spätestens drei Monate nach der Vorabbekanntmachung zu stellen. Die Genehmigungsbehörde kann im Einvernehmen mit dem Aufgabenträger verspätete Anträge zulassen. Das Einvernehmen des Aufgabenträgers nach Satz 2 gilt als erteilt, wenn der von dem Aufgabenträger beauftragte Verkehr den im Rahmen der Vorabbekanntmachung gesetzten Anforderungen nach § 8a Absatz 2 Satz 3 bis 5 nicht entspricht.

(7) Der Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für Verkehr mit Straßenbahnen, Obussen oder Kraftfahrzeugen im Linienverkehr im Sinne von § 8a Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 soll spätestens sechs Monate vor dem Beginn der beantragten Geltungsdauer gestellt werden. Die Genehmigungsbehörde kann auf Antrag die Frist verkürzen.

(8) Die Absätze 5 und 6 gelten nicht für den Personenfernverkehr (§ 42a Satz 1).

(1) Verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge sind öffentliche Aufträge, deren Auftragsgegenstand mindestens eine der folgenden Leistungen umfasst:

1.
die Lieferung von Militärausrüstung, einschließlich dazugehöriger Teile, Bauteile oder Bausätze,
2.
die Lieferung von Ausrüstung, die im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags vergeben wird, einschließlich der dazugehörigen Teile, Bauteile oder Bausätze,
3.
Liefer-, Bau- und Dienstleistungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der in den Nummern 1 und 2 genannten Ausrüstung in allen Phasen des Lebenszyklus der Ausrüstung oder
4.
Bau- und Dienstleistungen speziell für militärische Zwecke oder Bau- und Dienstleistungen, die im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags vergeben werden.

(2) Militärausrüstung ist jede Ausrüstung, die eigens zu militärischen Zwecken konzipiert oder für militärische Zwecke angepasst wird und zum Einsatz als Waffe, Munition oder Kriegsmaterial bestimmt ist.

(3) Ein Verschlusssachenauftrag im Sinne dieser Vorschrift ist ein Auftrag im speziellen Bereich der nicht-militärischen Sicherheit, der ähnliche Merkmale aufweist und ebenso schutzbedürftig ist wie ein Auftrag über die Lieferung von Militärausrüstung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder wie Bau- und Dienstleistungen speziell für militärische Zwecke im Sinne des Absatzes 1 Nummer 4, und

1.
bei dessen Erfüllung oder Erbringung Verschlusssachen nach § 4 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes oder nach den entsprechenden Bestimmungen der Länder verwendet werden oder
2.
der Verschlusssachen im Sinne der Nummer 1 erfordert oder beinhaltet.

Öffentliche Auftraggeber sind

1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.

Für die Vergabe von Bauaufträgen sind Abschnitt 1 und Abschnitt 2, Unterabschnitt 2 anzuwenden. Im Übrigen ist Teil A Abschnitt 2 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 2019 (BAnz AT 19.02.2019 B2) anzuwenden.

Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

(1) Diese Verordnung trifft nähere Bestimmungen über das einzuhaltende Verfahren bei der dem Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterliegenden Vergabe von Aufträgen und die Ausrichtung von Wettbewerben zum Zwecke von Tätigkeiten auf dem Gebiet der Trinkwasser- oder Energieversorgung oder des Verkehrs (Sektorentätigkeiten) durch Sektorenauftraggeber.

(2) Diese Verordnung ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen.

(3) Für die Beschaffung im Wege von Konzessionen im Sinne des § 105 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gilt die Verordnung über die Vergabe von Konzessionen.

(1) Sektorentätigkeiten im Bereich Wasser sind

1.
die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Gewinnung, der Fortleitung und der Abgabe von Trinkwasser,
2.
die Einspeisung von Trinkwasser in diese Netze.
Als Sektorentätigkeiten gelten auch Tätigkeiten nach Satz 1, die im Zusammenhang mit Wasserbau-, Bewässerungs- oder Entwässerungsvorhaben stehen, sofern die zur Trinkwasserversorgung bestimmte Wassermenge mehr als 20 Prozent der Gesamtwassermenge ausmacht, die mit den entsprechenden Vorhaben oder Bewässerungs- oder Entwässerungsanlagen zur Verfügung gestellt wird oder die im Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung oder -behandlung steht. Die Einspeisung von Trinkwasser in feste Netze zur Versorgung der Allgemeinheit durch einen Sektorenauftraggeber nach § 100 Absatz 1 Nummer 2 gilt nicht als Sektorentätigkeit, sofern die Erzeugung von Trinkwasser durch den betreffenden Auftraggeber erfolgt, weil dessen Verbrauch für die Ausübung einer Tätigkeit erforderlich ist, die keine Sektorentätigkeit nach den Absätzen 1 bis 4 ist, und die Einspeisung in das öffentliche Netz nur von dem Eigenverbrauch des betreffenden Auftraggebers abhängt und bei Zugrundelegung des Durchschnitts der letzten drei Jahre einschließlich des laufenden Jahres nicht mehr als 30 Prozent der gesamten Trinkwassererzeugung des betreffenden Auftraggebers ausmacht.

(2) Sektorentätigkeiten im Bereich Elektrizität sind

1.
die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Erzeugung, der Fortleitung und der Abgabe von Elektrizität,
2.
die Einspeisung von Elektrizität in diese Netze, es sei denn,
a)
die Elektrizität wird durch den Sektorenauftraggeber nach § 100 Absatz 1 Nummer 2 erzeugt, weil ihr Verbrauch für die Ausübung einer Tätigkeit erforderlich ist, die keine Sektorentätigkeit nach den Absätzen 1 bis 4 ist, und
b)
die Einspeisung hängt nur von dem Eigenverbrauch des Sektorenauftraggebers ab und macht bei Zugrundelegung des Durchschnitts der letzten drei Jahre einschließlich des laufenden Jahres nicht mehr als 30 Prozent der gesamten Energieerzeugung des Sektorenauftraggebers aus.

(3) Sektorentätigkeiten im Bereich von Gas und Wärme sind

1.
die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Erzeugung, der Fortleitung und der Abgabe von Gas und Wärme,
2.
die Einspeisung von Gas und Wärme in diese Netze, es sei denn,
a)
die Erzeugung von Gas oder Wärme durch den Sektorenauftraggeber nach § 100 Absatz 1 Nummer 2 ergibt sich zwangsläufig aus der Ausübung einer Tätigkeit, die keine Sektorentätigkeit nach den Absätzen 1 bis 4 ist, und
b)
die Einspeisung zielt nur darauf ab, diese Erzeugung wirtschaftlich zu nutzen und macht bei Zugrundelegung des Durchschnitts der letzten drei Jahre einschließlich des laufenden Jahres nicht mehr als 20 Prozent des Umsatzes des Sektorenauftraggebers aus.

(4) Sektorentätigkeiten im Bereich Verkehrsleistungen sind die Bereitstellung oder das Betreiben von Netzen zur Versorgung der Allgemeinheit mit Verkehrsleistungen per Eisenbahn, automatischen Systemen, Straßenbahn, Trolleybus, Bus oder Seilbahn; ein Netz gilt als vorhanden, wenn die Verkehrsleistung gemäß den von einer zuständigen Behörde festgelegten Bedingungen erbracht wird; dazu gehören die Festlegung der Strecken, die Transportkapazitäten und die Fahrpläne.

(5) Sektorentätigkeiten im Bereich Häfen und Flughäfen sind Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Nutzung eines geografisch abgegrenzten Gebiets mit dem Zweck, für Luft-, See- oder Binnenschifffahrtsverkehrsunternehmen Flughäfen, See- oder Binnenhäfen oder andere Terminaleinrichtungen bereitzustellen.

(6) Sektorentätigkeiten im Bereich fossiler Brennstoffe sind Tätigkeiten zur Nutzung eines geografisch abgegrenzten Gebiets zum Zweck

1.
der Förderung von Öl oder Gas oder
2.
der Exploration oder Förderung von Kohle oder anderen festen Brennstoffen.

(7) Für die Zwecke der Absätze 1 bis 3 umfasst der Begriff „Einspeisung“ die Erzeugung und Produktion sowie den Groß- und Einzelhandel. Die Erzeugung von Gas fällt unter Absatz 6.

(1) Sektorenauftraggeber sind

1.
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben,
2.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben, wenn
a)
diese Tätigkeit auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgeübt wird, die von einer zuständigen Behörde gewährt wurden, oder
b)
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3 auf diese Personen einzeln oder gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben können.

(2) Besondere oder ausschließliche Rechte im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a sind Rechte, die dazu führen, dass die Ausübung dieser Tätigkeit einem oder mehreren Unternehmen vorbehalten wird und dass die Möglichkeit anderer Unternehmen, diese Tätigkeit auszuüben, erheblich beeinträchtigt wird. Keine besonderen oder ausschließlichen Rechte in diesem Sinne sind Rechte, die aufgrund eines Verfahrens nach den Vorschriften dieses Teils oder aufgrund eines sonstigen Verfahrens gewährt wurden, das angemessen bekannt gemacht wurde und auf objektiven Kriterien beruht.

(3) Die Ausübung eines beherrschenden Einflusses im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b wird vermutet, wenn ein öffentlicher Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3

1.
unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt,
2.
über die Mehrheit der mit den Anteilen am Unternehmen verbundenen Stimmrechte verfügt oder
3.
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, die von einem öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 an eine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts vergeben werden, wenn

1.
der öffentliche Auftraggeber über die juristische Person eine ähnliche Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt,
2.
mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten der juristischen Person der Ausführung von Aufgaben dienen, mit denen sie von dem öffentlichen Auftraggeber oder von einer anderen juristischen Person, die von diesem kontrolliert wird, betraut wurde, und
3.
an der juristischen Person keine direkte private Kapitalbeteiligung besteht, mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung und Formen der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität, die durch gesetzliche Bestimmungen vorgeschrieben sind und die keinen maßgeblichen Einfluss auf die kontrollierte juristische Person vermitteln.

(2) Die Ausübung einer Kontrolle im Sinne von Absatz 1 Nummer 1 wird vermutet, wenn der öffentliche Auftraggeber einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen der juristischen Person ausübt. Die Kontrolle kann auch durch eine andere juristische Person ausgeübt werden, die von dem öffentlichen Auftraggeber auf gleiche Weise kontrolliert wird.

(3) Absatz 1 gilt auch für die Vergabe öffentlicher Aufträge, die von einer kontrollierten juristischen Person, die zugleich öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 ist, an den kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber oder an eine von diesem öffentlichen Auftraggeber kontrollierte andere juristische Person vergeben werden. Voraussetzung ist, dass keine direkte private Kapitalbeteiligung an der juristischen Person besteht, die den öffentlichen Auftrag erhalten soll. Absatz 1 Nummer 3 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(4) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, bei denen der öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 über eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts zwar keine Kontrolle im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 ausübt, aber

1.
der öffentliche Auftraggeber gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern über die juristische Person eine ähnliche Kontrolle ausübt wie jeder der öffentlichen Auftraggeber über seine eigenen Dienststellen,
2.
mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten der juristischen Person der Ausführung von Aufgaben dienen, mit denen sie von den öffentlichen Auftraggebern oder von einer anderen juristischen Person, die von diesen Auftraggebern kontrolliert wird, betraut wurde, und
3.
an der juristischen Person keine direkte private Kapitalbeteiligung besteht; Absatz 1 Nummer 3 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(5) Eine gemeinsame Kontrolle im Sinne von Absatz 4 Nummer 1 besteht, wenn

1.
sich die beschlussfassenden Organe der juristischen Person aus Vertretern sämtlicher teilnehmender öffentlicher Auftraggeber zusammensetzen; ein einzelner Vertreter kann mehrere oder alle teilnehmenden öffentlichen Auftraggeber vertreten,
2.
die öffentlichen Auftraggeber gemeinsam einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen der juristischen Person ausüben können und
3.
die juristische Person keine Interessen verfolgt, die den Interessen der öffentlichen Auftraggeber zuwiderlaufen.

(6) Dieser Teil ist ferner nicht anzuwenden auf Verträge, die zwischen zwei oder mehreren öffentlichen Auftraggebern im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 geschlossen werden, wenn

1.
der Vertrag eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern begründet oder erfüllt, um sicherzustellen, dass die von ihnen zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden,
2.
die Durchführung der Zusammenarbeit nach Nummer 1 ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt wird und
3.
die öffentlichen Auftraggeber auf dem Markt weniger als 20 Prozent der Tätigkeiten erbringen, die durch die Zusammenarbeit nach Nummer 1 erfasst sind.

(7) Zur Bestimmung des prozentualen Anteils nach Absatz 1 Nummer 2, Absatz 4 Nummer 2 und Absatz 6 Nummer 3 wird der durchschnittliche Gesamtumsatz der letzten drei Jahre vor Vergabe des öffentlichen Auftrags oder ein anderer geeigneter tätigkeitsgestützter Wert herangezogen. Ein geeigneter tätigkeitsgestützter Wert sind zum Beispiel die Kosten, die der juristischen Person oder dem öffentlichen Auftraggeber in dieser Zeit in Bezug auf Liefer-, Bau- und Dienstleistungen entstanden sind. Liegen für die letzten drei Jahre keine Angaben über den Umsatz oder einen geeigneten alternativen tätigkeitsgestützten Wert wie zum Beispiel Kosten vor oder sind sie nicht aussagekräftig, genügt es, wenn der tätigkeitsgestützte Wert insbesondere durch Prognosen über die Geschäftsentwicklung glaubhaft gemacht wird.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten entsprechend für Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 Absatz 1 Nummer 1 hinsichtlich der Vergabe von öffentlichen Aufträgen sowie für Konzessionsgeber im Sinne des § 101 Absatz 1 Nummer 1 und 2 hinsichtlich der Vergabe von Konzessionen.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 18/13
vom
20. März 2014
in dem Vergabenachprüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Fahrbahnerneuerung
Die Divergenzvorlage kann nur in denselben Grenzen auf Ausschnitte des Beschwerdeverfahrens
beschränkt werden, in denen im Zivilprozess Teilurteile
zulässig sind und die Zulassung der Revision wirksam beschränkt werden kann.
Bei der Vergabe von Bau- bzw. Instandsetzungsarbeiten an einer Bundesautobahn
ist als öffentlicher Auftraggeber und Antragsgegner im vergaberechtlichen
Nachprüfungsverfahren das jeweils betroffene Land anzusehen, nicht die
Bundesrepublik Deutschland.
VOB/A § 17 Abs. 1 Nr. 3, § 17 EG Abs. 1 Nr. 3; VOL/A § 17 Abs. 1 Buchst. d,
§ 20 EG Abs. 1 Buchst. d
Ob ein anderer schwerwiegender Grund vorliegt, der zur Aufhebung des
Vergabeverfahrens berechtigt, ist aufgrund einer umfassenden, alle für die Aufhebungsentscheidung
maßgeblichen Umstände berücksichtigenden Interessenabwägung
zu entscheiden (Weiterführung von BGH, Urteil vom 12. Juni
2001 - X ZR 150/99, NZBau 2001, 637).
BGH, Beschluss vom 20. März 2014 - X ZB 18/13 - OLG Karlsruhe
Vergabekammer BadenWürttemberg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. März 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter Gröning, die Richterin
Schuster, den Richter Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Der Beschluss des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 4. Dezember 2013 wird im Ausspruch zu 1 aufgehoben. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Baden-Württemberg vom 26. August 2013 wird zurückgewiesen , soweit die Antragstellerin begehrt, die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist, dass die Vergabestelle das Vergabeverfahren infolge der Verwendung einer missverständlichen Leistungsbeschreibung aufgehoben hat. Von den Kosten beider Instanzen des Nachprüfungsverfahrens haben die Antragstellerin ¾ und der Antragsgegner ¼ zu tragen. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 410.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Das vorliegende Nachprüfungsverfahren bezieht sich auf die unionsweite Ausschreibung von Straßenbau-, insbesondere Fahrbahnerneuerungsarbeiten im Bereich des Autobahnkreuzes Heidelberg der Bundesautobahn A 5, an der sich sieben Bieter beteiligten.
2
1. Bei Prüfung und Wertung der Angebote traten unterschiedliche Vorstellungen der Beteiligten darüber zutage, wie die Vergabeunterlagen hinsichtlich der Ausführung der Fahrbahndecke zu verstehen waren. Während andere Anbieter einen über die gesamte Fahrbahnbreite einstreifigen Einbau der geforderten Betondeckenabschnitte anboten, sah das Angebot der Antragstellerin , welches das günstigste war, eine Ausführung in zwei Streifen vor. Die Vergabestelle sah darin eine unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen und schloss das Angebot aus. In dem daraufhin von der Antragstellerin angestrengten Nachprüfungsverfahren wurde darum gestritten, ob in den Vergabeunterlagen mit der gebotenen Eindeutigkeit eine einstreifige Ausführung vorgegeben war. Die Vergabekammer verneinte dies und verpflichtete die Vergabestelle , das Angebot der Antragstellerin in die Wertung einzubeziehen. Diese Entscheidung ist bestandskräftig geworden.
3
2. In der Folge hob die Vergabestelle das Vergabeverfahren auf und verband dies mit der Ankündigung, ein neues Verfahren einzuleiten. Sie begründete ihre Entscheidung damit, der Einbau einer einstreifigen Fahrbahndecke biete erhebliche qualitative Vorteile, wobei bei Beauftragung der Antragstellerin und einer nachfolgenden Änderungsanordnung nach § 1 Abs. 3 VOB/B Mehrkosten entstünden, die, wenn sie im aufgehobenen Vergabeverfahren berücksichtigt worden wären, möglicherweise zu einer Änderung der Bieterreihen- folge geführt hätten, zumal die teureren Mitbewerber, wenn sie das Leistungsverzeichnis so verstanden hätten wie die Antragstellerin, im Zusammenhang mit der dann besseren Erreichbarkeit der Brückenbauwerke wesentliche Kostenvorteile hätten berücksichtigen können.
4
Dagegen hat sich die Antragstellerin mit einem weiteren Nachprüfungsantrag gewandt und beantragt, die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben , hilfsweise, festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war und sie in ihren Rechten verletzt hat.
5
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.
6
3. Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat die sofortige Beschwerde im Umfang des auf Aufhebung der Aufhebung des Vergabeverfahrens gerichteten Hauptantrags zurückgewiesen. Im Übrigen hat er die Sache dem Bundesgerichtshof "zur Entscheidung hinsichtlich folgender Frage vorgelegt: Setzt ein sonstiger schwerwiegender Grund im Sinne von § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A uneingeschränkt voraus, dass der Auftraggeber diesen Grund nicht selbst verschuldet hat?".
7
II. Die Vorlage ist zulässig.
8
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine zulässige Divergenzvorlage nach § 124 Abs. 2 GWB grundsätzlich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Vergabesenat voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Februar 2003 - X ZB 12/02, BGHZ 154, 96). Dass der Vergabesenat vorliegend so verfahren ist, ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss zwar nicht. Darin werden entgegen den entsprechend anzuwendenden Be- stimmungen in § 313 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ZPO120 Abs. 2 i.V.m. § 73 GWB, vgl. dazu K. Schmidt in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB, 4. Aufl., § 73 Rn. 5) weder die Namen der Richter mitgeteilt, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, noch der Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist. Auch einen Verkündungsvermerk (§ 315 Abs. 3 ZPO entsprechend) weist der Beschluss nicht auf; auf seinem Deckblatt findet sich lediglich seitlich neben dem großen Wappen des Landes Baden-Württemberg isoliert die Datumsangabe "4. Dezember 2013". Den Verfahrensakten lässt sich jedoch entnehmen, dass am 15. November 2013 eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, an der die Richter teilgenommen haben, die den Vorlagebeschluss unterzeichnet haben, und dass eine Entscheidung nach einer Verlegung des am Schluss der Sitzung vom 15. November 2013 beschlossenen Verkündungstermins am 4. Dezember 2013 verkündet worden ist. Es ist mit noch hinreichender Sicherheit anzunehmen, dass es sich dabei um den Vorlagebeschluss handelt.
9
2. Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB für eine Divergenzvorlage liegen vor.
10
a) Eine Divergenzvorlage erfolgt nach ständiger Rechtsprechung, wenn das vorlegende Oberlandesgericht seiner Entscheidung als tragende Begründung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der sich mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts tragenden Rechtssatz nicht in Einklang bringen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - X ZB 4/10, BGHZ 188, 200 - S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr). So verhält es sich hier. Der vorlegende Vergabesenat meint, dass der von der Antragstellerin in erster Linie verfolgte Antrag, die Aufhebungsentscheidung der Vergabestelle aufzuheben, unbegründet sei, weil die Vergabestelle auf der Grundlage von § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A berechtigt gewesen sei, das Vergabeverfahren aufzuheben, und möchte aus dem gleichen Grund auch den Feststellungsantrag zurückweisen.
Damit würde das Beschwerdegericht sich in Widerspruch zur Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf setzen. Dieses vertritt die Rechtsauffassung , dass die Aufhebung einer Ausschreibung die Rechte des Bieters aus § 97 Abs. 7 GWB verletze, wenn die vom öffentlichen Auftraggeber vorgebrachten Aufhebungsgründe im Sinne des vergleichbaren § 26 Nr. 1 VOL/A aF ihm als Verschulden oder Obliegenheitsverletzung zuzurechnen seien. Das sei der Fall, wenn der Auftraggeber die Aufhebung damit begründe, das Leistungsverzeichnis sei von den Bietern nicht zweifelsfrei in dem vom Auftraggeber gemeinten Sinne zu verstehen gewesen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Februar 2005 - Verg 72/04, bei juris).
11
b) Dem Bundesgerichtshof ist mit dem Vorlagebeschluss nicht nur der Hilfsantrag oder gar nur die vom Vergabesenat vorformulierte Frage zur Entscheidung angefallen, sondern der gesamte Streitstoff des Beschwerdeverfahrens. Diese Rechtsfolge ist im Interesse der Rechtssicherheit und Klarheit zweckmäßigerweise durch Aufhebung des Tenors zu 1 des Vorlagebeschlusses zum Ausdruck zu bringen, auch wenn, worauf zurückzukommen sein wird, die diesbezügliche Entscheidung des Vergabesenats im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden ist (unten III).
12
aa) Soweit der Vergabesenat den Hauptantrag der sofortigen Beschwerde abschließend beschieden und dem Bundesgerichtshof nur die erwähnte Frage zur Beantwortung vorgelegt hat (oben I 3), hat er nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Bundesgerichtshof bei einer zulässigen Divergenzvorlage grundsätzlich über die sofortige Beschwerde zu entscheiden hat. Dies ergibt sich aus § 124 Abs. 2 Satz 2 GWB, wonach der Bundesgerichtshof "anstelle" des Oberlandesgerichts entscheidet (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2000 - X ZB 14/00, BGHZ 146, 202, 205). Das Gesetz sieht lediglich in der seit dem 24. April 2009 geltenden Fassung vor, dass der Bundesgerichtshof sich auf die Entscheidung der Divergenzfrage beschränken und dem Beschwerdegericht die Entscheidung in der Hauptsache übertragen kann, wenn dies nach dem Sach- und Streitstand angezeigt erscheint. Daraus folgt aber nicht im Gegenschluss, dass das Beschwerdegericht den Bundesgerichtshof verpflichten könnte, sich auf die Beantwortung einer vorformulierten Frage zu beschränken.
13
bb) Die Beschränkung der Divergenzvorlage auf den Hilfsantrag ist in entsprechender Anwendung der für die Zulässigkeit von Teilurteilen und die wirksame Beschränkung der Revisionszulassung geltenden höchstrichterlichen Grundsätze unzulässig.
14
(1) Grundsätzlich ist es dem Gericht in einem bürgerlichen Rechtsstreit zwar, wenn der Kläger einen Haupt- und einen Hilfsantrag gestellt hat, unbenommen, Ersteren durch Teilurteil abzuweisen und die Entscheidung über den Letzteren zurückzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1992 - III ZR 28/90, NJW 1992, 2080 mwN). Das gilt naturgemäß aber nur dann, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen ein Teilurteil überhaupt ergehen kann. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist dies nur der Fall, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist. Diese Gefahr wird namentlich auch dadurch begründet, dass in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Sie muss nicht notwendigerweise den Entscheidungstenor betreffen. Es reicht aus, wenn die Gefahr der widersprüchlichen Bewertung von Streitstoff entsteht, die als solche weder in Rechtskraft erwächst noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren bindet (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 13).
15
(2) Bei entsprechender Anwendung dieser Grundsätze verbot sich eine Entscheidung des Vergabesenats über den mit der sofortigen Beschwerde in erster Linie weiterverfolgten Antrag und eine Vorlage nur des Hilfsantrags an den Bundesgerichtshof. Damit geht die Gefahr einer widersprüchlichen rechtlichen Bewertung der Entscheidung der Vergabestelle einher, das Vergabeverfahren aufzuheben. Denn der Vergabesenat begründet seine die Beschwerde hinsichtlich des Hauptantrags zurückweisende Entscheidung - worauf im Einzelnen zurückzukommen sein wird (unten III) - unter anderem damit, dass ein die Vergabestelle nach § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A zur Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigender anderer schwerwiegender Grund vorgelegen habe. Danach wäre ein Schadensersatzanspruch der Antragstellerin von vornherein ausgeschlossen, weil der Auftraggeber in einem solchen Fall bei Aufhebung des Verfahrens nicht rechtswidrig gehandelt hätte (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 99/96, BGHZ 139, 280, 283; vgl. dazu auch Wagner in: Heuvels/Höß/Kuß/Wagner, Vergaberecht, § 17 VOB/A Rn. 8 mwN). Der prozessuale Sinn und Zweck des Hilfsantrags der Antragstellerin besteht vor dem Hintergrund der Regelung in § 124 Abs. 1 GWB aber darin, die gerichtliche Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs vorzubereiten. Hätte der die Bescheidung des Beschwerdehauptantrags betreffende Teil des Beschlusses des Vergabesenats vom 4. Dezember 2013 Bestand und gäbe der Bundesgerichtshof dem Hilfsantrag statt, hätte das zur Folge, dass hinsichtlich derselben entscheidungserheblichen Frage, ob der Umstand, dass die Vergabeunterlagen hinsichtlich der Ausführung der Fahrbahndeckenabschnitte mehrdeutig sind, zur Aufhebung des Vergabeverfahrens nach § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A berechtigte , widerstreitende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs auf der einen und des Vergabesenats auf der anderen Seite vorlägen. Nach der Entscheidung des Vergabesenats stünde fest, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens vergaberechtlich nicht zu beanstanden ist, weshalb die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt sein könnte, während eine dem Hilfsantrag statt- gebende Entscheidung voraussetzte, dass eine Rechtsverletzung vorliegt. Um dies zu vermeiden muss über Haupt- und Hilfsantrag einheitlich entschieden werden.
16
(3) Der Erstreckung der Divergenzvorlage auf den gesamten Streitstoff des Beschwerdeverfahrens stehen auch Rechtskraftsgesichtspunkte nicht entgegen. Die Beschlüsse der Vergabesenate werden als prinzipiell letztinstanzliche Entscheidungen zwar grundsätzlich mit ihrem Wirksamwerden rechtskräftig. Ebenso wenig, wie im Zivilprozess eine unzulässige Beschränkung der Revisionszulassung dazu führt, dass der von der Zulassung ausgenommene Teil in Rechtskraft erwächst, sondern in einem solchen Fall von einer unbeschränkten Zulassung auszugehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, ZIP 2003, 1240), wird auch über den in unzulässiger Weise von der Divergenzvorlage ausgenommenen Teil nicht rechtskräftig entschieden. Unzulässig ist die beschränkte Revisionszulassung, wenn der damit ins Auge gefasste Teil des Streitstoffs nicht in dem Sinne selbständig ist, dass er in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig vom übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs entstehen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5), also im Wesentlichen unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen der Erlass eines Teilurteils unzulässig ist. So verhält es sich hier; auf die vorstehenden Ausführungen dazu wird Bezug genommen.
III. Den mit der sofortigen Beschwerde in erster Linie weiterverfolgten
17
Antrag, die Aufhebungsentscheidung der Vergabestelle zu kassieren, hat der Vergabesenat in der Sache im Ergebnis zu Recht für unbegründet erachtet.
18
1. Die Vergabe von Bau- bzw. Instandsetzungsarbeiten an einer Bundesautobahn, auf die sich das vorliegende Nachprüfungsverfahren bezieht, ist ein Gegenstand der Auftragsverwaltung nach Art. 85 ff. GG. Diese ist eine Form der Landesverwaltung, bei der die Länder Landesstaatsgewalt ausüben und ihre Behörden als Landesorgane handeln, wobei dieses Handeln und die Verantwortlichkeit nach außen, im Verhältnis zu Dritten, stets Landesangelegenheit bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1990 - 2 BvG 1/88, NVwZ 1990, 955, 957). Als öffentlicher Auftraggeber und Antragsgegner im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren ist dementsprechend das jeweils betroffene Land anzusehen und nicht die Bundesrepublik Deutschland (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 2003 - 4 C 9/02, NVwZ-RR 2004, 84 f.; OLG Celle, Beschluss vom 6. Juni 2011 - 13 Verg 2/11, VergabeR 2011, 783 ff.; Müller in: Byok/ Jaeger, Komm. zum Vergaberecht, 3. Aufl., § 106a GWB Rn. 13). Dementsprechend fällt die Vergabenachprüfung in diesen Fällen auch in die Zuständigkeit der Vergabekammern der Länder (§ 106a Abs. 2 Satz 1 GWB).
19
Die infolge missverständlicher Formulierungen im Rubrum des Nachprüfungsantrags und der sofortigen Beschwerdeschrift möglichen Zweifel daran, dass der Nachprüfungsantrag und die sofortige Beschwerde sich gegen das betroffene Land richten, hat die Antragstellerin auf den Hinweis des Senats durch Berichtigung des Passivrubrums, der das Land nicht entgegengetreten ist, ausgeräumt.
20
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Bieter die Aufhebung des Vergabeverfahrens, von engen, hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen, nicht nur dann hinnehmen, wenn sie von einem der in den einschlägigen Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnungen (§ 17 Abs. 1, § 17 EG Abs. 1 VOB/A; § 17 Abs. 1, § 20 EG Abs. 1 VOL/A) aufgeführten Gründe gedeckt und deshalb von vornherein rechtmäßig ist. Aus den genannten Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnungen folgt nicht im Gegenschluss, dass ein öffentlicher Auftraggeber gezwungen wäre, ein Vergabeverfahren mit der Zuschlagserteilung abzuschließen, wenn keiner der zur Aufhebung berechtigenden Tatbestände erfüllt ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2002 - X ZR 232/00, VergabeR 2003, 163). Vielmehr bleibt es der Vergabestelle grundsätzlich unbenommen, von einem Beschaffungsvorhaben auch dann Abstand zu nehmen, wenn dafür kein in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt. Dies folgt daraus, dass die Bieter zwar einen Anspruch darauf haben, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält (§ 97 Abs. 7 GWB), aber nicht darauf , dass er den Auftrag auch erteilt und demgemäß die Vergabestelle das Vergabeverfahren mit der Erteilung des Zuschlags abschließt (vgl. BGH, VergabeR 2003, 163).
21
Während eine von den Vergabe- und Vertragsordnungen gedeckte und somit rechtmäßige Aufhebung zur Folge hat, dass die Aufhebung keine Schadensersatzansprüche wegen eines fehlerhaften Vergabeverfahrens begründet, kann der Bieter im Falle einer nicht unter die einschlägigen Tatbestände fallenden Aufhebung auf die Feststellung antragen, dass er durch das Verfahren in seinen Rechten verletzt ist (§ 114 Abs. 2 Satz 2 GWB entsprechend; § 123 Satz 3, 4 GWB). Ein Schadensersatzanspruch beschränkt sich in solchen Fällen allerdings regelmäßig auf die Erstattung des negativen Interesses (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - X ZR 143/10, BGHZ 190, 89 Rn. 16 - Rettungsdienstleistungen II; Scharen in Kompaktkommentar Vergaberecht, 3. Aufl., 13. Los Rn. 54). Weitergehende Ansprüche, wie ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung des positiven Interesses oder - zur Vermeidung eines entsprechenden Schadenseintritts - ein Anspruch auf Weiterführung des Vergabeverfahrens, können unter besonderen Voraussetzungen zwar in Betracht kommen, etwa dann, wenn der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit, ein Vergabeverfahren aufzuheben, in rechtlich zu missbilligender Weise dazu einsetzt, durch die Auf- hebung die formalen Voraussetzungen dafür zu schaffen, den Auftrag außerhalb des eingeleiteten Vergabeverfahrens an einen bestimmten Bieter oder unter anderen Voraussetzungen bzw. in einem anderen Bieterkreis vergeben zu können. Nach den vom Vergabesenat rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen liegt ein solcher Ausnahmetatbestand hier aber nicht vor. Die Vergabestelle will den Auftrag zwar umgehend erneut vergeben, aber nicht unter manipulativen Umständen, sondern in einem offenen, auch der Antragstellerin erneut eröffneten Wettbewerb.
22
Der Vergabesenat hat auch mit zutreffenden Erwägungen, denen der Senat beitritt, eine vergaberechtswidrige Diskriminierung der Antragstellerin ausgeschlossen. Die Vergabestelle ist nicht aus Wettbewerbsgründen verpflichtet , eine zweistreifige Ausführung abzunehmen. Ob das Gewicht der mit dieser Ausführungsvariante verbundenen Nachteile anders bewertet werden kann, als es der Einschätzung der Vergabestelle entspricht, ist unerheblich, solange es sich dabei nicht um Argumente handelt, die lediglich zu dem Zweck vorgeschoben sind, eine bestimmte Ausführung als vorzugswürdig darzustellen, um die wirklich hinter der Entscheidung stehenden Gründe zu verdecken. Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.
IV. In der den Hilfsantrag betreffenden Divergenzfrage kann der vom
23
Beschwerdegericht befürworteten Sichtweise nicht beigetreten werden. Der Hilfsantrag ist begründet, da die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist.
24
1. Die Antragstellerin möchte mit dem Antrag, wie seine Auslegung ergibt, festgestellt wissen, dass die Aufhebung nicht von einem der in § 17 EG Abs. 1 VOB/A genannten Gründe, namentlich nicht von § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A, gedeckt und deshalb rechtswidrig war. Für die Frage, ob die Vergabestelle nach dieser Bestimmung berechtigt war, das Vergabeverfahren aufzuhe- ben oder ob die Aufhebung einen Bieter in seinen Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt, sind nach dem zu III dargestellten Zweck der Bestimmung die gesamten Umstände, die für die Aufhebungsentscheidung erheblich waren, zu berücksichtigen. Dazu gehören im Streitfall vor allem auch die Mängel der Ausschreibung , die zum ersten Nachprüfungsverfahren geführt haben. Nach den von der Vergabekammer dort getroffenen, in entsprechender Anwendung von § 124 Abs. 1 GWB bindenden Feststellungen war die Leistung in einer Weise beschrieben, dass darunter auch eine zweistreifige Ausführung verstanden werden konnte. Danach hatte die Antragstellerin ein wertungsfähiges Angebot abgegeben. Die Vergabestelle hat das Vergabeverfahren im Anschluss an diese Entscheidung der Vergabekammer aufgehoben, um zu vermeiden, auf dieses zwar den Vergabeunterlagen, aber nicht ihren Vorstellungen von der Ausführung entsprechende Angebot den Zuschlag erteilen zu müssen. Die Aufhebungsentscheidung stellt somit eine Maßnahme zur Korrektur eines eigenen vergaberechtlichen Fehlers dar.
25
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bei der Prüfung eines zur Aufhebung berechtigenden schwerwiegenden Grundes strenge Maßstäbe anzulegen. Ein zur Aufhebung der Ausschreibung Anlass gebendes Fehlverhalten der Vergabestelle kann danach schon deshalb nicht ohne weiteres genügen, weil diese es andernfalls in der Hand hätte, nach freier Entscheidung durch Verstöße gegen das Vergaberecht den bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bestehenden Bindungen zu entgehen. Das wäre mit Sinn und Zweck des Vergabeverfahrens nicht zu vereinbaren. Berücksichtigungsfähig sind grundsätzlich nur Mängel, die die Durchführung des Verfahrens und die Vergabe des Auftrags selbst ausschließen, wie etwa das Fehlen der Bereitstellung öffentlicher Mittel durch den Haushaltsgesetzgeber. Im Einzelnen bedarf es für die Feststellung eines schwerwiegenden Grundes einer Interessenabwä- gung, für die die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls maßgeblich sind (BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - X ZR 150/99, NZBau 2001, 637).
26
3. Der Vergabesenat berücksichtigt bei seiner Interessenabwägung die eigentliche Ursache für die Aufhebung (vorstehend III) nicht hinreichend. Sein Befund, ohne die Aufhebung könne dem Grundsatz eines gesunden und transparenten Wettbewerbs nicht mehr Genüge geleistet werden, nachdem es an einer konkreten, eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung der nachgefragten Leistung fehle und das Ergebnis des Wettbewerbs unter Umständen anders zu bewerten wäre, wenn die übrigen Bieter die Vergabeunterlagen so verstanden hätten wie die Antragstellerin (oben I 2), wird dem gesamten Geschehen nur bei vordergründiger Betrachtung gerecht. Er berücksichtigt nicht angemessen, dass dieses Ergebnis Folge der missverständlichen Abfassung der Vergabeunterlagen durch die Vergabestelle ist und die Verneinung eines schwerwiegenden Grundes zur Aufhebung der Ausschreibung die Frage nicht präjudiziert, ob und inwieweit das Vergabeverfahren fortgesetzt werden durfte. Die beteiligten Interessen wären im Streitfall nicht angemessen berücksichtigt, wenn der Verursacher von den Folgen seines eigenen Handelns freigestellt und diese den Bietern aufgebürdet würden. Dies gilt, wie der Vergabesenat zutreffend erwägt, unabhängig von Fragen des Verschuldens. Das auf § 114 Abs. 2 Satz 2, letzter Halbs., § 123 Satz 3 GWB gestützte Feststellungsbegehren betrifft lediglich die Frage der Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen. An deren Beurteilung durch die Nachprüfungsinstanzen soll das ordentliche Gericht im Schadensersatzprozess nach § 124 Abs. 1 GWB im prozessökonomischen Interesse an einer arbeitsteiligen Verwertung der im Nachprüfungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse gebunden sein (vgl. Beck'scher VOB/A-Komm./ Gröning, 1. Aufl., § 124 GWB Rn. 2 f.). Alle weiteren mit der Frage zusammenhängenden Gesichtspunkte, ob hierdurch das von § 241 Abs. 2 BGB geschützte Interesse der Bieter daran verletzt ist, dass der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren so anlegt und durchführt, dass der mit der Angebotserstellung verbundene Aufwand nicht von vornherein unnütz ist (vgl. BGHZ 190, 89 Rn. 12 - Rettungsdienstleistungen II), betreffen die schadensrechtliche Auseinandersetzung und sind dementsprechend gegebenenfalls im Schadensersatzprozess zu klären.
27
Unergiebig für den Standpunkt des Beschwerdegerichts ist auch die von ihm angeführte Passage im Urteil des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 11. Mai 2009 (VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47) zu den Möglichkeiten des Auftraggebers , ein Vergabeverfahren aufzuheben, wenn sich infolge der Verzögerung der Vergabe durch ein Nachprüfungsverfahren die Preise gravierend erhöht haben. Diese Ausführungen stellen zum einen nur ein obiter dictum dar. Zum anderen weist der Bundesgerichtshof dort darauf hin, der Auftraggeber habe in solchen Fällen "unter den Voraussetzungen von § 26 Abs. 1 Buchst. c VOB/A" (aF, die § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2012 entspricht) die Möglichkeit, die Ausschreibung aufzuheben. Entgegen dem Beschwerdegericht ist der Entscheidung also gerade nicht die Rechtsauffassung zu entnehmen, auch vom Auftraggeber zu vertretende Verzögerungen stellten einen schwerwiegenden, zur Aufhebung berechtigenden Grund dar. Vielmehr stellt der Hinweis in der Entscheidung, der Auftraggeber könne das Vergabeverfahren aufheben, dies ausdrücklich unter den Vorbehalt, dass (zusätzlich) die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Buchst. c VOB/A aF vorliegen.
28
Soweit die Vergabestelle die Aufhebung unter Hinweis auf von ihr geschätzte verzögerungsbedingte Mehrkosten von 500.000 € als gerechtfertigt ansehen möchte, kann dies schon deshalb keinen Erfolg haben, weil in Anbetracht des ursprünglichen Auftragsvolumens von rund 7.500.000 € in einer Verteuerung in dieser Größenordnung keine grundlegende Änderung der Preisermittlungsgrundlagen gesehen werden kann.
29
Nach allem sind keine i. S. von § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A schwerwiegenden Gründe für die Aufhebung anzuerkennen.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 GWB; die Entscheidung
30
der Vergabekammer über die Höhe der Gebühren und Auslagen bleibt unberührt.
Meier-Beck Gröning Schuster
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 04.12.2013 - 15 Verg 9/13 -

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Die Vergabekammern üben ihre Tätigkeit im Rahmen der Gesetze unabhängig und in eigener Verantwortung aus.

(2) Die Vergabekammern entscheiden in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern, von denen einer ein ehrenamtlicher Beisitzer ist. Der Vorsitzende und der hauptamtliche Beisitzer müssen Beamte auf Lebenszeit mit der Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst oder vergleichbar fachkundige Angestellte sein. Der Vorsitzende oder der hauptamtliche Beisitzer muss die Befähigung zum Richteramt haben; in der Regel soll dies der Vorsitzende sein. Die Beisitzer sollen über gründliche Kenntnisse des Vergabewesens, die ehrenamtlichen Beisitzer auch über mehrjährige praktische Erfahrungen auf dem Gebiet des Vergabewesens verfügen. Bei der Überprüfung der Vergabe von verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Aufträgen im Sinne des § 104 können die Vergabekammern abweichend von Satz 1 auch in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei hauptamtlichen Beisitzern entscheiden.

(3) Die Kammer kann das Verfahren dem Vorsitzenden oder dem hauptamtlichen Beisitzer ohne mündliche Verhandlung durch unanfechtbaren Beschluss zur alleinigen Entscheidung übertragen. Diese Übertragung ist nur möglich, sofern die Sache keine wesentlichen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht aufweist und die Entscheidung nicht von grundsätzlicher Bedeutung sein wird.

(4) Die Mitglieder der Kammer werden für eine Amtszeit von fünf Jahren bestellt. Sie entscheiden unabhängig und sind nur dem Gesetz unterworfen.

(1) Unternehmen haben bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen einzuhalten und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die nach dem Mindestlohngesetz, einem nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag oder einer nach § 7, § 7a oder § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder einer nach § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden.

(2) Öffentliche Auftraggeber können darüber hinaus besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (Ausführungsbedingungen) festlegen, sofern diese mit dem Auftragsgegenstand entsprechend § 127 Absatz 3 in Verbindung stehen. Die Ausführungsbedingungen müssen sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Sie können insbesondere wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange oder den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen umfassen.