Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 22. Juli 2008 - 13 S 1917/07

bei uns veröffentlicht am22.07.2008

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Art. 234 Abs.1 und 2 EG eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der europäischen Gemeinschaften zu folgender Frage eingeholt:

Richtet sich der Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zugunsten eines türkischen Staatsangehörigen, der eine Rechtsposition nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 besitzt und der seinen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren in dem Mitgliedstaat gehabt hat, dem gegenüber diese Rechtsposition gilt, nach Art. 28 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2004/38 EG in ihrer Umsetzung durch den jeweiligen Mitgliedstaat, so dass eine Ausweisung nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, zulässig ist?

Gründe

 
I.  
Der rechtliche Rahmen
Der Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ANBA 1981, 2 - im Folgenden: ARB 1/80) bestimmt u.a.:
Art. 7
        
Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,
        
- haben vorbehaltlich des den Arbeitsnehmern aus dem Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahre ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;
        
- haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.
        
Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedsstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war.
        
Art. 14
        
(1) Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.
        
(2) Er berührt nicht die Rechte und Pflichten, die sich aus den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder zweitseitigen Abkommen zwischen der Türkei und den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ergeben, soweit sie für ihre Staatsangehörigen keine günstigere Regelung vorsehen.
Die Richtlinie 2004/38 EG des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWB, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG vom 29. April 2004 (ABl. L 158 S. 77; ber. ABl. L 229 S. 35 - im Folgenden: RL 2004/38/EG) enthält folgende Regelung:
        
Art. 28 Schutz vor Ausweisung.
        
(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.
        
(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.
        
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
        
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im  Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
        
b) minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
Das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - im Folgenden: AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 (BGBl. I S. 1970), enthält folgende Regelungen:
        
§ 53 Zwingende Ausweisung.
        
Ein Ausländer wird ausgewiesen, wenn er
        
1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist oder wegen vorsätzlicher Straftaten innerhalb von fünf Jahren zu mehreren Freiheits- oder Jugendstrafen von zusammen mindestens drei Jahren rechtskräftig verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
        
2. wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz, wegen Landfriedensbruches unter den in § 125 a Satz 2 des Strafgesetzbuches genannten Voraussetzungen oder wegen eines im Rahmen einer verbotenen öffentlichen Versammlung oder eines verbotenen Aufzugs begangenen Landfriedensbruches gemäß § 125 des Strafgesetzbuches rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist oder
        
3. wegen Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 oder § 97 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
        
§ 55 Ermessensausweisung.
        
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt des öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
        
(2) …
        
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz.
        
(1) ¹Ein Ausländer, der
        
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
        
2. …
genießt besonderen Ausweisungsschutz. ²Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. ³Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5, 5a und 7 vor. 4Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. 5Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
        
(2) …
Das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - im Folgenden: FreizügG/EU) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1950, 1986), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 (BGBl. I S. 1970) sieht u.a. vor:
        
§ 1 Anwendungsbereich
        
Dieses Gesetz regelt die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Unionsbürger) und ihrer Familienangehörigen.
        
§ 6 Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt
        
(1) Der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 kann unbeschadet des § 5 Abs. 5 nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Artikel 39 Abs. 3, Artikel 46 Abs. 1 des Vertrages über die Europäische Gemeinschaft) festgestellt und die Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht oder über den Daueraufenthalt eingezogen und die Aufenthaltskarte oder Daueraufenthaltskarte widerrufen werden. …
        
(5) Eine Feststellung nach Absatz 1 darf bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, und bei Minderjährigen nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden. Für Minderjährige gilt dies nicht, wenn der Verlust des Aufenthaltsrechts zum Wohl des Kindes notwendig ist. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit können nur vorliegen, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn vom Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht.
        
(6) …
 
II.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er wurde am 18.12.1973 in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Er wuchs bei seinen Eltern auf; sein Vater, ebenfalls ein türkischer Staatsangehöriger, hielt sich in der Bundesrepublik rechtmäßig als Arbeitnehmer auf. Einen Schulabschluss erzielte der Kläger nicht. Auch eine Lehre als Maler brach er ab. Er ging gelegentlichen Aushilfstätigkeiten nach, die immer wieder von Zeiten der Arbeitslosigkeit und durch Strafhaftverbüßung unterbrochen waren. Seit Juli 2000 geht er keiner Erwerbstätigkeit mehr nach.
Der Vater des Klägers ist im Jahr 1991 verstorben. Seine Mutter ist mittlerweile in einem Pflegeheim untergebracht. Der Kläger lebte zuletzt mit keinem Familienmitglied zusammen; seine Geschwister führen selbständige Haushalte. Ein älterer Bruder wurde im August 2002 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und abgeschoben.
Seit dem 28.1.1991 ist der Kläger im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die seit dem 1.1.2005 als unbefristete Niederlassungserlaubnis fortgilt. Ein zwischenzeitlich gestellter Einbürgerungsantrag wurde wegen der von ihm begangenen Straftaten abgelehnt.
1991 begann der Kläger erstmals Marihuana zu rauchen. Ab 1998 konsumierte er regelmäßig Heroin und Kokain. Ein im Jahr 2001 durchlaufendes Methadonprogramm und eine im Jahr 2003 absolvierte stationäre Drogentherapie blieben erfolglos.
10 
Der Kläger wurde seit 1993 mehrfach straffällig und wie folgt verurteilt:
        
1. Am 15.4.1993 wegen Bandendiebstahls in 24 Fällen zu zwei Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe;
        
2. am 17.10.1994 wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung des Urteils unter 1. zu zwei Jahren und sieben Monaten Jugendstrafe;
        
3. am 9.1.1997 wegen vorsätzlichen Ausübens der tatsächlichen Gewalt über einen verbotenen Gegenstand zu einer Geldstrafe;
        
4. am 9.4.1998 wegen Diebstahls in drei Fällen zu zwei Jahren Gesamtfreiheitsstrafe;
        
5. am 7.3.2002 wegen Geldfälschung, Diebstahls im besonders schweren Fall in vier Fällen und versuchten Diebstahls im besonders schweren Fall zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe;
        
6. am 28.7.2006 wegen Diebstahls im besonders schweren Fall in acht Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten.
11 
Zur Verbüßung der Freiheitsstrafen befand sich der Kläger von Januar 1993 bis Dezember 1994,  August 1997 bis Oktober 1998, Juli bis Oktober 2000, September 2001 bis Mai 2002 und seit November 2005 in Haft.
12 
Am 28.10.1996 wurde der Kläger wegen der von ihm zu diesem Zeitpunkt begangenen Straftaten von der Ausländerbehörde ausländerrechtlich verwarnt. Mit Bescheid vom 6.3.2007 verfügte das Regierungspräsidium Stuttgart die Ausweisung des Klägers und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zwischenzeitlich ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung bis zu einer Entscheidung des EuGH in dem vorliegenden Verfahren ausgesetzt worden.
13 
Das Regierungspräsidium hat die Ausweisung wie folgt begründet: Der Kläger besitze eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80, da er im Bundesgebiet geboren und als Kind eines türkischen Arbeitnehmers in der Vergangenheit über fünf Jahre ordnungsgemäß im Haushalt seines Vaters gelebt habe. Da diese Rechtsposition nicht erloschen sei, genieße er Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80. Danach könne eine Ausweisung nur erfolgen, wenn aufgrund seines persönlichen Verhaltens eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Erforderlich sei das Vorliegen einer konkreten und hohen Wiederholungsgefahr weiterer schwerwiegender Straftaten. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Die häufigen und schwerwiegenden Straftaten im Bereich der Eigentumskriminalität stellten eine Störung der öffentlichen Ordnung dar, die auf der Persönlichkeit des Klägers beruhe. Eine konkrete Wiederholungsgefahr folge aus der Häufigkeit der Straftaten und der hohen Rückfallgeschwindigkeit. Die bisherigen Verurteilungen, die Hafterfahrung sowie die ausländerrechtlichen Verwarnungen hätten den Kläger nicht von weiteren Straftaten abgehalten. Die Straftaten des Klägers hätten sich außerdem durch eine hohe kriminelle Energie und eine professionelle Vorgehensweise ausgezeichnet. Zudem sei die Drogenproblematik des Klägers nicht gelöst. Der Kläger könne sich nicht auf den besonderen Ausweisungsschutz aus Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG berufen. Diese Vorschrift gelte nur für Unionsbürger, nicht dagegen für Familienangehörige von Unionsbürgern, die nicht selbst Unionsbürger, sondern Drittstaatsangehörige sind. Als Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers nach Art. 7 ARB 1/80 könne der Kläger nicht besser gestellt werden als Familienangehörige von Unionsbürgern. Da der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besitze und sich seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, könne er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Derartige Gründe lägen nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5, 5a und 7 AufenthG vor. Diese Voraussetzungen seien hier durch die Verurteilung vom 28.7.2006 gegeben. Anhaltspunkte für ein Abweichen von der gesetzlichen Regelvermutung des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG seien nicht ersichtlich. Insbesondere lasse das abgeurteilte kriminelle Fehlverhalten eine hohe Verwerflichkeit und Missachtung der hiesigen Rechtsordnung erkennen. Unabhängig von der Regelvermutung des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG erfolge die Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, weil der Ausweisungsanlass schwer wiege und eine konkrete Wiederholungsgefahr weiterer Straftaten bestehe.
14 
Über die Ausweisung sei daher nach Art. 14 ARB 1/80 und § 55 Abs. 1 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. Nach § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG seien bei der Entscheidung über die Ausweisung die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Der Kläger sei im Bundesgebiet geboren worden und halte sich seitdem hier auf. Allerdings schütze auch eine lange Anwesenheit im Bundesgebiet nicht vor einer Ausweisung, wenn von dem straffällig gewordenen Ausländer eine hohe und konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe. Der Kläger habe häufig und ausgesprochen schwerwiegend gegen die bestehende Rechtsordnung im Bundesgebiet verstoßen. Trotz seines über 30jährigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet habe das herausragende öffentliche Interesse an der Ausweisung als Maßnahme der polizeilichen Gefahrenabwehr nicht hinter dem privaten Interesse des Klägers, von der Ausweisung verschont zu bleiben, zurücktreten. Insbesondere gehe von dem Kläger auch zukünftig eine hohe Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Der Kläger habe es nicht geschafft, sich eine eigene tragfähige Existenzgrundlage aufzubauen. Seine finanzielle Lage sei desolat. Angesichts der zu erwartenden Schadensersatzforderungen von durch die Straftaten Geschädigten werde sie sich weiter drastisch verschärfen. Die Ausweisung zerstöre daher keine im Bundesgebiet aufgebaute sichere wirtschaftliche Lebensbasis. Dabei werde nicht übersehen, dass er nach erfolgter Abschiebung in die Türkei zunächst Schwierigkeiten haben werde, sich an die dortigen Lebensverhältnisse zu gewöhnen. Diese seien jedoch nicht unüberwindbar. Der Kläger sei 33 Jahre alt und könne damit ohne weiteres allein klarkommen. Auch sei davon auszugehen, dass er zumindest Grundkenntnisse der türkischen Sprache besitze. Es spreche einiges dafür, bei Ausländern der zweiten Generation regelmäßig anzunehmen, dass diese die Muttersprache erlernt hätten und zumindest in den Grundszügen beherrschten. Außerdem habe er seine Straftaten häufig gemeinsam mit anderen türkischen Staatsangehörigen begangen, so dass bereits deshalb der Bezug zu Landsleuten offenkundig sei. Zudem seien ausweislich der in der Akte befindlichen Schreiben des Klägers seine Kenntnisse der deutschen Sprache als eher bescheiden zu bezeichnen. Daher könne kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass er zumindest Grundkenntnisse der türkischen Sprache besitze. Der Kläger könne auch nicht wegen seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet als faktischer Inländer betrachtet werden. Er habe im Bundesgebiet noch nicht einmal eine abgeschlossene Schulausbildung, geschweige denn eine berufliche Qualifikation erlangt. Auch sein beharrliches strafrechtlich relevantes Verhalten spreche gegen eine Integration. Zu einer Integration gehöre auch die Beachtung der Rechtsordnung. Dieser handle der Kläger mit erschreckender Beharrlichkeit zuwider. Schutzwürdige persönliche Bindungen lägen nicht vor. Eine familiäre Gemeinschaft mit der Mutter des Klägers und seinen Geschwistern bestünde nicht mehr. Es sei nichts dafür ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden, dass Familienangehörige des Klägers auf die persönliche Lebenshilfe durch ihn in unbedingter Weise angewiesen sein könnten. Dies gelte auch hinsichtlich der offenbar in einem Pflegeheim untergebrachten Mutter. Zudem habe der Kläger es bei der Begehung der Straftaten in Kauf genommen, zumindest während der Dauer seiner Inhaftierung von seinen Familienangehörigen getrennt zu sein. Der Kläger besitze ein freies Zugangsrecht zum deutschen Arbeitsmarkt und sei auch zeitweilig unselbständigen Erwerbstätigkeiten nachgegangen. Eine kontinuierliche Erwerbstätigkeit habe er zumindest seit dem Jahr 2000 nicht mehr ausgeübt. Trotz der schutzwürdigen Rechtsposition eines freien Zugangsrechts zum Arbeitsmarkt sei aber die Ausweisung nicht unverhältnismäßig. Dies gelte besonders wegen der dargelegten konkreten Wiederholungsgefahr weiterer Straftaten. Schutzwürdige sonstige Bindungen im Bundesgebiet seien weder ersichtlich noch vorgetragen worden. Dabei werde der normale Umstand, dass der Kläger Freunde und Bekannte habe, vorausgesetzt. Insgesamt stünden die mit der Ausweisung für den Kläger verbundenen Nachteile nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg. Die Verhinderung weiterer schwerwiegender Straftaten durch den Kläger überwiege die Nachteile für den Kläger, die darin bestünden, aus dem Bundesgebiet ausreisen zu müssen und das Bundesgebiet nicht erneut betreten zu dürfen. Die Ausweisung sei geeignet, die von dem Kläger ausgehende erhebliche Gefahr wirksam zu beseitigen. Ein milderes Mittel als die Ausweisung sei nicht ersichtlich. Dem Kläger sei es zumutbar, in seinen Heimatstaat zurückzukehren. Daran ändere der Umstand nichts, dass in seinem Heimatstaat wirtschaftliche Probleme bestünden. Hiervon seien zahlreiche seiner Landsleute ebenfalls betroffen. Zudem existiere auch im Bundesgebiet eine hohe Arbeitslosigkeit. Auch die Drogenabhängigkeit des Klägers sei selbst bei einer unterstellten Therapiewilligkeit kein Grund,  von einer Ausweisung abzusehen. Er habe bereits eine stationäre Drogentherapie durchlaufen, die vollkommen erfolglos geblieben sei. Das Europäische Niederlassungsabkommen (ENA) vom 13.12.1955 stehe der Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger besitze zwar den Ausweisungsschutz nach Art. 3 Nr. 3 des ENA. Dieser sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber mit den vom Kläger erfüllten Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG identisch (Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 11.6.1996, Az.: 1 C 24.94, InfAuslR 1997, S. 8). Die Ausweisung verstoße auch nicht gegen das durch Art. 8 Abs. 1 der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Die Ausweisung stelle einen gesetzlich vorgesehenen Eingriff in dieses Recht dar, der in einer demokratischen Gesellschaft für die öffentliche Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen notwendig sei.
15 
Die gegen die Ausweisung erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 3.7.2007 - 6 K 2790/07 - abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere folgendes ausgeführt: Die Ausweisungsverfügung sei formell und materiell rechtmäßig. Zutreffend sei das Regierungspräsidium davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund seiner Rechtstellung nach Art. 7 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 den besonderen Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80 genieße und daher nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden könne, wobei für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage die letzte mündliche Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgebend sei (Bezugnahme auf EuGH, Urteile vom 29.4.2004, C-482/01 „Orfanopoulos“ u.a., Slg. 2004, I-5257). Im Fall des Klägers sei Art. 28 Abs. 3 der RL 2004/38/EG dagegen nicht zu berücksichtigen. Diese Regelung gelte zunächst nur für Unionsbürger. Sie könne aber auf türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 besitzen, nicht angewendet werden. Mit der RL 2004/38/EG sei die Einschränkbarkeit der Freizügigkeit durch Ausweisungen auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene für Unionsbürger weiter ausgestaltet und konkretisiert worden. Würde man auch dies auf assoziationsberechtigte türkische Staatsbürger übertragen, käme der Bestimmung des Art. 14 ARB 1/80 die Wirkung einer dynamischen Verweisung zu. Mit dem Wortlaut des Art. 14 ARB 1/80 und der Intention der Vertragsparteien wäre eine so weitgehende Einschränkung der Rechte der Vertragsparteien aber kaum zu vereinbaren. Das Regierungspräsidium sei von einem zutreffenden Maßstab für die Ausweisung ausgegangen, indem es aus Art. 3 Abs. 3 ENA, § 56 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und Art. 14 ARB 1/80 das Erfordernis abgeleitet habe, dass ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht und konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen müssten, dass eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft drohe und damit eine gewichtige Gefahr für ein wichtiges Schutzgut bestehe. Das Regierungspräsidium habe auch zutreffend bejaht, dass diese Voraussetzungen hier vorlägen. Der Kläger sei nicht nur einmal zu einer hohen Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten wegen Diebstahls in acht Fällen, jeweils gemeinschaftlich begangen, und in einem besonders schweren Fall, verurteilt worden, sondern habe eine Vielzahl von einschlägigen Vorstrafen vorzuweisen, größtenteils auch zu Zeiten, als er noch unter Bewährung gestanden habe. Nachdem der Kläger durch Automatenaufbrüche erhebliche Beute gemacht und - allein bei den zuletzt abgeurteilten Straftaten - einen Sachschaden von mehr als 100.000,-- EUR verursacht habe, sei auch die Einschätzung, dass die Straftaten besonders schwer wögen, kaum zu beanstanden. Zutreffend sei eine konkrete Wiederholungsgefahr mit der außerordentlich hohen Rückfallgeschwindigkeit begründet worden, nachdem sich der Kläger weder von Vorverurteilungen noch von Hafterfahrungen oder von ausländerrechtlichen Verwarnungen von weiteren einschlägigen Straftaten habe abhalten lassen. Dabei sei auch gesehen worden, dass die Straftaten zwar durch den jahrelangen Drogenkonsum und die Drogenabhängigkeit des Klägers beeinflusst gewesen seien, allerdings die durchgeführten Therapien nur kurzzeitig Erfolg gehabt hätten. Selbst nach Abschluss seiner Therapie im Juli 2003 mit günstiger Prognose habe der Kläger bereits kurze Zeit später erneut Drogen konsumiert und sei dann sogar zwei Jahre später erneut, in erheblichem Umfang und über einen längeren Zeitraum, straffällig geworden. Dass das Regierungspräsidium die vom Kläger bekundete Therapiewilligkeit nicht als Garant für eine dauerhafte Verhaltensänderung ansehe, sei nicht zu beanstanden. Die Ermessensentscheidung des Regierungspräsidiums sei fehlerfrei. Bedenken im Hinblick auf Art. 8 EMRK bestünden nicht.
16 
Mit seiner Berufung erstrebt der Kläger die Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts und die Aufhebung der Ausweisungsverfügung des beklagten Landes vom 6.3.2007. Er macht geltend, dass mit der RL 2004/38/EG die Einschränkbarkeit der Freizügigkeit durch Ausweisungen auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene für Unionsbürger weiter ausgestaltet und konkretisiert worden sei. Derartige Ausgestaltungen und Konkretisierungen der Freizügigkeitsgewährleistungen übertrage der EuGH in ständiger Rechtsprechung auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige. Daher habe sich sein Ausweisungsschutz an Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG zu orientieren. Die danach maßgebliche Voraussetzung, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit die Ausweisung rechtfertigen, sei in seinem Fall nicht erfüllt.
17 
Das beklagte Land ist der Berufung entgegengetreten. Seiner Auffassung nach ist Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG auf türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen, auch nicht entsprechend anwendbar. Der hier maßgebliche Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nenne gerade - anders als Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG - als Schranke nicht nur Gründe der öffentlichen Sicherheit, sondern auch solche der öffentlichen Ordnung und Gesundheit. Die Assoziationsregelungen bedeuteten gerade nicht eine völlige Gleichstellung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger mit Staatsangehörigen der Mitgliedsstaaten der europäischen Gemeinschaft und Unionsbürgern, sondern dienten lediglich der schrittweisen Herstellung deren Freizügigkeit.
 
III.
Entscheidungsgründe
18 
Der Rechtsstreit ist auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der europäischen Gemeinschaften zur Auslegung des Art. 14 ARB 1/80 einzuholen (Art. 234 Abs. 1 EG). Die vorgelegte Frage zur Auslegung des Assoziationsratsbeschlusses ist entscheidungserheblich (1.) und bedarf einer Klärung durch den Gerichtshof (2.).
19 
1. Die vorgelegte Frage ist entscheidungserheblich, weil nach Auffassung des Senats die Ausweisung des Klägers rechtswidrig ist, wenn sich der Kläger aufgrund seiner Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auf den Ausweisungsschutz des Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG berufen kann (a), während gegen die Rechtmäßigkeit der Ausweisung aus Sicht des Senats keine Bedenken bestehen, wenn sich der Ausweisungsschutz nur nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 in seiner bisherigen Auslegung durch den EuGH richtet (b).
20 
a) Bei einer entsprechenden Anwendung des Art. 28 RL 2004/38/EG im Rahmen der Auslegung des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ist die gegen den Kläger verfügte Ausweisung rechtswidrig.
21 
aa) Der Kläger besitzt als in Deutschland geborener Familienangehöriger eines in der Vergangenheit dem regulären deutschen Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmers (sein Vater) nach über fünfjährigem ordnungsgemäßen Wohnsitz in Deutschland eine Rechtsposition nach Art. 7 Abs. 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 (zu den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 siehe Hailbronner, Ausländerrecht, D 5.2, Art. 7 ARB 1/80 Rn. 3, 7, 9). Hieraus folgt, dass seine Ausweisung aus Deutschland nur nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zulässig ist (EuGH, Urteil vom 11.11.2004, Rs. C-467/02 „Cetinkaya“, Slg. 2004, I-10895, Rn. 38).
22 
bb) Wenn von einer entsprechenden Anwendbarkeit des Art. 28 RL 2004/38/EG im Rahmen der Anwendung des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ausgegangen wird, ist der Kläger einem Unionsbürger gleichzustellen und nicht - wie im vorliegenden Verfahren von dem beklagten Land geltend gemacht - einem Familienangehörigen, der einem Drittstaat angehört. Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 und Art. 28 RL 2004/38/EG gelten sowohl für Familienangehörige mit derselben Staatsangehörigkeit wie der originär freizügigkeitsberechtigte Arbeitnehmer als auch für Familienangehörige mit Drittstaatsangehörigkeit (zu Art. 7 ARB 1/80 siehe insoweit Gutmann, in: Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, ARB Nr. 1/80 Art. 7 Rn. 57). Soll Art. 28 RL 2004/38/EG für Familienangehörige nach Art. 7 ARB 1/80 entsprechend gelten, sind daher konsequenterweise die Vorschriften des Art. 28 RL 2004/38/EG für Familienangehörige mit Unionsbürgerschaft auf die Familienangehörigen nach Art. 7 ARB 1/80 mit türkischer Staatsangehörigkeit anzuwenden.
23 
cc) Richtet sich der Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 inhaltlich nach der gemeinschaftsrechtlichen Regelung in Art. 28 RL 2004/38, kann daher der Kläger nur entsprechend den Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG ausgewiesen werden, da er wie ein Unionsbürger zu behandeln ist, der in den letzten zehn Jahren seinen Aufenthalt in Deutschland gehabt hat. Die Ausweisung darf also nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, verfügt werden.
24 
dd) Die Ausweisung des Klägers beruht aber nicht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit im Sinne des Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG.
25 
(1) Bei dem Begriff der öffentlichen Sicherheit in Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG handelt es sich um einen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsbegriff, der nicht einseitig durch einen einzelnen Mitgliedstaat bestimmt werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 4.12.1974, 41/74 „van Duyn“, Slg. 1974, 1337, Rn. 19; Brechmann, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Auflage 2007, Art. 39 EG Rn. 93). Zwar besitzen die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung des Schutzumfangs einen Beurteilungsspielraum, der in Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG auch ausdrücklich normiert worden ist; dieser Beurteilungsspielraum bezieht sich aber nur auf die nähere Konkretisierung einzelner Schutzgüter und rechtfertigt keine grundsätzliche Abweichung von dem gemeinschaftsrechtlichen Begriff (vgl. EuGH, Urteil vom 4.6.2002, C-483/99 „Kommission/Frankreich“, Slg. 2002, I-4781, Rn. 48).
26 
Nach der Rechtsprechung des EuGH schützt die öffentliche Sicherheit sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit des Staates. Die innere Sicherheit umfasst den Bestand des Staates, seiner Einrichtungen und wichtiger öffentlicher Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung. Zur äußeren Sicherheit gehören die auswärtigen Beziehungen, die Freiheit von militärischen Bedrohungen und das friedliche Zusammenleben der Völker (vgl. EuGH, Urteil vom 10.7.1984, 72/83 „Campus Oil“, Slg. 1984, 2727, Rn. 34; Urteil vom 4.10.1991, C-367/89 „Richardt und Les Accessoires Scientifiques“, Slg. 1991, I-4621, Rn. 22; Urteil vom 17.10.1995, C-70/94 „Werner“, Slg. 1995,    I-3189, Rn. 27; Urteil vom 17.10.1995, C-83/94 „Leifer“, Slg. 1995, I-3231; Urteil vom 26.10.1999, C-273/97 „Sirdar“, Slg. 1999, I-7403, Rn. 17, Urteil vom 11.3.2003, C-186/01 „Dory“, Slg. 2003, I-I-2479, Rn. 32; Streinz, EUV/EGV, Art. 39 EG Rn. 138). Unter die innere Sicherheit fallen „begrenzte außergewöhnliche Tatbestände“, die sich nicht für eine extensive Auslegung eignen (EuGH, Urteil vom 15.5.1986, 222/84 „Johnston“, Slg. 1986, 1651 Rn. 26; Urteil vom 16.9.1999, C-414/97 „Kommission/Spanien“, Slg. 1999, I-5585, Rn. 21). Der Begriff der öffentlichen Sicherheit ist damit enger als der Begriff der öffentlichen Ordnung, der auch die innerstaatliche (Straf-)Rechtsordnung umfasst (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 4.5.2006 - 24 K 6197/04 -InfAuslR 2006, 356; Streinz, EUV/EGV, Art. 39 Rn. 134ff).
27 
Für das in dieser Weise verstandene Schutzgut der öffentlichen Sicherheit geht von dem Kläger keine Bedrohung aus. Der Kläger stellt zwar eine erhebliche Gefahr für hochrangige private Rechtsgüter, jedoch nicht für den Bestand des Staates und seiner Institutionen oder das Überleben der Bevölkerung dar.
28 
(2) Selbst wenn der Begriff der öffentlichen Sicherheit weiter verstanden und darunter auch der Schutz von Individualgütern vor einer strafbaren Beeinträchtigung gefasst wird, liegen hier jedenfalls keine „zwingenden Gründe“ der öffentlichen Sicherheit vor. Insoweit räumt Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG den Mitgliedstaaten die Befugnis ein, näher zu bestimmen, wann zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit vorliegen. Diese mitgliedstaatliche Konkretisierung ist bei einer entsprechenden Anwendung des Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ebenfalls heranzuziehen. In Deutschland gilt insoweit § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU. Danach können zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit nur vorliegen, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn vom Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht. Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger nicht zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt worden ist. Zwar ist der Kläger zu mehreren Freiheitsstrafen von insgesamt mehr als fünf Jahren verurteilt worden; dies reicht nach dem klaren Gesetzeswortlaut jedoch nicht aus.
29 
b) Wenn sich die Anwendung des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nicht nach Art. 28 RL 2004/38/EG richtet, ist die Ausweisung des Kläger rechtmäßig.
30 
aa) Rechtsgrundlage für die Ausweisung sind die §§ 55 Abs. 1, 56 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, 53 Nr. 1 AufenthG. Danach kann ein Ausländer, der (wie der Kläger) eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Unter anderem liegen solche schwerwiegenden Gründe in der Regel in den Fällen des § 53 Nr. 1 AufenthG vor, also wenn der Ausländer (wie der Kläger) wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Liegen die Voraussetzungen des § 53 AufenthG vor, wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen.
31 
Der nationale Maßstab für die Zulässigkeit einer Ausweisung wird jedoch durch den vorrangig geltenden assoziationsrechtlichen Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 verschärft. Aus Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 folgt nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH, dass eine Ausweisung nur zulässig ist, wenn außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (EuGH, Urteil vom 10.2.2000, C-340/97 „Nazli“, Slg. 2000, I-957, Rn. 57). Die Ausweisung darf nicht aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung automatisch verfügt werden, ohne dass das persönliche Verhalten des Täters oder die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung berücksichtigt wird. Das persönliche Verhalten des Betroffenen muss daher auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeuten (EuGH, a.a.O., Rn. 59 ff). Dies bedeutet nach Auffassung der deutschen Rechtsprechung, dass eine Ausweisung nicht regelhaft, sondern nur auf Grundlage einer umfassenden Ermessensausübung erfolgen darf (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Art. 14 ARB 1/80, Rn. 19 m.w.N.). Im Rahmen der Ermessensausübung muss auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 26.11.2002, Rs. C-100/01 „Olazabal“, Slg. 2002, I-10981). Schließlich muss die Ausweisung in Übereinstimmung mit den Grundrechten der Gemeinschaftsrechtsordnung stehen; insoweit ergibt sich das maßgebliche Schutzniveau aus dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK in der Auslegung durch den EGMR. Danach müssen bei der Prüfung, ob eine Ausweisung verhältnismäßig ist, insbesondere folgende Gesichtspunkte berücksichtigt werden: Die Art und Schwere der begangenen Straftat, die Dauer des Aufenthalts in dem Land, aus dem die Ausweisung erfolgen soll, die seit der Tatzeit verstrichene Zeitspanne und das Verhalten in dieser Zeit, die familiäre Situation des Betroffenen, die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland oder zum Bestimmungsland (EGMR, Urteil vom 18.10.2006, Nr. 46410/99 „Üner“, NVwZ 2007, 1279; vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 2. Senats vom 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 -, InfAuslR 2007, 275).
32 
bb) Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist die Ausweisung des Klägers rechtmäßig, insbesondere ermessensfehlerfrei und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, verfügt worden.
33 
Der Kläger ist seit 1993 kontinuierlich und schwerwiegend straffällig geworden. Die Straftaten, überwiegend Vermögensdelikte, waren mit erheblichen Schäden verbunden und in ihnen ist eine hohe kriminelle Energie zum Ausdruck gekommen. Da die persönliche Situation des Klägers sich seit der letzten Verurteilung nicht verändert hat, er insbesondere weiterhin mit finanziellen Schwierigkeiten rechnen muss, und die bisherigen, zahlreichen Strafen ihm gegenüber keine abschreckende Wirkung erzielt haben, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass er nach seiner Entlassung aus der Strafhaft sehr bald wieder vergleichbare Straftaten begehen wird. Diesem erheblichen öffentlichen Interesse an einer spezialpräventiven Ausweisung steht vor allem entgegen, dass der Kläger sich seit seiner Geburt in Deutschland rechtmäßig aufhält und daher hier über vielfältige persönliche, familiäre und kulturelle Bindungen verfügt. Dieses Gewicht der privaten Belange ist im Fall des Klägers jedoch niedriger als bei anderen Ausländern der zweiten Generation anzusetzen: Die familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet sind nicht besonders intensiv, da der Kläger weder verheiratet ist oder Kinder hat, noch mit sonstigen Familienangehörigen eine enge Gemeinschaft besteht. Eine wirtschaftliche Integration ist nicht erfolgt; vielmehr hat der Kläger keinen Schulabschluss erreicht und keine Berufsausbildung absolviert, so dass er bislang auch überwiegend nicht erwerbstätig war. Es ist auch nicht zu befürchten, dass der Kläger wegen seiner geringeren Bindungen zu seinem Herkunftsland dort auf ernsthafte Schwierigkeiten stoßen wird. Der plausiblen Einschätzung des Regierungspräsidiums und des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger Türkisch spricht und vielfältige Verbindungen zur türkischen Gesellschaft und Kultur hat, ist der Kläger im Klageverfahren nicht entgegen getreten. Zudem lebt auch der Bruder des Klägers in der Türkei. Der 34 Jahre alte Kläger hat auch noch kein Alter erreicht, in dem der Aufbau einer neuen Existenz in seinem Herkunftsland unzumutbar wäre. Diese  Umstände hat das Regierungspräsidium in seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt und ist dabei zu der nicht zu beanstandenden Entscheidung gekommen, dass die Ausweisung des Klägers verhältnismäßig ist.
34 
2. Die Frage, ob Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 unter Berücksichtigung des Ausweisungsschutzes nach Art. 28 RL 2004/38/EWG auszulegen ist, bedarf einer Entscheidung des EuGH. Der EuGH hat sich hierzu bislang nicht geäußert. Zwar wurde ihm eine entsprechende Frage vom VG Darmstadt vorgelegt; jedoch hielt der Gerichtshof sie nicht für entscheidungserheblich (EuGH, Urteil vom 4.10.2007, Rs. C-349/06, „Polat“, NVwZ 2008, 59, Rn. 23 ff).
35 
a) Der EuGH legt in ständiger Rechtsprechung die Beschränkungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 entsprechend den im Rahmen der Art. 48 bis 50 EG für die gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit geltenden Grundsätze aus (vgl. EuGH, „Nazli“, a.a.O., m.w.N.). So hat der EuGH sogar die verfahrensrechtlichen Schutzvorschriften der inzwischen außer Kraft getretenen RL 64/221 auf Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 übertragen (EuGH, Urteil vom 2.6.2005, C-136/03, „Dörr“, NVwZ 2006, 72). Dies spricht zunächst dafür, auf Grundlage eines dynamischen Verständnisses des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auch die Ausweisungsschutzregelungen in Art. 28 RL 2004/38/EG im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 entsprechend anzuwenden (so OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5.12.2006 - 7 A 10924/06 -, InfAuslR 2007, 148; Hessischer VGH, Urteil vom 25.6.2007 - 11 UE 52/07 -, juris; Beschluss vom 4.12.2006 - 12 TG 2190/06 -, InfAuslR 2007, 98; VG Karlsruhe, Urteil vom 9.11.2006 - 2 K 1559/06 -, juris; Gutmann, a.a.O. Art. 14 ARB 1/80 Rn. 27.1 ff).
36 
b) Die Heranziehung gemeinschaftsrechtlicher Regelungen zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Bestimmung des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 beruht jedoch darauf, dass nach Auffassung des EuGH die fraglichen Vorschriften des ARB 1/80 eine weitere Stufe bei der Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Geiste der Art. 48 bis 50 EG bilden (EuGH, „Nazli“, a.a.O., Rn. 54). Übertragbar sind daher nur Regelungen mit einem spezifischen Bezug zur Arbeitnehmerfreizügigkeit. Art. 28 RL 2004/38/EG weist einen solchen Bezug aber nicht mehr auf. Das Regelungskonzept der RL 2004/38/EG besteht gerade darin, die „bereichsspezifischen und fragmentarischen Ansätze des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts zu überwinden“ (RL 2004/38/EG, Erwägungsgrund Nr. 4); als Anknüpfungspunkt für Freizügigkeitsrechte wird daher nicht auf die Ausübung einzelner Grundfreiheiten abgestellt, sondern auf die Unionsbürgerschaft, die „der grundsätzliche Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten sein [sollte], wenn sie ihr Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt wahrnehmen“ (RL 2004/38/EG, Erwägungsgrund Nr. 3). Auch die abgestufte Ausweisungsschutzregelung des Art. 28 RL 2004/38/EG weist daher keinen spezifischen Bezug zur Arbeitnehmerfreizügigkeit auf, sondern gilt für alle Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ein Recht auf Daueraufenthalt besitzen oder ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben. Das Recht auf Daueraufenthalt in Kapitel IV der Richtlinie knüpft explizit nicht an ein durch Grundfreiheiten vermitteltes Aufenthaltsrecht an, wozu Kapitel III der Richtlinie besondere Vorschriften enthält, sondern ausschließlich an die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 RL 2004/38/EG).
37 
Die RL 2004/38/EG unterscheidet sich daher qualitativ von früheren gemeinschaftsrechtlichen Kodifikationen: Im Vordergrund steht nicht mehr die fortschreitende Ausgestaltung der Grundfreiheiten, sondern die Stärkung der  Unionsbürgerschaft. So nennt auch der siebte Erwägungsgrund als Ziel des Rechts auf Daueraufenthalt, dass dieser das „Gefühl der Unionsbürgerschaft verstärken und entscheidend zum sozialen Zusammenhalt - einem grundlegenden Ziel der Union - beitragen“ soll. Auch der Zweck des Ausweisungsschutzes nach Art. 28 RL 2008/38/EG wird in den Erwägungsgründen ausschließlich aus Sicht der Unionsbürgerschaft definiert: „Daher sollte der Schutz vor Ausweisung in dem Maße zunehmen, wie die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen in den Aufnahmemitgliedstaat stärker integriert sind. Gegen Unionsbürger, die sich viele Jahre im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufgehalten haben, insbesondere in Fällen, in denen sie dort geboren sind und dort ihr ganzes Leben lang ihren Aufenthalt gehabt haben, sollte nur unter außergewöhnlichen Umständen aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit eine Ausweisung verfügt werden.“ (Erwägungsgrund Nr. 24)
38 
Handelt es sich bei Art. 28 RL 2004/38/EG daher nicht mehr um eine Regelung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, sondern um eine Ausgestaltung der Unionsbürgerschaft, kommt eine Übertragung auf die Anwendung des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nicht in Betracht (so im Ergebnis auch Bayerischer VGH, Urteil vom 20.3.2008 - 10 BV 07.1856 -, juris; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 5.10.2005 - 11 ME 247/05 -, InfAuslR 2005, 453; vom 6.6.2005 - 11 ME 39/05 -, NVwZ-RR 2005, 654, OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.5.2007 - 18 B 2389/06 -, NVwZ 2007, 1445; VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.2.2006 - 24 L 2122/05 -, InfAuslR 2006, 263; Hailbronner, a.a.O. Art. 14 ARB 1/80 Rn. 12 ff).
39 
Dass der Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 somit von dem durch Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG gewährten Schutz abweicht (zu dem nach der früheren Rechtslage gebotenen Gleichlauf siehe die Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro vom 21.10.2004, Rs. C-136/03 „Dörr“, Slg. 2005, I-4759, Rn. 59), ist daher eine Konsequenz des höheren Integrationsgrads, den die Europäische Union durch die Einführung der Unionsbürgerschaft und das Inkrafttreten der RL 2004/38/EG erreicht hat. „Der Bürgerstatus symbolisiert den Charakter einer Gemeinschaft als Solidargemeinschaft und politische Schicksalsgemeinschaft“ (Kluth, in: Calliess/Ruffert, a.a.O. Art. 17 EGV Rn. 3). Die Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Türkei besitzt diesen Charakter nicht (vgl. die beschränkten Ziele in Art. 2 des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (Amtsblatt Nr. 217 vom 29/12/1964 S. 3687). Das Assoziationsrecht kennt keine „Assoziationsbürgerschaft“.

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 22. Juli 2008 - 13 S 1917/07 zitiert 7 §§.

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 56 Überwachung ausreisepflichtiger Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit


(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei de

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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 09. Nov. 2006 - 2 K 1559/06

bei uns veröffentlicht am 09.11.2006

Tenor 1. Soweit die Beteiligten bezüglich Ziff. 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge, vom 03.05.2006 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 15. Apr. 2011 - 11 S 189/11

bei uns veröffentlicht am 15.04.2011

Tenor Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt. In Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.03.2008 - 8 K 3985/06 - zurückgewiese

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 08. Dez. 2010 - 11 S 2366/10

bei uns veröffentlicht am 08.12.2010

Tenor Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. September 2010 - 8 K 2707/10 - wird zurückgewiesen.Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.Der Streitwert für das Beschwerdever

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 16. Nov. 2010 - 11 S 2328/10

bei uns veröffentlicht am 16.11.2010

Tenor Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 1. September 2010 - 8 K 456/10 - wird zurückgewiesen.Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.Der Streitwert für das Beschwerdever

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 21. Okt. 2009 - 8 K 2123/09

bei uns veröffentlicht am 21.10.2009

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand   1  Der 1988 in ... geborene ledige Kl

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(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

1. Soweit die Beteiligten bezüglich Ziff. 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge, vom 03.05.2006 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

2. Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge, vom 03.05.2006 wird unter Ziffer 1 (Ausweisung) und Ziffer 3 (Abschiebungsandrohung) aufgehoben.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Mit der Klage wendet sich der Kläger zuletzt gegen seine Ausweisung.
Der am ... im Bundesgebiet geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er besitzt einen im Berufsvorbereitungsjahr erworbenen Hauptschulabschluss und hat eine Lehre als Maler und Lackierer erfolgreich im Juli ... abgeschlossen. Der Kläger lebt nicht mehr bei seiner Familie, ist ledig und hat keine Kinder. Nach Abschluss seiner Lehre arbeitete er, mit kurzen Zeiten von Arbeitslosigkeit, allerdings nicht in seinem erlernten Beruf. Zuletzt war er bis zum Jahresende 2005 befristet im Gartenbau als Hilfsarbeiter beschäftigt. Seine Eltern leben im Bundesgebiet. Sein Vater, zwischenzeitlich Rentner, ist nach einem Schlaganfall behindert und sitzt im Rollstuhl.
Der Kläger ist im Bundesgebiet wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:
1. Amtsgericht ... - Jugendschöffengericht -, Urteil vom 03.03.1998, Straftat: Gefährliche Körperverletzung, Strafmaß: Verwarnung.
2. Amtsgericht ... - Jugendschöffengericht -, Urteil vom 29.04.1998, Straftaten: zwei Vergehen des gemeinschaftlichen Diebstahls, ein Vergehen des gemeinschaftlichen Diebstahls in einem erschwerten Fall, Strafmaß: 50 Stunden Arbeit nach Weisung des Jugendamtes.
3. Amtsgericht ..., Urteil vom 05.01.2000, Straftat: Körperverletzung; die Entscheidung über die Verhängung von Jugendstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
4. Amtsgericht ..., Urteil vom 18.10.2000, Straftaten: unerlaubter Erwerb von Betäubungsmittel in 16 Fällen, vorsätzliche Körperverletzung, Strafmaß: 1 Jahr Jugendstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
5. Amtsgericht ..., - Jugendschöffengericht -, Urteil vom 30.08.2001, Straftaten: Diebstahl, Computerbetrug, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, Strafmaß: 1 Jahr und 6 Monate Einheitsjugendstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Die nachfolgenden Straftaten wurden der streitgegenständlichen Ausweisungsverfügung zugrunde gelegt:
10 
1. Amtsgericht ..., Urteil vom 19.07.2005, Straftaten: unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 26 Fällen und unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln, Strafmaß: 9 Monate Gesamtfreiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
11 
Die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung wurde durch Beschluss des Amtsgerichts ... vom 07.11.2005 widerrufen, nachdem der Kläger keinen Kontakt zu seinem Bewährungshelfer aufgenommen, auf Anschreiben nicht reagiert und zur Drogenberatung keine Verbindung aufgenommen hatte sowie seiner Zahlungsauflage hinsichtlich der Drogenhilfe nicht nachgekommen war.
12 
2. Amtsgericht ..., Urteil vom 22.12.2005, Straftaten: unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Strafmaß 1 Jahr und 3 Monate Freiheitsstrafe.
13 
Eine Strafaussetzung zur Bewährung erfolgte wegen einer vom Strafgericht als schlecht erachteten Legal- und Kriminalprognose des Klägers nicht.
14 
Das Regierungspräsidium Karlsruhe, Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge, wies den Kläger mit Verfügung vom 03.05.2006 unter gleichzeitiger Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis und unter Beifügung einer Abschiebungsandrohung bezüglich der Türkei aus der Bundesrepublik Deutschland aus.
15 
Die Verfügung wurde im Wesentlichen damit begründet, der Kläger könne sich auf ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 berufen, weshalb seine Ausweisung nur aus spezialpräventiven Gründen nach Ermessen gem. § 55 AufenthG erfolgen könne. Der weitere Aufenthalt des Klägers stelle eine hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Denn bei Würdigung des Lebenslaufes des Klägers und seiner kriminellen Energie, die durch die Straftaten zum Ausdruck gekommen sei, bestehe die erhebliche Besorgnis, dass der Kläger weiterhin, vor allem im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität, Straftaten begehen werde. Die wirtschaftliche Situation des Klägers biete Anlass zur Sorge, nachdem er nicht in seinem erlernten Beruf gearbeitet habe, seit Dezember 2004 arbeitslos sei und im Jahr 2005 nur für drei Monate befristet in einem Gärtnereibetrieb Arbeit gefunden habe. Die familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet hätten ihn nicht davon abhalten können, Straftaten zu begehen. Insbesondere sei herauszuheben, dass der Kläger bereits 10 Tage nach seiner strafgerichtlichen Verurteilung durch das Amtsgericht ... am 19.07.2005 wiederum einschlägig in Erscheinung getreten sei. Auch der langjährige eigene Drogenkonsum des Klägers erhärte die negative Prognose. Der Ausweisung stehe weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK entgegen. Der Kläger sei im Bundesgebiet auf ein Zusammenleben mit den Eltern nicht angewiesen und habe darüber hinaus keine festen Bindungen. Der Kläger könne auch nicht als „faktischer Inländer“ angesehen werden. Es sei aufgrund der Erziehung durch seine Eltern davon auszugehen, dass er der türkischen Sprache mächtig sei und sich in die türkischen Lebensverhältnisse integrieren könne. Zwar könne sich der Kläger auf Art. 3 Abs. 3 ENA berufen, doch dürfe er nach dieser Bestimmung ausgewiesen werden, weil hierfür besonders schwerwiegende Gründe vorlägen.
16 
Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sei abzulehnen gewesen, nachdem der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen worden sei (§ 11 Abs. 1 AufenthG).
17 
Die ordnungsgemäße Zustellung der Ausweisungsverfügung lässt sich den vorgelegten Behördenakten nicht entnehmen.
18 
Am 20.06.2006 hat der Kläger Klage erhoben und zuletzt beantragt,
19 
die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge, vom 03.05.2006, Ziff. 1 und 3, aufzuheben.
20 
Die Klagebegründung wurde im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger bei Begehung der Straftaten suchtkrank gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger, der unter keinen Entzugserscheinungen leide, seine Sucht infolge seiner Inhaftierung in Griff bekommen habe und nunmehr „clean“ sei. Der Kläger verfüge über keine persönlichen Bindungen zur Türkei und spreche nahezu kein Türkisch.
21 
Der Beklagte beantragt,
22 
die Klage abzuweisen.
23 
Die Klageerwiderung stützt sich im Wesentlichen darauf, allein der Hinweis des Klägers, er leide nicht unter Entzugserscheinungen, rechtfertige nicht die Annahme, er sei zwischenzeitlich nicht mehr suchtkrank. In diesem Zusammenhang sei beachtlich, dass die Strafvollstreckungsbehörde die Strafvollstreckung zur Aufnahme einer Therapie gem. § 35 BtmG nicht zurückgestellt habe. Gegen eine günstige Zukunftsprognose des Klägers spreche auch seine desolate wirtschaftliche Lage. Außer Einkünften aus den Drogengeschäften habe er über kein ausreichendes legales Einkommen verfügt, so dass zwischenzeitlich Schulden aufgelaufen seien. Aufgrund dessen habe er seine Wohnung aufgeben müssen. Es bestehe daher die erhebliche Besorgnis, dass der Kläger nach der Haftentlassung wiederum von illegalen Einkünften aus dem Drogenhandel lebe. Der Kläger sei volljährig, Malergeselle und besitze zumindest noch Grundkenntnisse des Türkischen. Es sei ihm zuzumuten, sich eingehendere Kenntnisse seiner Muttersprache anzueignen und sich zumindest eine gewisse Zeit ohne direkte persönliche Unterstützung durch seine Familie im Ausland aufzuhalten. Die Schaffung einer eigenen wirtschaftlichen Existenz in der Türkei könne dem Kläger bei entsprechender Anstrengung gelingen.
24 
In der mündlichen Verhandlung ist die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (Ziff. 2 der Verfügung vom 03.05.2006) aufgehoben worden.
25 
Des Weiteren wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Behördenakten (1 Heft Ausländerakte, 1 Heft des Beklagten), die Strafakten der Verfahren 8 Ds 91 Js 16570/04 und 2 Ls 91 Js 9926/05 sowie auf die Niederschrift über die mündlichen Verhandlung vom 09.11.2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
26 
Im Übrigen ist die zulässige Klage auch begründet.
27 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt (§ 92 Abs. 3 VwGO analog).
28 
Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge, vom 03.05.2006, Ziffer 1 (Ausweisung) und Ziffer 3 (Abschiebungsandrohung), ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; sie war deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen.
29 
Mit den Beteiligten geht die Kammer davon aus, dass dem Kläger die Rechtsstellung des Art. 7 ARB 1/80 zugute kommt. Dem steht nicht entgegen (vgl. „zu ihm zu ziehen“ in Art. 7 S. 1 ARB 1/80), dass der Kläger hier geboren ist und im Bundesgebiet stets gelebt hat; auch durch die verhängte und derzeit verbüßte Freiheitsstrafe gehen dem Kläger die Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 nicht verlustig (EuGH, Urt. v. 11.11.2004 - C - 467/02 -, NVwZ 2005, 198; BVerwG, Urt. v. 06.10.2005 - 1 C 5/04 -). Auch dass der Kläger im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung volljährig war und seinen Wohnsitz nicht mehr bei seinen Eltern hatte, von denen er sein aus Art. 7 ARB 1/80 resultierendes Aufenthaltsrecht ursprünglich abgeleitet hat, berührt sein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht (EuGH, Urt. v. 07.07.2005 - C-373/03 -). Für die nach der Haftentlassung beabsichtigte Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ist der Kläger über die Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 7 ARB 1/80 hinaus auch nicht gehalten, die strengeren Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 zu erfüllen (EuGH, Urt. v. 07.07.2005 - C-373/03).
30 
Zwar erfüllt der Kläger aufgrund seiner im Tatbestand aufgeführten letzten Straftat den grundsätzlich zu einer zwingenden Ausweisung führenden Tatbestand des § 53 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Aufgrund seiner Rechtsstellung als assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger genießt der Kläger jedoch den besonderen Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80 und kann nach der Rechtsprechung des BVerwG nur noch auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG aus ausnahmslos spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden, wobei als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage die letzte mündliche Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgebend ist (vgl. BVerwG, Urteile v. 03.08.2004 - 1 C 30/02 - u. 1 C 29/02 -; 06.10.2005 - 1 C 5/04 -).
31 
Die Kammer kann offen lassen, ob der Beklagte die Ausweisung des Klägers ermessensfehlerfrei verfügt und die Vorgaben des EuGH und des BVerwG, die bei der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger zu berücksichtigen sind, beachtet hat (vgl. die vorstehenden Urteilszitate). Denn die Ausweisungsverfügung beachtet nicht, dass der Kläger nach Art. 28 Abs. 3 lit.a der Richtlinie 2004/38 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 (nachfolgend: RL) hätte nicht ausgewiesen werden dürfen. Art. 28 Abs. 3 lit.a RL bestimmt, dass gegen Unionsbürger eine Ausweisung nicht verfügt werden darf, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedsstaat gehabt haben.
32 
Mit Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG in nationales Recht am 30. April 2006 (Art. 40 Abs. 1 RL) gilt diese auch unmittelbar, und die Einzelheiten des Ausweisungsschutzes richten sich nunmehr nach Art. 28 RL als weiterer Konkretisierung des Art. 39 Abs. 3 EG (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 12.07.2006 - 12 TG 494/06 -; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.05.2005 - A 3 S 358/05 -; Nieders. OVG, Beschl. v. 05.10.2005 - 11 ME 247/05 -; m.w.N.).
33 
Art. 28 RL gilt auch für türkische Staatsangehörige, die, wie der Kläger, ein direkt aus Art. 6, 7 ARB 1/ 80 resultierendes Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedstaat der EG haben (§ 4 Abs. 5 AufenthG dokumentiert dieses Aufenthaltsrecht nur durch die Ausstellung einer - deklaratorischen - Aufenthaltserlaubnis, vgl. Hailbronner, AuslR, § 4 AufenthG, Rd.Nr. 61 ff, m.w.N.). Denn da die Vorschriften der Art. 6 bis 16 ARB 1/80 und damit auch Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und ihrer Familien dienen und sich an Art. 39, 40 und 41 EG orientieren ( EuGH, Urteil v. 10.02.2000 - C-340/97 [Nazli] Slg. 2000 I-957), hat der EuGH hierzu in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die im EG-Vertrag verankerten Freizügigkeitsrechte so weit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer übertragen werden müssen, die eine Rechtsstellung nach dem ARB 1/80 besitzen (vgl. Urteile v. 02.06.2005 - C-138/03 -; v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya]). Wegen der Übereinstimmung des Wortlauts von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 mit dem des Art. 39 Abs. 3 EG und im Hinblick auf das Ziel der Assoziationsvereinbarung mit der Türkei stellt der EuGH in seiner Rechtsprechung bei der Bestimmung des Umfangs der in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 vorgesehenen Beschränkung von Rechten nach dem Assoziationsbeschluss aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit darauf ab, wie die gleiche Beschränkung der Rechte von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern ausgelegt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt es deshalb nahe, den gemeinschaftsrechtlichen Ausweisungsschutz für nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigte Türken in gleicher Weise materiell-rechtlich zu begründen und auszugestalten wie für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger ( BVerwG, Urteil v. 03.08.2004 - 1 C 29.02 -). Dementsprechend haben der EuGH und das Bundesverwaltungsgericht die konkreten Einzelheiten des Ausweisungsrechts aus der Richtlinie 64/221 EWG, die durch Art. 38 Abs. 2 RL mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden ist, als Konkretisierung des Art. 39 Abs. 3 EG hergeleitet (Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung, Berücksichtigung neuer Umstände und weitere Behördenentscheidung).
34 
Mit der Richtlinie 2004/38/EG ist - unter Aufhebung früherer Richtlinien, u.a. die Richtlinie 64/221 EWG - die Einschränkbarkeit der Freizügigkeit durch Ausweisungen auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene für Unionsbürger weiter ausgestaltet bzw. konkretisiert worden.
35 
Mit Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG in nationales Recht am 30. April 2006 (Art. 40 Abs. 1 RL) gilt diese unmittelbar, und die Einzelheiten des Ausweisungsschutzes richten sich nunmehr nach Art. 28 RL, der einen gestuften Schutz vor Ausweisung vorsieht, der darin mündet, dass nach dessen Abs. 3 gegen Unionsbürger eine Ausweisung nicht verfügt werden darf, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben (lit. a) oder minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig (lit. b).
36 
Der EuGH hat auch die Ausgestaltungen und Konkretisierungen der Freizügigkeitsgewährleistungen etwa in Art. 10 der VO 1612/68 (Urteil v. 30.09.2004 - C-275/02 - [Ayaz]) oder in Art. 3 der Richtlinie 64/221 (Urteil v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya]; oder in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG (Urteil v. 02.06.2005 - C-163/03 - [Dörr und Ünal]) ebenfalls auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige übertragen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dem angeschlossen und spricht von einer Konkretisierung der Freizügigkeitsgewährleistung durch Richtlinien der EU, die deshalb auch auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige anzuwenden seien (BVerwG, Urteil v. 03.08.2004, a.a.O.).
37 
Die Kammer folgt der im Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 12.07.2006 - 12 TG 494/06 - vertretenen Auffassung, es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die in der Richtlinie 2004/38/EG vorgenommene Ausgestaltung und Konkretisierung der EU-Angehörigen zukommenden Freizügigkeitsgewährleistungen nicht auch auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörig anzuwenden seien. Der Hess. VGH hat in seinem o.g. Beschluss zutreffend herausgearbeitet, dass die "Stufenfolge" der Ausweisungseinschränkungen, die Art. 28 RL vorsehe, als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes naheliegender und zwangloser aus Art. 39 Abs. 3 EG und der Ermächtigung in Art. 40 EG ableitbar sei, als die verfahrensrechtliche Konkretisierung der Freizügigkeitsgewährleistungen etwa in Art. 9 Richtlinie 64/221 EWG. Dem würden die Entscheidungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss v. 05.10.2005 - 11 ME 247/05 -; Beschluss v. 06.06.2005 - 11 ME 39/05-), das eine gegenteilige Auffassung vertrete, nicht hinreichend Rechnung tragen. Dies hat auch für den im Ergebnis mit der in den vorgenannten Entscheidungen des Nieders. OVG vertretenen Auffassung identischen Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen vom 16.03.2005 - 18 B 1751/04 - zu gelten.
38 
Der Ausweisung des Klägers, der in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet seinen Aufenthalt gehabt hat, ist damit Art. 28 Abs. 3 RL zugrundezulegen. Seine Ausweisung darf danach nicht mehr verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden. Aus den in der Richtlinie verwendeten Begriffen der schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit und der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit lässt sich der Schluss ziehen, dass mit dem letzteren Begriff eine über die schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit hinausgehende Voraussetzung für eine zulässige Ausweisung vorliegen muss. Hierfür ist beim Kläger nichts erkennbar. Die Vielzahl der vom Kläger begangenen Straftaten und das Begehen einer weiteren einschlägigen Straftat nach dem BtMG nur wenige Tage nach seiner Verurteilung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe würde nach Ansicht der Kammer aller Voraussicht nach die Ausweisung des Klägers tragen, wenn man dieser den bisher gültigen Maßstab für Ausweisungen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger, die sich zudem noch auf Art. 3 Abs. 3 Europäisches Niederlassungsabkommen - wie beim Kläger gegeben - berufen können (vgl. BVerwG, Urte. v. 06.10.2005 - 1 C 5/04 und v. 29.09.1998 - 1 C 8/96 -; m.w.N.), zugrundezulegen hätte. Das Verhalten des Klägers vermag aber nicht die nunmehr von Art. 28 Abs. 3 RL einer Ausweisung entgegen gestellte höhere Hürde zu nehmen; sie ist nicht aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit erforderlich. Der Bundesgesetzgeber ist noch nicht der Vorgabe des Art. 28 Abs. 3 RL nachgekommen und hat bislang nicht normiert, was unter „zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit“ zu verstehen ist. Die Kammer hat daher die im Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 13.03.2006 und dort in Art. 2 der Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU vorgesehene Konkretisierung zu Grunde gelegt. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit liegen hiernach nur dann vor, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet wurde oder wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn von dem Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 12.07.2006 - 12 TG 494/06). Diesen Rahmen sprengt das strafrechtliche Verhalten des Klägers (bisher) nicht. Die Ausweisungsverfügung des Beklagten war demzufolge aufzuheben.
39 
Da die Ausweisung rechtswidrig ist, ist die Abschiebungsandrohung ebenfalls aufzuheben (§§ 58 Abs. 1, 2; 59 Abs. 1 AufenthG).
40 
Die Berufung ist nach § 124a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Fragen der Anwendung der Richtlinie 38/2004 EG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige und der Konkretisierung der dort unter Art. 28 Abs. 3 RL vorgenommenen Beschränkung einer Ausweisung auf „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit“ zuzulassen.
41 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO.
42 
Beschluss
43 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. § 5 ZPO auf EUR 10.000,00 festgesetzt.
44 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG verwiesen.

Gründe

 
26 
Im Übrigen ist die zulässige Klage auch begründet.
27 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt (§ 92 Abs. 3 VwGO analog).
28 
Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge, vom 03.05.2006, Ziffer 1 (Ausweisung) und Ziffer 3 (Abschiebungsandrohung), ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; sie war deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen.
29 
Mit den Beteiligten geht die Kammer davon aus, dass dem Kläger die Rechtsstellung des Art. 7 ARB 1/80 zugute kommt. Dem steht nicht entgegen (vgl. „zu ihm zu ziehen“ in Art. 7 S. 1 ARB 1/80), dass der Kläger hier geboren ist und im Bundesgebiet stets gelebt hat; auch durch die verhängte und derzeit verbüßte Freiheitsstrafe gehen dem Kläger die Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 nicht verlustig (EuGH, Urt. v. 11.11.2004 - C - 467/02 -, NVwZ 2005, 198; BVerwG, Urt. v. 06.10.2005 - 1 C 5/04 -). Auch dass der Kläger im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung volljährig war und seinen Wohnsitz nicht mehr bei seinen Eltern hatte, von denen er sein aus Art. 7 ARB 1/80 resultierendes Aufenthaltsrecht ursprünglich abgeleitet hat, berührt sein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht (EuGH, Urt. v. 07.07.2005 - C-373/03 -). Für die nach der Haftentlassung beabsichtigte Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ist der Kläger über die Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 7 ARB 1/80 hinaus auch nicht gehalten, die strengeren Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 zu erfüllen (EuGH, Urt. v. 07.07.2005 - C-373/03).
30 
Zwar erfüllt der Kläger aufgrund seiner im Tatbestand aufgeführten letzten Straftat den grundsätzlich zu einer zwingenden Ausweisung führenden Tatbestand des § 53 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Aufgrund seiner Rechtsstellung als assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger genießt der Kläger jedoch den besonderen Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80 und kann nach der Rechtsprechung des BVerwG nur noch auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG aus ausnahmslos spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden, wobei als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage die letzte mündliche Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgebend ist (vgl. BVerwG, Urteile v. 03.08.2004 - 1 C 30/02 - u. 1 C 29/02 -; 06.10.2005 - 1 C 5/04 -).
31 
Die Kammer kann offen lassen, ob der Beklagte die Ausweisung des Klägers ermessensfehlerfrei verfügt und die Vorgaben des EuGH und des BVerwG, die bei der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger zu berücksichtigen sind, beachtet hat (vgl. die vorstehenden Urteilszitate). Denn die Ausweisungsverfügung beachtet nicht, dass der Kläger nach Art. 28 Abs. 3 lit.a der Richtlinie 2004/38 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 (nachfolgend: RL) hätte nicht ausgewiesen werden dürfen. Art. 28 Abs. 3 lit.a RL bestimmt, dass gegen Unionsbürger eine Ausweisung nicht verfügt werden darf, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedsstaat gehabt haben.
32 
Mit Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG in nationales Recht am 30. April 2006 (Art. 40 Abs. 1 RL) gilt diese auch unmittelbar, und die Einzelheiten des Ausweisungsschutzes richten sich nunmehr nach Art. 28 RL als weiterer Konkretisierung des Art. 39 Abs. 3 EG (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 12.07.2006 - 12 TG 494/06 -; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.05.2005 - A 3 S 358/05 -; Nieders. OVG, Beschl. v. 05.10.2005 - 11 ME 247/05 -; m.w.N.).
33 
Art. 28 RL gilt auch für türkische Staatsangehörige, die, wie der Kläger, ein direkt aus Art. 6, 7 ARB 1/ 80 resultierendes Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedstaat der EG haben (§ 4 Abs. 5 AufenthG dokumentiert dieses Aufenthaltsrecht nur durch die Ausstellung einer - deklaratorischen - Aufenthaltserlaubnis, vgl. Hailbronner, AuslR, § 4 AufenthG, Rd.Nr. 61 ff, m.w.N.). Denn da die Vorschriften der Art. 6 bis 16 ARB 1/80 und damit auch Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und ihrer Familien dienen und sich an Art. 39, 40 und 41 EG orientieren ( EuGH, Urteil v. 10.02.2000 - C-340/97 [Nazli] Slg. 2000 I-957), hat der EuGH hierzu in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die im EG-Vertrag verankerten Freizügigkeitsrechte so weit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer übertragen werden müssen, die eine Rechtsstellung nach dem ARB 1/80 besitzen (vgl. Urteile v. 02.06.2005 - C-138/03 -; v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya]). Wegen der Übereinstimmung des Wortlauts von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 mit dem des Art. 39 Abs. 3 EG und im Hinblick auf das Ziel der Assoziationsvereinbarung mit der Türkei stellt der EuGH in seiner Rechtsprechung bei der Bestimmung des Umfangs der in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 vorgesehenen Beschränkung von Rechten nach dem Assoziationsbeschluss aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit darauf ab, wie die gleiche Beschränkung der Rechte von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern ausgelegt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt es deshalb nahe, den gemeinschaftsrechtlichen Ausweisungsschutz für nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigte Türken in gleicher Weise materiell-rechtlich zu begründen und auszugestalten wie für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger ( BVerwG, Urteil v. 03.08.2004 - 1 C 29.02 -). Dementsprechend haben der EuGH und das Bundesverwaltungsgericht die konkreten Einzelheiten des Ausweisungsrechts aus der Richtlinie 64/221 EWG, die durch Art. 38 Abs. 2 RL mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden ist, als Konkretisierung des Art. 39 Abs. 3 EG hergeleitet (Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung, Berücksichtigung neuer Umstände und weitere Behördenentscheidung).
34 
Mit der Richtlinie 2004/38/EG ist - unter Aufhebung früherer Richtlinien, u.a. die Richtlinie 64/221 EWG - die Einschränkbarkeit der Freizügigkeit durch Ausweisungen auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene für Unionsbürger weiter ausgestaltet bzw. konkretisiert worden.
35 
Mit Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG in nationales Recht am 30. April 2006 (Art. 40 Abs. 1 RL) gilt diese unmittelbar, und die Einzelheiten des Ausweisungsschutzes richten sich nunmehr nach Art. 28 RL, der einen gestuften Schutz vor Ausweisung vorsieht, der darin mündet, dass nach dessen Abs. 3 gegen Unionsbürger eine Ausweisung nicht verfügt werden darf, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben (lit. a) oder minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig (lit. b).
36 
Der EuGH hat auch die Ausgestaltungen und Konkretisierungen der Freizügigkeitsgewährleistungen etwa in Art. 10 der VO 1612/68 (Urteil v. 30.09.2004 - C-275/02 - [Ayaz]) oder in Art. 3 der Richtlinie 64/221 (Urteil v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya]; oder in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG (Urteil v. 02.06.2005 - C-163/03 - [Dörr und Ünal]) ebenfalls auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige übertragen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dem angeschlossen und spricht von einer Konkretisierung der Freizügigkeitsgewährleistung durch Richtlinien der EU, die deshalb auch auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige anzuwenden seien (BVerwG, Urteil v. 03.08.2004, a.a.O.).
37 
Die Kammer folgt der im Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 12.07.2006 - 12 TG 494/06 - vertretenen Auffassung, es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die in der Richtlinie 2004/38/EG vorgenommene Ausgestaltung und Konkretisierung der EU-Angehörigen zukommenden Freizügigkeitsgewährleistungen nicht auch auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörig anzuwenden seien. Der Hess. VGH hat in seinem o.g. Beschluss zutreffend herausgearbeitet, dass die "Stufenfolge" der Ausweisungseinschränkungen, die Art. 28 RL vorsehe, als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes naheliegender und zwangloser aus Art. 39 Abs. 3 EG und der Ermächtigung in Art. 40 EG ableitbar sei, als die verfahrensrechtliche Konkretisierung der Freizügigkeitsgewährleistungen etwa in Art. 9 Richtlinie 64/221 EWG. Dem würden die Entscheidungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss v. 05.10.2005 - 11 ME 247/05 -; Beschluss v. 06.06.2005 - 11 ME 39/05-), das eine gegenteilige Auffassung vertrete, nicht hinreichend Rechnung tragen. Dies hat auch für den im Ergebnis mit der in den vorgenannten Entscheidungen des Nieders. OVG vertretenen Auffassung identischen Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen vom 16.03.2005 - 18 B 1751/04 - zu gelten.
38 
Der Ausweisung des Klägers, der in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet seinen Aufenthalt gehabt hat, ist damit Art. 28 Abs. 3 RL zugrundezulegen. Seine Ausweisung darf danach nicht mehr verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden. Aus den in der Richtlinie verwendeten Begriffen der schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit und der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit lässt sich der Schluss ziehen, dass mit dem letzteren Begriff eine über die schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit hinausgehende Voraussetzung für eine zulässige Ausweisung vorliegen muss. Hierfür ist beim Kläger nichts erkennbar. Die Vielzahl der vom Kläger begangenen Straftaten und das Begehen einer weiteren einschlägigen Straftat nach dem BtMG nur wenige Tage nach seiner Verurteilung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe würde nach Ansicht der Kammer aller Voraussicht nach die Ausweisung des Klägers tragen, wenn man dieser den bisher gültigen Maßstab für Ausweisungen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger, die sich zudem noch auf Art. 3 Abs. 3 Europäisches Niederlassungsabkommen - wie beim Kläger gegeben - berufen können (vgl. BVerwG, Urte. v. 06.10.2005 - 1 C 5/04 und v. 29.09.1998 - 1 C 8/96 -; m.w.N.), zugrundezulegen hätte. Das Verhalten des Klägers vermag aber nicht die nunmehr von Art. 28 Abs. 3 RL einer Ausweisung entgegen gestellte höhere Hürde zu nehmen; sie ist nicht aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit erforderlich. Der Bundesgesetzgeber ist noch nicht der Vorgabe des Art. 28 Abs. 3 RL nachgekommen und hat bislang nicht normiert, was unter „zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit“ zu verstehen ist. Die Kammer hat daher die im Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 13.03.2006 und dort in Art. 2 der Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU vorgesehene Konkretisierung zu Grunde gelegt. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit liegen hiernach nur dann vor, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet wurde oder wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn von dem Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 12.07.2006 - 12 TG 494/06). Diesen Rahmen sprengt das strafrechtliche Verhalten des Klägers (bisher) nicht. Die Ausweisungsverfügung des Beklagten war demzufolge aufzuheben.
39 
Da die Ausweisung rechtswidrig ist, ist die Abschiebungsandrohung ebenfalls aufzuheben (§§ 58 Abs. 1, 2; 59 Abs. 1 AufenthG).
40 
Die Berufung ist nach § 124a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Fragen der Anwendung der Richtlinie 38/2004 EG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige und der Konkretisierung der dort unter Art. 28 Abs. 3 RL vorgenommenen Beschränkung einer Ausweisung auf „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit“ zuzulassen.
41 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO.
42 
Beschluss
43 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. § 5 ZPO auf EUR 10.000,00 festgesetzt.
44 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG verwiesen.