Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 29. Apr. 2014 - 1 K 13.960

bei uns veröffentlicht am29.04.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben vom 19. August 2013 und der Widerspruchsbescheid des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben vom 11. September 2013 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch den Kläger im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.

Der am ... 1987 geborene Kläger steht nach freiwilliger Bewerbung seit dem 1. Oktober 2005 als Soldat auf Zeit im Dienste der Beklagten, mittlerweile im Range eines Oberfeldwebels. Als Dienstzeitende wurde zuletzt der 30. September 2017 festgesetzt. Seit März 2013 ist er als S 6 Feldwebel im 3. Logistikbataillon ... in V. eingesetzt.

Am 12. Juni 2013 beantragte der Kläger die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Seinen Antrag begründete er in einer persönlichen schriftlichen Erklärung damit, dass er sich in der Zwischenzeit intensiv mit dem Thema Dienst an der Waffe beschäftigt habe. Bei der Rückkehr in seine Stammeinheit, nach der einjährigen Weiterbildung zum Operativen Professional, sei er sofort mit dem Thema Krieg konfrontiert worden. Er habe erfahren, dass viele seiner Freunde in den Auslandseinsatz hätten gehen müssen, während er auf Lehrgang gewesen sei. Er wie die Kameraden, die in der Einheit verblieben seien, seien intensiv auf kommende Einsätze vorbereitet worden. Dies sei nicht nur durch die einsatzvorbereitende Ausbildung zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung geschehen, sondern auch durch verschiedene Schießübungen, um das effektive Töten von Menschen zu erlernen.

All dies habe ihn überrollt und er habe festgestellt, dass sich sein Leben plötzlich nur noch um das Thema „Krieg“ und den Kampf mit der Waffe gedreht habe. Die intensive Beschäftigung und Gespräche mit engen Vertrauten über seine oben beschriebenen Probleme hätten dazu geführt, dass er angefangen habe, sein Gewissen zu prüfen und seine zukünftigen Tätigkeiten in Frage zu stellen.

Dadurch dass sich in seiner Kompanie situationsabhängig zum großen Teil alles nur noch um das Thema Auslandseinsätze gedreht habe, habe er Gespräche von Kameraden hierüber mitbekommen. Diese hätten die Tatsache beschrieben, dass im Einsatz ein anderes Menschenleben wenig wert sei, wenn das eigene Leben in Gefahr sei. In diesem Moment sei ihm auf einmal bewusst geworden, wie die Einstellung der Soldaten bei der Bundeswehr wirklich sei und ihm plötzlich absolut klargeworden, dass er den Dienst an der Waffe in Zukunft unter keinen Umständen mehr durchführen könne. Ein Menschenleben zu beenden, auch wenn sein eigenes bedroht würde, sei und werde ihm niemals möglich sein. Jedes Leben sei kostbar und niemand sollte das Recht haben, ein anderes zu beenden.

Diese Tatsache verdanke er vermutlich zum großen Teil seinen Eltern, da ihm schon früh in der Erziehung beigebracht worden sei, dass er andere Menschen respektieren solle und sämtliche Mitmenschen als gleichberechtigte Personen zu behandeln habe. Konflikte würden niemals mit Gewalt gelöst, sondern indem man sich zusammen setze und über Probleme rede.

Den Arbeitgeber Bundeswehr habe er hauptsächlich wegen der angepriesenen Kameradschaft und der Möglichkeit Menschen, denen es schlecht gehe, humanitäre Hilfe zu leisten gewählt. Zu Beginn seiner Zeit bei den Streitkräften habe er gedacht, dass der allgemeine Dienstablauf ausbildungsabhängig im Büro stattfinden werde. Zusätzlich habe er auf einen großen Anteil an sportlichen Aktivitäten gehofft, da ihm diese große Freude bereiten würden. Auch seine bisherigen Jahre bei der Bundeswehr seien wie erhofft verlaufen. Er sei zum Fachinformatiker für Systemintegration ausgebildet worden, habe zusätzlich einige Weiterbildungen in diesem Fachbereich bekommen und sei größtenteils fachbezogen eingesetzt worden.

Sein Gewissenkonflikt habe sich erst durch die aktuellen Ereignisse entwickelt, weshalb er den Kriegsdienstverweigerungsantrag erst jetzt stelle. Er erkenne nun, dass der Auftrag der Bundeswehr zur Friedenssicherung, und sein eigener Wunsch, Menschen humanitäre Hilfe zu leisten, letztendlich nur unter Androhung von Waffengewalt bis hin zum tatsächlichen Töten von Menschen geschehe.

Die Ausbildungen an den verschiedenen Waffen habe er ohne darüber nachzudenken, dass diese von ihm jemals wirklich eingesetzt werden müssten, über sich ergehen lassen. Die Tatsache, dass die Ausbildungen an den Waffen nur den Zweck hätten, Menschen zu töten, habe er viele Jahre nicht so deutlich wahrgenommen, wie er es jetzt tue.

Jedoch sei er nun durch das Überdenken seiner moralischen Werte zu dem Entschluss gekommen, dass er es niemals mit seinem Gewissen vereinbaren könne, im Ernstfall Gebrauch von einer Waffe zu machen oder sogar auf einen Menschen schießen zu müssen.

Ein zusätzlicher Anstoß für ihn seien die erschreckenden Bilder des Zweiten Weltkrieges gewesen, welche eindrucksvoll auf einer Unteroffiziersweiterbildung im Februar dieses Jahres im Militärmuseum von Dresden dargestellt worden seien. Die Sonderausstellung Stalingrad zeige deutlich die Geschichte und ihre unglaublichen Gräueltaten an den Menschen. Der unermessliche Schmerz und die große Trauer der Angehörigen rührten ihn sehr. Dies sei ein weiterer Grund für ihn, über die Kriegsschauplätze der heutigen Generation und den hiervon ausgehenden Schmerz der Menschen nachzudenken.

Auch die Nachrichten würden jeden Tag neue Kriegsszenarien aus den verschiedenen Einsatzländern zeigen, in denen weinende Kinder, ängstliche Familien, zerstörte Häuser und sogar getötete Menschen dargestellt würden. Diese Bilder ließen ihn jedes Mal sehr unglücklich werden. Die verschiedenen Arten der Gewalt schienen unendlich zu sein, jedoch die Möglichkeit, einen Konflikt friedlich zu lösen ohne Waffen, scheine niemanden zu interessieren. Das könne und werde er nicht akzeptieren. Der Gedanke, dass er ebenfalls eine Waffe auf einen Menschen richten und damit anderen eben dieses Leid zufügen müsse, zerstöre ihn innerlich und sei mit seinem Gewissen auf keinen Fall vereinbar. Einen Menschen zu töten sei eine Tat, die für ihn unvorstellbar sei und mit weitreichenden Konsequenzen einhergehe.

Nicht ohne Grund laute eines der wichtigsten Gebote des von ihm gewählten christlichen Glaubens „du sollst nicht töten“. Die Benutzung einer Waffe werde seiner Meinung nach nicht nur von seinem Glauben, sondern auch durch das deutsche Grundgesetz verurteilt. Im Art. 1 Abs. 3 des Grundgesetzes stehe eindeutig, dass die Würde des Menschen unantastbar sei. Sollte er also in eine Kriegssituation kommen in der er Waffengewalt androhe oder diese sogar anwende, um einen Menschen zu verletzen oder zu töten, verstoße er zum einen gegen seinen christlichen Glauben und zum anderen gegen geltendes deutsches Recht.

Der dadurch resultierende ständige Kampf mit seinem Gewissen belaste seinen psychischen Zustand sehr. Immer öfters sei es ihm nachts aufgrund von Albträumen nicht möglich, richtig zu schlafen. Dies sei eine Situation, welche von Tag zu Tag schlimmer zu werden scheine.

Seine Familie, Freunde und auch Kameraden hätten ihm bereits anvertraut, dass sie sich Sorgen um ihn machen würden, weil sie das Gefühl hätten, er ziehe sich immer mehr zurück. Auch seine Freundin habe ihm in mehreren Gesprächen klargemacht, dass sich sein Wesen und sein Auftreten stark zum Negativen verändert hätten, seitdem er wieder vom Lehrgang zurück sei.

Weiterhin Dienst an der Waffe zu leisten, sei für ihn wegen allen bereits genannten Gründen undenkbar und stehe im kompletten Gegensatz zu seinen moralischen Grundsätzen. In den letzten Jahren habe er viele Länder besucht und sei von den dort lebenden Menschen immer herzlich aufgenommen worden. Der Gedanke, einmal gegen diese Länder Krieg führen zu müssen und diesen Menschen körperlichen oder seelischen Schaden zuzufügen, widerstrebe ihm zutiefst. Die tatsächliche Benutzung einer Waffe mit dem Ziel, einen Menschen zu verletzen oder gar zu töten, würde ihn sicherlich ein Leben lang verfolgen. Einen Menschen getötet zu haben, verstoße gegen sein Gewissen, seinen Glauben und gegen das deutsche Grundgesetz. Zusätzlich noch zu wissen, den Angehörigen des Opfers unglaubliche seelische Schmerzen zugefügt zu haben, würde ihn innerlich zerreißen.

Schon allein der Gedanke daran mache ihm große Angst und lasse ihn kaum noch schlafen. Dieser große Gewissenskonflikt werde bei ihm bereits durch den Dienst an der Waffe ausgelöst. Daher könne er im Ernstfall niemals auf einen Menschen schießen. Die weitere Ableistung des Dienstes stehe im kompletten Gegensatz zu seinem Gewissen und würde sein Selbstwertgefühl stark verletzen.

Er bitte daher inständig, seine Gewissensentscheidung zu akzeptieren.

Eine anschließende schriftliche Nachfrage seitens der Behörde wurde vom Kläger persönlich unter dem 15. Juli 2013 (zusammengefasst) wie folgt beantwortet:

Obwohl er sich direkt nach Beendigung seiner Schulzeit für 12 Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet habe, habe er natürlich versucht, sich mit dem Berufsbild des Soldaten auseinander zu setzen und sich informiert. Letztlich sei er damals gerne zur Bundeswehr gegangen, ohne an die Möglichkeit zu denken, jemals von der Waffe Gebrauch machen zu müssen. Diese Einstellung sei natürlich auch wegen seines noch jungen Alters, sehr naiv gewesen Das Abzeichen für Leistungen im Truppendienst bzw. die Schützenschnur habe er nie erworben, wohl aber verschiedene IGF-Nachweise. Ihm seien die Pflichten des Soldaten bekannt, jedoch habe er für sich bis heute nie eine Situation gesehen, in der er von der Wirkungskraft der Waffe hätte Gebrauch machen müssen. Eingesetzt als S6 Feldwebel sei auch in den regelmäßig stattfindenden Übungen immer nur der Aufbau und die Wartung eines Netzwerkes seine Aufgabe gewesen, um die Kommunikation und die Arbeitsfähigkeit der Führungskräfte gewährleisten zu können. Zusätzlich hätten die zivilen Weiterbildungen einen großen Teil seiner Dienstzeit eingenommen, wobei nie über den Gebrauch von Waffen geredet worden sei. So liege der letzte Gebrauch einer Waffe mehr als 3 Jahre zurück.

Das Karfreitagsgefecht 2010 habe ihn stark getroffen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er eine derartige Ausschreitung noch nicht mitbekommen. Trotzdem habe er versucht, es an ihm vorbeigehen zu lassen. Er habe sich eingeredet, dass es ein Unglück gewesen sei, das ihm selbst nie passieren würde. Jedoch sehe er jetzt, da er sich nun intensiver mit dem Dienst an der Waffe und den daraus folgenden Konsequenzen beschäftige, dass diese Einstellung völlig falsch gewesen sei.

Die Ausbildung an den Waffen habe für ihn zu den ganz normalen Übungen gehört wie das Überwinden der Hindernisbahn. Niemals habe er sich während der Ausbildung vorgestellt, auf Menschen zu schießen. Des Weiteren sei auch nie die Wirkung der verschiedenen Waffen auf den Menschen erläutert worden. Er habe, wie man vielleicht auch am Datum seines letzten Schusses mit dem Gewehr erkenne, nie sehr viel Wert auf diese Ausbildungen gelegt. Sollte seinem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer entsprochen werden, werde er beginnen einen passenden Beruf im Bereich der Informationstechnologie zu suchen.

Mit Bescheid vom 19. August 2013 entschied das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben dass der Kläger nicht berechtigt sei, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Es bestünden Zweifel an der Wahrheit der Angaben, wonach der Kläger in schwerwiegende Gewissensnot geraten würde, wenn er in irgendeiner Weise einen Beitrag zum Töten von Menschen im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen leisten müsste. Die „Umkehr“ von einer zunächst bewussten Entscheidung zur Ableistung des Wehrdienstes in der Bundeswehr hin zu einer Gewissensnot für den Fall der Teilnahme am Krieg mit der Waffe sei nicht glaubhaft dargelegt worden. Bei einem Soldaten auf Zeit, der zunächst ohne erkennbaren Gewissenskonflikt seit mehreren Jahren seinen Dienst geleistet habe, könne eine solche Umkehr des Gewissens durch ein Schlüsselerlebnis herbeigeführt worden sein oder das Ergebnis eines längeren intensiven Wandlungsprozesses sein. An Stelle eines Schlüsselerlebnisses seien auch „sonstige Umstände“ geeignet und ausreichend, wenn sie jedenfalls im Ergebnis- insoweit wie ein Schlüsselerlebnis - eine wirkliche Umkehr bewirkt hätten. Ein Schlüsselerlebnis oder entsprechende schwerwiegende Umstände im vorgenannten Sinn habe der Kläger nicht vorgetragen; auch die Gesinnungsumkehr aufgrund eines längeren intensiven Wandlungsprozesses sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Vortrag des Klägers zur Begründung bleibe im Hinblick auf den geltend gemachten „Sinneswandel“ unkonkret und oberflächlich und vermöge eine ernsthafte, tiefe und unabdingbare Gewissensentscheidung nicht darzulegen.

Es werde auch in den Medien der kriegsähnliche Zustand in Afghanistan schon seit Jahren real und nicht verharmlosend dargestellt. Warum sich der Kläger mit der sich aufdrängende Frage der Vereinbarkeit seiner Ausbildung und seines Berufes mit seinem Gewissen nicht auseinandergesetzt habe, sei nicht nachvollziehbar. Neben der vom Kläger angegeben Internetseite der Bundeswehr gebe es auch noch andere Medien, in denen über Konflikte im Ausland berichtet werde und wie rigoros im Notfall von der Waffe Gebrauch gemacht werden müsse.

Es ist nicht glaubhaft, dass der Kläger damals gerne zur Bundeswehr gegangen sei, ohne an die Möglichkeit zu denken, jemals von der Waffe Gebrauch machen zu müssen. Seine Angaben, wann er zum letzten Mal geschossen habe, entsprächen nicht den Tatsachen; nach den vorliegenden Unterlagen habe er nicht 2010, sondern am 09. August 2011 zum letzten Mal an einem Schießen teilgenommen. Seine Aussagen zum Karfreitagsgefecht seien ebenfalls nicht glaubhaft, da bereits seit 2009 von „kriegsähnlichen Zuständen“ gesprochen werde. Seine Aussage, dass für ihn ein Einsatz in einem solchen Gebiet eher unwahrscheinlich sei, stelle keine Gewissensnot dar. Bei der Gewissensentscheidung gehe es darum, dass ein Antragsteller es grundsätzlich nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne, den Kriegsdienst mit der Waffe zu leisten. Auch die Darlegung, dass die Dienste des Klägers im Bereich der IT nur noch sehr gering benötigt werden und er als Soldat mit Waffe eingesetzt werde, sei keine Gewissensnot. Es hätte dem Kläger bereits nach der Grundausbildung bewusst gewesen sein müssen, welche Aufgaben und Pflichten ein Soldat habe.

Hiergegen ließ der Kläger unter dem 5. September 2013 Widerspruch erheben. Geltend gemacht wurde, dass der Kläger entgegen den Bescheidsgründen seine schwere Gewissensnot ausführlich dargelegt und begründet habe. Beigefügt waren eine befürwortende Stellungnahme des Militärpfarrers vom 5. September 2013, ein ärztlicher Bericht des Truppenarztes Dr. V. gleichen Datums sowie eine nochmalige persönliche Begründung des Klägers. Hierin gibt der Kläger - unter anderem - an, er habe bei Eintritt in die Bundeswehr natürlich die Möglichkeit bedacht, von einer Waffe Gebrauch machen zu müssen, jedoch nur in Übungssituationen. Einen realen Einsatz in einem fremden Land habe er für äußerst unwahrscheinlich gehalten. Wie schon erwähnt, sei diese Einstellung natürlich äußerst ignorant und naiv gewesen. Aber von Freunden, die bereits bei der Bundeswehr ihren Dienst geleistet hätten, sei vor seinem Eintritt die Situation so beschrieben worden, dass man nur dann in ein Einsatzland kommen würde, wenn man sich dafür freiwillig bewerbe. Bei seinen Angaben wann er zum letzten Mal geschossen habe, habe er leider einen Fehler gemacht. Im Jahr 2010 habe er das letzte Mal mit dem Gewehr geschossen, das letzte Schießen mit der Pistole habe zutreffend am 9. August 2011 stattgefunden. Die schlimme Situation im Einsatzland habe er erst durch das Karfreitagsgefecht richtig wahrgenommen, obwohl er selbst zu diesem Zeitpunkt noch beharrlich versucht habe, diesen Vorfall an ihm vorbeigehen zu lassen. Vermutlich habe schon ab diesem Zeitpunkt sein langsamer Sinneswandel begonnen; vor dieser Ausschreitung habe er sich mit den „kriegsähnlichen Zuständen“ bewusst oder unbewusst nicht befasst. Seine Aussage, dass für ihn ein Einsatz eher unwahrscheinlich gewesen sei, sei als Argument angeführt worden, warum er den Gebrauch einer Waffe so lange habe ignorieren können. Es sei für ihn einfach nicht nötig gewesen, sein Gewissen zu prüfen, da die Möglichkeit zum Gebrauch einer Waffe in irgendeinem Einsatzland nicht existiert habe. Ein Einsatz mit der Waffe sei aber nun nicht nur möglich, sondern stehe kurz bevor. Dies sei für ihn ein Schock und er habe lange Zeit nicht gewusst, was er tun solle. Jedoch die Gespräche mit Familie und Freunden sowie auch Pfarrer und Ärztin hätten ihn dann endlich zu dem Entschluss kommen lassen, den Antrag auf Kriegsdienstverweigerung zu stellen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2013 wies das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben den Widerspruch als unbegründet zurück.

Es vermöge nicht zu überzeugen, dass der Kläger in schwerwiegende Gewissensnot geraten würde, wenn er in irgendeiner Weise einen Beitrag zum Töten von Menschen im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen leisten müssten. Seine „Umkehr“ von einer zunächst bewussten Entscheidung zur Ableistung des Wehrdienstes in der Bundeswehr hin zu einer Gewissensnot, wenn er am Krieg mit der Waffe teilnehmen müsste, sei nicht glaubhaft dargelegt worden.

Ein Schlüsselerlebnis oder entsprechende schwerwiegende Umstände habe der Kläger nicht vorgetragen; auch eine Gesinnungsumkehr aufgrund eines längeren intensiven Wandlungsprozesses sei nicht glaubhaft gemacht worden. Die Aussage, dass er einen realen Einsatz in einem fremden Land für äußerst unwahrscheinlich gehalten habe, sei auf dem Hintergrund der Einsätze der Bundeswehr im Kosovo, seit 2001 in Afghanistan bzw. dem Einsatz der Bundesmarine vor dem Horn von Afrika zur Piratenabwehr nicht glaubhaft, angesichts der Tatsache, dass er seit dem 1. Oktober 2005 Soldat auf Zeit sei. Am 10. Februar habe er einen Eröffnungsvermerk über den beabsichtigten Einsatz beim Truppenteil 1. lnstBtl 201, 97332 Volkach unterzeichnet; hierin werde unter Ziffer 2 deutlich darauf hingewiesen, dass er damit rechnen müsse, bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr eingesetzt zu werden. In der von ihm am 8. April 2009 unterzeichneten Erklärung zum Aufgabenspektrum des Soldaten auf Zeit werde in Ziffer 1 ebenfalls deutlich darauf hingewiesen, dass das Aufgabenspektrum des Bundeswehrsoldaten beim Einsatz in Regionen, in denen bewaffnete Konflikte ausgetragen werden, sich dabei von humanitärer Hilfe über bewaffnete Sicherungsaufgaben bis hin zur aktiven Teilnahme an militärischen Kampfhandlungen zur Wiederherstellung des Friedens erstrecken könne. Die Aussage, dass sich der Kläger mit den Zuständen in den Einsatzländern bewusst oder unbewusst nicht befasst habe, sei nicht glaubhaft.

Am 24. September 2013 ließ der Kläger Klage erheben und zur Begründung geltend machen, er habe ausführlich dargelegt, dass es sich um einen schleichenden Prozess über eine längere Zeit gehandelt habe. Dieser Wandlungsprozess stelle sich glaubwürdig und nachvollziehbar dar. Hintergrund der Ablehnung sei eine auf Weisung des Personalamtes der Bundeswehr geänderte - nunmehr rechtswidrige - Entscheidungspraxis, nachdem seit 2012 deutlich mehr Kriegsdienstverweigerungsanträge gestellt worden seien als in den Jahren zuvor

Der Kläger lässt beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben vom 19. August 2013 und der Widerspruchsbescheid des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben vom 11. September 2013 zu verpflichtet, den Kläger als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen.

Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt für die Beklagte

die Klage abzuweisen.

Im Wesentlichen verwiesen wurde auf die Bescheidsgründe. Der Kläger habe nahezu acht Jahre Dienst als Soldat auf Zeit geleistet, ohne einen nach außen erkennbaren unerträglichen Konflikt zu empfinden. Eine Umkehr, dass fortan der Verbleib bei der Bundeswehr eine Gewissensbelastung dergestalt bedeuten würde, das dies bei dem Kläger zu einem schweren seelischen Schaden führen würde, mache er durch das Vorliegen eines Schlüsselerlebnissees nicht geltend. Auch eine absolut verbindliche Gesinnungsumkehr aufgrund eines längeren intensiven Wandlungsprozesses sei nicht erkennbar. Seine Darlegungen, warum es ihm unmöglich sei, Dienst bei der Bundeswehr zu leisten, blieben vage; er spreche von aktuellen Ereignissen, ohne diese konkret zu benennen. Er schildere nicht, wie er um seine innere Einstellung gerungen habe, wie er sich intellektuell und emotional mit ihr auseinander gesetzt habe.

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO) einverstanden erklärt.

In der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben über die Gründe, die den Kläger veranlasst haben, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Hierzu wurde der Kläger als Partei vernommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten mit der Sitzungsniederschrift und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Die entgegenstehenden Behördenbescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 VwGO).

1. Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen (Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG) als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Nach § 5 KDVG ist eine Person auf Antrag hin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn der Antrag vollständig ist, die dargelegten Beweggründe das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen geeignet sind und das tatsächliche Gesamtvorbringen und die dem Bundesamt bekannten sonstigen Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragsteller begründen oder die Zweifel aufgrund einer Anhörung nicht mehr bestehen.

Die genannten Voraussetzungen liegen beim Kläger vor. Der Antrag des Klägers ist vollständig und die Beweggründe des Klägers vermögen einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu rechtfertigen. Auch an der Wahrheit der Angaben des Klägers bestehen keine Zweifel. Das Gericht - hier der Berichterstatter gem. § 87a Abs. 3 VwGO - ist aufgrund der Parteieinvernahme des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger aus Gewissensgründen im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG und § 1 Abs. 1 KDVG den Dienst an der Waffe berechtigt verweigert.

Für eine verbindliche Gewissensentscheidung müssen konkrete Anhaltspunkte festgestellt werden (BVerwG v. 6.2.1978 - VI B 36.77 - BVerwGE 55, 217). Eine Gewissensentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG v. 20.12.1960 - 1 BvL 21/60 - BVerfGE 12, 45) jede ernste, sittliche, an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne schwere seelische Not bzw. nicht ohne ernstliche Gewissensnot handeln kann. Wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG v. 1.2.1989 - 6 C 61/86 - BVerwGE 81, 239) klargestellt hat, ist Voraussetzung für die Annahme einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinn von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nicht das „Zerbrechen der Persönlichkeit“ oder der Eintritt eines „schweren seelischen Schadens“, sondern es genügt eine schwere Gewissensnot des Betreffenden, die im Einzelfall zu einem schweren seelischen Schaden führen kann, aber nicht muss. Das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung lässt sich vielfach nicht in vollem Umfang beweisen. Es kann daher genügen, dass ein aufgrund aller in Betracht kommender Umstände ermittelter, hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für eine solche Entscheidung spricht (BVerwG v. 18.10.1972 - VIII C 46.72 - BVerwGE 41, 53). Handelt es sich um Personen, die sich - wie der Kläger - freiwillig als Soldaten auf Zeit verpflichtet und schon mehrere Jahre Wehrdienst geleistet haben ohne einen Konflikt mit dem Gewissen zu empfinden, kann von einer Ersthaftigkeit der Gewissensentscheidung nur ausgegangen werden bei einer „Umkehr“ der früheren Einstellung gegenüber dem Kriegsdienst mit der Waffe (BVerwG v. 29.4.1991 - 6 B 9/91 - Buchholz 448.6 § 1 KDVG Nr. 44). Eine solche Umkehr kann nicht nur durch ein „Schlüsselerlebnis“ oder entsprechend schwerwiegende Umstände herbeigeführt werden, sondern auch das Ergebnis eines längeren Wandlungsprozesses sein (BVerwG v. 2.3.1989 - 6 C 10/87 - BVerwGE 81, 294 ff.).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen konnte das Gericht eine innere „Umkehr“ beim Kläger feststellen. Aufgrund des sehr ernsthaften und insgesamt vollkommen glaubwürdigen persönlichen Eindrucks, den das Gericht bei der Befragung des Klägers im Rahmen seiner Einvernahme als Partei gewonnen hat, ist das Gericht überzeugt davon, dass beim Kläger in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung tatsächlich die Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe vorliegt. Das Gericht hat keine Zweifel mehr daran, dass der Kläger einen mittlerweile länger dauernden, gewissensmäßigen Wandlungsprozess durchlaufen hat, an dessen Ende die Überzeugung steht, dass er unter keinen Umständen und zu keinem Zwecke töten kann. Der Kläger hat für das Gericht glaubhaft dargelegt, dass bei ihm - nachdem er sich anfänglich mit seinem Beruf als Soldat identifiziert hatte - ein Wandlungsprozess seines Gewissens im Sinne eines Erkenntnisprozesses stattgefunden hat.

Der Kläger hat aus Sicht des Gerichts ehrlich dargelegt, aus welchen Gründen und welcher Motivation heraus, er sich ursprünglich für die Soldatenlaufbahn und damit den Beruf des Soldaten entschieden hat. Er hat diesbezüglich bereits in seiner ersten Antragsbegründung deutlich gemacht, dass es sich um eine bewusste Entscheidung gehandelt hat, motiviert durch die angepriesene Kameradschaft bei der Bundeswehr, der Möglichkeit humanitäre Hilfe leisten zu können, der Gelegenheit zu sportlichen Aktivitäten und vor allem der Fachausbildung in einem gewünschten beruflichen Sektor, nämlich der Informationstechnologie.

Ohne weiteres nachempfunden werden kann seitens des Gerichts sodann, dass der Kläger nach eigenem Vortrag diese Berufsentscheidung und die damit verbundene Gewissensentscheidung für einen zu erwartenden Dienst an der Waffe zu diesem Zeitpunkt vor allem vor dem Hintergrund eines realistischer Weise gerade nicht zu erwartenden Waffengebrauchs in einer Kriegs- oder kriegsähnlichen Situation getroffen hat und in der Rückschau damit gleichsam - wie es der Kläger ausdrückt - etwas „naiv“ und seinem Alter geschuldet. Dies gilt gleichermaßen für die formale Aufrechterhaltung dieser Gewissensentscheidung in den folgenden Dienstjahren, die nach Vortrag des Klägers und anhand des vorgelegten Lebenslaufes nachvollziehbar seit Beginn des Jahres 2006 bis letztlich zum März 2013 ganz wesentlich geprägt waren durch seine Ausbildungszeiten, Weiterbildungszeiten und praktische Tätigkeit im S 6 Bereich seiner jeweiligen Einheit. Wenn der Kläger auch für diesen Zeitraum sinngemäß geltend macht, dass ein zu erwartender tatsächlicher Einsatz an der Waffe von seinem Berufsalltag und seiner Vorstellung für ihn ferngelegen hat ist dies gerade auch angesichts seines nicht unmittelbar militärischen, sondern eher fachspezifischen Betätigungsfeldes glaubhaft, durchaus auch im Sinne einer gewissen Verdrängungshaltung. Vor diesem Hintergrund können ohne weiteres auch die von der Beklagtenseite angeführten Erklärungen des Klägers vom 10. Februar 2005 bzw. vom 8. April 2009 stimmig in diesen Rahmen verortet werden. Das Gericht sieht sich im vorliegenden Zusammenhang im Übrigen zur Anmerkung veranlasst, dass es angesichts des maßgeblichen Entscheidungszeitpunkts der mündlichen Verhandlung grundsätzlich gerade nicht entscheidend darauf ankommen an, welche Schlüsse aus der seinerzeit - hier 2005 - getroffenen Berufswahlentscheidung für die Bundeswehr zu ziehen sind bzw. welche Erklärungen der Kläger hierzu im Jahr 2005 oder 2009 abgegeben hat. Alleine entscheidend ist vielmehr die vom Kläger mit seinem KdV-Antrag im Juni 2013 vorgetragene und geltend gemachte Gewissensentscheidung, die ja gerade auch in der „Umkehr“ einer früheren Gewissensentscheidung liegen kann und von ihm nach seinem Vorbringen erst nach dem März 2013 getroffen worden ist. Soweit der Vortrag des Klägers, er habe sich mit den Zuständen in den in Frage kommenden Einsatzländern bewusst oder unbewusst nicht befasst bzw. einen Einsatz für unrealistisch gehalten, seitens der Behörde für „unglaubhaft“ gehalten wird, erschließt sich dem Gericht im Übrigen von vorneherein nicht, wie ein solcher Schluss ohne die nach dem Gesetz (hier § 6 Abs. 1 KDVG) nach Ermessen vorgesehene persönliche Anhörung des Betroffenen tragfähig hat gezogen werden können. Wie dargelegt, kommt es auf die vom Kläger nunmehr geltend gemachte aktuelle Gewissensentscheidung gegen den Dienst an der Waffe an und deren Glaubhaftmachung, unabhängig von der Motivation, Intensität und Tiefe früherer getroffener Abwägungen des eigenen Gewissens.

Sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eindrücklich, offen und widerspruchsfrei geschildert, aus welchem äußeren Anlass heraus und auf welchen Wegen er zu seiner Gewissensentscheidung gekommen ist. Gerade nach dem persönlichen Eindruck, den das Gericht vom Kläger gewonnen hat, ist dieser ein überlegter Mensch, der nicht zu voreiligen Entschlüssen neigt. Dies wird letztlich bestätigt durch die Charakterisierung des Klägers in den im Klageverfahren vorgelegten ärztlichen Berichten. Insbesondere attestiert OFA Dr. M. in dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Befundbericht vom 20. März 2014 dem Kläger eine perfektionistische Persönlichkeitsstruktur. Für die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung des Klägers spricht schließlich die Entwicklung einer psychischen Erkrankung im Sinne einer Anpassungsstörung mit depressiver Entwicklung mit einer hierwegen seit Anfang Dezember 2013 bestehenden Dienstunfähigkeit und der Notwendigkeit einer ambulanten Psychotherapie. Ausweislich der vorgelegten ärztlichen Unterlagen stellt gerade die Unsicherheit bezüglich seiner derzeitigen Lage bzw. der Verlust seines dienstlichen Verständnisses für den Kläger eine erhebliche Belastung dar; auch dies spricht aus Sicht des Gerichts für eine ernsthafte und nachhaltige Gewissensnot.

Dass eine tiefe und ernsthafte „Umkehr“ und eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst vorliegt, wird auch durch die von der Beklagten in den ablehnenden Behördenentscheidungen angeführten Erwägungen nicht entscheidend in Frage gestellt. Die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid zu findende Argumentation befasst sich in erster Linie damit, ob der Kläger seine frühere Gewissensentscheidung für die Bundeswehr bzw. deren Aufrechterhaltung glaubhaft schildere und ist in dieser Form - wie bereits dargestellt - ohne wesentlichen Erkenntniswert für die vom Gericht vorliegend zu treffende Entscheidung. Was der Kläger seinerzeit hätte wissen bzw. tun hätte müssen, steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der aktuellen Gewissensentscheidung. Dem Gericht erschließt sich weiterhin nicht, wenn seitens der Beklagen die These vertreten wird, die vom Kläger vorgebrachte Angst vor einem Auslandseinsatz mit Waffen sei als solche keine Gewissensentscheidung. Aus Sicht des Gerichts ist es vielmehr gerade folgerichtig, wenn ein Betroffener nach einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst an der Waffe davor „Angst“ hat, einer entsprechenden Situation mit dem entsprechenden Gewissenskonflikt ausgesetzt zu werden. Vor diesem Hintergrund ist die vorgetragene „Angst“ also gerade Ausdruck der Gewissensentscheidung.

Bei der gebotenen individuellen Würdigung unter Ausschöpfung der erreichbaren Erkenntnismittel und Entscheidungsgrundlagen sind damit nach Überzeugung des Gerichts die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer in der Person des Klägers erfüllt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Kläger im Vorverfahren ist für notwendig zu erklären (§ 152 Abs. 2 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

4. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

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(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

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(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit

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(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,1.über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;2.bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auc

Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG 2003 | § 1 Grundsatz


(1) Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Artikels 4 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird nach den Vorschriften dieses Gesetzes als Kriegsdienst

Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG 2003 | § 5 Anerkennung


Die Antragstellerin ist als Kriegsdienstverweigerin und der Antragsteller ist als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn 1. der Antrag vollständig ist (§ 2 Abs. 2),2. die dargelegten Beweggründe das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen

Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG 2003 | § 6 Anhörung


(1) Hat das Bundesamt Zweifel an der Wahrheit der Angaben der Antragstellerin oder des Antragstellers, gibt es ihr oder ihm Gelegenheit, sich innerhalb eines Monats zu den Zweifeln ergänzend schriftlich zu äußern und die Angaben zu belegen (schriftli

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(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Artikels 4 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird nach den Vorschriften dieses Gesetzes als Kriegsdienstverweigerin oder Kriegsdienstverweigerer anerkannt.

(2) Wehrpflichtige, die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden sind, haben im Spannungs- oder Verteidigungsfall statt des Wehrdienstes Zivildienst außerhalb der Bundeswehr als Ersatzdienst nach Artikel 12a Absatz 2 des Grundgesetzes zu leisten.

Die Antragstellerin ist als Kriegsdienstverweigerin und der Antragsteller ist als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn

1.
der Antrag vollständig ist (§ 2 Abs. 2),
2.
die dargelegten Beweggründe das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen geeignet sind und
3.
das tatsächliche Gesamtvorbringen und die dem Bundesamt bekannten sonstigen Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben der Antragstellerin oder des Antragstellers begründen oder die Zweifel aufgrund einer Anhörung nach § 6 nicht mehr bestehen.

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Artikels 4 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird nach den Vorschriften dieses Gesetzes als Kriegsdienstverweigerin oder Kriegsdienstverweigerer anerkannt.

(2) Wehrpflichtige, die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden sind, haben im Spannungs- oder Verteidigungsfall statt des Wehrdienstes Zivildienst außerhalb der Bundeswehr als Ersatzdienst nach Artikel 12a Absatz 2 des Grundgesetzes zu leisten.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Artikels 4 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird nach den Vorschriften dieses Gesetzes als Kriegsdienstverweigerin oder Kriegsdienstverweigerer anerkannt.

(2) Wehrpflichtige, die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden sind, haben im Spannungs- oder Verteidigungsfall statt des Wehrdienstes Zivildienst außerhalb der Bundeswehr als Ersatzdienst nach Artikel 12a Absatz 2 des Grundgesetzes zu leisten.

(1) Hat das Bundesamt Zweifel an der Wahrheit der Angaben der Antragstellerin oder des Antragstellers, gibt es ihr oder ihm Gelegenheit, sich innerhalb eines Monats zu den Zweifeln ergänzend schriftlich zu äußern und die Angaben zu belegen (schriftliche Anhörung). Bestehen weiterhin Zweifel, kann es die Antragstellerin oder den Antragsteller auch mündlich befragen (mündliche Anhörung).

(2) Die mündliche Anhörung ist nicht öffentlich. Das Bundesamt nimmt über die mündliche Anhörung ein Protokoll auf.

(3) Das Bundesamt kann ein Führungszeugnis nach § 31 des Bundeszentralregistergesetzes anfordern, wenn Zweifel an der Wahrheit der Angaben der Antragstellerin oder des Antragstellers bestehen und anzunehmen ist, dass diese Zweifel durch die Einholung eines Führungszeugnisses aufgeklärt werden können. Die Antragstellerin oder der Antragsteller ist über die Einholung des Führungszeugnisses zu unterrichten.

(4) Eine darüber hinausgehende Tatsachenaufklärung findet durch das Bundesamt nicht statt.

(5) Im Falle der Teilnahme an einer mündlichen Anhörung sind der Antragstellerin oder dem Antragsteller die notwendigen Auslagen zu erstatten. Nimmt eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer an einer mündlichen Anhörung teil, hat die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber für die ausfallende Arbeitszeit das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen. Ist eine Antragstellerin oder ein Antragsteller nicht Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer, werden die notwendigen Aufwendungen, die ihr oder ihm durch die Bestellung einer Vertretung entstehen, erstattet, wenn die Fortführung des Geschäftsbetriebs oder der selbstständigen Tätigkeit nicht durch andere Vorkehrungen ermöglicht werden kann.

(6) Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere zum Verfahren bei der Anhörung sowie zur Erstattung von notwendigen Auslagen, Verdienstausfall und notwendigen Aufwendungen zu regeln.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.