Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 26. Feb. 2019 - W 3 K 19.50

published on 26/02/2019 00:00
Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 26. Feb. 2019 - W 3 K 19.50
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Gericht

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Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 630,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Das Verfahren ist daher in rechtsähnlicher Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Gemäß § 161 Abs. 2 VwGO hat das Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes lediglich über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

Billigem Ermessen entspricht es regelmäßig, die Kosten demjenigen Beteiligten aufzuerlegen, der voraussichtlich im Verfahren unterlegen und deshalb nach Maßgabe des § 154 VwGO kostenpflichtig geworden wäre. Sind die Erfolgsaussichten völlig offen, so sind die Kosten in der Regel gegeneinander aufzuheben. Wo die Verwaltungsgerichtsordnung wie z.B. in § 155 Abs. 4 VwGO eine besondere Kostenregelung getroffen hat, ist diese auch im Rahmen der Entscheidung gemäß § 161 Abs. 2 VwGO zu beachten. Ebenso ist zu berücksichtigen, wenn sich die Beteiligten in einem anderen Verfahren gerichtlich oder im anhängigen Verfahren außergerichtlich geeinigt und dabei auch festgelegt haben, wer die Kosten des sich erledigenden Verfahrens trägt. Ist schließlich die Erledigung von einem Beteiligten herbeigeführt worden und liegen die Gründe hierzu in dessen Bereich, so ist dies im Regelfall zu seinem Nachteil zu werten. Ob sich die Hauptsache tatsächlich erledigt hat, darf das Gericht nicht prüfen; auch für eine weitere Sachverhaltsaufklärung, insbesondere für eine Beweisaufnahme, ist grundsätzlich kein Raum.

Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.

Auf der Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 (1 BvR 1675/16 u.a. - juris) beantragte der Kläger mit Schreiben vom 19. Juli 2018 die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Wohnung mit der Anschrift …straße in M. In diesem Zusammenhang gab er an, sein Hauptwohnsitz befinde sich in Würzburg in der …straße … Die Wohnung in M. nutze er nur gelegentlich an Wochenenden.

Mit Schreiben vom 30. August 2018 forderte der Beklagte den Kläger auf, zur Bearbeitung des Antrags auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Nebenwohnung eine Bescheinigung des Einwohnermeldeamts vorzulegen, aus welcher die Haupt- und die Nebenwohnung hervorgingen. Daraufhin informierte der Kläger den Beklagten am 7. September 2018 darüber, die Vorlage einer Bescheinigung des Einwohnermeldeamts hinsichtlich der Hauptwohnung und der Nebenwohnung sei nicht möglich, da er in M. nicht gemeldet sei; dies deswegen, weil er sich jährlich nur etwa 20 bis 25 Tage dort aufhalte und das dortige Einwohnermeldeamt deshalb eine Anmeldung nicht für notwendig gehalten habe.

Daraufhin lehnte der Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Nebenwohnung mit Bescheid vom 14. Januar 2019 ab mit der Begründung, die Befreiung dürfe von der Vorlage eines behördlichen melderechtlichen Nachweises abhängig gemacht werden, aus welchem hervorgehe, bei welcher Wohnung es sich um die Haupt- und die Nebenwohnung handele. Der Kläger habe trotz entsprechender Aufforderung keine entsprechende Bescheinigung zugeschickt.

Hiergegen erhob der Kläger im vorliegenden Verfahren Klage und legte in diesem Zusammenhang einen Zweiwohnungssteuerbescheid der Stadt M. vom 9. Januar 2019 vor, aus welchem hervorgeht, dass der Kläger für die Zweitwohnung in der …straße in M. zweitwohnungssteuerpflichtig ist. Zudem legte er eine Mail des Einwohnermeldeamtes der Stadt M. vom 27. November 2013 vor, aus welcher hervorgeht, dass er sich in M. nicht anmelden muss.

Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheid vom 6. Februar 2019 den Ablehnungsbescheid vom 14. Januar 2019 auf und befreite den Kläger mit separatem Bescheid vom 15. Februar 2019 von der Rundfunkbeitragspflicht für die Wohnung in der …straße in M.

Daraufhin erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.

Angesichts dieses Verfahrensablaufes entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen, denn der Beklagte hat auf die wahrheitsgemäße Mitteilung des Klägers, die Vorlage der geforderten Bescheinigung eines Einwohnermeldeamtes sei nicht möglich, nicht sachgerecht reagiert, sondern den streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid vom 14. Januar 2019 erlassen. Demgegenüber wäre es sachgerecht gewesen, auf die Erklärung des Klägers, weshalb er keine Meldebescheinigung vorlegen könne, zu reagieren und einen anderen Weg des Nachweises zu eröffnen. Dies gilt umso mehr, als das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 18. Juli 2018 (1 BvR 1675/16 u.a. - juris Rn. 106 ff.) lediglich auf den Standardfall abstellt, dass die betreffende Person melderechtlich sowohl für die Hauptwohnung als auch für die Nebenwohnung gemeldet ist. Insbesondere handelt es sich bei dem in Randnummer 111 der Entscheidung vorgeschlagenen Vorgehen lediglich um eine Wegweisung für eine künftige Regelung des Gesetzgebers, die derzeit noch nicht vorliegt. Deshalb ist es nicht sachgerecht, sich auf diese Möglichkeit als allein zulässige zu stützen. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die Gesetzgeber auf keinen Fall von der selben Person Beiträge für die Möglichkeit der Rundfunknutzung über die Erhebung eines insgesamt vollen Beitrags hinaus verlangen dürfen (BVerfG, a.a.O., Rn. 111 a.E.). Dies bedeutet, dass auch ein Nachweis in Situationen wie der vorliegenden möglich sein muss, in welcher die vom Bundesverfassungsgericht ins Auge gefasste nicht funktioniert. Hätte der Beklagte auf die Mitteilung des Klägers vom 7. September 2018 sachgerecht reagiert, hätte der vorliegende Rechtsstreit vermieden werden können.

Damit entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.

Das vorliegende Verfahren ist nicht gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 20. April 2011 (6 C 10/10 - juris Rn. 3) für das Rundfunkgebührenrecht entschieden, dass es sich bei der Befreiung von den Rundfunkgebühren aus sozialen Gründen nach § 6 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages um eine Angelegenheit der Fürsorge im Sinne des § 188 Satz 1 VwGO handelt; so liegt der Fall jedoch im vorliegenden Verfahren nicht, denn es geht hier nicht um eine Befreiung aus Fürsorgegründen. Fürsorge im Sinne des § 188 VwGO betrifft nämlich Sachgebiete, in denen Leistungen mit primär fürsorgerischer Zwecksetzung vorgesehen sind (Hug in Kopp/Schnke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 188 Rn. 2 mw.N.) sowie alle Leistungen, deren Gewährung vom Nichtüberschreiten von Einkommensgrenzen abhängig ist (Hoppe in Eyermann, VwGO, Komm. 15. Aufl. 2019, § 188 Rn. 4). Demgegenüber geht es bei der Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für eine Zweitwohnung allein um die Wahrung des Grundsatzes der Belastungsgleichheit (BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - juris, Orientierungssatz 2 d). Damit wird allein an abgaberechtliche Grundsätze angeknüpft und nicht an Fragen der Fürsorge im Sinne des § 188 VwGO.

Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus Nr. 3.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili
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published on 20/04/2011 00:00

Gründe 1 Nachdem die Beteiligten einen gerichtlichen Vergleich geschlossen haben und der Kläger in diesem Vergleich die Revision zurückgenommen hat, war das Revisionsver
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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.