Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 10. Feb. 2015 - A 13 K 444/15

bei uns veröffentlicht am10.02.2015

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (A 13 K 443/15) gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20.01.2015 enthaltene Abschiebungsanordnung nach Ungarn wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller, ein am … 1994 geborener syrischer Staatsangehöriger, reiste am 21.11.2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 15.12.2014 einen Asylantrag.
Da der Antragsteller auf dem Landweg über Ungarn eingereist war und dort am 17.11.2014 auch bereits einen Asylantrag gestellt hat, richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Weiteren: Bundesamt) mit Schreiben vom 08.01.2015 ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 b. der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Amtsbl. der Europäischen Union vom 29.06.2013; Nr. L 180/31; im Weiteren: Dublin III VO) an Ungarn, dem mit einem Schreiben der Dublin Coordination Unit Hungary vom 19.01.2015 (vgl. AS 84 der Bundesamts-Akte) auch entsprochen wurde.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.01.2015 wurde der Asylantrag des Antragstellers daraufhin für unzulässig erklärt (Ziffer 1 des Bescheides) und die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn angeordnet (Ziffer 2 des Bescheides).
Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 28.01.2015 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
Dagegen hat der Antragsteller am 31.01.2015 Klage (A 13 K 316/15) erhoben und den vorliegenden Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage gestellt.
II.
1. Der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Nach der am 06.09.2013 in Kraft getretenen Änderung des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG i. d. F. d. Umsetzungsgesetzes zur Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013 (BGBl. I 3474) sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen eine Abschiebungsanordnung (inzwischen) statthaft und innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu stellen. Diese Frist ist gewahrt, weil der vorliegende Antrag bereits am 31.01.2015 gestellt wurde.
2. Der Antrag ist auch begründet.
Eine Abwägung des Interesses des Antragstellers an einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage mit dem öffentlichen Vollzugsinteresse an der nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 AsylVfG sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung ergibt, dass das private Interesse des Antragstellers am vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Vollzugsinteresse derzeit überwiegt.
Maßgeblich hierfür ist, dass die Erfolgsaussichten der Klage nach derzeitigem Sach- und Streitstand zumindest offen sind.A 13 K 5969/14 Denn nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage lässt sich im hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Abschiebungsanordnung ebenso wenig hinreichend sicher feststellen, wie deren Rechtmäßigkeit.
10 
Nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts kann der Antragsteller gegen eine Abschiebungsanordnung nach § 34 a i.V.m. § 27a AsylVfG - unionsrechtlich - ausschließlich einwenden, dass im Zielstaat der Abschiebung systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen, die für den Antragsteller eine ernsthafte und durch Tatsachen belegte Gefahr begründen, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, Bestrafung oder Folter im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU (GRCh) ausgesetzt zu werden (vgl. hierzu im Einzelnen: EuGH, Urt. v. 10.12.2013 - Rs. C-394/12 ; BVerwG, Beschl. v. 19.03.2014 – 10 B 6.14 -; sowie VG Stuttgart, Urt. v. 28.02.2014 - A 12 K 383/14 -, jeweils mit m.w.N., in juris) und deshalb in verfassungskonformer Auslegung des § 34a AsylVfG die Aussetzung der Abschiebung in diesen Zielstaat zur Abwehr solcher Gefahren im Sinne des Art. 4 GRCh gebieten (vgl. hierzu: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 20.11.2008 - A 2 S 2793/08 -; BVerfG, Beschl. vom 08.09.2009, 23.09.2009 und vom 09.10.2009 Az.: 2 BvQ 56/09, 2 BvQ 68/09 und 2 BvQ 72/09, alle in Juris).
11 
Die Frage, ob in Ungarn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung vorliegen und Asylbewerbern (einschließlich Dublin-Rückkehrern) bei einer Rückkehr nach Ungarn deshalb eine unmenschliche oder entwürdigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK droht, wird von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung derzeit unterschiedlich beantwortet (vgl. hierzu im einzelnen VG München, Beschl. v. 31.10.2014 – M 16 S 14.50535 – in juris, m.w.N.) und muss folglich im vorliegenden Eilverfahren als offen angesehen werden.
12 
Nichts anderes gilt für die in der einschlägigen Rechtsprechung weiter erörterte Frage, ob die derzeitige Anwendungspraxis der in dem zum 01.07.2013 in Kraft getretenen, (neuen) ungarischen Asylgesetz geregelten Asylhaft (vgl. hierzu insbesondere UNHCR, Auskunft vom 30.09.2014 an VG Düsseldorf) gegen das Unionsgrundrecht auf Freiheit aus Art. 6 GRCh verstößt und alleinstehenden und volljährigen Dublin-Rückkehrern wie dem Antragsteller auch wegen dieser Asylhaftpraxis und den damit einhergehenden Haftbedingungen eine Rückkehr nach Ungarn unzumutbar sein könnte.
13 
Nach der genannten Auskunft des UNHCR vom 30.09.2014 trifft diese Inhaftierungspraxis praktisch alle Dublin-Rückkehrer, die – wie der Antragsteller - in Ungarn bereits einen Asylantrag gestellt und das Land anschließend sofort wieder verlassen haben. Denn solche Dublin-Rückkehrer würden nach ihrer Wiedereinreise in Ungarn erneut als Erstantragsteller behandelt und deshalb in Asylhaft genommen, weil ihr (erstes) Asylverfahren wegen ihrer Ausreise aller Wahrscheinlichkeit nach ohne Sachentscheidung eingestellt worden sei. Diese Inhaftierung, die mehrere Monate (bis zu sechs Monate) dauern könne, erfolge generell und ohne Ansehung der Person, und betreffe daher auch Dublin-Rückkehrer syrischer Staatsangehörigkeit. Hinzu komme, das die jeweiligen Haftanordnungen auch nicht verständlich individuell begründet würden und die Inhaftierten zudem keine Rechtsmittel gegen die Anordnung der Haft einlegen könnten (vgl. UNHCR, a.a.O.).
14 
Diese Inhaftierungspraxis der ungarischen Behörden wird von einem Teil der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als willkürlich und im Falle von syrischen Staatsangehörigen, die ihr Heimatland regelmäßig aus berechtigter Angst um ihr Leben verlassen haben und die deshalb derzeit – nicht nur in Deutschland sondern auch in Ungarn - einen Rechtsanspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft haben, zudem als unverhältnismäßig eingestuft und als Verstoß gegen Art. 6 GRCh gewertet (so z.B. VG Sigmaringen, Beschl. v. 14.07.2014 – A 1 K 254/14 -; VG Düsseldorf, Urt . v. 02.09.2014 - 6 L 1235/14 -; VG München, Beschl. v. 31.10.2014 – M 16 S 14.50535; VG Köln, Beschl. v. 19.12.2014 – 20 L 2345/14 A –; VG Berlin, Beschl. v. 15.01.2015 – 23 L 899.14 A, alle in juris).
15 
Nach einer Stellungnahme des Bundesamtes vom 10.12.2014 wird diese Asylhaft dagegen bei Schutzsuchenden aus Ländern, in denen die Wahrscheinlichkeit der Schutzbedürftigkeit sehr hoch eingeschätzt wird (z.B. Syrien, Eritrea und Somalia), in der Praxis nicht angewandt.
16 
Für die Richtigkeit dieser Stellungnahme spricht nicht zuletzt auch die Vorgeschichte des Antragstellers, der – nachdem er in Ungarn einen (ersten) Asylantrag gestellt hatte – bereits kurze Zeit später nach Deutschland weiterreisen konnte, was gegen eine generelle Inhaftierung von Erstasylantragstellern aus Syrien spricht. Hiervon abweichend hat jedoch der UNHCR in seiner Stellungnahme vom 30.09.2014 bestätigt, dass er auch syrische Asylsuchende in Asylhaft angetroffen hat.
17 
Auch in Bezug auf die Anwendungspraxis der Asylhaft ist die Auskunftslage demnach derzeit uneinheitlich und wird deren Anwendung von einem Teil der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung deshalb als unionsrechtswidrig (s.o.), von anderen Gerichten aber auch als unionsrechtskonform eingestuft (vgl. z. B. VG Würzburg, Beschl. v. 28.03.2014 – W 1 S 14.30143 -; VG Stuttgart, Beschl. vom 11.11.2014, - A 12 K 4496/14 -; VG Stuttgart, Urt. v. 11.12.2014, - A 7 K 678/14 - ).
18 
Die Frage, ob die Asylhaftpraxis der ungarischen Behörden möglicherweise gegen Art. 6 GRCh verstößt, ist folglich ebenfalls als offen zu beurteilen und bedarf daher ebenfalls noch der weiteren Sachaufklärung. Ihre endgültige Beantwortung muss deshalb ebenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
19 
Für den Fall, dass die derzeitige Asylhaftpraxis der ungarischen Behörden tatsächlich das Recht auf Freiheit aus Art. 6 GRCh der betroffenen Schutzsuchenden verletzen sollte, wäre darüber hinaus im Hauptsachverfahren auch noch die Rechtsfrage zu beantworten, ob dieser Verstoß gegen Art. 6 GRCh bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Abschiebungsanordnung genauso zu berücksichtigen ist, wie ein Verstoß gegen Art. 4 GRCh, obwohl Art. 3 Abs. 2 Dublin III VO die anderen Unionsgrundrechte nicht ausdrücklich in Bezug nimmt (bejahend: VG Berlin, a.a.O.).
20 
Aufgrund der vorgenannten, offenen Sach- und Rechtsfragen, die im Rahmen der hier nur gebotenen summarischen Prüfung nicht abschließend beantwortet werden können, müssen auch die Erfolgsaussichten der Klage im vorliegenden Eilverfahren als offen beurteilt werden und war dem Antragsteller deshalb bis zur endgültigen Klärung dieser Fragen im Hauptsacheverfahren vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren. Dies folgt daraus, dass bei der festgestellten Sachlage das private Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung über seine Klage nicht zwangsweise nach Ungarn rücküberstellt zu werden, angesichts der ihm dort möglicherweise drohenden schweren Nachteile (Inhaftierung und Verletzung seines Rechts aus Art. 6 GRCh) höher zu bewerten ist, als das öffentliche Interesse des Bundesamt an einer möglichst umgehenden Rückführung aufgrund der Dublin-III-Verordnung (ebenso in Bezug auf Griechenland: BVerfG, Beschl. v. 08.09. 2009 - 2 BvQ 56/09 -; v. 23.09.2009 - 2 BvQ 68/09 - und vom 09.10.2009 - 2 BvQ 72/09 -, alle in juris,).
21 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i.V.m. § 83 b AsylVfG.
22 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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Verwaltungsgericht München Beschluss, 31. Okt. 2014 - M 16 S 14.50535

bei uns veröffentlicht am 31.10.2014

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom ... September 2014 wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 28. Feb. 2014 - A 12 K 383/14

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Tenor Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Tatbestand   1 Der am … 1988 geborene Kläger ist gambischer Staatsangehöriger. Er reiste am 20.05.2013 - u.a. von Italien kommend - in das Bund
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Verwaltungsgericht München Beschluss, 20. Mai 2015 - M 1 S 14.50568

bei uns veröffentlicht am 20.05.2015

Tenor I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt. II. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt. III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfa

Verwaltungsgericht München Beschluss, 28. Apr. 2015 - M 1 S 15.50341

bei uns veröffentlicht am 28.04.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I. Der Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben am 22.

Verwaltungsgericht München Beschluss, 29. Apr. 2015 - M 1 S 15.50345

bei uns veröffentlicht am 29.04.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I. Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger der Republik Kongo und reist

Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Apr. 2015 - M 2 S 15.50206

bei uns veröffentlicht am 10.04.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens. Gründe I. Die Antragstellerin zu 1) und deren Kinder, der Antragsteller zu 2) - geboren am ... Se

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der am … 1988 geborene Kläger ist gambischer Staatsangehöriger. Er reiste am 20.05.2013 - u.a. von Italien kommend - in das Bundesgebiet ein und beantragte am 11.06.2013 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Dabei teilte er mit, dass er bereits in Italien erfolglos ein Asylverfahren betrieben habe, weshalb er nunmehr nach Deutschland weitergereist sei („I was already in Italy, after my asyl application, my case was rejected by the Italian government, that’s wyh I came in Germany to try my chance“).
Nach entsprechendem EURODAC-Treffer (registrierter Asylantrag in Italien am 27.08.2011) ersuchte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 14.11.2013 bei der italienischen Dublin-Koordinierungsstelle um die Wiederaufnahme des Klägers. Die Anfrage wurde am 16.12.2013 wiederholt. Nachdem die italienische Dublin-Koordinierungsstelle keine Antwort erteilte, lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 15.01.2014 den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Der Bescheid wurde dem Kläger am 18.01.2014 zugestellt.
Am 28.01.2014 hat er diesbezüglich beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und sich zur Begründung im Wesentlichen auf systemische Mängel im italienischen Asylverfahren berufen.
Der Kläger beantragt sachdienlich,
den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15.01.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ein Asylverfahren durchzuführen sowie ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen;
hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, ihm den (subsidiären) Schutzstatus nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen;
höchst hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein (komplementäres) Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Bescheids.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter erklärt.
10 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die dem Gericht vorliegenden Akten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
11 
Soweit sich der Klageantrag auf ein Verpflichtungsbegehren bezieht, ist die Klage schon unzulässig. Denn der Kläger hat keine überlange Verfahrensdauer im Sinne des Art. 47 GRCh gerügt, die auch nicht ersichtlich ist, weswegen ihm von vorneherein kein Anspruch auf „Durchentscheiden“ zustehen kann (hierzu III.), es also insoweit an der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO fehlt. Bezüglich des Anfechtungsbegehrens hingegen ist die Klage zulässig, weil sich der Kläger auf ihn betreffende systemische Mängel im italienischen Asylverfahren beruft, sodass insoweit die Verletzung eigener Rechte aus Art. 4 GRCh möglich erscheint.
12 
Selbst wenn aber nicht nur das Anfechtungs-, sondern auch das Verpflichtungsbegehren als zulässig angesehen würde, ist die Klage in jedem Fall insgesamt unbegründet. Denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung seines Asylverfahrens im Bundesgebiet sowie auf die geltend gemachten Rechtspositionen (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Ob im konkreten Fall das italienische Asylverfahren tatsächlich durch ablehnenden Bescheid bestandskräftig negativ abgeschlossen wurde, ist nicht hinreichend ersichtlich (nur: „my case was rejected by the Italian government“). Es kann im Ergebnis aber offen bleiben, ob ein Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylVfG vorliegt oder der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig ist. In beiden Fällen ist Italien für die Fortführung des Asylverfahrens zuständig im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (- GEAS -; hierzu: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., Vorb-AsylVfG Rn. 20 ff., sowie Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 34 ff., m.w.N.). Die angefochtene Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG in der Fassung von Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (- Qualifikationsrichtlinie n.F. / QRL -) vom 28.08.2013 (BGBl I Nr. 54 v. 05.09.2013, 3474) ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
I.
13 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin III-Verordnung 604/2013/EU (- Dublin III-VO -) ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin II-VO -) anwendbar. Für (Neu-)Anträge ab 01.01.2014 gilt hingegen ausschließlich die Dublin III-VO. Für Anträge im Übergangszeitraum 19.07.2013 bis 31.12.2013 gilt grundsätzlich bereits die Dublin III-VO, nicht jedoch hinsichtlich der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats, die weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-VO erfolgt. Sämtliche Regelungen, die die Zuständigkeit eines bestimmten Mitgliedstaats für den Antrag normieren, sind für diese Übergangsfälle - nach Sinn und Zweck des Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO (Verwaltungsvereinfachung auch bezüglich der verwendeten Formulare etc. im Übergangszeitraum ab Inkrafttreten der erst am 29.06.2013 veröffentlichten Dublin III-VO) - weiterhin der Dublin II-VO zu entnehmen. In deren Kapitel III ist die „Rangfolge“ der Kriterien geregelt; zu dieser Rangfolge gehören untrennbar die sonstigen Dublin II-Regelungen (insbesondere Kapitel V, in dem die Dublin II-VO etwa bei Fristablauf ebenfalls Zuständigkeitskriterien normiert). Dass Kapitel III der Dublin III-VO nunmehr die „Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats“ begrifflich enger fasst, spielt keine Rolle. Denn Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO verweist ausdrücklich und pauschal auf die Kriterien der (eigentlich gemäß Art. 48 Dublin III-VO aufgehobenen) Dublin II-VO.
14 
Die Dublin II-VO ist im Übrigen (derzeit) weiterhin anwendbar bezüglich der Länder Norwegen, Island, Schweiz, Liechtenstein und Dänemark, die sich (bislang) nicht am Dublin III-System beteiligen.
15 
Die Dublin-Verordnungen dürften im Übrigen nicht nur bei bloßer Feststellung von subsidiärem Schutz, sondern selbst bei Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Dublin-Staat - jedenfalls analog - anwendbar sein (a.A. Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 27a Rn. 34). Denn in diesen Fällen behält der andere Dublin-Staat nach Sinn und Zweck der Verordnungen grundsätzlich weiterhin die Flüchtlingsverantwortung, wie dies auch Art. 4 des Europäischen Übereinkommens über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16.10.1980 (BGBl 1994 II 2645) dokumentiert (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 2 AsylVfG Rn. 6). Verstärkt wird dieser Ansatz durch die Regelung des Art. 24 Abs. 1 QRL, wonach anerkannte Flüchtlinge Anspruch auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels haben. Analog Art. 9 (i.V.m. Art. 2 lit. j) Dublin II-VO bzw. Art. 12 (i.V.m. Art. 2 lit. l) Dublin III-VO muss der Aussteller-Mitgliedstaat im Dublin-System für die Prüfung des erneuten Antrags auf internationalen Schutz (dem das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte) auch in der Zwischenzeit nach Flüchtlingsanerkennung und Titelausstellung zuständig sein. Alles andere wäre mit dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse im Sinne einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates unvereinbar. Denn es kann nicht richtig sein, dass das Bundesamt oder die Asylgerichte - gegebenenfalls unter Beiziehung, Übersetzung und Auswertung der ausländischen Verwaltungsakten sowie nach Studium des jeweiligen nationalen Asylverwaltungsverfahrensrechtes - zur Aufklärung verpflichtet wären, ob der Antragsteller nun tatsächlich eigentlich bereits bestandskräftig anerkannt oder (teil-)abgelehnt wurde bzw. ob ihm die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer oder komplementärer Schutz zuerkannt worden ist. Jedenfalls dann, wenn der ersuchte Dublin-Staat im Dublin-Verfahren der (Wieder-)Aufnahme des Antragstellers zugestimmt hat, was er völker- bzw. unionsrechtlich auch ohne entsprechende Rechtspflicht darf, steht grundsätzlich im Sinne des § 34a Abs. 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung in diesen Staat durchgeführt werden kann. Der Einwand des Antragstellers, er sei dort aber schon anerkannt worden, kann den „effet utile“ der Dublin-Verordnungen nicht außer Kraft setzen.
16 
Im Falle des Klägers, der seinen (Alt-)Asylantrag in Deutschland am 11.06.2013 gestellt hat und bei dem unklar ist, ob sein italienisches Asylverfahren bestandskräftig beendet wurde, ist nach diesen Grundsätzen (weiterhin) die Dublin II-VO anwendbar. Da er vor Einreise in das Bundesgebiet nach dem EURODAC-Treffer sowie seinen eigenen Angaben in Italien bereits ein Asylverfahren durchlaufen hatte, bleibt Italien nach Art. 13 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-VO für ihn zuständig und muss ihn nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufnehmen. Demgemäß hat Italien die Möglichkeit, der Wiederaufnahme ausdrücklich zuzustimmen oder die Wiederaufnahme durch Stillschweigen zu akzeptieren. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO wird davon ausgegangen, dass Italien die Wiederaufnahme akzeptiert, wenn es nach einem EURODAC-Treffer nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab dem deutschen Ersuchen eine Antwort erteilt. Im Falle des Klägers hat das Bundesamt (erstmals) am 14.11.2013 die italienische Dublin-Koordinierungsstelle um die Wiederaufnahme des Klägers ersucht. Gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin II-VO steht mithin seit 29.11.2013 fest, dass Italien der Wiederaufnahme des Klägers zugestimmt hat. Damit steht zugleich auch bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung im Rechtssinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seit 29.11.2013 insoweit fest, dass die Abschiebung des Klägers nach Italien durchgeführt werden kann.
II.
17 
Hiergegen kann der Kläger - unionsrechtlich - ausschließlich einwenden, im Zielstaat der Abschiebung bestünden systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU ausgesetzt zu werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Sache nach in seinem Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12 ) entschieden und damit das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie seine eigene Rechtsprechung in den Urteilen und fortgeschrieben.
18 
1. Im Urteil der Großen Kammer vom 21.01.2011 (Beschw.-Nr. 30696/09) entschied der EGMR, dass eine Dublin-Überstellung von Belgien nach Griechenland aufgrund der dort herrschenden Haft- und Lebensbedingungen für Asylbewerber insbesondere gegen Art. 3 EMRK verstoßen hat.
19 
2. Der EuGH übertrug dies entsprechend Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh im Urteil vom 21.12.2011 (Rs. C-411/10 und 493/10) unter Anwendung von Art. 4 GRCh (= Art. 3 EMRK) in das Unionsrecht und entwickelte hierbei den Begriff der „systemischen Mängel“ bzw. „Schwachstellen“ (vgl. heute: Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO). Herrschen in einem Dublin-Staat solche systemischen Mängel im Asylsystem, was Asylbehörde und gegebenenfalls Asylgericht selbst prüfen müssen und wobei die Darlegungsanforderungen an den Antragsteller nicht überspannt werden dürfen (vgl. UK Supreme Court, Urteil vom 19.02.2014 - EM (Eritrea) v SSHD 2014] UKSC 12 - http://supremecourt.uk/decided-cases/docs/UKSC_2012_0272_Judgment.pdf), darf der Asylbewerber dorthin nicht rücküberstellt werden (Rn. 112 f.). Eine unwiderlegbare Vermutung, dass in keinem Dublin-Staat systemische Mängel existieren, widerspricht - trotz des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ und dem politischen Ziel, „forum shopping“ zu vermeiden - Unionsrecht (Rn. 79, 104). Abstrakt definiert setzt die Annahme eines systemischen Mangels allerdings keine „flächendeckende Fehlfunktion im Asylsystem“ im Sinne von „griechischen Verhältnissen“ voraus, sondern eine Schwachstelle, Fehlstruktur oder strukturelle Lücke, die im Sinne einer ceteris paribus notwendigen, aber nicht notwendig hinreichenden Bedingung für Fälle, die diese Asylsystemstelle durchlaufen, zu Rechtsverletzungen führt - dies in Abgrenzung und Gegenüberstellung zu Rechtsverletzungen, die (nur) aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände entstehen (überzeugend: Lübbe, „Systemische Mängel“ in Dublin-Verfahren, ZAR 3/2014, i.E.). Solche Rechtsverletzungen müssen jedoch hinreichend gravierend sein, denn nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den Dublin-Zielstaat führt zur Unbeachtlichkeit der Dublin-Zuständigkeitsbestimmungen (Rn. 82).
20 
Vorliegen muss vielmehr eine Verletzung von Art. 4 GRCh, die in Betracht kommen kann etwa hinsichtlich willkürlicher Haft oder katastrophaler Lebensbedingungen für Asylbewerber () oder wenn etwa aufgrund erheblicher Erkrankung und Nichtbehandelbarkeit im Dublin-Zielstaat dort der in Art. 15 der Aufnahme-RL 2003/9/EG garantierte medizinische Mindeststandard („Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten“) gefährlich unterschritten wäre (im Ergebnis ebenso: UK Supreme Court, a.a.O. Rn. 58 ff). Ausschließlich in solchen Fällen darf das Dublin-System außer Kraft gesetzt werden, auch um einen Wertungswiderspruch hinsichtlich der Art. 3 EMRK-Rechtsprechung des EGMR zu vermeiden (vgl. Urteil vom 27.05.2008 , Beschwerde Nr. 26565/05, NVwZ 2008, 1334). Denn wegen der Unteilbarkeit der Menschenwürde, die hinter Art. 4 GRCh = Art. 3 EMRK steht, kann es schlechterdings nicht richtig sein, dass die Abschiebung in den Heimatstaat - hier Gambia - hiernach zulässig wäre, obwohl dort etwa keinerlei Unterbringung gesichert ist, die Abschiebung in den Dublin-Staat - hier Italien - hingegen nach dem Maßstab desselben Menschenrechtes etwa bei gesicherter, aber schlechter Unterbringung unzulässig sein soll. Dies wäre auch mit der effet utile-Rechtsprechung des EuGH unvereinbar, der im Urteil „N.S.“ bekräftigt, dass hinsichtlich des effektiven Funktionierens des Dublin-Systems „der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf gegenseitigem Vertrauen und einer Vermutung der Beachtung des Unionsrechts, genauer der Grundrechte, durch die anderen Mitgliedstaaten gründet“, auf dem Spiel stehen (Rn. 83).
21 
3. In Fortschreibung dieser Entscheidung entschied der EuGH sodann im Urteil am 14.11.2013 (Rs. C-4/11), dass bei Vorliegen systemischer Mängel, die beim konkreten Asylbewerber zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh führen, der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat zunächst weiter prüfen darf, ob anhand der Dublin-Regelungen ein anderer Dublin-Staat für eine Überstellung in Frage kommt (Rn. 33). Dabei hat der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat darauf zu achten, dass kein unangemessen langes Verfahren entsteht. Erforderlichenfalls sollte er den Asylantrag unter Inanspruchnahme des mitgliedstaatlichen Selbsteintrittsrechts (vgl. Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO; Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) selbst prüfen (Rn. 35). Der EuGH stellte allerdings ausdrücklich klar, dass der Asylbewerber hierauf keinen Rechtsanspruch besitzt (Rn. 26, 37). Damit hat er zugleich der Sache nach klargestellt, dass ein Asylbewerber nur Anspruch darauf hat, dass sein Antrag auf internationalen Schutz auf dem Gebiet des „unvollendeten Bundesstaates EU“ geprüft wird, nicht aber darauf, dass er gerade in einem bestimmten Dublin-Staat eigener Wahl geprüft wird (kein „forum shopping“), genauso wenig, wie etwa ein Anspruch besteht, dass dies in Baden-Württemberg und nicht beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern geschieht. Indem der EuGH dem Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO die drittschützende Wirkung absprach, hat er zugleich angelegt, dass auch den anderen Dublin-Verfahrensvorschriften, insbesondere den Fristenregelungen, grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zukommt.
22 
4. Dies wurde nunmehr im Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12) klargestellt, in dem ausdrücklich nach dem Drittschutz von Dublin-Zuständigkeitsverfahrensvorschriften gefragt worden war. Der EuGH antwortete wiederum verneinend und in aller Klarheit, dass in dem Moment, in dem ein Dublin-Zielstaat der (Wieder-)Aufnahme des Asylbewerbers zugestimmt hat, dieser hiergegen ausschließlich dortige systemische Mängel einwenden kann, die in seinem konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden (Rn. 60). Denn die Dublin-Zuständigkeitsregelungen seien im Sinne von „organisatorischen Vorschriften“ der Mitgliedstaaten (Rn. 56) und nach dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ normiert worden, um - auch wegen des öffentlichen Beschleunigungsinteresses hinsichtlich einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates - einem „forum shopping“ entgegenzuwirken (Rn. 53).
III.
23 
Damit steht nunmehr im Sinne eines „acte clair“ (genauer: „acte éclairé“) fest, dass sämtliche nicht grundrechtlich (wie Art. 6-8 Dublin II-VO bzw. Art. 8-11 Dublin III-VO) aufgeladenen Dublin-Zuständigkeitsregelungen vom Asylbewerber gerichtlich grundsätzlich nicht durchgesetzt werden können. Denn der EuGH hat in allen drei Leitentscheidungen zum Dublin-System der Sache nach pauschal insbesondere mit der Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems argumentiert („Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, „öffentliches Beschleunigungsinteresse“), sodass eindeutig ist, dass sich dies nicht nur auf die jeweilig spezifischen Normen der Dublin II-VO bezieht. Auch im Rahmen der nach Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar verbindlichen Dublin III-VO kann deshalb nichts anderes gelten. Ein Drittschutz für Dublin-Zuständigkeitsregelungen könnte allenfalls noch bei überlanger Verfahrensdauer gemäß dem über Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GRCh hier direkt anwendbaren Art. 47 Satz 2 GRCh (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl., Vorb-GRCh Rn. 1) anerkannt werden, um einen dauerhaft untätigen Mitgliedstaat zum Handeln zu zwingen, damit keine „refugee in orbit“-Situation entsteht. Nur in einer solchen Ausnahmekonstellation, die aufgrund der hintereinander geschalteten verschiedenen Wochen- und Monatsfristen der Dublin-Verordnungen sicherlich ein Untätigbleiben von weit über einem Jahr voraussetzt, könnte sich das private Beschleunigungsinteresse des Asylbewerbers an der inhaltlichen Bearbeitung seines Antrags gegenüber dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse bezüglich der zeitnahen Klärung des für die Antragsbearbeitung nach den Dublin-Verordnungen zuständigen Staates durchsetzen.
24 
Ist diese Ausnahmekonstellation aber, wie im vorliegenden Fall, nicht gegeben, kann eine Klage allein mit dem Argument, etwa die Drei- bzw. Zwei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO oder Art. 21 Abs. 1 bzw. 23 Abs. 2 Dublin III-VO sei verletzt worden, keinen Erfolg haben. Gleiches muss gelten, wenn die Sechs-Monatsfrist des Art. 19 Abs. 4 bzw. 20 Abs. 2 Dublin II-VO oder Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO abgelaufen ist (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.08.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13). Auch in diesem Fall kann eine Anfechtungsklage des Asylbewerbers unionsrechtlich allein dann Erfolg haben, wenn im Dublin-Zielstaat systemische Mängel vorliegen, die im konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden. Dann müsste der angefochtene Bescheid des Bundesamts aufgehoben werden, damit dem Bundesamt die im Urteil (Rn. 33) beschriebene (und nun in Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO normierte) Möglichkeit eingeräumt wird, auf den dann weiter anhängigen Asylantrag einen anderen Dublin-Zielstaat für die Rücküberstellung zu finden bzw. vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
25 
Ein „Durchentscheiden“ zum (vom Bundesamt, anders als bei Folgeanträgen, nicht einmal angeprüften) Asyl- und Flüchtlingsrecht bzw. subsidiären oder komplementären Schutz im Sinne der Folgeantragsrechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.12.2000 - 9 B 426.00 - juris) scheidet hingegen aus, weil ansonsten entgegen dem Urteil unionsrechtswidrig dem Asylbewerber doch ein gerichtlich durchsetzbares Recht auf Selbsteintritt eingeräumt (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - juris Rn. 27/30) und dem Bundesamt die Möglichkeit, einen anderen (auch „freiwillig“) aufnehmenden Dublin-Staat zu finden, abgeschnitten würde. Zudem würde hierdurch das Gericht unter Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz zur „Erstbehörde“ gemacht. Solange also die Zustimmung eines Dublin-Zielstaates (faktisch fort-)besteht, den Asylbewerber wieder aufzunehmen (und diese Zustimmung nicht etwa befristet war oder wegen Fristablaufs vom Dublin-Zielstaat inzwischen widerrufen worden ist) sowie in diesem Zielstaat keine systemischen Mängel mit der Folge der Art. 4 GRCh-Verletzung bestehen, solange kann die Klage - unionsrechtlich - keinen Erfolg haben. Diese Zustimmung kann vom Zielstaat nach dem Dublin-System verwaltungstechnisch ausdrücklich oder stillschweigend im Sinne einer Fiktion erteilt worden sein (vgl. Art. 20 Abs. 1 Dublin II-VO bzw. Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO).
26 
Im Falle des Klägers ist es hier deshalb ohne entscheidungserhebliche Relevanz, dass das Bundesamt die Drei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO verletzt hat (Asylantrag am 11.06.2013; Überstellungsersuchen erst am 14.11.2013). Denn Italien hat seiner Rücküberstellung (mittels Fiktion) gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO seit 29.11.2013 (stillschweigend) zugestimmt.
IV.
27 
Die Klage des Asylbewerbers könnte in dieser Konstellation allenfalls dann - nach nationalem Recht - Erfolg haben, wenn die Rücküberstellung aufgrund inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse unmöglich ist, etwa weil aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung keine Transportfähigkeit, d.h. Reisefähigkeit im engeren Sinne (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 - juris Rn. 8), besteht. Denn dann steht im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, d.h. die Abschiebungsanordnung ist rechtswidrig. Das Bundesamt hat im Falle der Abschiebungsanordnung also nicht nur - unionsrechtlich - (Dublin-)zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote im Sinne von systemischen Mängeln i.V.m. Art. 4 GRCh zu prüfen, sondern (ausnahmsweise) auch - nationalrechtlich - inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse (ausführlich: Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 34a Rn. 22). Diese Grundregel ist trotz der prozessualen Neuerungen des Art. 27 Abs. 3 lit. c Dublin III-VO bzw. § 34a Abs. 2 AsylVfG auch unter dem Rechtsregime der Dublin III-VO beizubehalten, um das öffentliche Beschleunigungsinteresse hinsichtlich der zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates nicht durch gegebenenfalls unkoordinierte Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bezüglich der Abschiebungsanordnung gegenüber dem Bundesamt einerseits und nach § 123 VwGO bezüglich Vollstreckungshindernissen gegenüber der Ausländerbehörde andererseits zu konterkarieren.
28 
Im Falle des verhältnismäßig jungen und offenbar gesunden Klägers gibt es allerdings keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme von inlandsbezogenen Vollstreckungshindernissen.
V.
29 
Bezüglich des Dublin-Zielstaates Italien liegen nach Überzeugung des erkennenden Gerichts (jedenfalls derzeit) auch keine systemischen Mängel im Sinne der dargestellten EuGH-Rechtsprechung (mehr) vor. Durch Tatsachen bestätigte Gründe dafür, dass der junge und gesunde Kläger im italienischen Asylverfahren voraussichtlich im Sinne von Art. 4 GRCh „der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wird“, lassen sich nicht erkennen. Der Kläger selbst hat solche Gründe aufgrund eigener Erfahrungen in Italien zwischen seinem dortigen Asylerstantrag wohl am 27.08.2011 und der Ausreise aus Italien im Frühjahr 2013 im Übrigen auch nicht ansatzweise vorgetragen. Seine Begründung für die Weiterreise nach Deutschland war vielmehr, „to try my chance“.
30 
Zur aktuellen Situation in Italien hat insbesondere das Verwaltungsgericht Würzburg in seinem Beschluss vom 03.02.2014 - W 6 S 14.30087 - (juris) Folgendes dargelegt:
31 
„Nach der Erkenntnislage ist nicht anzunehmen, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufweisen. (…) Dabei ist festzuhalten, dass nicht schon jeder Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention oder jede Verletzung eines Grundrechts zur Bejahung systemischer Mängel führt. Auch der Umstand, dass in Italien die wirtschaftliche Situation oder die medizinische Versorgung für Asylsuchende schlechter sein mag als in der Bundesrepublik Deutschland, führt für sich nicht zur Annahme systemischen Mängel oder einer allgemeinen unmenschlichen Behandlung (vgl. VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 – juris mit Bezug auf OVG LSA, B.v. 14.11.2013 – 4 L 44/13).
32 
Das Auswärtige Amt kommt etwa in seiner Stellungnahme vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt zu der Einschätzung, dass für Flüchtlinge in Italien landesweit ausreichende staatliche bzw. öffentliche und karitative Unterkunftsmöglichkeiten – bei teilweiser lokaler Überbelegung – zur Verfügung stehen, und insbesondere, dass alle Personen, die im Rahmen der Dublin-II-VO nach Italien zurückgeführt werden, in eine Unterkunft verteilt werden. Sie werden bei ihrer Ankunft am Flughafen empfangen, erkennungsdienstlich behandelt, einer Questura zugeteilt, von einer zuständigen Hilfsorganisation betreut und über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (vgl. auch Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 11.09.2013).
33 
Soweit der vom Antragstellerbevollmächtigten zitierte Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2013 erhebliche Missstände in Italien beschreibt, ebenso der UNHCR in einer Stellungnahme an das VG Freiburg vom Dezember 2013 (der daneben auch positive Aspekte honoriert), rechtfertigt dies nicht das Vorliegen von systemischen Mängeln, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, eine unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. allgemein EuGH, U.v. 10.12.2013 – C 394/12 – juris). Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände, auf die auch der Antragstellerbevollmächtigte hingewiesen hat. Aber weder dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe noch der Stellungnahme des UNHCR noch sonstigen Unterlagen ist es zurzeit im ausreichenden Maß zu entnehmen, dass ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen vorliegt bzw. dass das Asylverfahren und die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in Italien systemische Mängel aufweisen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der UNHCR weiterhin gerade keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, Asylsuchende nicht nach Italien zu überstellen. Dies ist deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Mitgliedsstaat, der nach den Kriterien der Dublin-II-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachten ist, besonders relevant sind (vgl. EUGH, U.v. 30.5.2013 – C-528/11 – ABl EU 2013, Nr. C 225 S. 12 – juris). Soweit in Italien Missstände und Notstände aufgrund der stark gestiegenen Asylbewerberzahl festgestellt worden sind, sind sie dieser geschuldet und stellen als solche für sich keine systemischen Mängel dar. Allein aus dem Umstand, dass andere Verwaltungsgerichte jedenfalls im Sofortverfahren zu anderen Ergebnissen kommen, mag auf den zugrundeliegenden Prüfungsmaßstab zurückzuführen sein, belegt aber nicht das tatsächliche Vorhandensein von Mängeln im italienischen System.
34 
Die vorliegende Einschätzung deckt sich mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 2. April 2013 (27725/10 – ZAR 2013, 336). Der Hinweis des Antragstellerbevollmächtigten auf eine divergierende Rechtsauffassung der 5. Sektion des EGMR und die Befassung der Großen Kammer des EGMR rechtfertigt zurzeit keine andere Beurteilung. Die 3. Sektion des EGMR hat ihre Rechtsauffassung über die Einschätzung hinsichtlich der Situation von Asylsuchenden in Italien mit einer Entscheidung vom 10. September 2013 ausdrücklich bestätigt (2314/10 – http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-127054). Zudem ist auch in dem Zusammenhang zu betonen, dass tatsächlich bestehende Defizite im italienischen Asylsystem auch mit der Folge, dass die wirtschaftliche, die medizinische und die soziale Versorgung in Italien schlechter als in der Bundesrepublik Deutschland ist, nicht die Annahme systemischer Mängel oder einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention rechtfertigen. Denn an einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention sind strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. auch Thym, ZAR 2013, 331). Zudem ist nicht allein auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bzw. auf die Rechtsauffassung einer einzelnen Sektion abzustellen, sondern die gesamten Umstände des Einzelfalls sind zu würdigen.
35 
Das Gericht schließt sich nach alledem dem Teil der Rechtsprechung an, der systemische Mängel in Italien verneint und nimmt darauf ergänzend Bezug (vgl. zuletzt VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, B.v. 18.12.2013 – RN 6 S 13.30720 – juris; VG Saarland, B.v. 6.12.2013 – 3 L 1989/13 – juris; VG Ansbach, B.v. 26.11.2013 – AN 1 S 13.31045 – juris; VG Trier, B.v. 6.11.2013 – 5 L 1539/13.TR – juris; OVG Berlin-Bbg, B.v. 17.6.2013 – OVG 7 S 33.13 – juris; a. A. etwa VG Gießen, U.v. 25.11.2013 – 1 K 844/11.GI.A – AuAS 2014, 12, jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung und den dort zitierten Erkenntnisquellen).“
36 
Auch das erkennende Gericht schließt sich dieser Bewertung des derzeitigen Asylsystems in Italien an. Besonderes Gewicht wird dabei dem Umstand beigemessen, dass UNHCR im Bericht vom Dezember 2013 (anders als im Falle Bulgariens, vgl. Bericht vom 02.01.2014 - http://www.refworld.org/docid/52c598354.html) und bis heute bezüglich Italien aufgrund auch der eigenen Überprüfungen vor Ort keinen Überstellungsstopp fordert.
37 
Nach alledem begegnet die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG keinen Bedenken, denn Italien ist, wie ausgeführt, der für die Fortführung des Asylverfahrens des Klägers zuständige Staat.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

Gründe

 
11 
Soweit sich der Klageantrag auf ein Verpflichtungsbegehren bezieht, ist die Klage schon unzulässig. Denn der Kläger hat keine überlange Verfahrensdauer im Sinne des Art. 47 GRCh gerügt, die auch nicht ersichtlich ist, weswegen ihm von vorneherein kein Anspruch auf „Durchentscheiden“ zustehen kann (hierzu III.), es also insoweit an der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO fehlt. Bezüglich des Anfechtungsbegehrens hingegen ist die Klage zulässig, weil sich der Kläger auf ihn betreffende systemische Mängel im italienischen Asylverfahren beruft, sodass insoweit die Verletzung eigener Rechte aus Art. 4 GRCh möglich erscheint.
12 
Selbst wenn aber nicht nur das Anfechtungs-, sondern auch das Verpflichtungsbegehren als zulässig angesehen würde, ist die Klage in jedem Fall insgesamt unbegründet. Denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung seines Asylverfahrens im Bundesgebiet sowie auf die geltend gemachten Rechtspositionen (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Ob im konkreten Fall das italienische Asylverfahren tatsächlich durch ablehnenden Bescheid bestandskräftig negativ abgeschlossen wurde, ist nicht hinreichend ersichtlich (nur: „my case was rejected by the Italian government“). Es kann im Ergebnis aber offen bleiben, ob ein Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylVfG vorliegt oder der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig ist. In beiden Fällen ist Italien für die Fortführung des Asylverfahrens zuständig im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (- GEAS -; hierzu: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., Vorb-AsylVfG Rn. 20 ff., sowie Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 34 ff., m.w.N.). Die angefochtene Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG in der Fassung von Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (- Qualifikationsrichtlinie n.F. / QRL -) vom 28.08.2013 (BGBl I Nr. 54 v. 05.09.2013, 3474) ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
I.
13 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin III-Verordnung 604/2013/EU (- Dublin III-VO -) ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin II-VO -) anwendbar. Für (Neu-)Anträge ab 01.01.2014 gilt hingegen ausschließlich die Dublin III-VO. Für Anträge im Übergangszeitraum 19.07.2013 bis 31.12.2013 gilt grundsätzlich bereits die Dublin III-VO, nicht jedoch hinsichtlich der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats, die weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-VO erfolgt. Sämtliche Regelungen, die die Zuständigkeit eines bestimmten Mitgliedstaats für den Antrag normieren, sind für diese Übergangsfälle - nach Sinn und Zweck des Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO (Verwaltungsvereinfachung auch bezüglich der verwendeten Formulare etc. im Übergangszeitraum ab Inkrafttreten der erst am 29.06.2013 veröffentlichten Dublin III-VO) - weiterhin der Dublin II-VO zu entnehmen. In deren Kapitel III ist die „Rangfolge“ der Kriterien geregelt; zu dieser Rangfolge gehören untrennbar die sonstigen Dublin II-Regelungen (insbesondere Kapitel V, in dem die Dublin II-VO etwa bei Fristablauf ebenfalls Zuständigkeitskriterien normiert). Dass Kapitel III der Dublin III-VO nunmehr die „Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats“ begrifflich enger fasst, spielt keine Rolle. Denn Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO verweist ausdrücklich und pauschal auf die Kriterien der (eigentlich gemäß Art. 48 Dublin III-VO aufgehobenen) Dublin II-VO.
14 
Die Dublin II-VO ist im Übrigen (derzeit) weiterhin anwendbar bezüglich der Länder Norwegen, Island, Schweiz, Liechtenstein und Dänemark, die sich (bislang) nicht am Dublin III-System beteiligen.
15 
Die Dublin-Verordnungen dürften im Übrigen nicht nur bei bloßer Feststellung von subsidiärem Schutz, sondern selbst bei Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Dublin-Staat - jedenfalls analog - anwendbar sein (a.A. Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 27a Rn. 34). Denn in diesen Fällen behält der andere Dublin-Staat nach Sinn und Zweck der Verordnungen grundsätzlich weiterhin die Flüchtlingsverantwortung, wie dies auch Art. 4 des Europäischen Übereinkommens über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16.10.1980 (BGBl 1994 II 2645) dokumentiert (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 2 AsylVfG Rn. 6). Verstärkt wird dieser Ansatz durch die Regelung des Art. 24 Abs. 1 QRL, wonach anerkannte Flüchtlinge Anspruch auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels haben. Analog Art. 9 (i.V.m. Art. 2 lit. j) Dublin II-VO bzw. Art. 12 (i.V.m. Art. 2 lit. l) Dublin III-VO muss der Aussteller-Mitgliedstaat im Dublin-System für die Prüfung des erneuten Antrags auf internationalen Schutz (dem das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte) auch in der Zwischenzeit nach Flüchtlingsanerkennung und Titelausstellung zuständig sein. Alles andere wäre mit dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse im Sinne einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates unvereinbar. Denn es kann nicht richtig sein, dass das Bundesamt oder die Asylgerichte - gegebenenfalls unter Beiziehung, Übersetzung und Auswertung der ausländischen Verwaltungsakten sowie nach Studium des jeweiligen nationalen Asylverwaltungsverfahrensrechtes - zur Aufklärung verpflichtet wären, ob der Antragsteller nun tatsächlich eigentlich bereits bestandskräftig anerkannt oder (teil-)abgelehnt wurde bzw. ob ihm die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer oder komplementärer Schutz zuerkannt worden ist. Jedenfalls dann, wenn der ersuchte Dublin-Staat im Dublin-Verfahren der (Wieder-)Aufnahme des Antragstellers zugestimmt hat, was er völker- bzw. unionsrechtlich auch ohne entsprechende Rechtspflicht darf, steht grundsätzlich im Sinne des § 34a Abs. 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung in diesen Staat durchgeführt werden kann. Der Einwand des Antragstellers, er sei dort aber schon anerkannt worden, kann den „effet utile“ der Dublin-Verordnungen nicht außer Kraft setzen.
16 
Im Falle des Klägers, der seinen (Alt-)Asylantrag in Deutschland am 11.06.2013 gestellt hat und bei dem unklar ist, ob sein italienisches Asylverfahren bestandskräftig beendet wurde, ist nach diesen Grundsätzen (weiterhin) die Dublin II-VO anwendbar. Da er vor Einreise in das Bundesgebiet nach dem EURODAC-Treffer sowie seinen eigenen Angaben in Italien bereits ein Asylverfahren durchlaufen hatte, bleibt Italien nach Art. 13 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-VO für ihn zuständig und muss ihn nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufnehmen. Demgemäß hat Italien die Möglichkeit, der Wiederaufnahme ausdrücklich zuzustimmen oder die Wiederaufnahme durch Stillschweigen zu akzeptieren. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO wird davon ausgegangen, dass Italien die Wiederaufnahme akzeptiert, wenn es nach einem EURODAC-Treffer nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab dem deutschen Ersuchen eine Antwort erteilt. Im Falle des Klägers hat das Bundesamt (erstmals) am 14.11.2013 die italienische Dublin-Koordinierungsstelle um die Wiederaufnahme des Klägers ersucht. Gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin II-VO steht mithin seit 29.11.2013 fest, dass Italien der Wiederaufnahme des Klägers zugestimmt hat. Damit steht zugleich auch bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung im Rechtssinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seit 29.11.2013 insoweit fest, dass die Abschiebung des Klägers nach Italien durchgeführt werden kann.
II.
17 
Hiergegen kann der Kläger - unionsrechtlich - ausschließlich einwenden, im Zielstaat der Abschiebung bestünden systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU ausgesetzt zu werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Sache nach in seinem Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12 ) entschieden und damit das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie seine eigene Rechtsprechung in den Urteilen und fortgeschrieben.
18 
1. Im Urteil der Großen Kammer vom 21.01.2011 (Beschw.-Nr. 30696/09) entschied der EGMR, dass eine Dublin-Überstellung von Belgien nach Griechenland aufgrund der dort herrschenden Haft- und Lebensbedingungen für Asylbewerber insbesondere gegen Art. 3 EMRK verstoßen hat.
19 
2. Der EuGH übertrug dies entsprechend Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh im Urteil vom 21.12.2011 (Rs. C-411/10 und 493/10) unter Anwendung von Art. 4 GRCh (= Art. 3 EMRK) in das Unionsrecht und entwickelte hierbei den Begriff der „systemischen Mängel“ bzw. „Schwachstellen“ (vgl. heute: Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO). Herrschen in einem Dublin-Staat solche systemischen Mängel im Asylsystem, was Asylbehörde und gegebenenfalls Asylgericht selbst prüfen müssen und wobei die Darlegungsanforderungen an den Antragsteller nicht überspannt werden dürfen (vgl. UK Supreme Court, Urteil vom 19.02.2014 - EM (Eritrea) v SSHD 2014] UKSC 12 - http://supremecourt.uk/decided-cases/docs/UKSC_2012_0272_Judgment.pdf), darf der Asylbewerber dorthin nicht rücküberstellt werden (Rn. 112 f.). Eine unwiderlegbare Vermutung, dass in keinem Dublin-Staat systemische Mängel existieren, widerspricht - trotz des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ und dem politischen Ziel, „forum shopping“ zu vermeiden - Unionsrecht (Rn. 79, 104). Abstrakt definiert setzt die Annahme eines systemischen Mangels allerdings keine „flächendeckende Fehlfunktion im Asylsystem“ im Sinne von „griechischen Verhältnissen“ voraus, sondern eine Schwachstelle, Fehlstruktur oder strukturelle Lücke, die im Sinne einer ceteris paribus notwendigen, aber nicht notwendig hinreichenden Bedingung für Fälle, die diese Asylsystemstelle durchlaufen, zu Rechtsverletzungen führt - dies in Abgrenzung und Gegenüberstellung zu Rechtsverletzungen, die (nur) aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände entstehen (überzeugend: Lübbe, „Systemische Mängel“ in Dublin-Verfahren, ZAR 3/2014, i.E.). Solche Rechtsverletzungen müssen jedoch hinreichend gravierend sein, denn nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den Dublin-Zielstaat führt zur Unbeachtlichkeit der Dublin-Zuständigkeitsbestimmungen (Rn. 82).
20 
Vorliegen muss vielmehr eine Verletzung von Art. 4 GRCh, die in Betracht kommen kann etwa hinsichtlich willkürlicher Haft oder katastrophaler Lebensbedingungen für Asylbewerber () oder wenn etwa aufgrund erheblicher Erkrankung und Nichtbehandelbarkeit im Dublin-Zielstaat dort der in Art. 15 der Aufnahme-RL 2003/9/EG garantierte medizinische Mindeststandard („Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten“) gefährlich unterschritten wäre (im Ergebnis ebenso: UK Supreme Court, a.a.O. Rn. 58 ff). Ausschließlich in solchen Fällen darf das Dublin-System außer Kraft gesetzt werden, auch um einen Wertungswiderspruch hinsichtlich der Art. 3 EMRK-Rechtsprechung des EGMR zu vermeiden (vgl. Urteil vom 27.05.2008 , Beschwerde Nr. 26565/05, NVwZ 2008, 1334). Denn wegen der Unteilbarkeit der Menschenwürde, die hinter Art. 4 GRCh = Art. 3 EMRK steht, kann es schlechterdings nicht richtig sein, dass die Abschiebung in den Heimatstaat - hier Gambia - hiernach zulässig wäre, obwohl dort etwa keinerlei Unterbringung gesichert ist, die Abschiebung in den Dublin-Staat - hier Italien - hingegen nach dem Maßstab desselben Menschenrechtes etwa bei gesicherter, aber schlechter Unterbringung unzulässig sein soll. Dies wäre auch mit der effet utile-Rechtsprechung des EuGH unvereinbar, der im Urteil „N.S.“ bekräftigt, dass hinsichtlich des effektiven Funktionierens des Dublin-Systems „der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf gegenseitigem Vertrauen und einer Vermutung der Beachtung des Unionsrechts, genauer der Grundrechte, durch die anderen Mitgliedstaaten gründet“, auf dem Spiel stehen (Rn. 83).
21 
3. In Fortschreibung dieser Entscheidung entschied der EuGH sodann im Urteil am 14.11.2013 (Rs. C-4/11), dass bei Vorliegen systemischer Mängel, die beim konkreten Asylbewerber zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh führen, der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat zunächst weiter prüfen darf, ob anhand der Dublin-Regelungen ein anderer Dublin-Staat für eine Überstellung in Frage kommt (Rn. 33). Dabei hat der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat darauf zu achten, dass kein unangemessen langes Verfahren entsteht. Erforderlichenfalls sollte er den Asylantrag unter Inanspruchnahme des mitgliedstaatlichen Selbsteintrittsrechts (vgl. Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO; Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) selbst prüfen (Rn. 35). Der EuGH stellte allerdings ausdrücklich klar, dass der Asylbewerber hierauf keinen Rechtsanspruch besitzt (Rn. 26, 37). Damit hat er zugleich der Sache nach klargestellt, dass ein Asylbewerber nur Anspruch darauf hat, dass sein Antrag auf internationalen Schutz auf dem Gebiet des „unvollendeten Bundesstaates EU“ geprüft wird, nicht aber darauf, dass er gerade in einem bestimmten Dublin-Staat eigener Wahl geprüft wird (kein „forum shopping“), genauso wenig, wie etwa ein Anspruch besteht, dass dies in Baden-Württemberg und nicht beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern geschieht. Indem der EuGH dem Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO die drittschützende Wirkung absprach, hat er zugleich angelegt, dass auch den anderen Dublin-Verfahrensvorschriften, insbesondere den Fristenregelungen, grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zukommt.
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4. Dies wurde nunmehr im Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12) klargestellt, in dem ausdrücklich nach dem Drittschutz von Dublin-Zuständigkeitsverfahrensvorschriften gefragt worden war. Der EuGH antwortete wiederum verneinend und in aller Klarheit, dass in dem Moment, in dem ein Dublin-Zielstaat der (Wieder-)Aufnahme des Asylbewerbers zugestimmt hat, dieser hiergegen ausschließlich dortige systemische Mängel einwenden kann, die in seinem konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden (Rn. 60). Denn die Dublin-Zuständigkeitsregelungen seien im Sinne von „organisatorischen Vorschriften“ der Mitgliedstaaten (Rn. 56) und nach dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ normiert worden, um - auch wegen des öffentlichen Beschleunigungsinteresses hinsichtlich einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates - einem „forum shopping“ entgegenzuwirken (Rn. 53).
III.
23 
Damit steht nunmehr im Sinne eines „acte clair“ (genauer: „acte éclairé“) fest, dass sämtliche nicht grundrechtlich (wie Art. 6-8 Dublin II-VO bzw. Art. 8-11 Dublin III-VO) aufgeladenen Dublin-Zuständigkeitsregelungen vom Asylbewerber gerichtlich grundsätzlich nicht durchgesetzt werden können. Denn der EuGH hat in allen drei Leitentscheidungen zum Dublin-System der Sache nach pauschal insbesondere mit der Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems argumentiert („Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, „öffentliches Beschleunigungsinteresse“), sodass eindeutig ist, dass sich dies nicht nur auf die jeweilig spezifischen Normen der Dublin II-VO bezieht. Auch im Rahmen der nach Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar verbindlichen Dublin III-VO kann deshalb nichts anderes gelten. Ein Drittschutz für Dublin-Zuständigkeitsregelungen könnte allenfalls noch bei überlanger Verfahrensdauer gemäß dem über Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GRCh hier direkt anwendbaren Art. 47 Satz 2 GRCh (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl., Vorb-GRCh Rn. 1) anerkannt werden, um einen dauerhaft untätigen Mitgliedstaat zum Handeln zu zwingen, damit keine „refugee in orbit“-Situation entsteht. Nur in einer solchen Ausnahmekonstellation, die aufgrund der hintereinander geschalteten verschiedenen Wochen- und Monatsfristen der Dublin-Verordnungen sicherlich ein Untätigbleiben von weit über einem Jahr voraussetzt, könnte sich das private Beschleunigungsinteresse des Asylbewerbers an der inhaltlichen Bearbeitung seines Antrags gegenüber dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse bezüglich der zeitnahen Klärung des für die Antragsbearbeitung nach den Dublin-Verordnungen zuständigen Staates durchsetzen.
24 
Ist diese Ausnahmekonstellation aber, wie im vorliegenden Fall, nicht gegeben, kann eine Klage allein mit dem Argument, etwa die Drei- bzw. Zwei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO oder Art. 21 Abs. 1 bzw. 23 Abs. 2 Dublin III-VO sei verletzt worden, keinen Erfolg haben. Gleiches muss gelten, wenn die Sechs-Monatsfrist des Art. 19 Abs. 4 bzw. 20 Abs. 2 Dublin II-VO oder Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO abgelaufen ist (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.08.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13). Auch in diesem Fall kann eine Anfechtungsklage des Asylbewerbers unionsrechtlich allein dann Erfolg haben, wenn im Dublin-Zielstaat systemische Mängel vorliegen, die im konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden. Dann müsste der angefochtene Bescheid des Bundesamts aufgehoben werden, damit dem Bundesamt die im Urteil (Rn. 33) beschriebene (und nun in Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO normierte) Möglichkeit eingeräumt wird, auf den dann weiter anhängigen Asylantrag einen anderen Dublin-Zielstaat für die Rücküberstellung zu finden bzw. vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
25 
Ein „Durchentscheiden“ zum (vom Bundesamt, anders als bei Folgeanträgen, nicht einmal angeprüften) Asyl- und Flüchtlingsrecht bzw. subsidiären oder komplementären Schutz im Sinne der Folgeantragsrechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.12.2000 - 9 B 426.00 - juris) scheidet hingegen aus, weil ansonsten entgegen dem Urteil unionsrechtswidrig dem Asylbewerber doch ein gerichtlich durchsetzbares Recht auf Selbsteintritt eingeräumt (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - juris Rn. 27/30) und dem Bundesamt die Möglichkeit, einen anderen (auch „freiwillig“) aufnehmenden Dublin-Staat zu finden, abgeschnitten würde. Zudem würde hierdurch das Gericht unter Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz zur „Erstbehörde“ gemacht. Solange also die Zustimmung eines Dublin-Zielstaates (faktisch fort-)besteht, den Asylbewerber wieder aufzunehmen (und diese Zustimmung nicht etwa befristet war oder wegen Fristablaufs vom Dublin-Zielstaat inzwischen widerrufen worden ist) sowie in diesem Zielstaat keine systemischen Mängel mit der Folge der Art. 4 GRCh-Verletzung bestehen, solange kann die Klage - unionsrechtlich - keinen Erfolg haben. Diese Zustimmung kann vom Zielstaat nach dem Dublin-System verwaltungstechnisch ausdrücklich oder stillschweigend im Sinne einer Fiktion erteilt worden sein (vgl. Art. 20 Abs. 1 Dublin II-VO bzw. Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO).
26 
Im Falle des Klägers ist es hier deshalb ohne entscheidungserhebliche Relevanz, dass das Bundesamt die Drei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO verletzt hat (Asylantrag am 11.06.2013; Überstellungsersuchen erst am 14.11.2013). Denn Italien hat seiner Rücküberstellung (mittels Fiktion) gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO seit 29.11.2013 (stillschweigend) zugestimmt.
IV.
27 
Die Klage des Asylbewerbers könnte in dieser Konstellation allenfalls dann - nach nationalem Recht - Erfolg haben, wenn die Rücküberstellung aufgrund inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse unmöglich ist, etwa weil aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung keine Transportfähigkeit, d.h. Reisefähigkeit im engeren Sinne (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 - juris Rn. 8), besteht. Denn dann steht im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, d.h. die Abschiebungsanordnung ist rechtswidrig. Das Bundesamt hat im Falle der Abschiebungsanordnung also nicht nur - unionsrechtlich - (Dublin-)zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote im Sinne von systemischen Mängeln i.V.m. Art. 4 GRCh zu prüfen, sondern (ausnahmsweise) auch - nationalrechtlich - inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse (ausführlich: Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 34a Rn. 22). Diese Grundregel ist trotz der prozessualen Neuerungen des Art. 27 Abs. 3 lit. c Dublin III-VO bzw. § 34a Abs. 2 AsylVfG auch unter dem Rechtsregime der Dublin III-VO beizubehalten, um das öffentliche Beschleunigungsinteresse hinsichtlich der zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates nicht durch gegebenenfalls unkoordinierte Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bezüglich der Abschiebungsanordnung gegenüber dem Bundesamt einerseits und nach § 123 VwGO bezüglich Vollstreckungshindernissen gegenüber der Ausländerbehörde andererseits zu konterkarieren.
28 
Im Falle des verhältnismäßig jungen und offenbar gesunden Klägers gibt es allerdings keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme von inlandsbezogenen Vollstreckungshindernissen.
V.
29 
Bezüglich des Dublin-Zielstaates Italien liegen nach Überzeugung des erkennenden Gerichts (jedenfalls derzeit) auch keine systemischen Mängel im Sinne der dargestellten EuGH-Rechtsprechung (mehr) vor. Durch Tatsachen bestätigte Gründe dafür, dass der junge und gesunde Kläger im italienischen Asylverfahren voraussichtlich im Sinne von Art. 4 GRCh „der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wird“, lassen sich nicht erkennen. Der Kläger selbst hat solche Gründe aufgrund eigener Erfahrungen in Italien zwischen seinem dortigen Asylerstantrag wohl am 27.08.2011 und der Ausreise aus Italien im Frühjahr 2013 im Übrigen auch nicht ansatzweise vorgetragen. Seine Begründung für die Weiterreise nach Deutschland war vielmehr, „to try my chance“.
30 
Zur aktuellen Situation in Italien hat insbesondere das Verwaltungsgericht Würzburg in seinem Beschluss vom 03.02.2014 - W 6 S 14.30087 - (juris) Folgendes dargelegt:
31 
„Nach der Erkenntnislage ist nicht anzunehmen, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufweisen. (…) Dabei ist festzuhalten, dass nicht schon jeder Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention oder jede Verletzung eines Grundrechts zur Bejahung systemischer Mängel führt. Auch der Umstand, dass in Italien die wirtschaftliche Situation oder die medizinische Versorgung für Asylsuchende schlechter sein mag als in der Bundesrepublik Deutschland, führt für sich nicht zur Annahme systemischen Mängel oder einer allgemeinen unmenschlichen Behandlung (vgl. VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 – juris mit Bezug auf OVG LSA, B.v. 14.11.2013 – 4 L 44/13).
32 
Das Auswärtige Amt kommt etwa in seiner Stellungnahme vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt zu der Einschätzung, dass für Flüchtlinge in Italien landesweit ausreichende staatliche bzw. öffentliche und karitative Unterkunftsmöglichkeiten – bei teilweiser lokaler Überbelegung – zur Verfügung stehen, und insbesondere, dass alle Personen, die im Rahmen der Dublin-II-VO nach Italien zurückgeführt werden, in eine Unterkunft verteilt werden. Sie werden bei ihrer Ankunft am Flughafen empfangen, erkennungsdienstlich behandelt, einer Questura zugeteilt, von einer zuständigen Hilfsorganisation betreut und über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (vgl. auch Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 11.09.2013).
33 
Soweit der vom Antragstellerbevollmächtigten zitierte Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2013 erhebliche Missstände in Italien beschreibt, ebenso der UNHCR in einer Stellungnahme an das VG Freiburg vom Dezember 2013 (der daneben auch positive Aspekte honoriert), rechtfertigt dies nicht das Vorliegen von systemischen Mängeln, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, eine unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. allgemein EuGH, U.v. 10.12.2013 – C 394/12 – juris). Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände, auf die auch der Antragstellerbevollmächtigte hingewiesen hat. Aber weder dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe noch der Stellungnahme des UNHCR noch sonstigen Unterlagen ist es zurzeit im ausreichenden Maß zu entnehmen, dass ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen vorliegt bzw. dass das Asylverfahren und die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in Italien systemische Mängel aufweisen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der UNHCR weiterhin gerade keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, Asylsuchende nicht nach Italien zu überstellen. Dies ist deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Mitgliedsstaat, der nach den Kriterien der Dublin-II-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachten ist, besonders relevant sind (vgl. EUGH, U.v. 30.5.2013 – C-528/11 – ABl EU 2013, Nr. C 225 S. 12 – juris). Soweit in Italien Missstände und Notstände aufgrund der stark gestiegenen Asylbewerberzahl festgestellt worden sind, sind sie dieser geschuldet und stellen als solche für sich keine systemischen Mängel dar. Allein aus dem Umstand, dass andere Verwaltungsgerichte jedenfalls im Sofortverfahren zu anderen Ergebnissen kommen, mag auf den zugrundeliegenden Prüfungsmaßstab zurückzuführen sein, belegt aber nicht das tatsächliche Vorhandensein von Mängeln im italienischen System.
34 
Die vorliegende Einschätzung deckt sich mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 2. April 2013 (27725/10 – ZAR 2013, 336). Der Hinweis des Antragstellerbevollmächtigten auf eine divergierende Rechtsauffassung der 5. Sektion des EGMR und die Befassung der Großen Kammer des EGMR rechtfertigt zurzeit keine andere Beurteilung. Die 3. Sektion des EGMR hat ihre Rechtsauffassung über die Einschätzung hinsichtlich der Situation von Asylsuchenden in Italien mit einer Entscheidung vom 10. September 2013 ausdrücklich bestätigt (2314/10 – http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-127054). Zudem ist auch in dem Zusammenhang zu betonen, dass tatsächlich bestehende Defizite im italienischen Asylsystem auch mit der Folge, dass die wirtschaftliche, die medizinische und die soziale Versorgung in Italien schlechter als in der Bundesrepublik Deutschland ist, nicht die Annahme systemischer Mängel oder einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention rechtfertigen. Denn an einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention sind strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. auch Thym, ZAR 2013, 331). Zudem ist nicht allein auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bzw. auf die Rechtsauffassung einer einzelnen Sektion abzustellen, sondern die gesamten Umstände des Einzelfalls sind zu würdigen.
35 
Das Gericht schließt sich nach alledem dem Teil der Rechtsprechung an, der systemische Mängel in Italien verneint und nimmt darauf ergänzend Bezug (vgl. zuletzt VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, B.v. 18.12.2013 – RN 6 S 13.30720 – juris; VG Saarland, B.v. 6.12.2013 – 3 L 1989/13 – juris; VG Ansbach, B.v. 26.11.2013 – AN 1 S 13.31045 – juris; VG Trier, B.v. 6.11.2013 – 5 L 1539/13.TR – juris; OVG Berlin-Bbg, B.v. 17.6.2013 – OVG 7 S 33.13 – juris; a. A. etwa VG Gießen, U.v. 25.11.2013 – 1 K 844/11.GI.A – AuAS 2014, 12, jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung und den dort zitierten Erkenntnisquellen).“
36 
Auch das erkennende Gericht schließt sich dieser Bewertung des derzeitigen Asylsystems in Italien an. Besonderes Gewicht wird dabei dem Umstand beigemessen, dass UNHCR im Bericht vom Dezember 2013 (anders als im Falle Bulgariens, vgl. Bericht vom 02.01.2014 - http://www.refworld.org/docid/52c598354.html) und bis heute bezüglich Italien aufgrund auch der eigenen Überprüfungen vor Ort keinen Überstellungsstopp fordert.
37 
Nach alledem begegnet die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG keinen Bedenken, denn Italien ist, wie ausgeführt, der für die Fortführung des Asylverfahrens des Klägers zuständige Staat.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom ... September 2014 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge syrischer Staatsangehörigkeit und reiste am 30. April 2014 in das Bundesgebiet ein. Bei einer Anhörung am 1. Mai 2014 erklärte er, sich zuvor in Griechenland und anschließend in Ungarn aufgehalten zu haben. In Ungarn habe er am 23. April 2014 einen Asylantrag gestellt.

Laut einer Eurodac-Treffermeldung liegt in Ungarn ein Asylantrag des Antragstellers vom 23. April 2014 vor. Die zuständige ungarische Stelle stimmte einem Wiederaufnahmegesuch des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Schreiben vom 19. Mai 2014 zu.

Mit Bescheid vom ... Mai 2014 ordnete das Bundesamt die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn an. Am 15. Juli 2014 beantragte der Antragsteller seine Anerkennung als Asylberechtigter.

Mit Bescheid vom ... September 2014, dem Antragsteller am 4. September 2014 zugestellt, hob das Bundesamt seinen Bescheid vom ... Mai 2014 auf (Ziff. 1 des Bescheides). Weiter wurden der Asylantrag des Antragstellers für unzulässig erklärt (Ziff. 2) und seine Abschiebung nach Ungarn angeordnet (Ziff. 3).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 3 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Am 4. September 2014 erhob der Antragsteller Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom ... September 2014 (M 16 K 14.50534). Weiter stellte er einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Antragsteller habe in Ungarn kein Asylverfahren durchgeführt bzw. beantragt. Er sei dort von Polizisten geschlagen und erkennungsdienstlich behandelt worden. Aufgrund dessen und der unzureichenden Unterbringung habe er die Flucht ergriffen. Aufgrund erheblich gestiegener Flüchtlingszahlen sei von einer Überstellung nach Ungarn abzusehen. Die systemischen Mängel des dortigen Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber würden ernsthafte Gründe für die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Antragstellers im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta darstellen.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 8. September 2014 die Behördenakte vor. Ein Antrag wurde nicht gestellt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren M 16 K 14.50534 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist begründet.

Eine Abwägung des Interesses des Antragstellers an einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage mit dem öffentlichen Interesse an einem Sofortvollzug der Abschiebungsanordnung ergibt, dass die privaten Interessen des Antragstellers derzeit überwiegen.

Die Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf der Grundlage der aktuell vorliegenden Erkenntnismittel ergibt, dass die Erfolgsaussichten der Klage jedenfalls offen sind. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand sprechen hinreichend gewichtige Gründe dafür, dass der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes vom ... September 2014 rechtswidrig und der Antragsteller in seinen Rechten verletzt sein könnte (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Möglicherweise ist der Asylantrag des Antragstellers nicht deshalb gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, weil ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wäre. Sollte vielmehr die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Prüfung des Asylantrags gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO gegeben sein, so wäre der Erlass der Abschiebungsanordnung nach § 34 a i. V. m. § 27 a AsylVfG bereits aus diesem Grund rechtswidrig.

1. Zwar wäre hier grundsätzlich von einer Zuständigkeit Ungarns gemäß Art. 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom26. Juni 2013 (sog. Dublin III-VO) auszugehen. Allerdings ist hier möglicherweise die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Prüfung des Asylantrags gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO gegeben. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. In diesem Fall setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Zuständigkeitskriterien nach Kapitel 3 der Dublin III-VO fort, um ggf. die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festzustellen. Kann keine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festgestellt werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris) darf ein Asylbewerber nur dann nicht an den europarechtlich zuständigen Mitgliedstaat überstellt werden, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat aufgrund systemischer Mängel, d. h. regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.

2. Die Frage, ob in Ungarn „systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber“ im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegen und ob eine Überstellung nach Ungarn einen Verstoß gegen Art. 4 der EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK darstellt, wird in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterschiedlich beantwortet (vgl. in diesem Sinne z. B. aus jüngerer Zeit insbesondere VG München, U. v. 29.8.2014 - M 24 K 13.31294; VG Stuttgart, U. v. 26.6.2014 - A 11 K 387/14 - juris; a. A. z. B. VG Würzburg, B. v. 25.8.2014 - W 6 S 14.50100 - juris; VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris). In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird diese Frage vor dem Hintergrund der neueren Erkenntnismittel auch vielfach als zumindest offen angesehen (vgl. z. B. VG Gelsenkirchen, B. v. 2.10.2014 - 10a L 1415/14.A; VG Oldenburg, B. v. 18.6.2014 - 12 B 1238/14 - juris; VG Sigmaringen, B. v. 22.4.2014 - A 5 K 972/14 - juris; VG Freiburg, B. v. 7.3.2014 - A 5 K 93/14 - juris). Auch das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat jüngst im Hinblick auf die divergierende erstinstanzliche Rechtsprechung in einem Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO dem Antrag im Rahmen einer zugelassenen Berufung stattgegeben (vgl. B. v. 24.7.2014 - A 1 B 131/14 - juris).

Weitere obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage liegt bislang, soweit ersichtlich, nur mit den Beschlüssen des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 31. Mai 2013 (4 L 169/12 - juris) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 6. August 2013 (12 S 675/13 - juris) vor, in denen das Vorliegen „systemischer Mängel“ jeweils verneint wurde. Nicht bzw. nur teilweise berücksichtigt werden konnten dabei allerdings die zwischenzeitlich vorliegenden neueren Erkenntnisse, wonach in Ungarn insbesondere zum 1. Juli 2013 eine erneute Gesetzesänderung in Kraft getreten ist, bei der Inhaftierungen von Asylbewerbern für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten vorgesehen sind. Auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 6. Juni 2013 (2.283/12 - InfAuslR 2014, 197 ff.) enthält keine Aussage darüber, wie zum derzeitigen - maßgeblichen - Zeitpunkt die Situation in Ungarn zu beurteilen ist.

Sowohl UNHCR als auch der Europäische Flüchtlingsrat sowie das ungarische Helsinki Komitee warnen, dass die Rechtsgrundlagen für eine Inhaftierung von Personen, die internationalen Schutz suchen, zu weit seien und daher ein erhebliches Risiko einer umfassenden Inhaftierung von Asylbewerbern bestehe (vgl. UNHCR, UNHCR Comments and Recommendations on the Draft Modification of certain migration-related Legislative Acts for the Purpose of Legal Harmonisation, 12.4.2013, S. 7 f, S. 10; European Council on Refugees and Exiles - ECRE Weekly Bulletin, 14.6.2013, S. 3; Hungarian Helsinki Committee, Brief Information Note on the Main Asylum-Relates Legal Changes in Hungary as of 1 July 2013, S. 2 unter www.helsinki.hu). Die Gesetzesänderung sieht - neben anderen Gründen - als Grund für die Inhaftierung von Asylbewerbern die Feststellung ihrer Identität oder Nationalität vor, und wenn ernstliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Asylsuchende das Asylverfahren verzögert oder vereitelt oder Fluchtgefahr bei ihm besteht (vgl. Hungarian Helsinki Committee, a. a. O., S. 2). UNHCR äußert dabei in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf die Vermutung, dass Hauptziel dieser (zeitlich vorgezogenen) Gesetzesänderung eine Senkung der Zahl der Asylanträge sei. Inhaftierung würde als Instrument zur Kontrolle von Migration eingesetzt, um illegale Einreise zu pönalisieren und unrechtmäßige Weiterwanderung zu verhindern (vgl. UNHCR, a. a. O., S. 7 f). Weiterhin berichtet das ungarische Helsinki Komitee davon, dass im Hinblick auf die steigende Zahl der Asylsuchenden in Ungarn (mehr als 10.000 Asylbewerber seien im Zeitraum von Januar bis Juni 2013 registriert worden) die Hauptaufnahmeeinrichtung in Debrecen deutlich überbelegt sei (über 1.300 Asylsuchende Mitte Juni), was zu ernsthaften Problemen geführt habe, insbesondere zu einer eklatanten Verschlechterung der hygienischen Bedingungen. Auch der aktuelle Bericht der Arbeitsgruppe über willkürliche Inhaftierungen des „United Nations Human Rights Office of the High Commissioner“ über einen Besuch in Ungarn vom 23. September bis 2. Oktober 2013 kritisiert die Inhaftierungspraxis in Ungarn, insbesondere auch die fehlenden effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten und mahnt solide Verbesserungen an (vgl. United Nations Human Rights Office of the High Commissioner - Working Group on Arbitrary Detention, Statement upon conclusion of its visit to Hungary - 23 September - 2 October 2013 - S. 4, unter http://www.ohchr.org). Ebenso kommt der aktualisierte und ergänzte Bericht von Pro Asyl „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“, zu dem Ergebnis, dass in Ungarn derzeit von „systematischen Mängeln“ in den Aufnahmeeinrichtungen auszugehen sei. Es sei aufgrund des massiven Anstiegs von Asylanträgen davon auszugehen, dass die „systemischen Mängel“ noch weiter zunehmen würden. Sollte der Großteil der Asylantragsteller, die sich derzeit in anderen EU-Staaten aufhielten, zurück nach Ungarn überstellt werden, so wären die vorhandenen Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende keinesfalls in der Lage, eine menschenwürdige Unterbringung zu gewährleisten (vgl. Pro Asyl, Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“, Stand Oktober 2013 (http://bordermonitoring.eu/files/2013/10/Ungarn_Update_Oktober_2013. pdf, S. 35f). Auch der aktualisierte Bericht des ungarischen Helsinki Komitees (Hungarian Helsinki Committee, „Information Note On Asylum-Seekers In Detention And In Dublin Procedures In Hungary”, Stand: Mai 2014, http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-Hungary-info-update-May-2014.pdf), der aida Länderbericht (aida, Asylum Information Database, National Country Report Hungary, Stand: 30. April 2014, abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/files/report-download/aida_-_hungary_second_update_final_uploaded_0.pdf) sowie die Stellungnahme des UNHCR vom 9. Mai 2014 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf (vgl. B. v. 28.5.2014 - 13 L 172/14.A - juris ) bestätigen diese erheblichen Bedenken.

Insbesondere im Hinblick auf diese neueren Erkenntnisquellen sind die Erfolgsaussichten der Klage nach summarischer Prüfung derzeit als offen anzusehen. Eine eingehendere Prüfung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Im Eilrechtsschutzverfahren ist jedenfalls bei der Abwägung das Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung über seine Klage nicht zwangsweise nach Ungarn rücküberstellt zu werden, angesichts der ihm nicht ausschließbar drohenden Gefahr einer menschenunwürdigen Behandlung höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an einer möglichst umgehenden Rückführung des Antragstellers aufgrund der Dublin-III-Verordnung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).