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| Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Anerkennung des am 3.5.2012 unstreitig erlittenen Unfalls als Dienstunfall. |
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| Ein Dienstunfall ist nach § 45 Abs. 1 LBeamtVG ein auf äußere Einwirkung beruhendes, plötzliches und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. |
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| Entscheidender rechtlicher Ausgangspunkt für die Abgrenzung, ob ein Unfall in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist oder nicht, ist der Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Unfallfürsorgeregelung. Dieser liegt in einem über die allgemeine Fürsorge hinausgehenden besonderen Schutz des Beamten bei Unfällen, die außerhalb seiner privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre im Bereich der in der dienstlichen Sphäre liegenden Risiken eintreten, also in dem Gefahrenbereich, in dem der Beamte entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig wird, bzw. die sich während der pflichtgemäßen Erledigung der ihm obliegenden dienstlichen Aufgaben ereignen. Das ist der Fall, wenn der Beamte den Unfall bei einer Tätigkeit erleidet, die im engen natürlichen Zusammenhang mit seinen eigentlichen Dienstaufgaben oder sonstigen dienstlich notwendigen Verrichtungen steht, bei der der Beamte also gewissermaßen „im Banne“ des Dienstes steht (BVerwG, Urt. v. 3.11.1976 - VI C 203.73 -, BVerwGE 51, 220; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.9.2007 - 4 S 516/06 -, VBlBW 2008, 225). Kein Dienstunfall liegt allerdings dann vor, wenn der Unfall bei einer Verhaltensweise des Beamten eingetreten ist, die mit der Dienstausübung schlechthin nicht mehr in Zusammenhang gebracht werden kann (BVerwG, Beschl. v. 26.2.2008 - 2 B 135/07 -, NVwZ-RR 2008, 410, RNr. 10). |
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| In diesem Sinne ist vorliegend von einem Dienstunfall auszugehen. |
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| Der Besuch des Frühlingsfestes war für die Klägerin Teil ihrer Dienstaufgaben, denn es war ein offizieller Programmpunkt der Klassenfahrt, an der sie als verantwortliche Begleitperson dienstlich teilnahm. Die Klägerin hätte sich dem Volksfestbesuch auch nicht entziehen können, ohne dadurch ihre Dienstpflichten zu verletzen. Zwar konnte sie während des Besuchs nicht alle Schüler ständig beaufsichtigen, da diese in Kleingruppen unterwegs waren. Sie musste aber ständig in der Nähe der Schüler und damit „vor Ort“ sein, um einschreiten zu können, sobald Ihr Probleme, z.B. mittels Mobiltelefon, mitgeteilt worden wären. |
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| Auch der Besuch des Bierzelts war für die Klägerin Dienst. |
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| Der Besuch des Bierzelts war vom offiziellen Programmpunkt des Besuchs des Frühlingsfestes umfasst. Auf Volksfesten gehört ein regelmäßig vorhandenes Bierzelt in gleichem Maße zu den dort üblichen Attraktionen wie die typischerweise vorhandenen Fahr- und Schaustellerbetriebe oder Verkaufsstände. Daher ist der Besuch eines Bierzelts in gleicher Weise durch den Programmpunkt „Besuch des Frühlingsfestes“ erfasst, wie der Gang über das Festgelände oder die Nutzung der dort vorhandenen Geschäfte. |
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| Die Klägerin hätte sich während des Bierzeltbesuchs der Schüler zwar theoretisch auch einer anderen Schülergruppe anschließen oder sich - „in Rufbereitschaft“ - alleine auf dem Volksfest aufhalten können. Da die Klägerin zur Aufsicht über die Schüler verpflichtet war, war es aber durchaus geboten, diese Alternative nicht zu wählen, sondern zusammen mit der Klassenlehrerin bei der größten Schülergruppe im Bierzelt zu sein. Ein Bierzeltbesuch von größtenteils minderjährigen Schülern birgt ungleich größere Gefahren als ein bloßer Spaziergang über das Festgelände und erfordert folglich eine ungleich stärkere Aufsicht durch die verantwortlichen Lehrer. Das ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass es galt, das in diesem Zusammenhang ausgesprochene Alkoholverbot durchzusetzen und zu überwachen, was den Lehrerinnen offenbar auch gut gelungen ist. Hinzu kommt, dass der Besuch des Bierzelts durch die wahrscheinlich größte Gruppe der das Volksfest besuchenden Schüler gewissermaßen als Tagesausklang mit geselligem Beisammensein gedacht war. Bei einem derartigen Programmpunkt gebietet es der pädagogische Gesamtauftrag einer Lehrerin, sich dem nicht zu entziehen, sondern bei den Schülern zu sein. Bei der Beurteilung, ob bestimmte Handlungen durch die Erfordernisse des Dienstes maßgebend geprägt sind, ist grundsätzlich der mit dem Lehramt verbundene pädagogische Gesamtauftrag zu berücksichtigen, der sich nicht in einer bloßen Wissensvermittlung und einer Beaufsichtigung erschöpft. Der pädagogische Gesamtauftrag gebietet es vielmehr, dass ein Lehrer einen Grundstock an Vertrauen zu den Schülern aufbaut (BVerwG, Urt. v. 3.11.1976, a.a.O., RNr. 29), wozu Veranstaltungen wie der Besuch des Volksfestes, aber auch des Bierzelts, der eine gesellige Kommunikation mit den Schülern ermöglicht, durchaus gehören. |
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| Schließlich ist der Unfall dadurch, dass die Klägerin auf eine Festzeltbank gestiegen war, auch nicht durch eine Verhaltensweise der Klägerin eingetreten, die schlechthin nicht mehr mit ihrer Dienstausübung in Zusammenhang gebracht werden konnte. Zu dem konkreten Unfall wäre es zwar wahrscheinlich nicht gekommen, wenn sich die Klägerin nicht dem Verhalten des Rests ihrer Gruppe angeschlossen hätte und stattdessen sitzen geblieben wäre, als alle anderen auf die Bänke gestiegen waren. Das Steigen auf die Bank stand aber noch in einem engen natürlichen Zusammenhang mit ihren Dienstaufgaben. |
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| Es ist derzeit durchaus üblich, dass Besucher eines Bierzelts, in dem Livemusik dargeboten wird, kollektiv auf die Bänke steigen und dort zur Musik tanzen. Insoweit verhielt sich die Schülergruppe nicht anders als eine Vielzahl der übrigen Gäste im Zelt. Obwohl ein solches Verhalten in den meisten anderen Gastronomieeinrichtungen als inakzeptabel anzusehen wäre, ist dieser weit verbreitete Brauch - insbesondere zu später Stunde und bei allgemein gehobener Stimmung - heutzutage als durchaus sozialadäquat anzusehen, weshalb es nicht verwundert und auch nicht zu beanstanden ist, dass es die Lehrerinnen den Schülern erlaubt hatten, auf die Bänke zu steigen. Das gilt nach Auffassung des Gerichts trotz der relativen Gefährlichkeit eines solchen Verhaltens. Obwohl diese Gefährlichkeit im Falle der Klägerin tatsächlich zu einem Unfall geführt hat, erscheint die abstrakte Gefährlichkeit des Besteigens einer Festzeltbank doch nicht so groß, dass dieses Verhalten hätte untersagt werden müssen. Wenn nun aber die gesamte Gruppe auf den Bänken stand, konnte die Klägerin praktisch nicht anders, als sich diesem Verhalten anzuschließen. Wäre sie als Einzige sitzengeblieben und hätte sie sich dem Gruppenzwang verweigert, wäre sie dadurch zwangsläufig ins Abseits geraten und hätte sich ostentativ von ihren Schülern distanziert. Das wäre mit ihrem pädagogischen Gesamtauftrag, wie er oben beschrieben wurde, aber nicht ohne Weiteres zu vereinbaren gewesen. Folglich kann ihr nicht der, die Anerkennung eines Dienstunfalls ausschließende Vorwurf gemacht werden, sie habe den Unfall durch ein Verhalten provoziert, dass nicht mehr mit ihrer Dienstausübung in Zusammenhang gebracht werden kann. |
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