Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 29. Nov. 2010 - 1 K 3643/09

published on 29/11/2010 00:00
Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 29. Nov. 2010 - 1 K 3643/09
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Tenor

Es wird festgestellt, dass die Einkesselung des Klägers in der Sattlergasse in Ulm am 01.05.2009 von deren Beginn (ca. 10.20 Uhr) bis zu dessen Freilassung (ca. 17.00 Uhr) rechtswidrig war.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner polizeilichen Ingewahrsamnahme.
Am 01.05.2009 veranstalteten der DGB und das „Bündnis gegen Rechts“ in Ulm eine Kundgebung. Im Rahmen der Kundgebung fand ein Demonstrationszug (Aufzug) statt, der am Weinhof in Ulm startete, durch Innenstadtstraßen in Ulm führte und auf dem Münsterplatz endete. Vor dem Beginn des Aufzugs, der für 10.30 Uhr vorgesehen war, schloss die Polizei in der Sattlergasse, durch die der Aufzug vom Weinhof aus geführt werden sollte, durch zwei Polizeiketten ca. 300 Personen ein, die an dem Aufzug teilnehmen wollten und die sie dem „Schwarzen Block“ zurechnete. Sie ging aufgrund von Informationen davon aus, dass sich diese Personen an die Spitze des Aufzugs setzen und aus ihm heraus Straftaten (Sachbeschädigungen) begehen wollten. Die in der Sattlergasse festgehaltenen Personen wurden nach und nach ab ca. 15.30 Uhr nach Feststellung ihrer Personalien und nach der Erteilung von Platzverweisen für die Innenstadt Ulms frei gelassen. Der Kläger gehörte zu den betroffenen Personen.
Der Kläger hat am 11.11.2009 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen eine Fortsetzungsfeststellungklage erhoben.
Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, der Kläger habe am 01.05.2009 an der zentralen Kundgebung DGB und des „Bündnisses gegen Rechts“, insbesondere an dem um 10.00 Uhr beginnenden Demonstrationszug teilnehmen wollen. Damit habe man ein Zeichen gegen eine Kundgebung der NPD/JN setzten wollen, die für die Nachmittagstunden desselben Tages in Ulm angekündigt gewesen sei.
Als der Kläger gegen 10.00 Uhr über das östliche Ende der Sattlergasse zum Versammlungsort des DGB am Weinhof in Ulm habe gehen wollen, habe er den Zugang zur Sattlergasse durch Polizeikräfte versperrt vorgefunden. Er sei deshalb in Richtung Westen gegangen, um von dort zum Versammlungsort zu kommen. Als er das westliche Ende der Sattlergasse erreicht habe, sei hinter ihm die Straße durch die Polizei abgesperrt worden, so dass er sich in einem Kessel wiedergefunden habe. Ohne für ihn erkennbaren Anlass sei er bis etwa 17.00 Uhr in diesem Polizeikessel festgehalten worden. Anschließend habe die Polizei seine Personalien aufgenommen, ihn fotografiert und ihm für das gesamte Stadtgebiet von Ulm bis 24.00 Uhr einen Platzverweis erteilt. Ein Ermittlungsverfahren sei nicht eingeleitet worden. Eine richterliche Überprüfung des Festsetzens des Klägers habe nicht stattgefunden.
Der Beklagte könne die Ingewahrsamnahme des Klägers nicht mit seiner Behauptung aus seinem Schriftsatz vom 24.02.2010 in einem anderen Verfahren (1 K 1118/09) begründen, dass gegen 10.00 Uhr 150 teilweise bewaffneten Personen versucht hätten, sich als „Schwarzer Block“ an die Spitze des Aufzugs des DGB zu stellen. Bis heute sei ungeklärt, woher der Beklagte davon Kenntnis habe. Eine homogene Gruppe solcher Personen habe es in der Sattlergasse auch nicht gegeben.
Der Beklagte könne das Festsetzen der Demonstranten nicht mit einer Weisung des Versammlungsleiters des DGB begründen. Zwar sei dem Versammlungsleiter vom Beklagten mitgeteilt worden, ein „Schwarzer Block“ wolle sich an die Spitze des Aufzugs des DGB setzen. Solange diese Gefahr aber nicht feststehe, könne das Festsetzen der Demonstranten nicht mit einer darauf gegründeten Weisung des Versammlungsleiters begründet werden. Eine solche Weisung sei auch nicht erfolgt. Der Versammlungsleiter habe bei seiner Vernehmung in einem Strafverfahren vielmehr angegeben, von seiner Seite aus hätte der „Schwarzer Block“ am Ende des Umzuges gehen können.
Zudem sei nicht klar, weshalb gerade die festgesetzten Personen als „Schwarzer Block“ angesehen worden seien. Es seien alle Personen in der Sattlergasse festgesetzt worden, die sich im Zeitpunkt des Abriegelns der Sattlergasse dort aufgehalten hätten. Nennenswerte Gewalttätigkeiten habe es nicht gegeben. Zu Rangeleien zwischen den Demonstranten und der Polizei sei es gekommen, weil die Demonstranten aus ihrer Sicht grundlos festgehalten worden seien. Es werde bestritten, dass die Eingekesselten die Möglichkeit gehabt hätten, sich vom „Schwarzen Block“ zu distanzieren und sich aus der Absperrung zu entfernen.
Der Kläger habe keinen Anlass gegeben, ihn als Störer zu erkennen. Er habe sich zu keinem Zeitpunkt an Gewalttätigkeiten beteiligt. Der Beklagte habe auch keinen Beleg dafür vorgelegt, dass es von Seiten der eingekesselten Personen überhaupt zu Gewalttätigkeiten gekommen sei. Die Behauptung, dass die Personen des „Schwarzen Blocks“ im Zeitpunkt der Einkesselung größtenteils vermummt und teilweise bewaffnet gewesen seien, bleibe von Seiten des Beklagten ohne Beleg. Auf keinem der Filme, die vom Beklagten im Klageverfahren vorgelegt worden seien, sei die behauptete Bewaffnung von Demonstrationsteilnehmern mit Holzstangen erkennbar gewesen. Es seien nur einige Fahnenstangen sichtbar gewesen, die aus Rucksäcken hervorgeragt hätten. Soweit nicht belegt werden könne, dass die Einkesselung überhaupt notwendig gewesen sei, könnten spätere Polizeimaßnahmen ohnehin nicht rechtmäßig sein.
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Zudem habe sich der Kläger und die anderen eingekesselten Personen auch nach der Wertung des Beklagten als Demonstrationsteilnehmer auf Art. 8 Grundgesetz berufen können. Das BVerfG habe in seinem Beschluss vom 30.04.2007 (1 BvR 1090/06) darauf hingewiesen, dass das Versammlungsgesetz als Spezialgesetz dem Polizeigesetz vorgehe. Nur wenn eine Versammlung nicht mehr durch Art. 8 Grundgesetz geschützt werde, sei ein Vorgehen nach dem Polizeigesetz zulässig. Selbst wenn es eine Rechtfertigung gegeben hätte, die eingekesselten Personen von der Versammlung auszuschließen, hätte dies ihnen eindeutig und unmissverständlich mitgeteilt werden müssen. Bislang fehle jeder Hinweis darauf, dass man den eingekesselten Personen in der Sattlergasse mitgeteilt habe, sie unterfielen nicht mehr dem Schutz des Art. 8 Grundgesetz. Ohne ausdrückliche Auflösung der Versammlung oder Ausschluss einzelner Versammlungsteilnehmer seien Maßnahmen nach dem Polizeigesetz rechtswidrig. Die Versammlung sei polizeifest gewesen. Wenn es im „Schwarzen Block“ bewaffnete Personen gegeben hätte, hätte es ausgereicht, diese von der Versammlung auszuschließen.
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Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auf Fragen im Wesentlichen das Folgende ausgeführt: Er sei mit der Gruppe, die am Eingang der Sattlergasse von der Neuen Straße aufgehalten worden sei, mit dem Bus aus K. gekommen. Als die Gruppe aufgehalten worden sei, sei er zunächst bei der Gruppe geblieben. Er sei nicht sogleich weggegangen. Er habe sich nicht in den ersten Reihen aufgehalten. Er sei die Person, die auf dem Film 2 der DVD III/3 bei der Filmlaufzeit 4:59 zu sehen und die ihm vom Gericht bei der Inaugenscheinnahme des Films in der mündlichen Verhandlung gezeigt worden sei. Er habe die Gruppe dann verlassen und sei auf einem anderen Weg über die Neue Straße nach Westen zum Weinhof gegangen. Er kenne sich in Ulm aus, weil er dort früher gelebt habe. Er habe sich dann auf dem Übergang vom Weinhof in die Sattlergasse aufgehalten. In den Kessel sei er geraten, weil er von der in diesem Bereich aufziehenden Polizeikette in die Sattlergasse hineingedrückt worden sei. Lange Zeit nach dem Beginn der Einkesselung habe er durch einen Lautsprecher gehört, dass man in Gewahrsam genommen worden sei. Daraus habe er geschlossen, dass er nicht an der Demonstration teilnehmen könne. Er habe sich mit den Leuten, mit denen er gekommen sei, nicht verabredet, sich schwarz anzuziehen. Er sei oft schwarz angezogen. Angesprochen auf eine Lautsprecherdurchsage über eine Regelung für die Toilettenbenutzung gab er an, von einer Toilettenregelung gehört zu haben.
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Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass seine Einkesselung in der Sattlergasse in Ulm am 01.05.2009 von ca. 10.20 Uhr bis zu seiner Freilassung gegen ca. 17.00 Uhr rechtswidrig war.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt der Beklagte das Folgende aus: Zur Auftaktkundgebung des DGB auf dem Weinhof habe der Zulauf ab 09.40 Uhr stark zugenommen. Der Versammlungsleiter der DGB-Versammlung, Herr X, als Vertreter der Versammlungsbehörde die Herren A und B sowie der Polizeiführer, Herr KD P, seien vor Ort gewesen.
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Gegen 10.00 Uhr hätten am Sammlungsort des DGB-Aufzugs am Weinhof/Sattlergasse ca. 150 überwiegend mit Kapuze, Schal und Sonnenbrille vermummte, schwarz und dunkel gekleidete Personen, teilweise mit Holzstangen bewaffnet, versucht, sich als „Schwarzer Block" unmittelbar vor Versammlungsbeginn an die Spitze des DGB-Aufzuges zu stellen. Die Personengruppe habe sich in geschlossener Front über die gesamte Breite der Sattlergasse gezeigt und sei in der Sattlergasse vor dem Übergang zum Weinhof zum Stehen gekommen. Die Personen hätten damit den vorgesehenen Aufzugsweg des DGB blockiert. Es sei offensichtlich gewesen, dass sich der „Schwarze Block" an die Spitze des DGB-Aufzuges habe setzen wollen.
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Gegen 10.12 Uhr hätten sich weitere Personen in der Sattlergasse vermummt und sich teilweise Handschuhe angezogen. Innerhalb dieser Gruppe seien nach Aufforderung einer vermummten Person durch Unterhaken Ketten gebildet worden, die auf Kommando auf die Polizeikräfte zugerannt seien und versucht hätten, die Absperrung der Polizei zu durchbrechen. Zwischen 10.13 und 10.18 Uhr sei es kurzfristig zu tumultartigen Ausschreitungen gekommen. Ein Durchbrechen habe dabei nur durch Anwendung unmittelbaren Zwangs und Einsatz von Pfefferspray verhindert werden können.
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Bis zum Eintreffen der Verstärkungskräfte hätten sich weitere, überwiegend türkisch-kurdische Versammlungsteilnehmer mit dem „Schwarzen Block" solidarisiert und sich verbal aggressiv gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten verhalten. Neben den türkisch-kurdischen Personen hätten sich zu diesem Zeitpunkt im Übergang vom Weinhof zur Sattlergasse weitere kleinere Gruppen „Linksautonomer" befunden. Sie hätten vom Weinhof her in die Sattlergasse gedrängt und sich damit im Rücken der Einsatzkräfte befunden, die damit von zwei Gruppen eingeschlossen gewesen seien. Gegen 10.30 Uhr seien die beiden Blöcke in der Sattlergasse zusammengeführt und festgesetzt worden. Mit Hilfe der eintreffenden Unterstützungskräfte sei es gelungen, die eingeschlossenen Polizeikräfte abzuziehen und die nunmehr auf ca. 300 Personen angewachsene Gruppe des „Schwarzen Blocks"/Linksautonomer in der Sattlergasse einschließend zu umstellen. Durch den „Schwarzen Block" sei versucht worden, die Polizeikette am Weinhofberg zu durchbrechen. Es sei zu gemeinsamen Aktionen gegen die Polizeikräfte gekommen, Böller seien gezündet worden. Hierbei sei es den Störern durch Treten und Schlagen, u.a. auch auf einen am Boden liegenden Beamten, gelungen, die doppelte Polizeikette bis zur Kette am Weinhofberg vorzudrängen. Als trotz der nun dreifachen Polizeikette ein Durchbruch bevorgestanden habe, habe unter Einsatz von Reizstoff (RSG 4) unmittelbarer Zwang angewendet werden müssen. Durch die Wirkung des Reizstoffes habe die Störermenge zurückgedrängt werden können.
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Über eine Quelle des Landesamtes für Verfassungsschutz sei es der Polizei zwischenzeitlich bekannt geworden, dass gewaltbereite Linksautonome beabsichtigten, sich an der Spitze des DGB-Aufzuges zu positionieren, um dort agieren zu können. Im Verlauf des Aufzugweges sollten zwei Geschäfte (…) „entglast" werden. Diese Informationen seien als qualifiziert und zuverlässig einzustufen gewesen. Die Blockade der Sattlergasse durch den „Schwarzen Block" habe die Richtigkeit und Zuverlässigkeit der Information, Angriffe auf Polizeikräfte zu machen und damit die Gewalttätigkeit/Gewaltbereitschaft und die Unfriedlichkeit dieses Personenkreises, deutlich bestätigt. Der Versammlungsleiter des DGB sei nicht damit einverstanden gewesen, dass sich der „Schwarze Block“ an die Spitze des Aufzugs setze.
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Entgegen der Auffassung des Klägervertreters seien nach den vorliegenden Unterlagen die in der Sattlergasse festgesetzten Personen von der Versammlung ausgeschlossen und anschließend in Vorbeugegewahrsam genommen worden. Dieser Ausschluss sei der Personengruppe ab 11.07 Uhr durch den Vertreter der Versammlungsbehörde, Herrn B, mittels Lautsprecherdurchsage über einen Lautsprecherwagen der Polizei bekannt gegeben und anschließend noch zwei Mal wiederholt worden. Dabei sei den nicht vermummten Personen die Möglichkeit eingeräumt worden, die Polizeiabsperrung zu verlassen. Einzelne Personen hätten diese Möglichkeit genutzt. Der genaue Wortlaut sei nicht dokumentiert. Bruchstückhaft seien auf polizeilicherseits gefertigten DVD's die Worte: „Anschließen an die Demonstration..., Platz verlassen..., Platzverweis..., friedlicher Aufzug..., es werden Platzverweise erteilt..., von der Demonstration ausgeschlossen..." zu hören (vgl. bereits vorgelegte DVD IV/2 Kurzfilm 5 und 6, DVD 111/3 Film 2 Laufzeit 31.15min ff).
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Ein Mitführen der überwiegend vermummten Personen des „Schwarzen Blocks" am Ende des Aufzugs sei nach polizeilicher Einschätzung letztlich nicht möglich gewesen. Um die Begehung offenbar geplanter weiterer Straftaten aus dem Aufzug heraus zu verhindern, hätten die zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Polizeikräfte nicht ausgereicht, da starke Kräfte an anderen Brennpunkten der Innenstadt von Ulm (Bahnhof, Sicherung der Aufzugstrecke JN/NPD) gebunden gewesen seien.
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Auf Anordnung des Einsatzleiters, Kriminaldirektor P, Polizeidirektion Ulm, hätten aufgrund der o.g. Vorkommnisse die Personalien der festgesetzten Personen festgestellt und die Personen im Anschluss zur Prüfung eines Gewahrsams oder zur Durchführung strafprozessualer Folgemaßnahmen in die Gefangenensammelstelle der JVA Ulm verbracht werden sollen. Wegen der Anordnung des Gewahrsams der festgesetzten Personen sei die zuständige Bereitschaftsrichterin verständigt worden. Diese habe jedoch zuvor anreisen müssen. Die Festsetzung der Personen sei solange aufrechterhalten worden. Nach Eintreffen der Richterin und der Sichtung von Videomaterial sei die richterliche Anordnung eines Vorbeugegewahrsams gegen die umstellten ca. 300 Personen erfolgt und von der Richterin die Vorführung jedes Einzelnen angeordnet worden. Die Ingewahrsamnahme sei der Personengruppe über Lautsprecherdurchsage bekannt gegeben worden.
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Die Abarbeitung der Folgemaßnahmen einschließlich der Vorführung der einzelnen Personen vor die anwesenden Bereitschaftsrichter wegen des Vorbeugegewahrsams habe trotz der eingesetzten 40köpfigen Gruppe im Einsatzabschnitt Strafverfolgung erhebliche Zeit in Anspruch genommen und habe letztlich nicht bei allen betroffenen Personen erfolgen können, darunter auch bei dem Kläger. Da sich unter den in Gewahrsam genommenen Personen in der Sattlergasse im Verlauf des Nachmittags verstärkt Unruhe verbreitet habe und da aufgrund der Kräftelage eine zeitlich angemessene Abarbeitung aller Personen nicht möglich gewesen sei, sei gegen 15.30 Uhr in Absprache mit den zuständigen Richterinnen und der Einsatzleitung der Gewahrsam aufgehoben worden. Dieser Personenkreis sei nach Personalienfeststellung und der Erteilung eines Platzverweises für das gesamte Stadtgebiet auf freien Fuß gesetzt worden.
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Die Klage sei nicht begründet. Die polizeilichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger seien nicht zu beanstanden. Insbesondere sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht verletzt worden. Aufgrund der bereits begangenen gewaltsamen Handlungen gegen die eingesetzten Polizeibeamten einschließlich des Einsatzes von Pyrotechnik und der damit gezeigten erhöhten Gewaltbereitschaft der Personengruppe habe die konkrete Gefahr weiterer massiver Störungen der öffentlichen Sicherheit, insbesondere die konkrete Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Polizeibeamten, die zur Sicherung des Demonstrationszugs der NPD/JN eingesetzt gewesen seien, der Demonstrationsteilnehmer selbst und weiterer Personen im Umfeld bestanden. Die Anordnung des Präventivgewahrsams gem. § 28 Abs.1 Nr.1 PolG sei für die festgesetzte Personengruppe, aus der bereits gewaltsam gegen die eingesetzten Polizeibeamten vorgegangen worden sei, soweit nicht ohnehin eine vorläufige Festnahme nach strafprozessualen Vorschriften in Betracht gekommen sei, zur Abwendung der Gefahren erforderlich, geeignet und verhältnismäßig im engeren Sinne gewesen. Die Dauer des Gewahrsams sei zunächst auf die Vorführung vor dem zuständigen Richter zur Aufrechterhaltung des Gewahrsams oder ggf. zu treffender strafprozessualer Maßnahmen ausgerichtet gewesen.
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Ebenfalls sei nicht zu beanstanden, dass für alle festgesetzten Personen eine Personenfeststellung angeordnet worden sei. Soweit dies nicht aus strafprozessualen Gründen oder wegen Verdachts der Begehung einer Ordnungswidrigkeit erfolgt sei, seien die Voraussetzungen gemäß § 26 Abs.1 Nr.1 PolG erfüllt. Die Maßnahme sei beendet worden, als ersichtlich in absehbarer Zeit eine richterliche Vorführung nicht mehr durchführbar gewesen sei.
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Die Kammer hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Stadtverwaltungsrats B, der Polizeiräte P1 und P2 und des Kriminalhauptkommissars P3 als Zeugen. Auf die Anlage zur Niederschrift vom 29.11.2010 wird verwiesen. Die DVD III/3 ist in der mündlichen Verhandlung teilweise in Augenschein genommen worden.
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Der am 01.05.2009 in Ulm verantwortliche Polizeiführer, Kriminaldirektor P, hat als weiterer Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung Fragen des Gerichts und der übrigen Beteiligten beantwortet. Er hat dabei im Wesentlichen die folgenden Angaben gemacht:
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Auf die Frage, weshalb die Gruppe von Demonstranten am oberen Ende der Sattlergasse (im Bereich der Neuen Straße) aufgehalten worden sei:
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Kurz nach 10.00 Uhr sei die Information eingegangen, dass sich ein „Schwarzer Block“ an die Spitze des Aufzugs setzen und ein ... und ein ... entglasen wolle. Er habe sich mit Herrn X, dem Versammlungsleiter des DGB, auf dem Weinhof befunden. Herr X habe die Ansicht geäußert, die Versammlung des DGB solle nicht durch Straftaten diskreditiert werden. Der „Schwarze Block“ solle nicht an der Spitze des Aufzugs des DGB laufen. Wenn es unbedingt notwendig sei, solle er am Ende des Aufzugs mitgehen. Die Information über den „Schwarzen Block“ habe er gegen 10.05 Uhr erhalten. Sie sei über den Einsatzabschnitt DGB gekommen, vielleicht habe er sie auch über den Führungs- und Einsatzstab erhalten. Im Bereich des Weinhofs habe es nur schwache Kräfte gegeben, um darauf zu reagieren. Retrospektiv habe er erfahren, dass der Einsatzabschnitt Aufklärung die Information am frühen Morgen von einem Beamten der Staatsschutzabteilung der Polizeidirektion Ulm über eine Quelle erfahren habe. Der Beamte habe den Anruf gegen 8.00 Uhr erhalten. Am Weinhof sei die Information gegen 10.00 Uhr eingetroffen. Der Einsatzabschnitt DGB-Aufzug habe aus 130 Polizeikräften bestanden, die den Aufzug des DGB hätten begleiten sollen. Der Polizei sei es von Anfang an darauf angekommen, deeskalierend zu wirken. Die Situation habe die Polizei dazu gezwungen, anders zu verfahren. Er habe veranlasst, dass in der Sattlergasse bei der Sparkasse eine Polizeikette gebildet werde. Mitglieder des „Schwarzen Blocks“, die sich am Weinhof aufgehalten hätten, seien in die Sattlerlasse von unten (vom Weinhof her) eingedrungen. Es sei zu einem Solidarisierungseffekt gekommen. Das Auftreten des „Schwarzen Blocks“ sei über Handy und Internet koordiniert worden. Ihm sei es darum gegangen, die Aufzugsstrecke freizuhalten. Die Information, dass sich der „Schwarze Block“ an die Spitze des DGB-Aufzugs setzen wolle, dass mit der Begehung von Straftaten zu rechnen sei, habe man früher nicht gehabt. Der „Schwarze Block“, der aus Richtung Münsterplatz gekommen sei, sei vom Einsatzabschnitt Aufklärung angekündigt worden. In der Sattlergasse hätten sich nur schwache Kräfte befunden, diese seien noch mit dem Barrett bekleidet gewesen, der Einsatzhelm sei noch nicht getragen worden. Der „Schwarze Block“ sollte von diesen Kräften aufgehalten werden. Es sei schwierig gewesen, zwischen den verschiedenen Teilen des „Schwarzen Blocks“, zwischen anderen Leuten und zwischen friedlichen Versammlungsteilnehmern zu unterscheiden. Wenn er die Information, die er gegen 10.00 Uhr erhalten habe, nicht gehabt hätte, hätte er die Leute zum Weinhof gehen lassen. Das ..., das nach der Information hätte angegriffen werden sollen, befinde sich in der ... Gasse, die auch der DGB für seinen Aufzug habe durchqueren wollen. Wegen der Enge der ... Gasse hätte es bei dem Lokal keinen Raum für ein polizeiliches Agieren gegeben. Die Information sei beim Einsatz- und Führungsstab hängen geblieben. Bei der ersten Situation, bei der die Leute hinter der roten Fahne im oberen Bereich der Sattlergasse aufgehalten worden seien, habe es sich noch nicht um eine freiheitsentziehende Maßnahme gehandelt. Während der Auftaktveranstaltung des DGB sei ein weiterer „Schwarzer Block“ in den oberen Teil der Sattlergasse nachgerückt. Von unten seien zunehmend Personen des „Schwarzen Block“ in die Sattlergasse gegangen. Einsatzkräfte der Polizei seien eingeschlossen worden. Es sei zu Körperverletzungen und Widerstandshandlungen, auch zu Vermummungen durch das Hochziehen von Tüchern gekommen. Er sei zu Herrn X gegangen. Dieser habe die Leute auffordern sollen, die Vermummung abzulegen. Herr X sei geschockt zurückgekommen. Er habe auch wegen seiner Aufregung die Technik des Megafons nicht bedienen können. Dies sei um 10.20 Uhr gewesen. Später habe er erfahren, dass die Technik des Megafons nicht funktioniert habe. Nachdem der obere Teil des „Schwarzen Blocks“ zwischen den beiden Polizeiketten in der Sattlergasse festgesetzt worden sei, habe es sich gegenüber diesen Personen um eine freiheitsbeschränkende Maßnahme gehandelt. Die Situation sei zunehmend gewalttätig geworden. Einsatzkräfte seien zu Boden gedrückt worden. Um 10.30 Uhr seien zusätzliche Kräfte herangeführt gewesen. Die Sattlergasse sei in Höhe des Weinhofs abgeriegelt worden. Die Beamten zwischen den Demonstranten seien herausgelöst worden. Zwei Kollegen hätten am Boden gelegen, gegen deren Helme sei getreten worden. Das sei zwischen 10.20 Uhr und 10.30 Uhr gewesen. Nach der Rückkehr des Herrn X habe es ein Gespräch über die Gestaltung der Versammlung des DGB gegeben. Der „Schwarze Block“ habe nicht an der Spitze des Aufzugs gehen sollen. Gegen 10.25 Uhr habe man sich entschlossen, über die Treppe am westlichen Ende des Sparkassengebäudes zur Neuen Straße zu gehen. Die Teilnehmer des DGB seien gegen 10.35 Uhr aufgebrochen. Der Ablauf des Aufzugs habe sich verzögert, da die Treppe zur Neuen Straße ein Nadelöhr gebildet habe. Von Seiten der Demonstranten in dem zusammengeführten Block sei es zu Straftaten gekommen, die Vermummung sei nicht abgelegt worden. Er habe sich überlegt, die Leute am Ende des Aufzugs mitzuführen. Große Kräfte seien aber an anderen Stellen im Stadtgebiet, z.B. am Bahnhof, gebunden gewesen. Die Reserven seien aufgebraucht gewesen. Die Restkräfte, die sich in der Sattlergasse befunden hätten, seien zu wenige gewesen, um Straftaten auf dem Zugweg des Aufzugs zu verhindern. Die angespannte Situation in der ... Gasse habe er schon geschildert. Der Aufzug des DGB sei friedlich zum Münsterplatz gegangen.
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Die Durchsage des Herrn B, die dieser an die Demonstranten gerichtet habe, habe er mit einem halben Ohr mitbekommen. Als Herr B seine Durchsage gemacht habe, sei er vom Weinhof aufgebrochen. Es sei darum gegangen, die schwarz gekleideten Personen in der Sattlergasse festzuhalten. Ein Teil der Leute, 100 bis 150 Personen, auf dem Weinhof sei zunächst nicht mit dem Aufzug gegangen, sondern stehen geblieben. Es habe sich um Leute mit Migrationshintergrund aus dem türkisch-kurdischen Lager gehandelt. Bei diesen Leuten habe eine hohe Aggressivität geherrscht. Es sei aber nicht zu Übergriffen, sondern nur zu Verbalattacken gekommen. Schließlich hätten die türkisch-kurdischen Personen dazu bewegt werden können, mit der Kundgebung mitzugehen. Sie seien mit Abstand hinter dem Aufzug des DGB hergegangen. Er sei bis zu der ersten Durchsage des Herrn B vor Ort gewesen.
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Er habe sich mit Herrn B und Herrn A beraten. Es sei um den unfriedlichen Teil der Versammlung gegangen. Sie seien der Meinung gewesen, den unfriedlichen Teil aus der Versammlung auszuschließen. Ein Teil habe sich vermummt gehabt. Es seien auch Waffen im versammlungsrechtlichen Sinn (Stangen) mitgeführt worden. Ihm sei klar gewesen, dass die Versammlung auch für die unfriedlichen Teilnehmer polizeifest sei, solange sie nicht aus der Versammlung ausgeschlossen seien. Den formellen Akt des Ausschlusses habe Herr B vorgenommen. Dieser habe die Lautsprecherdurchsage gemacht. Man sei sich einig gewesen, wer die Vermummung ablege, könne mit einem Platzverweis gehen. Wer dies nicht tue, werde in Vorbeugegewahrsam genommen. Sie seien sich alle einig gewesen, dass der Ausschluss aus der Versammlung erfolgen sollte. Er könne nichts dazu sagen, weshalb sich Herr B und nicht ein Polizeibeamter an die Demonstranten gewandt habe.
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Bei der Besprechung der Polizei mit der Versammlungsbehörde, bei der auch Polizeirat P1 mitgewirkt habe, habe man ein abgestuftes Konzept vereinbart. Wer die Vermummung ablege, könne mit einem Platzverweis gehen. Wer den Platz nicht verlasse, werde in Gewahrsam genommen. Das Problem der Polizeifestigkeit der Versammlung sei ihm bekannt gewesen. Der Versammlungsausschluss sei nach 11.05 Uhr vorgenommen worden. Vorher habe es praktische Probleme gegeben, da ein Lautsprecherwagen habe erst herangeführt werden müssen. Es hätten sich auch noch die Kundgebungsteilnehmer des DGB auf dem Weinhof befunden. Der Ausschluss habe auch noch beraten werden müssen.
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Im Vorfeld sei bekannt gewesen, dass mehrere hundert Personen „Antifa“ bzw. „Schwarzer Block“ anreisen würden. Man habe die allgemeine Information gehabt, dass mit etwa 1000 gewaltbereiten Personen in Ulm zu rechnen sei. Man habe vermutet, dass es den hohen Mobilisierungsgrad auf der Rheinschiene gegeben habe, weil die Aktivitäten dieses Personenkreises bei dem 3 Wochen vorher stattfindenden NATO-Gipfel quasi ausgefallen seien. Zur Mobilisierung habe auch die Entscheidung des VG Augsburg beigetragen, den Aufzug in Neu-Ulm zuzulassen. Die Information über das Entglasen von Gebäuden sei im Vorfeld nicht bekannt gewesen.
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Bei der Besprechung der Polizei mit der Versammlungsbehörde sei der Ausschluss des „Schwarzen Blocks“ beraten und entschieden worden. Bei der Besprechung sei entschieden worden, den „Schwarzen Block“ insgesamt und nicht die vermummten Leute aus dem „Schwarzen Block“ auszuschließen. Für die Zuordnung zum „Schwarzen Block“ sei die Farbe der Kleidung maßgeblich gewesen. Leute, die nicht zum „Schwarzen Block“ gehörten, hätten gehen dürfen. Zuerst sollte der Ausschluss vorgenommen werden, dann sollte gesagt werden, wer die Vermummung ablege, könne mit einem Platzverweis herausgehen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und im Übrigen die der Kammer vorliegenden Behördenakten des Beklagten verwiesen.
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Ferner wird auf Stellungnahmen der den Bereitschaftsdienst ausübenden Richterinnen und Richter der Amtsgerichte Geislingen und Ulm verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Klage ist zulässig und begründet.
1. a)
39 
Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben. Er wird nicht durch § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 28 Abs. 4 Polizeigesetz (PolG) ausgeschlossen (vgl. zur zuletzt genannten Vorschrift: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteile vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - und 13.05.2004 - 1 S 2052/03 - jeweils juris). Als Rechtsgrundlage für die vom Kläger beanstandete Maßnahme, die als polizeilicher Gewahrsam zu qualifizieren ist, kommt nur der vom Beklagten herangezogene § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG in Betracht. Nach § 28 Abs. 4 Satz 6 PolG in seiner bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung, die insoweit mit der aktuellen Fassung dieser Vorschrift übereinstimmt, ist die Anfechtungsklage, das heißt die Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht und in der Folge auch die Fortsetzungsfeststellungklage ausgeschlossen, wenn eine den Gewahrsam anordnende Entscheidung des Amtsgerichts ergangen ist. Eine den Gewahrsam anordnende Entscheidung des Amtsgerichts bedarf zu ihrer Wirksamkeit nicht der Bekanntgabe an den Betroffenen (§ 28 Abs. 4 Satz 3 PolG). Im Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts kann sie auch mündlich ergehen (§ 28 Abs. 4 Satz 4 PolG). Dann ist sie unverzüglich schriftlich niederzulegen und zu begründen.
40 
Eine schriftliche Entscheidung des Amtsgerichts über eine Anordnung des Gewahrsams gegenüber dem Kläger liegt nicht vor. Das Ergehen einer mündlichen Gewahrsamsanordnung gegenüber dem Kläger als Teil des „Schwarzen Blocks“ wurde zwar von dem Beklagten vorgetragen. Der Beklagte führte dazu aus, er habe nach der Festsetzung der Personen in der Sattlergasse den Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts informiert. Nach Eintreffen der Richterin und der Sichtung von Videomaterial sei die richterliche Anordnung eines Vorbeugegewahrsams gegen die umstellten ca. 300 Personen erfolgt und von der Richterin die Vorführung jedes Einzelnen angeordnet worden. Vor der mündlichen Verhandlung wurde von dem Beklagten noch eine Kopie des Einsatztagebuchs (Blatt 176 der Gerichtsakte) vom 01.05.2009, 13.18 Uhr übersandt, im dem bezüglich des Gewahrsams des „Schwarzen Blocks“ folgende Aussage getroffen wird:
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„Die Richterin war vor Ort und hat die Ingewahrsamnahme der Personen des Schwarzen Blocks angeordnet. Gewahrsam kann bis 23.00 ausgedehnt werden, je nach polizeilicher Lagebeurteilung“.
42 
Dieser Vortrag deutet zwar auf das Ergehen einer Entscheidung des Amtsgerichts im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 6 PolG hin. Sie ließ sich aber nach Anhörung der am 01.05.2009 im Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts in der Polizeidirektion Ulm tätigen Richterinnen und Richter nicht verifizieren. Tätig waren die zum Bereitschaftsdienst eingeteilte Richterin beim Amtsgericht Geislingen R, die wegen der Vielzahl der festgehaltenen Personen von der Direktorin des Amtsgerichts Geislingen S, vom Direktor des Amtsgerichts Ulm T und vom Richter am Amtsgericht Geislingen U unterstützt wurde.
43 
Um aufzuklären, welche Entscheidungen durch den Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts getroffen worden waren, wurden die genannten Richterinnen und Richter telefonisch durch den Berichterstatter angehört. Später wurden die Richterinnen unter Übersendung des Schreibens des Leiters der Polizeidirektion Ulm vom 12.11.2010 und der Kopie des Einsatztagebuchs (Blatt 173 bis 176 der Gerichtsakte) zum Vortrag des Beklagten um eine schriftliche Stellungnahme gebeten. Den genannten Richtern wurde eine Kopie des Einsatztagebuchs mit der Bitte um Stellungnahme übersandt. Die Richterin beim Amtsgericht Geislingen R, die Direktorin des Amtsgerichts Geislingen S und der Direktor des Amtsgerichts Ulm T äußerten sich auch zum Inhalt der nach den Telefonaten mit dem Berichterstatter übersandten Aktenvermerke.
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Nach dem Ergebnis der Anhörungen der Richterinnen und Richter aus dem Bereitschaftsdienst und weil sich der Beklagte stets auf die Entscheidung „der Richterin“ bezog, kann ausgeschlossen werden, dass einer der im Bereitschaftsdienst tätigen Richter die vom Beklagen vorgetragene Anordnung des Gewahrsams gegenüber den nicht namentlich bekannten ca. 300 Personen, die in der Sattlergasse festgehalten wurden, getroffen hat. Dafür spricht auch, dass die beiden Richterinnen, die gemeinsam von der Polizei von einem Parkplatz außerhalb der Innenstadt Ulms abgeholten worden waren, zuerst vor Ort waren.
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Der Vortrag des Beklagten über die richterliche Anordnung des Gewahrsams gegenüber dem „Schwarzen Block“ wird sowohl von Richterin beim Amtsgericht R in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 18.11.2010 (Blatt 200 und 201 der Gerichtsakte) wie auch von der Direktorin des Amtsgerichts Geislingen S in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 17.11.2010 (Blatt 192 der Gerichtsakte) in Abrede gestellt. Auch dem Richter am Amtsgericht U (schriftliche Stellungnahme Blatt 218, 219 der Gerichtsakte) und dem Direktor des Amtsgerichts Ulm T (schriftliche Stellungnahme vom 25.11.2010, Blatt 220 der Gerichtsakte) ist von der vom Beklagten behaupteten Anordnung nichts bekannt. Da der Beklagte nicht den Beamten benennen konnte, der die vorgetragene Anordnung des richterlichen Bereitschaftsdienstes entgegengenommen hat, sieht die Kammer keine weiteren Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung. Bei diesen sich widersprechenden Angaben kann nicht festgestellt werden, dass der Vortrag des Beklagten über die ausdrückliche Anordnung eines Gewahrsams gegenüber den in der Sattlergasse eingekesselten Personen zutrifft.
46 
In Bezug auf die Tätigkeit der Richterinnen und Richter des Bereitschaftsdienstes steht nur zweifelsfrei fest, dass von ihnen die Anordnung erging, die Personen aus der Sattlergasse einzeln vorzuführen, um gegenüber jeder einzelnen Person gesondert eine Entscheidung über den Gewahrsam zu treffen. Dies setzt zwar voraus, dass diese Personen festgehalten werden, bis die Einzelvorführung erfolgen kann. Darin liegt aber noch keine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam im Sinne des § 28 Abs. 3 Satz 2 PolG. Die Entscheidung wird vielmehr für einen Zeitpunkt nach der Anhörung des Betroffenen vorbehalten.
47 
Da die Voraussetzung des § 28 Abs. 4 Satz 6 PolG für die Sperre des Rechtswegs zu den Verwaltungsgerichten aus tatsächlichen Gründen nicht zweifelfrei festgestellt werden kann bzw. sie aus rechtlichen Gründen nicht vorliegt, verbleibt es bei dem Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO. Es kann daher offen bleiben, ob wegen des Rechtswegs eine Differenzierung zwischen der Zeit vor und nach dem Ergehen einer Entscheidung im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 6 PolG vorzunehmen ist. In diese Richtung könnte das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 27.09.2009 - 1 S 2206/03 - (juris Rdnr. 57 am Ende) hindeuten.
b)
48 
Die vom Kläger erhobene Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - juris) nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in entsprechender Anwendung zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse liegt unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses des Klägers vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Kammerbeschluss vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/98 - juris Rdnr. 25) gebietet es das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, dass der Betroffene Gelegenheit erhält, in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe auch dann die Rechtmäßigkeit des Eingriffs gerichtlich klären zu lassen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da durch die Ingewahrsamnahme des Klägers über mehrere Stunden in nicht unerheblicher Weise in das Grundrecht der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und das Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) eingegriffen wurde.
2.
49 
Die Ingewahrsamnahme des Klägers nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG war schon deshalb rechtswidrig, weil nicht festgestellt werden kann, dass er zuvor nach den Vorschriften des Versammlungsgesetzes aus der Versammlung des DGB bzw. aus dessen Aufzug ausgeschlossen worden war.
50 
Zwischen den Beteiligten ist es unstreitig, dass der Kläger an der Versammlung des DGB bzw. an dessen Aufzug teilnehmen wollte. Auch die Kammer hat daran keinen Zweifel. Ebenso ist es unstreitig, dass die Veranstaltung des DGB den Schutz des Art. 8 Grundgesetz genoss. Sie verlor diesen Schutz nicht dadurch, dass möglicherweise einzelne Teilnehmer des so genannten „Schwarzen Blocks“ ein Verhalten an den Tag legten, das sie von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz, der nur das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, schützt, ausschloss. Dass dem Kläger ein solches Verhalten vorgeworfen werden konnte, ließ sich anhand des zur Verfügung gestellten und gesichteten Videomaterials der Polizei nicht feststellen und wird von dem Beklagten auch nicht vorgetragen. Der Kläger war, als er in der Sattlergasse in Ulm, in unmittelbarer Nähe zum Ort der Auftaktveranstaltung DGB und in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Beginn der Veranstaltung durch Bildung einer polizeilichen Absperrung in der Sattlergasse in Gewahrsam genommen wurde, Teil der Versammlung des DGB und als Teilnehmer durch Art. 8 Grundgesetz geschützt.
51 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 30.04.2007- 1 BvR 1090/06 - juris) sind Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - rechtswidrig, solange die Versammlung nicht gem. § 15 Abs. 3 VersammlG aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage von der Versammlung ausgeschlossen wurde (juris Rdnr. 40). Art. 8 Grundgesetz gebiete diese für den Schutz des Grundrechtsträgers wesentlichen Förmlichkeiten. Denn es handele sich um Anforderungen der Erkennbarkeit und damit der Rechtssicherheit, deren Beachtung für die Möglichkeit einer Nutzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit wesentlich sei. In Versammlungen entstünden häufig Situationen rechtlicher und tatsächlicher Unklarheit. Versammlungsteilnehmer müssten wissen, wann der Schutz der Versammlungsfreiheit ende, denn Unsicherheiten könnten sie einschüchtern und von der Ausübung des Grundrechts abhalten (juris Rdnr. 41). Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richteten sich nach dem Versammlungsgesetz. Dieses Gesetz gehe in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vor. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt werde, scheide aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen aus (juris Rdnr. 43).
52 
Dieser rechtlichen Voraussetzungen war sich die Polizeiführung, wie aus der Stellungnahme des Kriminaldirektors P in der mündlichen Verhandlung deutlich wurde, bewusst. Es fand deshalb eine Beratung zwischen der Polizeiführung und 2 Beamten der Versammlungsbehörde der Stadt Ulm über die Durchführung von Maßnahmen nach dem Versammlungsgesetz statt. Mit der Versammlungsbehörde sei nach den Angaben von Kriminaldirektor P der Ausschluss des „Schwarzen Blocks“ beraten und beschlossen worden. Der „Schwarze Block“ habe insgesamt ausgeschlossen werden sollen. Es sei nicht nur um den Ausschluss vermummter Personen gegangen. Unterscheidungskriterium sei die Kleidung gewesen. Das Ergebnis der Beratung zwischen der Polizeiführung und der Versammlungsbehörde wurde nicht dokumentiert.
53 
Mit der Umsetzung des Beratungsergebnisses wurde Stadtverwaltungsrat B von der Stadt Ulm beauftragt. Die Art und Weise der Umsetzung des Beratungsergebnisses wurde ebenfalls nicht dokumentiert. Sicher ist nur, dass sich Stadtverwaltungsrat B gegen 11.05 Uhr über einen Lautsprecherwagen der Polizei dreimal mit kurzem zeitlichen Abstand mit Durchsagen an Personen in der Sattlergasse bzw. auf dem unmittelbar angrenzenden Bereich des Weinhofs wandte. Eine dreimalige Durchsage gegen 11.05 Uhr kann den vorgelegten Videoaufnahmen entnommen werden. Aufgrund der schlechten Tonqualität und wegen der lautstarken Pfiffe der Demonstranten sind nur einzelne Worte der Durchsagen zu hören, die für sich gesehen keinen zusammenhängenden Sinn ergeben.
54 
Auch nach der Vernehmung der Zeugen und unter Berücksichtigung der Angaben des Kriminaldirektors P kann nicht festgestellt werden, dass Stadtverwaltungsrat B Personen in der Sattlergasse bzw. auf dem Weinhof aus der Versammlung ausgeschlossen hat.
55 
Stadtverwaltungsrat B gab bei seiner Vernehmung als Zeuge in der mündlichen Verhandlung zum Inhalt der Durchsage Folgendes an: Bei der Besprechung mit der Polizei habe man sich sinngemäß auf die folgende Durchsage verständigt: "Hier spricht die Ortspolizei- und Versammlungsbehörde. Die vermummten Personen haben die Vermummung abzunehmen, da ansonsten der „Schwarze Block“ ausgeschlossen wird und mit weiteren polizeilichen Maßnahmen zu rechnen hat“. Diese Durchsage beinhaltet noch nicht den Ausschluss von Personen aus der Versammlung. Sie kündigt einen Ausschluss für den Fall, dass die Vermummung nicht abgenommen wird, nur an. Die Frage, ob er tatsächlich Personen aus der Versammlung ausgeschlossen habe, beantwortete der Zeuge B dahingehend, dass durch seine Lautsprecherdurchsage kein Ausschluss erfolgt sei. Von einem späteren Ausschluss der Demonstranten in der polizeilichen Absperrung in der Sattlergasse berichtete der Zeuge B nichts.
56 
Polizeirat P1, der zusammen mit Kriminaldirektor P an der Besprechung mit der Versammlungsbehörde teilgenommen hatte, gab bei seiner Zeugenvernehmung an, er sei sich ziemlich sicher, dass über Lautsprecher durchgegeben worden sei, dass die Personen, die ihre Vermummung nicht ablegen, von der Versammlung ausgeschlossen werden. Ihm sei klar gewesen, dass die Personen, die vermummt waren, für den Fall, dass sie ihre Vermummung nicht ablegten, mit der Durchsage ausgeschlossen seien. Der erste Teil der Aussage des Zeugen P1 lässt eine Auslegung in dem Sinne zu, dass wie vom Zeugen B angegeben, der Ausschluss mit der Durchsage des Zeugen B nur angekündigt, aber noch nicht vollzogen worden ist. Der zweite Teil der Aussage des Zeugen P1 geht in die Richtung, dass der Ausschluss aus der Versammlung mit der Durchsage bereits vollzogen gewesen sei. Die Kammer hat aber den Eindruck gewonnen, dass die Erinnerung des Zeugen P1 an den Inhalt der Lautsprecherdurchsage durch sein Wissen über das Ergebnis der Beratung mit der Versammlungsbehörde beeinflusst war und er nicht zwischen dem Wortlaut der Durchsage und dem Verlauf der Beratung mit der Versammlungsbehörde unterscheiden konnte. Bei der Beratung mit der Versammlungsbehörde war nach Angaben des Kriminaldirektors P der Ausschluss des „Schwarzen Blocks“ beschlossen worden.
57 
Polizeirat P2 sagte bei seiner Zeugenvernehmung aus, die Personen in der Sattlergasse seien angesprochen und von der Versammlung ausgeschlossen worden. Die Lautsprecherdurchsage des Zeugen B habe sich an alle Personen innerhalb der von der Polizei abgeriegelten Sattlergasse gerichtet, ihr Inhalt jedoch sei gewesen, dass vermummte Personen die Vermummung ablegen sollten. Die Durchsage habe sich ferner auch an Personen gerichtet, die bis dahin gegen das Versammlungsgesetz verstoßen hätten. Den genauen Wortlaut habe er nicht mehr im Kopf. Von einer Differenzierung zwischen vermummten Personen, Personen, die bis dahin gegen das Versammlungsgesetz verstoßen hätten, und anderen Personen in der Sattlergasse berichtete nur der Zeuge P2. Dies spricht gegen die Zuverlässigkeit der Erinnerung dieses Zeugen.
58 
Kriminaldirektor P war nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung nur bei der ersten Durchsage des Zeugen B auf dem Weinhof noch anwesend, aber schon im Aufbruch begriffen gewesen. Kriminaldirektor P konnte keine Angaben zum Inhalt der Durchsage des Zeugen B machen. Er gab zwar an, dass man in der Beratung mit der Versammlungsbehörde einen Ausschluss des „Schwarzen Block“ aus der Versammlung bzw. dem Aufzug des DGB beschlossen habe. Danach hätten die vermummten Personen angesprochen und ihnen gesagt werden sollen, sie könnten mit einem Platzverweis gehen, wenn sie die Vermummung ablegten. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass ein solches Beratungsergebnis auch umgesetzt wurde. Die Zeugen, die Angaben zum Inhalt der Durchsage des Zeugen B machten, brachten den Ausschluss aus der Versammlung mit dem Umstand des Nichtablegens der Vermummung in Zusammenhang. Sie unterschieden sich im Wesentlichen nur darin, ob der Ausschluss durch die Lautsprecherdurchsagen nur angedroht oder für den Fall, dass die Vermummung nicht abgelegt würde, in Form einer Bedingung bereits vollzogen war. Von einem isoliert erklärten Ausschluss des „Schwarzen Blocks“, abgegrenzt nach der Farbe der Bekleidung der Demonstranten, berichteten sie nichts.
59 
Von einem Ausschluss des Klägers aus der Versammlung könnte nur dann ausgegangen werden, wenn die sichere Überzeugung davon gewonnen werde könnte, dass ein Ausschluss durch die Lautsprecherdurchsagen des Stadtverwaltungsrats B bereits erfolgt war. Dies ist aufgrund der sich wiedersprechenden Aussagen der Zeugen und des Kriminaldirektors P nicht möglich. Am Wahrscheinlichsten ist es nach der Ansicht der Kammer, dass die Aussage des Zeugen B zutrifft, der die Durchsage gemacht hat. Danach war der Ausschluss nur angedroht. Dem Charakter der Androhung entspricht auch die dreimalige Wiederholung der Durchsage mit einem zeitlichen, wenn auch nur kurzen Abstand.
60 
Wenn ein Ausschluss durch die Durchsagen des Zeugen B bereits ausgesprochen worden wäre, hätte er zudem nur die Personen betroffen, die ihre Vermummung nicht abgelegt haben. Für etwas anderes wäre Stadtverwaltungsrat B als Vertreter der Versammlungsbehörde nach § 17a Versammlungsgesetz auch nicht zuständig gewesen. Bei seiner Durchsage hat er sich ausdrücklich darauf berufen, in dieser Funktion zu handeln. Der Kläger wäre von einem solchen Ausschluss aus der Versammlung auch nicht betroffen gewesen. Denn es kann nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger zu den vermummten Personen gehörte. Dies wird vom Beklagten auch nicht behauptet. Auch nach dem Vortrag des Kriminaldirektors P sowie nach den Aussagen der Zeugen war nur ein Teil der in der Sattlergasse festgesetzten Personen vermummt. Die Videoaufnahmen, auf denen der Kläger zu sehen ist (DVD III/3, Film 1, Filmlaufzeit 11 Minuten 1 Sekunde sowie Filmlaufzeit 43 Minuten 45 Sekunden und Film 2, Filmlaufzeit 4 Minuten 49 Sekunden
61 
Da der Kläger von der Versammlung bzw. vom Aufzug des DGB nicht ausgeschlossen war, durften gegen ihn nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Maßnahmen nach dem Polizeigesetz nicht verhängt werden. Ob Maßnahmen nach dem Polizeigesetz bei einem Ausschluss des Klägers hätten verhängt werden dürfen, ob zum Beispiel die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG für die Anordnung eines Präventivgewahrsams vorgelegen hätten, ist bei dieser Sachlage nicht zu prüfen.
62 
Die Ingewahrsamnahme des Klägers begann gegen 10.30 Uhr. Der minutengenaue Beginn des Gewahrsam des Klägers lässt sich anhand der vorliegenden Videoaufnahmen nicht feststellen. Etwa um diese Zeit wurde der „untere Teil“ der Sattlergasse, dort wo die Sattlergasse auf den Weinhof mündet, von einer Polizeikette abgeriegelt. Der Kläger befand sich zu diesem Zeitpunkt im „unteren“ Teil der Sattlergasse, der vor dem Aufziehen der Polizeikette noch frei zugänglich war. Der „obere“ Teil der Sattlergasse (Sattlergasse Richtung Neue Straße) war zu diesem Zeitpunkt bereits geraume Zeit durch zwei weitere Polizeiketten abgesperrt. Diese hatten einen von dem Beklagten als „Schwarzen Block“ bezeichneten Personenkreis festgesetzt, der von der Neuen Straße aus gegen 10.10 Uhr in die Sattlergasse gekommen war. Die Personen im „unteren“ Teil der Sattlergasse waren erst durch das Aufziehen der Polizeikette an der Einmündung der Sattlergasse in den Weinhof von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen betroffen, da sie erst ab diesem Zeitpunkt an einem eng umgrenzten Bereich, der durch die Gebäude in der Sattlergasse und durch zwei Polizeiketten gebildet wurde, festgehalten wurden.
63 
Die Ingewahrsamnahme des Klägers und der anderen Personen im unteren Bereich der Sattlergasse war von Anfang an rechtswidrig. Es ist zwar denkbar, dass es Situationen gibt, die es rechtfertigen, dass die Polizei einen Personenkreis festsetzt, bevor er aus der Versammlung ausgeschlossen wird, wenn anderenfalls unaufschiebbare notwendige polizeiliche Maßnahmen nicht mehr durchgeführt werden können. Rechtmäßig kann dieses Vorgehen aber nur dann werden, wenn der erforderliche Ausschluss aus der Versammlung unverzüglich nachgeholt wird, was hier aber nicht festgestellt werden kann. Die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme des Klägers dauerte bis zu dessen Entlassung aus dem Gewahrsam. Dieser war nach den Angaben des Klägers gegen ca. 17.00 Uhr beendet. Diese Zeitangabe ist plausibel. Zwar wurde nach dem Schreiben der PD Ulm vom 23.09.2010 an das Regierungspräsidium Tübingen der Gewahrsam in Absprache mit den Richtern des Bereitschaftsdienstes gegen 15.30 Uhr aufgehoben. Die tatsächliche Freilassung der festgehaltenen Personen erfolgte aber erst nach der Feststellung der Personalien, der Anfertigung von Lichtbildern und der Erteilung eines Platzverweises, was nach der Aussage des Zeugen P2 bei 177 Personen, die noch in der Sattlergasse waren, einige Zeit in Anspruch nahm. Die Fortdauer des Gewahrsams zur Personenfeststellung war ohne Ausschluss der betroffenen Personen aus der Versammlung des DGB ebenfalls rechtswidrig. Denn die Versammlung des DGB auf dem Münsterplatz dauerte auch zu diesem Zeitpunkt noch an.
64 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht macht von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, der auch auf Fortsetzungsfeststellungsklagen Anwendung findet, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch.

Gründe

 
38 
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. a)
39 
Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben. Er wird nicht durch § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 28 Abs. 4 Polizeigesetz (PolG) ausgeschlossen (vgl. zur zuletzt genannten Vorschrift: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteile vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - und 13.05.2004 - 1 S 2052/03 - jeweils juris). Als Rechtsgrundlage für die vom Kläger beanstandete Maßnahme, die als polizeilicher Gewahrsam zu qualifizieren ist, kommt nur der vom Beklagten herangezogene § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG in Betracht. Nach § 28 Abs. 4 Satz 6 PolG in seiner bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung, die insoweit mit der aktuellen Fassung dieser Vorschrift übereinstimmt, ist die Anfechtungsklage, das heißt die Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht und in der Folge auch die Fortsetzungsfeststellungklage ausgeschlossen, wenn eine den Gewahrsam anordnende Entscheidung des Amtsgerichts ergangen ist. Eine den Gewahrsam anordnende Entscheidung des Amtsgerichts bedarf zu ihrer Wirksamkeit nicht der Bekanntgabe an den Betroffenen (§ 28 Abs. 4 Satz 3 PolG). Im Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts kann sie auch mündlich ergehen (§ 28 Abs. 4 Satz 4 PolG). Dann ist sie unverzüglich schriftlich niederzulegen und zu begründen.
40 
Eine schriftliche Entscheidung des Amtsgerichts über eine Anordnung des Gewahrsams gegenüber dem Kläger liegt nicht vor. Das Ergehen einer mündlichen Gewahrsamsanordnung gegenüber dem Kläger als Teil des „Schwarzen Blocks“ wurde zwar von dem Beklagten vorgetragen. Der Beklagte führte dazu aus, er habe nach der Festsetzung der Personen in der Sattlergasse den Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts informiert. Nach Eintreffen der Richterin und der Sichtung von Videomaterial sei die richterliche Anordnung eines Vorbeugegewahrsams gegen die umstellten ca. 300 Personen erfolgt und von der Richterin die Vorführung jedes Einzelnen angeordnet worden. Vor der mündlichen Verhandlung wurde von dem Beklagten noch eine Kopie des Einsatztagebuchs (Blatt 176 der Gerichtsakte) vom 01.05.2009, 13.18 Uhr übersandt, im dem bezüglich des Gewahrsams des „Schwarzen Blocks“ folgende Aussage getroffen wird:
41 
„Die Richterin war vor Ort und hat die Ingewahrsamnahme der Personen des Schwarzen Blocks angeordnet. Gewahrsam kann bis 23.00 ausgedehnt werden, je nach polizeilicher Lagebeurteilung“.
42 
Dieser Vortrag deutet zwar auf das Ergehen einer Entscheidung des Amtsgerichts im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 6 PolG hin. Sie ließ sich aber nach Anhörung der am 01.05.2009 im Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts in der Polizeidirektion Ulm tätigen Richterinnen und Richter nicht verifizieren. Tätig waren die zum Bereitschaftsdienst eingeteilte Richterin beim Amtsgericht Geislingen R, die wegen der Vielzahl der festgehaltenen Personen von der Direktorin des Amtsgerichts Geislingen S, vom Direktor des Amtsgerichts Ulm T und vom Richter am Amtsgericht Geislingen U unterstützt wurde.
43 
Um aufzuklären, welche Entscheidungen durch den Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts getroffen worden waren, wurden die genannten Richterinnen und Richter telefonisch durch den Berichterstatter angehört. Später wurden die Richterinnen unter Übersendung des Schreibens des Leiters der Polizeidirektion Ulm vom 12.11.2010 und der Kopie des Einsatztagebuchs (Blatt 173 bis 176 der Gerichtsakte) zum Vortrag des Beklagten um eine schriftliche Stellungnahme gebeten. Den genannten Richtern wurde eine Kopie des Einsatztagebuchs mit der Bitte um Stellungnahme übersandt. Die Richterin beim Amtsgericht Geislingen R, die Direktorin des Amtsgerichts Geislingen S und der Direktor des Amtsgerichts Ulm T äußerten sich auch zum Inhalt der nach den Telefonaten mit dem Berichterstatter übersandten Aktenvermerke.
44 
Nach dem Ergebnis der Anhörungen der Richterinnen und Richter aus dem Bereitschaftsdienst und weil sich der Beklagte stets auf die Entscheidung „der Richterin“ bezog, kann ausgeschlossen werden, dass einer der im Bereitschaftsdienst tätigen Richter die vom Beklagen vorgetragene Anordnung des Gewahrsams gegenüber den nicht namentlich bekannten ca. 300 Personen, die in der Sattlergasse festgehalten wurden, getroffen hat. Dafür spricht auch, dass die beiden Richterinnen, die gemeinsam von der Polizei von einem Parkplatz außerhalb der Innenstadt Ulms abgeholten worden waren, zuerst vor Ort waren.
45 
Der Vortrag des Beklagten über die richterliche Anordnung des Gewahrsams gegenüber dem „Schwarzen Block“ wird sowohl von Richterin beim Amtsgericht R in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 18.11.2010 (Blatt 200 und 201 der Gerichtsakte) wie auch von der Direktorin des Amtsgerichts Geislingen S in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 17.11.2010 (Blatt 192 der Gerichtsakte) in Abrede gestellt. Auch dem Richter am Amtsgericht U (schriftliche Stellungnahme Blatt 218, 219 der Gerichtsakte) und dem Direktor des Amtsgerichts Ulm T (schriftliche Stellungnahme vom 25.11.2010, Blatt 220 der Gerichtsakte) ist von der vom Beklagten behaupteten Anordnung nichts bekannt. Da der Beklagte nicht den Beamten benennen konnte, der die vorgetragene Anordnung des richterlichen Bereitschaftsdienstes entgegengenommen hat, sieht die Kammer keine weiteren Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung. Bei diesen sich widersprechenden Angaben kann nicht festgestellt werden, dass der Vortrag des Beklagten über die ausdrückliche Anordnung eines Gewahrsams gegenüber den in der Sattlergasse eingekesselten Personen zutrifft.
46 
In Bezug auf die Tätigkeit der Richterinnen und Richter des Bereitschaftsdienstes steht nur zweifelsfrei fest, dass von ihnen die Anordnung erging, die Personen aus der Sattlergasse einzeln vorzuführen, um gegenüber jeder einzelnen Person gesondert eine Entscheidung über den Gewahrsam zu treffen. Dies setzt zwar voraus, dass diese Personen festgehalten werden, bis die Einzelvorführung erfolgen kann. Darin liegt aber noch keine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam im Sinne des § 28 Abs. 3 Satz 2 PolG. Die Entscheidung wird vielmehr für einen Zeitpunkt nach der Anhörung des Betroffenen vorbehalten.
47 
Da die Voraussetzung des § 28 Abs. 4 Satz 6 PolG für die Sperre des Rechtswegs zu den Verwaltungsgerichten aus tatsächlichen Gründen nicht zweifelfrei festgestellt werden kann bzw. sie aus rechtlichen Gründen nicht vorliegt, verbleibt es bei dem Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO. Es kann daher offen bleiben, ob wegen des Rechtswegs eine Differenzierung zwischen der Zeit vor und nach dem Ergehen einer Entscheidung im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 6 PolG vorzunehmen ist. In diese Richtung könnte das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 27.09.2009 - 1 S 2206/03 - (juris Rdnr. 57 am Ende) hindeuten.
b)
48 
Die vom Kläger erhobene Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - juris) nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in entsprechender Anwendung zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse liegt unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses des Klägers vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Kammerbeschluss vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/98 - juris Rdnr. 25) gebietet es das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, dass der Betroffene Gelegenheit erhält, in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe auch dann die Rechtmäßigkeit des Eingriffs gerichtlich klären zu lassen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da durch die Ingewahrsamnahme des Klägers über mehrere Stunden in nicht unerheblicher Weise in das Grundrecht der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und das Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) eingegriffen wurde.
2.
49 
Die Ingewahrsamnahme des Klägers nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG war schon deshalb rechtswidrig, weil nicht festgestellt werden kann, dass er zuvor nach den Vorschriften des Versammlungsgesetzes aus der Versammlung des DGB bzw. aus dessen Aufzug ausgeschlossen worden war.
50 
Zwischen den Beteiligten ist es unstreitig, dass der Kläger an der Versammlung des DGB bzw. an dessen Aufzug teilnehmen wollte. Auch die Kammer hat daran keinen Zweifel. Ebenso ist es unstreitig, dass die Veranstaltung des DGB den Schutz des Art. 8 Grundgesetz genoss. Sie verlor diesen Schutz nicht dadurch, dass möglicherweise einzelne Teilnehmer des so genannten „Schwarzen Blocks“ ein Verhalten an den Tag legten, das sie von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz, der nur das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, schützt, ausschloss. Dass dem Kläger ein solches Verhalten vorgeworfen werden konnte, ließ sich anhand des zur Verfügung gestellten und gesichteten Videomaterials der Polizei nicht feststellen und wird von dem Beklagten auch nicht vorgetragen. Der Kläger war, als er in der Sattlergasse in Ulm, in unmittelbarer Nähe zum Ort der Auftaktveranstaltung DGB und in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Beginn der Veranstaltung durch Bildung einer polizeilichen Absperrung in der Sattlergasse in Gewahrsam genommen wurde, Teil der Versammlung des DGB und als Teilnehmer durch Art. 8 Grundgesetz geschützt.
51 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 30.04.2007- 1 BvR 1090/06 - juris) sind Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - rechtswidrig, solange die Versammlung nicht gem. § 15 Abs. 3 VersammlG aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage von der Versammlung ausgeschlossen wurde (juris Rdnr. 40). Art. 8 Grundgesetz gebiete diese für den Schutz des Grundrechtsträgers wesentlichen Förmlichkeiten. Denn es handele sich um Anforderungen der Erkennbarkeit und damit der Rechtssicherheit, deren Beachtung für die Möglichkeit einer Nutzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit wesentlich sei. In Versammlungen entstünden häufig Situationen rechtlicher und tatsächlicher Unklarheit. Versammlungsteilnehmer müssten wissen, wann der Schutz der Versammlungsfreiheit ende, denn Unsicherheiten könnten sie einschüchtern und von der Ausübung des Grundrechts abhalten (juris Rdnr. 41). Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richteten sich nach dem Versammlungsgesetz. Dieses Gesetz gehe in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vor. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt werde, scheide aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen aus (juris Rdnr. 43).
52 
Dieser rechtlichen Voraussetzungen war sich die Polizeiführung, wie aus der Stellungnahme des Kriminaldirektors P in der mündlichen Verhandlung deutlich wurde, bewusst. Es fand deshalb eine Beratung zwischen der Polizeiführung und 2 Beamten der Versammlungsbehörde der Stadt Ulm über die Durchführung von Maßnahmen nach dem Versammlungsgesetz statt. Mit der Versammlungsbehörde sei nach den Angaben von Kriminaldirektor P der Ausschluss des „Schwarzen Blocks“ beraten und beschlossen worden. Der „Schwarze Block“ habe insgesamt ausgeschlossen werden sollen. Es sei nicht nur um den Ausschluss vermummter Personen gegangen. Unterscheidungskriterium sei die Kleidung gewesen. Das Ergebnis der Beratung zwischen der Polizeiführung und der Versammlungsbehörde wurde nicht dokumentiert.
53 
Mit der Umsetzung des Beratungsergebnisses wurde Stadtverwaltungsrat B von der Stadt Ulm beauftragt. Die Art und Weise der Umsetzung des Beratungsergebnisses wurde ebenfalls nicht dokumentiert. Sicher ist nur, dass sich Stadtverwaltungsrat B gegen 11.05 Uhr über einen Lautsprecherwagen der Polizei dreimal mit kurzem zeitlichen Abstand mit Durchsagen an Personen in der Sattlergasse bzw. auf dem unmittelbar angrenzenden Bereich des Weinhofs wandte. Eine dreimalige Durchsage gegen 11.05 Uhr kann den vorgelegten Videoaufnahmen entnommen werden. Aufgrund der schlechten Tonqualität und wegen der lautstarken Pfiffe der Demonstranten sind nur einzelne Worte der Durchsagen zu hören, die für sich gesehen keinen zusammenhängenden Sinn ergeben.
54 
Auch nach der Vernehmung der Zeugen und unter Berücksichtigung der Angaben des Kriminaldirektors P kann nicht festgestellt werden, dass Stadtverwaltungsrat B Personen in der Sattlergasse bzw. auf dem Weinhof aus der Versammlung ausgeschlossen hat.
55 
Stadtverwaltungsrat B gab bei seiner Vernehmung als Zeuge in der mündlichen Verhandlung zum Inhalt der Durchsage Folgendes an: Bei der Besprechung mit der Polizei habe man sich sinngemäß auf die folgende Durchsage verständigt: "Hier spricht die Ortspolizei- und Versammlungsbehörde. Die vermummten Personen haben die Vermummung abzunehmen, da ansonsten der „Schwarze Block“ ausgeschlossen wird und mit weiteren polizeilichen Maßnahmen zu rechnen hat“. Diese Durchsage beinhaltet noch nicht den Ausschluss von Personen aus der Versammlung. Sie kündigt einen Ausschluss für den Fall, dass die Vermummung nicht abgenommen wird, nur an. Die Frage, ob er tatsächlich Personen aus der Versammlung ausgeschlossen habe, beantwortete der Zeuge B dahingehend, dass durch seine Lautsprecherdurchsage kein Ausschluss erfolgt sei. Von einem späteren Ausschluss der Demonstranten in der polizeilichen Absperrung in der Sattlergasse berichtete der Zeuge B nichts.
56 
Polizeirat P1, der zusammen mit Kriminaldirektor P an der Besprechung mit der Versammlungsbehörde teilgenommen hatte, gab bei seiner Zeugenvernehmung an, er sei sich ziemlich sicher, dass über Lautsprecher durchgegeben worden sei, dass die Personen, die ihre Vermummung nicht ablegen, von der Versammlung ausgeschlossen werden. Ihm sei klar gewesen, dass die Personen, die vermummt waren, für den Fall, dass sie ihre Vermummung nicht ablegten, mit der Durchsage ausgeschlossen seien. Der erste Teil der Aussage des Zeugen P1 lässt eine Auslegung in dem Sinne zu, dass wie vom Zeugen B angegeben, der Ausschluss mit der Durchsage des Zeugen B nur angekündigt, aber noch nicht vollzogen worden ist. Der zweite Teil der Aussage des Zeugen P1 geht in die Richtung, dass der Ausschluss aus der Versammlung mit der Durchsage bereits vollzogen gewesen sei. Die Kammer hat aber den Eindruck gewonnen, dass die Erinnerung des Zeugen P1 an den Inhalt der Lautsprecherdurchsage durch sein Wissen über das Ergebnis der Beratung mit der Versammlungsbehörde beeinflusst war und er nicht zwischen dem Wortlaut der Durchsage und dem Verlauf der Beratung mit der Versammlungsbehörde unterscheiden konnte. Bei der Beratung mit der Versammlungsbehörde war nach Angaben des Kriminaldirektors P der Ausschluss des „Schwarzen Blocks“ beschlossen worden.
57 
Polizeirat P2 sagte bei seiner Zeugenvernehmung aus, die Personen in der Sattlergasse seien angesprochen und von der Versammlung ausgeschlossen worden. Die Lautsprecherdurchsage des Zeugen B habe sich an alle Personen innerhalb der von der Polizei abgeriegelten Sattlergasse gerichtet, ihr Inhalt jedoch sei gewesen, dass vermummte Personen die Vermummung ablegen sollten. Die Durchsage habe sich ferner auch an Personen gerichtet, die bis dahin gegen das Versammlungsgesetz verstoßen hätten. Den genauen Wortlaut habe er nicht mehr im Kopf. Von einer Differenzierung zwischen vermummten Personen, Personen, die bis dahin gegen das Versammlungsgesetz verstoßen hätten, und anderen Personen in der Sattlergasse berichtete nur der Zeuge P2. Dies spricht gegen die Zuverlässigkeit der Erinnerung dieses Zeugen.
58 
Kriminaldirektor P war nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung nur bei der ersten Durchsage des Zeugen B auf dem Weinhof noch anwesend, aber schon im Aufbruch begriffen gewesen. Kriminaldirektor P konnte keine Angaben zum Inhalt der Durchsage des Zeugen B machen. Er gab zwar an, dass man in der Beratung mit der Versammlungsbehörde einen Ausschluss des „Schwarzen Block“ aus der Versammlung bzw. dem Aufzug des DGB beschlossen habe. Danach hätten die vermummten Personen angesprochen und ihnen gesagt werden sollen, sie könnten mit einem Platzverweis gehen, wenn sie die Vermummung ablegten. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass ein solches Beratungsergebnis auch umgesetzt wurde. Die Zeugen, die Angaben zum Inhalt der Durchsage des Zeugen B machten, brachten den Ausschluss aus der Versammlung mit dem Umstand des Nichtablegens der Vermummung in Zusammenhang. Sie unterschieden sich im Wesentlichen nur darin, ob der Ausschluss durch die Lautsprecherdurchsagen nur angedroht oder für den Fall, dass die Vermummung nicht abgelegt würde, in Form einer Bedingung bereits vollzogen war. Von einem isoliert erklärten Ausschluss des „Schwarzen Blocks“, abgegrenzt nach der Farbe der Bekleidung der Demonstranten, berichteten sie nichts.
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Von einem Ausschluss des Klägers aus der Versammlung könnte nur dann ausgegangen werden, wenn die sichere Überzeugung davon gewonnen werde könnte, dass ein Ausschluss durch die Lautsprecherdurchsagen des Stadtverwaltungsrats B bereits erfolgt war. Dies ist aufgrund der sich wiedersprechenden Aussagen der Zeugen und des Kriminaldirektors P nicht möglich. Am Wahrscheinlichsten ist es nach der Ansicht der Kammer, dass die Aussage des Zeugen B zutrifft, der die Durchsage gemacht hat. Danach war der Ausschluss nur angedroht. Dem Charakter der Androhung entspricht auch die dreimalige Wiederholung der Durchsage mit einem zeitlichen, wenn auch nur kurzen Abstand.
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Wenn ein Ausschluss durch die Durchsagen des Zeugen B bereits ausgesprochen worden wäre, hätte er zudem nur die Personen betroffen, die ihre Vermummung nicht abgelegt haben. Für etwas anderes wäre Stadtverwaltungsrat B als Vertreter der Versammlungsbehörde nach § 17a Versammlungsgesetz auch nicht zuständig gewesen. Bei seiner Durchsage hat er sich ausdrücklich darauf berufen, in dieser Funktion zu handeln. Der Kläger wäre von einem solchen Ausschluss aus der Versammlung auch nicht betroffen gewesen. Denn es kann nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger zu den vermummten Personen gehörte. Dies wird vom Beklagten auch nicht behauptet. Auch nach dem Vortrag des Kriminaldirektors P sowie nach den Aussagen der Zeugen war nur ein Teil der in der Sattlergasse festgesetzten Personen vermummt. Die Videoaufnahmen, auf denen der Kläger zu sehen ist (DVD III/3, Film 1, Filmlaufzeit 11 Minuten 1 Sekunde sowie Filmlaufzeit 43 Minuten 45 Sekunden und Film 2, Filmlaufzeit 4 Minuten 49 Sekunden
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Da der Kläger von der Versammlung bzw. vom Aufzug des DGB nicht ausgeschlossen war, durften gegen ihn nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Maßnahmen nach dem Polizeigesetz nicht verhängt werden. Ob Maßnahmen nach dem Polizeigesetz bei einem Ausschluss des Klägers hätten verhängt werden dürfen, ob zum Beispiel die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG für die Anordnung eines Präventivgewahrsams vorgelegen hätten, ist bei dieser Sachlage nicht zu prüfen.
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Die Ingewahrsamnahme des Klägers begann gegen 10.30 Uhr. Der minutengenaue Beginn des Gewahrsam des Klägers lässt sich anhand der vorliegenden Videoaufnahmen nicht feststellen. Etwa um diese Zeit wurde der „untere Teil“ der Sattlergasse, dort wo die Sattlergasse auf den Weinhof mündet, von einer Polizeikette abgeriegelt. Der Kläger befand sich zu diesem Zeitpunkt im „unteren“ Teil der Sattlergasse, der vor dem Aufziehen der Polizeikette noch frei zugänglich war. Der „obere“ Teil der Sattlergasse (Sattlergasse Richtung Neue Straße) war zu diesem Zeitpunkt bereits geraume Zeit durch zwei weitere Polizeiketten abgesperrt. Diese hatten einen von dem Beklagten als „Schwarzen Block“ bezeichneten Personenkreis festgesetzt, der von der Neuen Straße aus gegen 10.10 Uhr in die Sattlergasse gekommen war. Die Personen im „unteren“ Teil der Sattlergasse waren erst durch das Aufziehen der Polizeikette an der Einmündung der Sattlergasse in den Weinhof von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen betroffen, da sie erst ab diesem Zeitpunkt an einem eng umgrenzten Bereich, der durch die Gebäude in der Sattlergasse und durch zwei Polizeiketten gebildet wurde, festgehalten wurden.
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Die Ingewahrsamnahme des Klägers und der anderen Personen im unteren Bereich der Sattlergasse war von Anfang an rechtswidrig. Es ist zwar denkbar, dass es Situationen gibt, die es rechtfertigen, dass die Polizei einen Personenkreis festsetzt, bevor er aus der Versammlung ausgeschlossen wird, wenn anderenfalls unaufschiebbare notwendige polizeiliche Maßnahmen nicht mehr durchgeführt werden können. Rechtmäßig kann dieses Vorgehen aber nur dann werden, wenn der erforderliche Ausschluss aus der Versammlung unverzüglich nachgeholt wird, was hier aber nicht festgestellt werden kann. Die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme des Klägers dauerte bis zu dessen Entlassung aus dem Gewahrsam. Dieser war nach den Angaben des Klägers gegen ca. 17.00 Uhr beendet. Diese Zeitangabe ist plausibel. Zwar wurde nach dem Schreiben der PD Ulm vom 23.09.2010 an das Regierungspräsidium Tübingen der Gewahrsam in Absprache mit den Richtern des Bereitschaftsdienstes gegen 15.30 Uhr aufgehoben. Die tatsächliche Freilassung der festgehaltenen Personen erfolgte aber erst nach der Feststellung der Personalien, der Anfertigung von Lichtbildern und der Erteilung eines Platzverweises, was nach der Aussage des Zeugen P2 bei 177 Personen, die noch in der Sattlergasse waren, einige Zeit in Anspruch nahm. Die Fortdauer des Gewahrsams zur Personenfeststellung war ohne Ausschluss der betroffenen Personen aus der Versammlung des DGB ebenfalls rechtswidrig. Denn die Versammlung des DGB auf dem Münsterplatz dauerte auch zu diesem Zeitpunkt noch an.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht macht von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, der auch auf Fortsetzungsfeststellungsklagen Anwendung findet, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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published on 27/09/2004 00:00

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. Juni 2002 - 12 K 179/01 - wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand
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published on 27/01/2015 00:00

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.05.2012 - 3 K 1395/11 - geändert.Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.Die Revision wird nicht zugelas
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(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die zuständige Behörde kann die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.

(2) Eine Versammlung oder ein Aufzug kann insbesondere verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn

1.
die Versammlung oder der Aufzug an einem Ort stattfindet, der als Gedenkstätte von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert, und
2.
nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung konkret feststellbaren Umständen zu besorgen ist, dass durch die Versammlung oder den Aufzug die Würde der Opfer beeinträchtigt wird.
Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin ist ein Ort nach Satz 1 Nr. 1. Seine Abgrenzung ergibt sich aus der Anlage zu diesem Gesetz. Andere Orte nach Satz 1 Nr. 1 und deren Abgrenzung werden durch Landesgesetz bestimmt.

(3) Sie kann eine Versammlung oder einen Aufzug auflösen, wenn sie nicht angemeldet sind, wenn von den Angaben der Anmeldung abgewichen oder den Auflagen zuwidergehandelt wird oder wenn die Voraussetzungen zu einem Verbot nach Absatz 1 oder 2 gegeben sind.

(4) Eine verbotene Veranstaltung ist aufzulösen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die zuständige Behörde kann die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.

(2) Eine Versammlung oder ein Aufzug kann insbesondere verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn

1.
die Versammlung oder der Aufzug an einem Ort stattfindet, der als Gedenkstätte von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert, und
2.
nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung konkret feststellbaren Umständen zu besorgen ist, dass durch die Versammlung oder den Aufzug die Würde der Opfer beeinträchtigt wird.
Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin ist ein Ort nach Satz 1 Nr. 1. Seine Abgrenzung ergibt sich aus der Anlage zu diesem Gesetz. Andere Orte nach Satz 1 Nr. 1 und deren Abgrenzung werden durch Landesgesetz bestimmt.

(3) Sie kann eine Versammlung oder einen Aufzug auflösen, wenn sie nicht angemeldet sind, wenn von den Angaben der Anmeldung abgewichen oder den Auflagen zuwidergehandelt wird oder wenn die Voraussetzungen zu einem Verbot nach Absatz 1 oder 2 gegeben sind.

(4) Eine verbotene Veranstaltung ist aufzulösen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.