Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 14. Mai 2008 - 4 A 3183/04

published on 14/05/2008 00:00
Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 14. Mai 2008 - 4 A 3183/04
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Tenor

Der Bescheid des Beklagten über die Heranziehung des Klägers zu einem Anschlussbeitrag Schmutzwasser vom 18. Oktober 2004 (Bescheid-Nr. 865-01002-04) und der Widerspruchsbescheid vom 22. November 2004 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides des Beklagten über die Heranziehung des Klägers zu einem Anschlussbeitrag Schmutzwasser.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks in ... (Gemarkung ..., Flur ..., Flurstück ...) mit einer Größe von ... m².

3

Am 15. Dezember 1998 beschloss die Verbandsversammlung des Zweckverbandes "Wasser/Abwasser Mecklenburgische Schweiz" die Abwasserentsorgungssatzung (im folgenden: AES genannt), die am 21. Dezember 1998 dem Landrat des Landkreises Güstrow als unterer Rechtsaufsichtsbehörde angezeigt, am 23. Dezember 1998 vom Verbandsvorsteher ausgefertigt und im Teil "Amtliche Bekanntmachungen" des "Nord-Kurier" vom 31. Dezember 1998 öffentlich bekannt gemacht wurde.

4

Am 12. Dezember 2002 beschloss die Verbandsversammlung die "Satzung des Zweckverbandes 'Wasser/Abwasser Mecklenburgische Schweiz' über die Erhebung von Beiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung (Schmutzwasserbeitragssatzung)", die am 19. Dezember 2002 dem Landrat des Landkreises Güstrow als unterer Rechtsaufsichtsbehörde angezeigt, am 20. Dezember 2002 vom Verbandsvorsteher ausgefertigt und im Teil "Amtliche Bekanntmachungen" des "Nord-Kurier" vom 31. Dezember 2002 öffentlich bekannt gemacht wurde.

5

Am 14. Dezember 2004 beschloss die Verbandsversammlung des Zweckverbandes "Wasser/Abwasser Mecklenburgische Schweiz" die "Satzung über die Änderung der Fälligkeitsregelungen in der Schmutzwasser- und Niederschlagswasserbeitragssatzung", die am 16. Dezember 2004 dem Landrat des Landkreises Güstrow als unterer Rechtsaufsichtsbehörde angezeigt, am 14. Dezember 2004 vom Verbandsvorsteher ausgefertigt und im Teil "Amtliche Bekanntmachungen" des "Nord-Kurier" vom 23. Dezember 2004 öffentlich bekannt gemacht wurde.

6

Auf der Grundlage dieser Satzungen zog der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 18. Oktober 2004 zu einem Schmutzwasserbeitrag für das oben bezeichnete Grundstück in Höhe von insgesamt ... EUR heran.

7

Hiergegen legte der Kläger am 16. November 2004 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2004 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

8

Hiergegen hat der Kläger am 02. Dezember 2004 Klage erhoben.

9

Er meint, bereits der Beitragsmaßstab verstoße gegen das Vorteilsprinzip, wenn in § 4 Abs.4 lit.a der Schmutzwasserbeitragssatzung für bebaute Grundstücke in B-Plan-Gebieten die baurechtlich höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse angesetzt werde, im unbeplanten Innenbereich jedoch nur die tatsächlich vorhandene Zahl der Vollgeschosse, im unbebauten, unbeplanten Innenbereich aber wiederum die Zahl der in der näheren Umgebung vorhandenen Vollgeschosse (§ 4 Abs.4 lit.c der Schmutzwasserbeitragssatzung). Der gleiche Anschlussvorteil in beplanten und unbeplanten Innenbereichen werde hier unterschiedlich gewichtet.

10

Auch sei die Zusammenfassung der verschiedensten technischen Einrichtungen des Beklagten (u.a. 18 Kläranlagen und 29 angeschlossene Ortschaften) nicht mehr von dessen Organisationsermessen gedeckt, da die technischen Anlagen hinsichtlich ihrer Arbeitsweise und Arbeitsergebnisse zu verschieden seien.

11

Der Kläger beanstandet weiter die Tiefenbegrenzungsregelung in § 4 Abs.3 lit.d der Schmutzwasserbeitragssatzung. Eine Tiefenbegrenzung von 35 m sei schon grundsätzlich zu beanstanden. Dies gelte hier umso mehr, als dass im Verbandsgebiet des Beklagten keine homogene Siedlungs- und Bebauungsstruktur vorherrsche, die die Vermutung rechtfertige, grundsätzlich sei ein Übergang vom Innen- zum Außenbereich und damit ein Ende der baulichen Ausnutzbarkeit des Grundstücks bei 35 m Grundstückstiefe gegeben.

12

Weiter beanstandet der Kläger die Einbeziehung der altangeschlossenen Grundstücke. Die Rechtsprechung des OVG M-V sei zwar bekannt und nachvollziehbar, aber in ihrer Folge nicht unbedingt zwingend, wie beispielsweise die Rechtsprechung des OVG Magdeburg zeige. Hier dränge sich der Verdacht auf, die Einbeziehung diene ausschließlich "finanziellen Interessen".

13

Schließlich beanstandet der Kläger die Kalkulation des Abgabensatzes, und zwar schon deshalb, weil sich der unzureichende Beitragsmaßstab denklogisch zwingend zumindest in einer fehlerhaften Flächenermittlung niederschlage. Diese sei zudem deshalb zu beanstanden, weil der Beklagte verschiedene Flächen nicht richtig gemäß deren tatsächlicher baulicher Ausnutzbarkeit erfasst habe, so verschiedene Flächen in Teterow, die als gar nicht beitragsfähig eingestuft (..., Nr.295; ..., Nr.322; ..., Nr.342) oder fehlerhaft dem Außen- anstelle dem Innenbereich zugeordnet worden seien (..., Nr.289; ..., Nr.334; ..., Nr.345). Hinzu komme, dass der Beklagte auf der Kostenseite von Investitionen und Investitionserwartungen ausgehe, die sich bereits im Jahre der Beschlussfassung über die Satzung als weit überhöht herausgestellt hätten. So weise die Kalkulation für den Zeitraum 1993 bis 2001 Schmutzwasserinvestitionen von 41 Mio. EUR aus, während tatsächlich nur 30 Mio. EUR getätigt worden seien. Von den im Zeitraum 2002 bis 2008 geplanten Investitionen von 32 Mio. EUR seien bisher nur 11,5 Mio. EUR getätigt, so dass auch hier zu befürchten stehe, dass der Beklagte die Investitionen weit überhöht, circa um 40 v.H., angesetzt habe.

14

Der Kläger beantragt,

15

den Bescheid des Beklagten vom 18. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2004 aufzuheben.

16

Der Beklagte beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Der Beklagte meint, die streitgegenständliche Beitragssatzung sei sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.

19

Insbesondere sei der verwendete Beitragsmaßstab nicht zu beanstanden. Der unterschiedliche Geschossansatz in unbeplanten, bebauten Innenbereichen nach der tatsächlichen Zahl der Vollgeschosse und in beplanten, bebauten Bereichen nach der Zahl der höchstzulässigen Vollgeschosse erweise sich vor dem Hintergrund einer Entscheidung des OVG M-V vom 15. März 1995 als vorteilsgerecht.

20

Auch die Zusammenfassung aller technischen Anlagen zur Schmutzwasserbeseitigung in einer öffentlichen Einrichtung im rechtlichen Sinn und dem folgend einem einheitlichen Beitragssatz sei nicht zu beanstanden. Entscheidend für den Beitragspflichtigen sei, dass ein einheitlicher, gleichbleibender Vorteil vermittelt werde, was hier gegeben sei, da stets das Schmutzwasser gemäß den geltenden wasserrechtlichen Bestimmungen entsorgt werde. Zudem seien die technischen Anlagen insofern qualitativ gleichwertig, als dass stets eine Entsorgung des Schmutzwassers nach den wasserrechtlichen Bestimmungen erfolge. Lediglich die Kläranlage in Teterow verfüge über eine zusätzliche chemische Reinigungsstufe, was aber auch nur deshalb erforderlich sei, weil das gereinigte Wasser unmittelbar in den Teterower See eingeleitet würde. Im Übrigen erfolge eine Einleitung über Vorfluter, so dass nach dem geltenden Wasserrecht eine biologische Reinigung ausreichend sei.

21

Eine Unterscheidung zwischen alt- und neuangeschlossenen Grundstücken sei nach der ständigen Rechtsprechung des OVG M-V und der eindeutigen Stellungnahme des Landesgesetzgebers bei Neufassung des KAG M-V ausgeschlossen.

22

Die angewandte Tiefenbegrenzung entspreche zudem den örtlichen Verhältnissen im Verbandsgebiet, die sowohl vom Beklagten selbst als auch von der mit der Erstellung der Kalkulation beauftragten ... GmbH ermittelt worden seien. Nach diesen ergebe sich im gesamten Verbandsgebiet der Übergang vom Innen- zum Außenbereich regelmäßig in einer Grundstückstiefe von 35 m; darüber hinausragende Bebauung sei nur bei einer "geringen Zahl" von Grundstücken gegeben.

23

Die getätigten Investitionen seien in den vergangenen Jahren zwar hinter dem der Kalkulation zugrunde liegenden Planansatz zurückgeblieben. Insoweit liege aber nur eine Investitionsverzögerung vor, die nachgeholt werde und nicht zuletzt auf ausstehende Beitragsleistungen zurückzuführen sei.

24

Gemäß den geplanten Investitionen sei in der Kalkulation auch auf der Flächenseite berücksichtigt worden, welche zukünftigen Baugebiete und potentiellen Entwicklungsflächen im Verbandsgebiet Anschlussvorteile von der zentralen Schmutzwasserbeseitigung des Beklagten haben.

25

Die nach Auffassung des Beklagten unsubstantiierte Rüge fehlerhafter Flächenermittlung wird zurückgewiesen.

26

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

Entscheidungsgründe

27

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

28

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs.1 S.1 der Verwaltungsgerichts-ordnung (VwGO).

29

Dem angefochtenen Bescheid vom 18. Oktober 2004 und dem Widerspruchsbescheid vom 22. November 2004 fehlt es bereits an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung (Schmutzwasserbeitragssatzung) vom 20. Dezember 2002 in der Fassung der Satzung über die Änderung der Fälligkeitsregelungen in der Schmutzwasser- und Niederschlagswasserbeitragssatzung vom 14. Dezember 2004 -im Folgenden: SBS- hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

1.

30

Grundlage dieser rechtlichen Prüfung ist dabei auch nach dem Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. März 2005 (GVOBl. M-V 2005, S.91) allein das Kommunalabgabengesetz vom 01. Juni 1993 (GVOBl. M-V 1993, S. 522, 916) zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. November 2001 (GVOBl. M-V 2001, S. 438).

31

Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist bei der hier gegebenen Anfechtungsklage der Verwaltungsakt, wie er von der Behörde erlassen wurde. Die gerichtliche Prüfung erfolgt grundsätzlich anhand der zu diesem Zeitpunkt gegebenen Sach- und geltenden Rechtslage (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.04.2000, Az.: 3 C 6/99, veröffentlicht in: NVwZ 2001, 322:

32

"Das Berufungsgericht geht zutreffend von dem Grundsatz aus, daß es für die Begründetheit einer Anfechtungsklage auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankommt. Den mit dieser Klage verfolgten Anspruch auf Aufhebung einer belastenden Entscheidung mit Wirkung ex tunc hat der Bürger im allgemeinen nur, wenn die angegriffene Entscheidung in dem genannten Zeitpunkt rechtswidrig war. Allerdings steht dieser Grundsatz unter dem Vorbehalt, daß das materielle Recht einen anderen Zeitpunkt als maßgeblich bestimmen kann.",

33

vgl. eingehend zur Problematik: Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann, VwGO, § 113 Rz.21 Fn.109). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird im Anschlussbeitragsrecht nur insoweit für gerechtfertigt erachtet, als dass auch das Inkrafttreten einer neuen Beitragssatzung ohne Rückwirkungsanordnung bewirken kann, dass ein vorher erlassener, mangels Entstehens der Beitragspflicht wegen fehlender rechtmäßiger Satzung (vgl. § 8 Abs.7 S.2 KAG a.F.) zunächst rechtswidriger Beitragsbescheid rechtmäßig wird und dies im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen, der angefochtene Bescheid mithin nicht mehr aufzuheben ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.04.1983, Az.: 8 C 170/81, veröffentlicht in: BVerwGE 67, 129; BVerwG, Urt. v. 25.11.1981, Az.: 8 C 14/81, veröffentlicht in: BVerwGE 64, 218; OVG M-V, Beschl. v. 19.12.2001, Az.: 1 M 84/01, veröffentlicht in: NordÖR 2002, 268).

34

Diese Ausnahme ist indes beschränkt auf das Inkrafttreten einer neuen, wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage eines Beitragsbescheides und kann nicht auf den hier gegebenen Fall angewendet werden, dass sich die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Beitragssatzung ändert. Aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art.20 Abs.3 GG folgt, dass von einer gesetzlichen Ermächtigung erst dann Gebrauch gemacht werden kann, wenn diese in Kraft getreten ist (vgl. grundlegend BVerfG, Urt. v. vom 26.07.1972, Az.: 2 BvF 1/71, veröffentlicht in: BVerfGE 34, 9 (21); BVerwG, Urt. v. 28.06.1974, Az.: VII C 22/73, veröffentlicht in: BVerwGE 45, 277 (278)). Eine nach Beschlussfassung über eine ortsgesetzliche Satzung in Kraft tretende gesetzliche Regelung kann für diese mithin keine Ermächtigungsgrundlage sein. Es bedarf nach Inkrafttreten der gesetzlichen Grundlage zumindest einer neuen Beschlussfassung über die bereits bestehende Satzung, soll diese von der neuen Ermächtigungsgrundlage getragen werden (vgl. OVG M-V, Urt. v. 18.09.1996, Az.: 6 L 77/96, Umdruck S.10; OVG M-V, Urt. v. 18.09.1996, Az.: 6 L 11/96, veröffentlicht in: LKV 1997, 422). Der Grund für dieses Erfordernis -und zugleich der tragende Grund für die abweichende Behandlung der Abgabensatzung als Grundlage des Beitragsbescheides- liegt darin, dass die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage dem Satzungsgeber einen Ermessenspielraum für die Ausgestaltung seiner ortsrechtlichen Regelung gibt, etwa bei der Wahl des Beitragsmaßstabes (vgl. § 8 Abs.1 KAG a.F. einerseits und § 9 Abs.4 bis 6 KAG M-V n.F. andererseits) oder der Entscheidung, ob eine gemischte Beitrags-/Gebühren- oder eine reine Gebührenfinanzierung erfolgen soll (vgl. § 8 Abs.1 KAG a.F. einerseits und § 9 Abs.1 KAG M-V n.F. andererseits) und damit verbunden zu welchem Grad der Aufwand für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung durch Beiträge oder durch andere Mittel des öffentlichen Haushaltes finanziert werden soll. Dieses Ermessen kann vom Satzungsgeber bei Beschlussfassung über die Satzung aber nur dann ordnungsgemäß betätigt werden, wenn er den gesetzlich definierten Spielraum kennt, was ausgeschlossen ist, wenn die Ermächtigungsgrundlage zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses noch nicht in Kraft getreten ist (vgl. OVG M-V, Urt. v. 18.09.1996, Az.: 6 L 11/96, veröffentlicht in: LKV 1997, 422). Ist im Rahmen dieses Ermessensspielraums eine wirksame Beitragssatzung beschlossen worden und in Kraft getreten, besteht für die konkret-individuelle Beitragserhebung durch die örtliche Exekutive kein Ermessensspielraum mehr; sie ist aus Gründen der Gesetzmäßigkeit der Abgabenerhebung verpflichtet, die Satzung anzuwenden und die Beiträge zu erheben (OVG Schleswig, Urt. v. 24.02.1999, Az.: 2 L 146/96, veröffentlicht in: NordÖR 1999, 312). Aufgrund dieses gebundenen Verwaltungshandelns bei der Abgabenerhebung selbst ist es gerechtfertigt, in dieser Rechtsbeziehung eine "Heilung" mangels wirksamer Satzung rechtswidriger Bescheide durch eine bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in Kraft getretene wirksame Abgabensatzung zuzulassen, nicht jedoch die Satzung ohne erneute Befassung des Normgebers auf eine neue gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zu stellen (so bereits das Urteil der Kammer vom 09. Juni 2005, Az.: 4 A 2668/04).

35

Hier ist die SBS nach dem Inkrafttreten des KAG M-V n.F. nicht erneut von der Verbandsversammlung des Zweckverbandes Wasser/Abwasser Mecklenburgische Schweiz beschlossen worden, so dass diese die angefochtenen Bescheide tragende Satzung allein auf das KAG a.F. als Ermächtigungsgrundlage gestützt werden kann.

2.

36

Den damit geltenden Anforderungen des § 2 Abs.1 S.2 KAG a.F., wonach die Abgabensatzung den die Abgabe begründenden Tatbestand bestimmen muss, genügt die SBS nicht (a.). Auch der Beitragsmaßstab verstößt teilweise gegen das Vorteilsprinzip und den Gleichheitsgrundsatz (b.) und die Kalkulation des Abgabensatzes erweist sich als methodisch fehlerhaft (c.).

a.

37

Nach § 2 Abs.1 S.2 KAG a.F. ist in einer Abgabensatzung der die Abgabe begründende Tatbestand zu bestimmen. Insbesondere im Anschlussbeitragsrecht erfordert dies die Definition der öffentlichen Einrichtung, für die Beiträge erhoben werden sollen. Ausgehend von einem rechtlichen und nicht technischen Begriff der öffentlichen Einrichtung besteht bei deren Festlegung für den Satzungsgeber zwar ein weites Organisationsermessen, die Bestimmung des Umfangs der öffentlichen Einrichtung selbst muss aber präzise sein, ist doch nur so die Beachtung von Vorteilsprinzip und Aufwandsüberschreitungsverbot überprüfbar. Maßgeblich ist dabei auf die Entwässerungssatzung abzustellen; die Abgabensatzung zieht aus dieser lediglich die beitragsrechtlichen Folgen (vgl. OVG M-V, Urt. v. 15.09.2004, Az.: 1 L 214/02, veröffentlicht in: LKV 2005, 559; Urt. v. 30.06.2004, Az.: 4 K 34/02, veröffentlicht in: LKV 2005, 76; Beschl. v. 13.11.2001, Az.: 4 K 24/99, veröffentlicht in: NordÖR 2002, 171; Beschl. v. 23.08.2000, Az.: 1 M 62/00, veröffentlicht in: KStZ 2001, 34; Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG a.F., § 2 Anm.1.2.; Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 33. Erg-Lfg., KAG § 8 Rz.1628).

38

Hier ist der Umfang der öffentlichen Einrichtung nicht hinreichend bestimmt. Der Grundsatz der Bestimmtheit von Normen verlangt, dass eine Satzung als abstrakte Regelung allein aus ihrem Text heraus verständlich sein muss. Der Wille der erlassenden Körperschaft muss vollständig und unzweideutig für den Rechtsunterworfenen aus der Satzung hervorgehen, damit er erkennen kann was von ihm wofür gefordert wird (vgl. statt aller Dewenter/Habermann/Riehl/Steen-bock/Wilke, KAG S-H, § 2 Anm.2.2.2. m.w.N.). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

39

In § 1 Ziff.1 AES findet sich zwar die grundsätzlich zulässige Entscheidung drei getrennte öffentliche Einrichtungen zu betreiben:

40

"Der Zweckverband "Wasser/Abwasser Mecklenburgische Schweiz" (nachstehend Zweckverband genannt) betreibt die Abwasserbeseitigung nach Maßgabe dieser Satzung als jeweils eine selbständige öffentliche Einrichtung zur

41

a) zentralen Schmutzwasserbeseitigung (kanalgebundene Schmutzwasserbeseitigung)

42

b) zentralen Niederschlagswasserbeseitigung (kanalgebundene Niederschlagswasserbeseitigung)

43

c) dezentralen Schmutzwasserbeseitigung (Entleeren, Transportieren und Beseitigen des in Hauskläranlagen anfallenden Schlammes und des Inhaltes aus abflußlosen Gruben)."

44

Hinsichtlich des konkreten Umfangs dieser d r e i öffentlichen Einrichtungen findet sich aber nur e i n e allgemeine Umschreibung in § 3 AES:

45

"Zu den öffentlichen Abwasseranlagen gehören

46

a) das gesamte öffentliche Abwassernetz, bestehend aus Druck- und Freispiegelleitungen für Schmutzwasser und Niederschlagswasser (Trennverfahren) bzw. nur für eine Schmutzwasserleitung bei modifiziertem Trennsystem oder Leitungen zur Aufnahme aller Abwässer (Mischverfahren)

47

b) die Abwasserpumpstationen,

48

c) die Rückhaltevorrichtungen und Bauwerke,

49

d) die öffentlichen Kläranlagen,

50

e) die Straßenentwässerungsanlagen, soweit sich der Zweckverband dieser Anlagen und Einrichtungen bedient,

51

f) die Betriebsgrundstücke, -gebäude und -einrichtungen des Zweckverbandes

52

g) Abwasserhausanschluß (Grundstücksanschluß)."

53

Diese eine pauschale Umschreibung in der Satzung ermöglicht dem Rechtsunterworfenen nicht die notwendige Bestimmung des Umfangs jeder der drei öffentlichen Einrichtungen. So ist unklar, welcher der drei öffentlichen Einrichtungen die Anlagen nach lit.b bis g zuzuordnen sind. Sofern diese Anlagen von mehreren öffentlichen Einrichtungen genutzt werden sollen oder können (bspw. Leitungen zur Aufnahme aller Abwässer im Mischverfahren durch die zentrale Schmutzwasser- und die zentrale Niederschlagswasserbeseitigung; öffentliche Kläranlagen sowie Betriebsgrundstücke, -gebäude und -einrichtungen des Zweckverbandes für die zentrale Schmutzwasser-, die dezentrale Schmutzwasser- und die zentrale Niederschlagswasserbeseitigung), bleibt der Umfang der jeweiligen Nutzung und die damit notwendige Aufteilung der Anlagen offen. Wenn der Beklagte zu der hier notwendigen eindeutigen Zuordnung der einzelnen technischen Anlagen zu einer der drei öffentlichen Einrichtungen auf die Aufteilung im Rahmen des Kostenansatzes der jeweiligen Kalkulation verweisen würde, könnte auch dies nicht überzeugen. Der Begriff der öffentlichen Einrichtung ist ein rechtlicher und kein technischer, so dass eben nicht an technische Gegebenheiten oder Anlagenzuordnungen angeknüpft werden kann, sondern vorausgehend eine eindeutige satzungsrechtliche Zuordnung erforderlich ist. Die Kalkulation und dort der Ansatz tatsächlich entstandener Kosten ist lediglich Folge und Anwendung der Definition der öffentlichen Einrichtung durch den Satzungsgeber. Der Umfang der öffentlichen Einrichtung darf sich also nicht umgekehrt erst unter Zuhilfenahme der Kalkulation eindeutig bestimmen lassen. Dies würde eine Kontrolle der Einhaltung des Aufwandsüberschreitungsverbotes nahezu unmöglich machen, soll dieses doch gerade sicherstellen, dass lediglich der Aufwand zur Herstellung der satzungsgemäß definierten öffentlichen Einrichtung in die Beitragskalkulation einfließt.

54

Die damit mangelnde Bestimmtheit der Definition der öffentlichen Einrichtung in der AES wird auch nicht durch eine Konkretisierung in der SBS behoben. Diese nimmt in § 1 Abs.2 lediglich Bezug auf die Definition in der AES:

55

"Zum Aufwand, der durch den Beitrag gedeckt wird, gehört der Aufwand für die Herstellung der in § 3 der Abwasserentsorgungssatzung des Zweckverbands definierten öffentlichen Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung. Mit dem Beitrag ist der Aufwand für die Herstellung des jeweils ersten Grundstücksanschlusses abgegolten."

56

Neben der mangelnden Bestimmtheit der Umschreibung der öffentlichen Einrichtung ist diese teilweise auch in sich widersprüchlich. So ist in § 3 lit.g AES der Abwasserhausanschluss ausdrücklich der öffentlichen Einrichtung zugeordnet worden. Nach § 1 Abs.1 SBS umfasst die öffentliche Einrichtung aber eben diesen Hausanschluss nicht und beschränkt die öffentliche Einrichtung zudem auf den e r s t e n Grundstücksanschluss. Eine solche Beschränkung ist wiederum § 3 AES nicht zu entnehmen.

57

Die damit mangelnde Bestimmtheit und teilweise Widersprüchlichkeit der Definition der öffentlichen Einrichtung der zentralen Schmutzwasserbeseitigung führt bereits für sich zur Unwirksamkeit der SBS, da in dieser der sowohl von § 2 Abs.1 S.2 KAG a.F. als auch von § 2 Abs.1 S.2 KAG M-V n.F. geforderte Mindestinhalt nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit enthalten ist.

b.

58

Die SBS verwendet in § 4 Abs.2 bis 4 einen grundsätzlich zulässigen kombinierten Flächen- und (abgestuften) Vollgeschossmaßstab. Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung des OVG M-V an, wenn dieses grundlegend im Urt. v. 15.03.1995, Az.: 4 K 22/94, veröffentlicht in: KStZ 1996, 114 (bestätigt durch OVG M-V, Urt. v. 13.11.2001, Az.: 4 K 24/99,...), ausführt:

59

"a) § 4 Abs. 2 Satz 1 EAS enthält einen rechtswirksamen, abgestuften Vollgeschoßmaßstab. Danach wird bei der Ermittlung des nutzungsbezogenen Flächenbeitrages für das erste Vollgeschoß 25% und für jedes weitere Vollgeschoß 15% der Grundstücksfläche in Ansatz gebracht. In Kerngebieten beträgt der Ansatz für das erste Vollgeschoß 50% und für jedes weitere Vollgeschoß 30%.

60

Die Verwendung eines Vollgeschoßmaßstabes ist in der Rechtsprechung zwischenzeitlich weitgehend anerkannt ( VGH Mannheim vom 13.01.1994, 2 S 1213/92 ; OVG Lüneburg, Beschluß vom 19.10.1993, 9 M 2240/93, KStZ 1994, 77 ; OVG Lüneburg, Urteil vom 27.01.1993, 9 L 4763/91 , OVG Lüneburg, Beschluß vom 02.05.1991, 9 M 4630/91 ). Dies gilt aber regelmäßig nur für solche Maßstäbe, die für jedes weitere Vollgeschoß eine Steigerung in gleicher Höhe vorsehen. Im vorliegenden Fall verwendet der Antragsgegner aber einen abgestuften Vollgeschoßmaßstab, bei dem das erste Vollgeschoß beitragsrechtlich höher in Ansatz gebracht wird als das zweite und eventuell weitere Vollgeschosse.

61

In diesem Zusammenhang wird die Rechtsansicht vertreten, es sei unter Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten nur eine lineare Steigerung je Vollgeschoß zulässig. Es widerspreche der Wahrscheinlichkeit, daß etwa bei Wohnhäusern die künftige Möglichkeit der Inanspruchnahme der Abwassereinrichtung in bezug auf die weiteren Vollgeschosse geringer sei als jeweils beim ersten Vollgeschoß. Insoweit sei die Maßstabsregelung systemwidrig und damit nicht vorteilsgerecht ( OVG Schleswig, Urteil vom 13.07.1993, 2 L 55/93 ).

62

Nach der Rechtsprechung des OVG Lüneburg (Beschluß vom 02.05.1991, 9 M 4630/91 ; vgl. Driehaus/Klausing, aaO., Rdn. 1024; ebenso Hatopp, NKAG, § 6, Rdn. 51c) ist es demgegenüber durchaus zulässig, wenn das erste Vollgeschoß mit einem höheren Ansatz als die weiteren Vollgeschosse berücksichtigt werden. Nach Auffassung des Senats ist dieser Ansicht zu folgen. Ein abgestufter Vollgeschoßmaßstab ist durchaus vorteilsgerecht, da die erhöhte beitragsrechtliche Belastung des ersten Vollgeschosses zum einen darin ihre Rechtfertigung findet, daß ein Gebäude in der Regel noch ein Dachgeschoß hat, das in zahlreichen Fällen nicht als Vollgeschoß im Sinne der Landesbauordnung gilt. Der Vorteil, der von einem solchen Dachgeschoß bzw. auch einem Kellergeschoß ausgeht, wird durch den höheren Ansatz für das erste Vollgeschoß abgegolten."

63

Die Regelungen zum Flächenansatz in § 4 Abs.3 lit.d SBS verstoßen jedoch gegen das Vorteilsprinzip und den Gleichheitssatz.

64

§ 4 Abs.3 lit.d S.1 SBS ("Als Grundstücksfläche gilt: d) bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 35 m dazu verlaufenden Parallelen.") sieht für bestimmte Grundstücke im Übergangsbereich vom unbeplanten Innen- zum Außenbereich eine Tiefenbegrenzung von 35 m vor. Der Ortsgesetzgeber statuiert damit eine widerlegbare Vermutung, dass die jenseits der Tiefenbegrenzung liegende Fläche dem Außenbereich zuzuordnen und damit grundsätzlich nicht baulich nutzbar ist. Gleichsam besteht damit ein sachlicher Grund für die mit der Tiefenbegrenzungs-regelung verbundene Differenzierung, die folglich auch grundsätzlich für zulässig erachtet wird (vgl. OVG M-V, Urt. v. 13.11.2001, Az.: 4 K 16/00, veröffentlicht in: KStZ 2002, 132; Urt. v. 13.11.2001, Az.: 4 K 24/99, veröffentlicht in: LKV 2002, 380; Beschl. v. 29.11.2001, Az.: 1 M 66/01, veröffentlicht in: NordÖR 2002, 81; Beschl. v. 17.12.2001, Az.: 1 L 118/01, veröffentlicht in: NordÖR 2002, 65; Beschl. v. 20.11.2003, Az.: 1 M 180/03, veröffentlicht in: NordÖR 2004, 262). Voraussetzung einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung ist aber, dass die hiermit vom Satzungsgeber ausgesprochene Vermutung, die bauliche Ausnutzbarkeit der betroffenen Grundstücke ende an der Tiefenbegrenzungslinie, weil hier der Außenbereich nach § 35 BauGB beginne, tatsächlich den örtlichen Verhältnissen entspricht (OVG M-V, Urt. v. 15.11.2000, Az.: 4 K 8/99, veröffentlicht in: KStZ 2001, 174; Urt. v. 13.11.2001, Az.: 4 K 16/00, veröffentlicht in: KStZ 2002, 132; Beschl. v. 17.12.2001, Az.: 1 L 118/01, veröffentlicht in: NordÖR 2002, 65, vgl. Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG a.F., § 8 Anm.4.3.3.; Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 33. Erg.-Lfg., KAG § 8 Rz.1653, 1655). Diese örtlichen Verhältnisse sind vor Beschlussfassung durch den Satzungsgeber zu ermitteln, und zwar wegen der typisierenden Festlegung in allen Bereichen des Verbandsgebietes, die von einer solchen Regelung erfasst werden (OVG M-V, Urt. v. 15.03.1995, Az.: 4 K 22/94, veröffentlicht in: KStZ 1996, 114), auch wenn dies dazu führen könnte, dass bei großen, inhomogenen Verbandsgebieten eine Tiefenbegrenzungsregelung ausscheidet (Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 33. Erg.-Lfg., KAG § 8 Rz.1655).

65

Unterlagen zum Ergebnis solcher Ermittlungen der örtlichen Verhältnisse konnte der Beklagte nicht vorlegen. Solche finden sich auch nicht ansatzweise in den Berichten und sonstigen Unterlagen zur Kalkulation. Die im Rahmen der dem Gericht obliegenden Amtsermittlung zur Kenntnis gelangten Tatsachen sprechen gegen die Annahme des Beklagten, dass in einer Grundstückstiefe von durchgehend 35 m im Übergangsbereich vom unbeplanten Innen- zum Außenbereich die Grenze baulicher Ausnutzbarkeit und damit des Bereiches nach § 34 Abs.1, 2 BauGB liegt und die dem entsprechende, mit der satzungsmäßigen Tiefenbegrenzung ausgesprochene Vermutung den örtlichen Verhältnissen entspricht.

66

Dem vom Beklagten im Schriftsatz vom 17. Februar 2006, im Original eingegangen beim Gericht am 20. Februar 2006 und damit einen Tag vor der mündlichen Verhandlung angekündigten Beweisantrag hierzu, den dieser in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich stellte, so dass ein Beschluss nach § 86 Abs.2 VwGO nicht erforderlich war (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13.Auflage, § 86 Rz.19 m.w.N.), brauchte die Kammer nicht weiter nachzugehen. Die dem angekündigten Beweisantrag zugrunde liegende Tatsachenbehauptung des Beklagten, er habe die ... GmbH mit der Ermittlung der örtlichen Verhältnisse betreffend die vorgesehene satzungsmäßige Tiefenbegrenzungsregelung beauftragt, diese sei durchgeführt worden und habe ergeben, dass nur "eine sehr geringe Anzahl an Grundstücken, deren tatsächliche bauliche Nutzung eine andere Grenzziehung nahe legen würde" existiere, ist so unbestimmt, dass die erstrebte Beweiserhebung erst selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen zu Tage gefördert hätte. Dies betrifft hier beispielsweise die folgenden, aber nicht abschließenden Fragen, die sich im Rahmen der Ermittlung der örtlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet stellen: Sind bei der Ermittlung des Übergangsbereichs vom unbeplanten Innen- zum Außenbereich sämtliche Grundstücke im Verbandsgebiet einbezogen worden oder erfolgte eine Schätzung anhand einer auf bestimmte verbandsgebietstypische Bebauungsgebiete beschränkten Ermittlung? In welcher Grundstückstiefe lag im Durchschnitt der Übergang vom unbeplanten Innen- zum Außenbereich? Welche Abweichungen hiervon ergaben sich in den einzelnen Gemeinden? Welche Zahl von Grundstücken weist eine tatsächliche Bebauung oder bauliche Nutzbarkeit auf, die über die Grundstückstiefe von 35 m hinausgeht? Sind die Ergebnisse dieser Ermittlungen dem Satzungsgeber zur Kenntnis gebracht worden, so dass er sie in sein Ermessen bei Festlegung der Tiefenbegrenzung einstellen konnte? Der Beklagte hat es unterlassen, die einem Beweis zugänglichen tatsächlichen Behauptungen betreffend der Ermittlung der der satzungsmäßigen Tiefenbegrenzung zugrunde liegenden örtlichen Verhältnisse auch nur ansatzweise zu substantiieren. Erst die Erhebung des Beweises selbst hätte daher die entscheidungserheblichen Tatsachen hervorgebracht. Derartige reine Beweisermittlungsanträge legen dem Gericht jedoch eine Beweisaufnahme nicht nahe (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13.Auflage, § 86 Rz.18a m.w.N.).

67

Hinzu kommt, dass es im Verbandsgebiet des Beklagten bereits an einer homogenen Siedlungs- und Bebauungsstruktur fehlt. Das Verbandsgebiet setzt sich ausweislich der Verbandssatzung des Zweckverbandes "Wasser/Abwasser Mecklenburgische Schweiz" vom 23. Dezember 1998 aus 2 Städten (Teterow und Gnoien) und 30 Gemeinden (Altkalen, Alt-Sührkow, Behren-Lübchin, Bristow, Boddin, Bülow, Dahmen, Dalkendorf, Finkenthal, Groß Nieköhr, Groß Roge, Groß Wokern, Groß Wüstenfelde, Hohen Demzin, Jördenstorf, Kleverhof, Lelkendorf, Levitzow, Lühburg, Matgendorf, Neu Heinde, Prebberede, Poggelow, Remlin, Sukow-Marienhof, Thürkow, Walkendorf, Warnkenhagen, Wasdow und Stubbendorf) zusammen. Bereits das Zusammentreffen städtischer Bebauungs- und Siedlungsstrukturen einerseits und ländlicher Räume andererseits führt zu Zweifeln an der mit der Satzung aufgestellten Vermutung, bei 35 m Grundstückstiefe beginne einheitlich der Außenbereich. Auch das OVG M-V (Urt. v. 15.03.1995, Az.: 4 K 22/94, veröffentlicht in: KStZ 1996, 114) hält eine Tiefenbegrenzung von 35 m für grundsätzlich problematisch.

68

Weiter ist zu berücksichtigen, dass bereits bei den von der Kammer am heutigen Tage verhandelten Fällen von sechs von der Tiefenbegrenzung betroffenen Grundstücken die Bebauung in zwei Fällen über die Tiefenbegrenzung hinausragte und damit entgegen der satzungsmäßigen Vermutung eine bauliche Ausnutzbarkeit über die Tiefenbegrenzung hinaus gegeben war.

69

Verfahren Grundstücksbezeichnung gemäß Bescheiden des Beklagten

70

4 A 3390/03 ...
4 A 3460/03 ...
4 A 90/06 ...
4 A 2317/03 ...
4 A 1138/04 ...
4 A 2318/03 ...

71

Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei Berücksichtigung der der Beitragskalkulation zugrunde liegende Flächenermittlung ab. In nahezu allen Gebieten, in denen die Tiefenbegrenzungsregelung nach den vorgelegten Unterlagen zur Flächenermittlung zur Anwendung gekommen ist, waren Grundstücke mit darüber hinaus ragender Bebauung festzustellen. So beispielsweise in der Ermittlung der beitragsfähigen

72

Flächen in dem/der... Flächenermittlung, Bl...
Amt Teterow 44, 52, 75, 86, 143, 208, 213, 217, 219, 233, 236, 238, 243, 253
Stadt Teterow 316, 331, 345
Amt Gnoien 350, 355, 362, 372, 392, 418, 420, 428, 451, 480, 503, 509, 518
Stadt Gnoien 563
Amt Jördenstorf 728, 752, 753
Stubbendorf 764, 767, 772, 774,

73

wobei eine flurstücksgenaue Bezeichnung der betreffenden Grundstücke mangels eindeutiger Benennung in der Flächenermittlung des Beklagten für das Gericht nicht möglich war.

74

Ausgehend davon dass die Tiefenbegrenzungsregelung vom Ortsgesetzgeber in Übereinstimmung mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG gerade vor dem Hintergrund des Gebotes verwaltungspraktikabler Lösungen nur dann willkürfrei angeordnet werden kann, wenn im Vorfeld der Beitragskalkulation die örtlichen Verhältnisse korrekt ermittelt wurden und belegen, dass die Situation des Grundstücks im unbeplanten Innenbereich mit Baulandqualität jenseits der Tiefenbegrenzung die Ausnahme (d.h. weniger als 10 v.H. der von der Tiefenbegrenzung betroffenen Grundstücke, vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.09.1983, Az.: 8 N 1/83, veröffentlicht in: KStZ 1984, 9; BVerwG, Urt. v. 01.08.1986, Az.: 8 C 112/84, veröffentlicht in: KStZ 1987, 11; Gern, Aktuelle Probleme des Kommunalabgabenrechts. Analogie im Abgaberecht - Begründungspflicht von Abgabensatzungen - Die Zulässigkeit von Sozialtarifen, in: NVwZ 1995, 1145ff. m.w.N.) darstellt, widerspricht die Anordnung einer Tiefenbegrenzung von 35 m im vorliegenden Fall den örtlichen Verhältnissen.

75

Die Tiefenbegrenzungsregelung von 35 m ist daher im vorliegenden Fall unzulässig. Der damit einhergehende Verstoß gegen das Vorteilsprinzip und den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit (vgl. Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 33. Erg.-Lfg., KAG § 8 Rz.1660) sowie die fehlende Berücksichtigung der über die unzulässige Tiefenbegrenzung hinausreichenden, baulich nutzbaren und damit bevorteilten Grundstücksflächen im Rahmen der Kalkulation und damit verbunden deren methodische Fehlerhaftigkeit führen bereits für sich zur Unwirksamkeit der SBS.

76

Des Weiteren führt die Regelung in § 4 Abs.3 lit.d S.2 SBS ("Liegt das Grundstück an mehreren Straßen, so ist die Tiefenbegrenzung von jeder einer Straße zugewandten Grundstücksseite über die gesamte Grundstücksbreite anzusetzen.") zu einer Beitragsermäßigung für Eckgrundstücke. Eine sachliche Rechtfertigung hierfür ist nicht ersichtlich. Im Erschließungs- und Straßenausbaubeitragsrecht wird diese Rechtfertigung regelmäßig darin gesehen, dass der durch einen Beitrag abzugeltende Erschließungsvorteil durch eine weitere Erschließungsanlage der gleichen Art nicht in gleichem Maße steigt, wie bei der Ersterschließung, so dass zur Vermeidung von Doppelbelastungen grundsätzlich eine Ermäßigung vorgesehen werden könne (vgl. zur Problematik im Erschließungsbeitragsrecht Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7.Auflage, § 18 Rz.72ff. und im Straßenausbaubeitragsrecht Driehaus in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, KAG, § 8 Rz.481ff.).

77

Eine solche Doppelbelastung bzw. ein verminderter Anschlussvorteil sind im Anschlussbeitragsrecht nicht vorstellbar. Der durch den Beitrag abzugeltende Anschlussvorteil entsteht erst- und einmal mit der Herstellung der Anschlussmöglichkeit, und zwar unabhängig davon, ob in beiden angrenzenden Straßen oder nur in einer Straße ein Anschlusskanal liegt. Eine sachliche Rechtfertigung für die hier in § 4 Abs.3 lit.d S.2 SBS enthaltene Eckgrundstücksermäßigung ist nicht ersichtlich. Im Anschlussbeitragsrecht wird eine Eckgrundstücksvergünstigung dann auch einhellig für unzulässig gehalten (VG Greifswald, Beschl. v. 25.06.2001, Az.: 3 B 435/01; Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG a.F., § 8 Anm.2.4.9.5.; Klausing in: Driehaus, KAG, § 8 Rz.1038).

c.

78

Schließlich liegt der SBS keine rechtmäßige Beitragskalkulation zugrunde anhand derer die Einhaltung des Aufwandsüberschreitungsverbotes überprüft werden könnte. Hier gegebene Mängel der Kalkulation führen, da diese untrennbarer Bestandteil des Satzungsverfahrens ist (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 14.03.1989, Az.: 9 L 64/89, veröffentlicht in: NdsRpfl 1989, 186), ebenfalls grundsätzlich zur Nichtigkeit der Schmutzwasserbeitragssatzung.

79

Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Mecklenburg-Vorpommern zum KAG a.F., welche die Kammer teilt, fällt die Festsetzung und Kalkulation eines Beitragssatzes in die Kompetenz des Vertretungsorgans. Dieses hat bei der Beschlussfassung über die Satzung sein ortsgesetzgeberisches Ermessen in den Grenzen, die ihm durch das Vorteilsprinzip, dem Kostendeckungsgrundsatz und den Gleichheitssatz gezogen sind, sachgerecht auszuüben. Zur Gültigkeit eines Beitragssatzes bedarf es daher einer stimmigen Kalkulation, die vom Satzungsgeber mit der Beschlussfassung zu billigen ist (OVG M-V, Urt. v. 15.11.2000, Az.: 4 K 8/99, veröffentlicht in: LKV 2001, 516). Insoweit bezieht sich die gerichtliche Überprüfung nicht bloß auf eine rechnerische "Ergebniskontrolle" des Beitragssatzes, sondern auf die ihm zugrunde gelegten Sachverhalte und Wertentscheidungen. Eine Abgabensatzung ist hiernach jedenfalls unwirksam, wenn in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand angesetzt und daher gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot verstoßen wird, oder wenn erhebliche methodische Fehler die Feststellung unmöglich machen, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot verletzt ist oder nicht (vgl. OVG M-V, Urt. v. 07.11.1996, Az.: 4 K 11/96, veröffentlicht in: VwRR MO 1997, 13; Urt. v. 25.02.1998, Az.: 4 K 8/97, 4 K 18/97, veröffentlicht in: NordÖR 1998, 256 jeweils m.w.N.).

80

Solche Fehler wurden hier vom erkennenden Gericht festgestellt, wobei mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen kann, ob die Erfassung der beitragspflichtigen Flächen über eine bloße Digitalisierung von Flurkarten ohne Benennung der einzelnen Flurstücke, deren jeweiliger Größe und bauliche Nutzung bzw. Nutzbarkeit überhaupt einen methodisch einwandfreien, weil nicht nachprüfbaren Ansatz der Flächenermittlung darstellt (vgl. zu den Anforderungen an die Flächenermittlung im Einzelnen: Seeger/Gössel, KAG B-W, § 10 Anm.4.6. lit.e mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).

81

Zum einen weichen der Flächenansatz des Beitragsmaßstabes in § 4 Abs.3 SBS und der Flächenansatz der Kalkulation ab. Ausweislich des Berichtes zur "Ermittlung beitragsfähiger Flächen für die Beitragskalkulation Trinkwasserversorgung und Schmutzwasserentsorgung des Zweckverbandes 'Wasser/Abwasser Mecklenburgische Schweiz' vom 22.10.2002", dort S.6, wurden Camping- und Zeltplätze mit 80 % der Grundstücksfläche und über B-Plan-Bereiche hinausreichende Grundstücksteile gar nicht in der Kalkulation erfasst. § 4 Abs.3 lit.g SBS sieht für Camping- und Zeltplätze aber einen Flächenansatz von 50 % der Grundstücksfläche vor und nach § 4 Abs.3 lit.b SBS sind baulich nutzbare Grundstücksteile, die über B-Plan-Bereiche hinausreichen, vollständig beitragspflichtig und demgemäß auch in der Kalkulation zu berücksichtigen.

82

Zum anderen findet sich nicht beitragsfähiger Aufwand in erheblicher Höhe von 1.027.503,13 EUR auf der Kostenseite der Kalkulation. Nach dem "Bericht zur Kalkulation von Gebühren und Beiträgen für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung des Zweckverbandes 'Wasser/Abwasser Mecklenburgische Schweiz' vom 08.11.2002", den der Beklagte im Klageverfahren weiter erläutert hat, befinden sich im Verbandsgebiet 14 Baugebiete mit einer Fläche von insgesamt 749.989 m², die von Erschließungsträgern erschlossen und in der Folge kostenfrei auf den Beklagten übertragen worden sind. Im Gegenzug verzichtete der Beklagte im Rahmen einer Vereinbarung mit dem jeweiligen Erschließungsträger auf die Beitragsansprüche gegen die Grundstückseigentümer im Erschließungsgebiet. Hierfür stellte er in die Beitragskalkulation die Aufwendungen der Erschließungsträger, die ihm von diesen in Höhe von 1.027.503,13 EUR nachgewiesen wurden, als fiktive Kosten ein.

83

Dies begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken. Eine Berücksichtigung von Leistungen eines Erschließungsträgers bei der Herstellung einer Anlage erfolgt allenfalls auf der Ebene der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes, wenn dieser sich, wie im vorliegenden Fall, gemäß § 8 Abs. 2 S.1 Alt.1 KAG a.F. nach den tatsächlich entstandenen Kosten bemisst. Als tatsächlich entstandene Kosten sind hierbei aber nur solche Kosten ansetzungsfähig, die der beitragsberechtigten Körperschaft tatsächlich entstanden sind, also aus Zahlungen an den Erschließungsträger resultieren. Dies ergibt sich zwingend aus dem Wortlaut der Norm, der nicht in der Weise offen ist, dass fiktive Kosten hinzu gerechnet werden können. Das Tatbestandsmerkmal "tatsächlich entstanden" ist einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich (st. Rspr. OVG M-V, Beschl. v. 20.10.1998, Az.: 1 M 17/98, veröffentlicht in: KStZ 1999, 134; Beschl. v. 14.05.2001, Az.: 1 L 23/00, zitiert nach juris). Erfolgte die Herstellung des Kanalnetzes wie hier auf Kosten des Erschließungsträgers und nicht auf Kosten des Zweckverbandes, sind die entsprechenden Kosten daher bei der Ermittlung des Aufwandes nach den tatsächlich entstandenen Kosten nicht berücksichtigungsfähig.

84

Hinzu kommt, dass der Beklagte nicht nachgewiesen hat, dass die Flächen in den Erschließungsgebieten in der Flächenermittlung der Kalkulation erfasst wurden, was notwendig ist, da es sich ungeachtet eines erklärten Verzichts auf den Beitragsanspruch um bevorteilte, grundsätzlich beitragsfähige Flächen handelt. Beispielsweise ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass das Gewerbegebiet ... mit einer beitragspflichtigen Fläche von 95.286 m² in der Flächenermittlung enthalten ist (siehe Flächenermittlung, Anlage 2 Beitragsfähige Flächen Stadt Teterow, Blatt 302). Fehlen die in Erschließungsgebieten befindlichen Flächen im Rahmen der Flächenermittlung, so ergäbe sich unter gleichzeitiger Korrektur der bisher angesetzten fiktiven Kosten für die Erschließungsgebiete ein höchstzulässiger Beitragssatz in Höhe von 5,00 EUR

85
(=  Kalkulationsansatz     Korrekturposten     Korrigierter Kalkulationsansatz
Kosten
41.916.466 EUR - 1.027.503 EUR = 40.888.963 EUR
Fläche
7.430.946 m² + 749.989 m² = 8.180.935 m²
Beitragssatz
5,6408 EUR/m² 4,9981 EUR/m²),
86

der mithin unter dem in der SBS beschlossenen Beitragssatz von 5,11 EUR/m² liegt, so dass ein Verstoß gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot gegeben wäre.

87

Den angefochtenen Bescheiden fehlt damit im vorliegenden Fall eine wirksame satzungsrechtliche Grundlage, so dass sich diese als rechtswidrig erweisen und daher aufzuheben sind.

II.

88

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Annotations

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen.

(2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können sich Gemeinden auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen.

(3) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten.

(4) Für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 und § 1a wird eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt werden und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden; die Anlage 1 zu diesem Gesetzbuch ist anzuwenden. Die Gemeinde legt dazu für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist. Die Umweltprüfung bezieht sich auf das, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans angemessenerweise verlangt werden kann. Das Ergebnis der Umweltprüfung ist in der Abwägung zu berücksichtigen. Wird eine Umweltprüfung für das Plangebiet oder für Teile davon in einem Raumordnungs-, Flächennutzungs- oder Bebauungsplanverfahren durchgeführt, soll die Umweltprüfung in einem zeitlich nachfolgend oder gleichzeitig durchgeführten Bauleitplanverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden. Liegen Landschaftspläne oder sonstige Pläne nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe g vor, sind deren Bestandsaufnahmen und Bewertungen in der Umweltprüfung heranzuziehen.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.