Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 03. Dez. 2018 - 2 B 30/18

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2018:1203.2B30.18.00
bei uns veröffentlicht am03.12.2018

Tenor

Nach teilweiser Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache hinsichtlich der zunächst auch verfügten Nutzungsuntersagung während der täglichen Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang werden die Kosten des Verfahrens insoweit, d.h. zur Hälfte, dem Antragsgegner auferlegt.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt insoweit die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 6.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Prozessbeteiligten haben den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt, nachdem der Antragsgegner den zeitlichen Umfang seiner angefochtenen Nutzungsuntersagung durch Schriftsatz vom 29.10.2018 derart eingeschränkt hat, dass der Betrieb der Werbeanlage nur noch zwischen täglichem Sonnenuntergang und Sonnenaufgang untersagt wird. Somit ist insoweit gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nur noch über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Es entspricht hier billigem Ermessen, dem Antragsgegner insoweit, d.h. zur Hälfte, die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil er insoweit dem Begehren der Antragstellerin entsprochen hat. Angemerkt sei hierzu, dass sich die Erklärung zur Kostenübernahme im Schriftsatz des Antragsgegners vom 26.11.2018 kostenrechtlich nicht auswirkt, weil nach Ziff. 5131 der Anlage 1 zum GKG für eine Kostenreduktion die „Beendigung des gesamten Verfahrens“ Voraussetzung ist.

2

Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung beziehungsweise Anordnung der Aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 20.08.2018 zum Aktenzeichen 2 A 228/18 gegen die vom Antragsgegner erst mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2018 für sofort vollziehbar erklärten Nutzungsuntersagungsverfügung vom 20.07.2017 bleibt im Übrigen ohne Erfolg. Das nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO zu beurteilende vorläufige Rechtsschutzgesuch der Antragstellerin ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.

3

Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse der Antragstellerin einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte. Hat die Behörde – wie vorliegend hinsichtlich der Nutzungsuntersagung – die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO angeordnet, kommt es im Besonderen darauf an, ob sie zu Recht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens den Verwaltungsakt einstweilen nicht befolgen zu müssen.

4

Die zuvor genannte Abwägung ist allerdings erst dann vorzunehmen, wenn die Begründung der sofortigen Vollzugsanordnung durch die Behörde noch den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO genügt, wonach gerade das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen ist. Dieser formellen Anforderung wird die Begründung des Sofortvollzuges im Widerspruchsbescheid gerecht. Ähnlich wie bei der Begründung von Ermessensentscheidungen richtet sich der (notwendige) Inhalt und Umfang der Begründung der sofortigen Vollziehung nach den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebietes und nach den Umständen des Einzelfalles. Geht es - wie hier - um die Durchsetzung einer rechtmäßigen Nutzungsuntersagungsverfügung, sind an die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung keine hohen Anforderungen zu stellen, weil es für die Fortsetzung nicht genehmigter oder rechtswidriger Nutzungen, die möglich wären, wenn die sofortige Vollziehung nicht angeordnet würde, regelmäßig keine rechtfertigenden Gründe gibt. Die vom Antragsgegner im Widerspruchsbescheid gegebene Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung ist nicht nur formelhaft, sondern einzelfallbezogen und hinreichend. Es wird drauf abgestellt, dass von der Werbeanlage, so wie sie jetzt betrieben wird, eine störende Blendwirkung für den Straßenverkehr ausgeht. Damit einher gehe eine Gefahr für Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer. Durch die Anordnung der Nutzungsuntersagung solle verhindert werden, dass überhaupt eine Schädigung eintreten könne. Da davon auszugehen sei, dass die Antragstellerin alle Rechtsmittel ausschöpfen und die aufschiebende Wirkung des § 80 Abs. 1 VwGO Anwendung finden würde, würde zudem von der zwischenzeitlichen rechtswidrigen Nutzung der Werbeanlage eine besonders schwere negative Vorbildwirkung in dem Gewerbegebiet „Ostseepark Schwentinental“ ausgehen. Es gäbe in diesem sehr großen Gewerbegebiet eine Vielzahl weiterer potenzieller Gewerbebetriebe, für die die Aufstellung eines solchen Werbeschildes wirtschaftlich reizvoll sein könne. Demgegenüber müssten die privaten Belange der Antragstellerin einstweilen zurückstehen. Es würden durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung keine unumkehrbaren tatsächlichen oder rechtlichen Fakten geschaffen. Ein Substanzverlust trete nicht ein. Die Anlage sei lediglich von der Stromversorgung zu trennen. Diese Ausführungen genügen in jeder Hinsicht dem formellen Begründungserfordernis.

5

Aber auch in materiell-rechtlicher Hinsicht geht die gebotene Abwägung zu Lasten der Antragstellerin aus, weil sich die angefochtene Verfügung des Antragsgegners vom 20.07.2017 - soweit sie im Eilverfahren noch Streitgegenstand ist - als rechtmäßig erweist. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der herangezogenen Ermächtigungsnorm des § 59 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 4 LBO liegen vor. Dabei kann die Kammer offen lassen, ob die Nutzungsuntersagung bereits deshalb gerechtfertigt wäre, weil nach den Feststellungen von Polizeibediensteten auf dem LED-Bildschirm auch Fremdwerbung gezeigt worden ist. Selbst wenn sich daraus eine formelle Rechtswidrigkeit der LED-Werbeanlage mangels erforderlicher Baugenehmigung ergäbe, wäre die Nutzungsuntersagungsverfügung dann aus Verhältnismäßigkeitsgründen wohl auf die Untersagung der Fremdwerbung zu beschränken. Aus diesem Grunde kann die erfolgte vollständige Nutzungsuntersagung nicht allein auf dem Umstand gestützt werden, dass möglicherweise zumindest in der Vergangenheit Fremdwerbung gezeigt worden ist.

6

Die Nutzungsuntersagung zur Nachtzeit ist aber deshalb gerechtfertigt, weil die LED-Werbeanlage in der Form, wie sie jetzt betrieben wird, eine Gefährdung für die Verkehrsteilnehmer darstellt und damit gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt.

7

Allerdings teilt die Kammer nicht die Auffassung des Landesbetriebs für Straßenbau und Verkehr in seinen Stellungnahmen vom 11.04.2016 und 23.11.2016, dass durch die Blendwirkung des LED-Bildschirmes ein Verstoß gegen § 33 Abs. 1 Nr. 3, S. 2 StVO vorliegt. Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 3 StVO ist verboten außerhalb geschlossener Ortschaften jede Werbung oder Propaganda durch Bild, Schrift, Licht oder Ton, wenn dadurch am Verkehr Teilnehmende in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können. Nach Satz 2 dieser Vorschrift darf auch durch innerörtliche Werbung und Propaganda der Verkehr außerhalb geschlossener Ortschaften nicht in solcher Weise gestört werden. Vorliegend befindet sich die streitbefangene Werbeanlage unstreitig innerhalb einer geschlossenen Ortschaft. Sie ist nach den eingereichten Fotos zwar auch für Fahrzeuge auf der B 76 in Richtung Preetz sichtbar (so das Foto Bl. 68 der Beiakte B) jedoch lässt sich daraus eine erforderliche abstrakte Gefährdung der Fahrzeuge auf der
B 76 nicht herleiten. Die Werbeanlage wird von Fahrzeugen, die sich in Richtung Preetz bewegen, nur am Rande wahrgenommen. Es handelt sich um eine gerade Strecke, die allenfalls wegen der Einhaltung der dortigen Geschwindigkeitsbeschränkungen den Fahrern eine gewisse Aufmerksamkeit abverlangt. Mehrere Mitglieder der Kammer wissen aus eigener Anschauung, dass sich hier keine überdurchschnittlich schwierige Verkehrssituation befindet. Soweit der Landesbetrieb in seiner Stellungnahme vom 23.11.2016 darauf verweist, dass in diesem Bereich erhöhte Anforderungen an die Aufmerksamkeit aller Verkehrsteilnehmer gestellt würden wegen der Reduzierung der Geschwindigkeit sowie der komplexen Verkehrssituation im nachgeordneten Straßennetz (Fahrradfahrer, Fußgänger, Verkehrsreglungen usw.), berücksichtigt der Landesbetrieb nicht hinreichend, dass tatbestandliche Voraussetzung des § 33 Abs. 1 S. 2 StVO ist, dass die Störung des Verkehrsaußerhalb geschlossener Ortschaften erfolgen muss. Die vom Landesbetrieb beschriebene komplexe Verkehrssituation im nachgeordneten Straßennetz ist von daher für die Prüfung des § 33 StVO ohne Relevanz, weil sich der Kreisverkehr in unmittelbarer Nähe der streitbefangenen Werbeanlage gerade nicht mehr außerhalb geschlossener Ortschaften befindet. Das Ortsschild „Schwentinental“ befindet sich bereits unmittelbar nach der Abfahrt von der B 76 deutlich in einer Entfernung von vielleicht 20 m vor dem Kreisverkehr. Eine Störung der Fahrzeugführer könnte indes nur für die Fahrzeugführer auftreten, die aus Richtung Preetz kommend die B 76 in Richtung Kreisel verlassen. Es erscheint insoweit allerdings zweifelhaft, ob die LED-Werbeanlage von diesen Fahrern überhaupt vor dem Kreisel wahrgenommen werden kann.

8

Aus Sicht der Kammer verstößt die Werbeanlage jedoch gegen § 17 Abs. 2 LBO i.V.m. § 11 Abs. 2 S. 1 LBO. Für Werbeanlagen, die bauliche Anlagen sind, gelten gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 LBO die in der LBO an bauliche Anlagen gestellten Anforderungen. Gemäß
§ 17 Abs. 2 LBO darf durch bauliche Anlagen die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs oder deren Nutzung nicht gefährdet werden. Nach Auffassung der Kammer liegt eine derartige Gefährdung in unmittelbarer Nähe zur Werbeanlage im Bereich des Kreisverkehrs vor. Von einer Gefährdung der Sicherheit des öffentlichen Verkehrs ist dann auszugehen, wenn eine Sachlage gegeben ist, die die Annahme rechtfertigt, dass nach allgemeinen Erfahrungen in überschaubarer Zukunft der Eintritt eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, wenn also ein Verkehrsunfall oder doch eine Verkehrsbehinderung zu erwarten ist. Abzustellen ist dabei auf den Horizont eines geeigneten Kraftfahrers, der sein Verhalten im Straßenverkehr nach den geltenden Vorschriften ausrichtet. Werbeanlagen gehören in städtischen Innenbereichen zu den üblichen Erscheinungsformen, mit denen ein Verkehrsteilnehmer rechnet und auf die er sich einstellt. Deshalb können Werbeanlagen ohne Bildwechsel dort nur ausnahmsweise zu einer Gefährdung des öffentlichen Verkehrs führen, nämlich nur dann, wenn eine Werbeanlage in ihrer konkreten Ausgestaltung besonders auffällig ist, vom Üblichen stark abweicht, die verkehrliche Situation in der Nähe der vorgesehenen Anbringungsstelle außergewöhnlich schwierig ist oder mit greller Beleuchtung oder mit Lichteffekten Aufmerksamkeit erregt wird. Die Werbeanlage darf dem fahrenden Kraftfahrer nicht völlig überraschend und plötzlich ins Blickfeld springen. Sie darf sich nicht bewusst in das Blickfeld der sich einem Einmündungsbereich nähernden Kraftfahrer drängen, auf das diese ihre Aufmerksamkeit zu konzentrieren haben, und diese dazu zwingen, von ihr Kenntnis zu nehmen. Sie darf nicht unmittelbar in den öffentlichen Verkehrsraum hinein ragen, die Sicht versperren oder behindern (vgl. VG Mannheim, Urteil vom 16.06.2003 – 3 S 2324/02 -, Juris-Rnr. 43 ff; OVG Münster, Urteil vom 17.04.2002 – 10 A 4188/01 – Juris-Rnr. 8, 11, 13). Eine abstrakte Gefährdung genügt allerdings nicht. Entscheidend ist, ob durch die geplante Werbeanlage ein Zustand geschaffen wird, der eine konkrete Gefährdung erwarten lässt. Eine konkrete Gefahr ist dabei gegeben, wenn aus einer tatsächlich vorhandenen Situation hinreichend wahrscheinlich eine Gefährdung der betroffenen Rechtsgüter erfolgt. Grade in dem jeweiligen Einzelfall muss in überschaubarer Zukunft mit einem Schadenseintritt zu rechnen sein. Dabei hängen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit von der Qualität des möglicherweise eintretenden Schadens ab. Da mit dem Leben und der Gesundheit der Verkehrsteilnehmer und der übrigen möglicherweise vom Verkehrsgeschehen betroffenen Menschen hohe Schutzgüter in Rede stehen, dürfen an die Feststellung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts keine übermäßig hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. VG Schleswig, Urteil vom 29.04.2015 – 8 A 19/14 -). Dies bedeutet, dass bei der Gefahr besonders großer Schäden ausnahmsweise zur „hinreichenden Wahrscheinlichkeit“ auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts gehört (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.06.1970 – IV C 99.67 – SchlHA 71, 204).

9

Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer konkreten Gefahr auszugehen. Unerheblich ist insofern, dass nach den Stellungnahmen von Ordnungsamt und Polizei bislang in diesem Bereich der Werbeanlage weder ein Unfall noch eine konkrete Gefährdungssituation zu verzeichnen waren. Maßgebend ist allein, ob nach den vorgegebenen Maßgaben mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einem Schadenseintritt oder einer Gefährdungssituation in absehbarer Zukunft zu rechnen ist. Das ist der Fall. Gerade im Kreisverkehr wird die Aufmerksamkeit aller Verkehrsteilnehmer gefordert. Dies gilt hier im gesteigerten Maße, weil der Innenbereich des Kreisverkehrs bewachsen ist mit der Folge, dass relativ spät beim Einfahren in den Kreisverkehr erkannt werden kann, ob ein vorfahrtsberechtigter Kraftfahrer im Kreisverkehr erscheint. Zudem kann den Luftbildaufnahmen in Google Maps entnommen werden, dass sich im Bereich der Zufahrten zum Kreisverkehr Übergänge für Fahrradfahrer und Fußgänger befinden, sodass hier die volle Aufmerksamkeit der Autofahrer gefordert ist. Dies gilt im besonderen Maße dann, wenn Dunkelheit herrscht. Durch die sich ändernden Bilder der LED-Werbeanlage werden der betroffene Autofahrer sowie auch Fahrradfahrer und Fußgänger unbewusst abgelenkt. Diese Ablenkung wird insbesondere dadurch hervorgerufen, dass die streitbefangene LED-Werbeanlage groß ist und eine sehr hohe Lichtintensität aufweist. Die in den Beiakten befindlichen Fotos belegen die Einschätzung derjenigen Personen, die sich dort vor Ort einen Eindruck verschafft haben und eine erhebliche Blendwirkung der Anlagen attestieren. Angesicht der daraus resultierenden Gefahren für Leib und Leben, insbesondere von Fußgängern und Fahrradfahrern reicht hier eine entferntere Möglichkeit des Schadenseintritts für die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit aus.

10

Die Nutzungsuntersagung erweist sich auch als verhältnismäßig. Es reicht aus, dass die Werbeanlage, so wie sie jetzt betrieben wird, gegen § 17 Abs. 2 LBO verstößt. Es ist Sache des Betreibers, die Anlage auch von ihrer Intensität her so einzustellen, dass eine Gefährdungslage nicht besteht. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin geltend macht, es sei Sache des Antragsgegners, die geforderte Lichtintensität genau anzugeben und sich hierzu gegebenenfalls durch eine Ortsbesichtigung selbst den erforderlichen Eindruck zu verschaffen, folgt die Kammer dem nicht. Die Antragstellerin betreibt eine Werbeanlage, von der eine Störung ausgeht, sodass ihr auch eine Mitwirkung obliegt, diese Störung zu beseitigen und zu klären, welche Lichtintensität noch akzeptabel ist. Zu Unrecht verweist die Antragstellerin auf § 59 Abs. 7 LBO, weil dieses Betretensrecht keine Grundlage dafür darstellt, an der Regelungstechnik der Werbeanlage zu hantieren. Der Antragsgegner hatte zudem eine Ortsbesichtigung angeregt, um festzustellen, in welcher Form die Werbeanlage noch betrieben werden kann. Da der Antragsteller dieses Angebot einer Ortbesichtigung und einer möglichen Reduzierung der Lichtintensität aus dem Schreiben des Antragsgegners vom 30.03.2017 nicht aufgegriffen hat und bis heute an der Lösung des Problems nicht mitgewirkt hat, muss er jedenfalls vorläufig eine vollständige Nutzungsuntersagung der Werbeanlage während der Nachtzeiten hinnehmen.

11

Auch das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von jetzt 2500 € begegnet keinen Bedenken.

12

Danach ist der Antrag mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen. Die Streitfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG. Im Rahmen der Streitwertfestsetzung geht das Gericht in der Hauptsache von einem Jahresnutz- oder Mietwert in Höhe von mindestens 12.000 € aus. Wegen der Vorläufigkeit der Entscheidung im Eilverfahren war dieser Wert zu halbieren.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 33 Verkehrsbeeinträchtigungen


(1) Verboten ist 1. der Betrieb von Lautsprechern,2. das Anbieten von Waren und Leistungen aller Art auf der Straße,3. außerhalb geschlossener Ortschaften jede Werbung und Propaganda durch Bild, Schrift, Licht oder Ton,wenn dadurch am Verkehr Teilneh

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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 29. Apr. 2015 - 8 A 19/14

bei uns veröffentlicht am 29.04.2015

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund de

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(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Verboten ist

1.
der Betrieb von Lautsprechern,
2.
das Anbieten von Waren und Leistungen aller Art auf der Straße,
3.
außerhalb geschlossener Ortschaften jede Werbung und Propaganda durch Bild, Schrift, Licht oder Ton,
wenn dadurch am Verkehr Teilnehmende in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können. Auch durch innerörtliche Werbung und Propaganda darf der Verkehr außerhalb geschlossener Ortschaften nicht in solcher Weise gestört werden.

(2) Einrichtungen, die Zeichen oder Verkehrseinrichtungen (§§ 36 bis 43 in Verbindung mit den Anlagen 1 bis 4) gleichen, mit ihnen verwechselt werden können oder deren Wirkung beeinträchtigen können, dürfen dort nicht angebracht oder sonst verwendet werden, wo sie sich auf den Verkehr auswirken können. Werbung und Propaganda in Verbindung mit Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind unzulässig.

(3) Ausgenommen von den Verboten des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und des Absatzes 2 Satz 2 sind in der Hinweisbeschilderung für Nebenbetriebe an den Bundesautobahnen und für Autohöfe die Hinweise auf Dienstleistungen, die unmittelbar den Belangen der am Verkehr Teilnehmenden auf den Bundesautobahnen dienen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die ein Unternehmen der Außenwerbung betreibt, begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Werbeanlage in Lübeck.

2

Mit bei der Beklagten am 02.09.2013 eingegangenem Bauantrag vom 01.08.2013 beantragte die Klägerin im Genehmigungsverfahren nach § 67 LBO die Erteilung einer Baugenehmigung für das Aufstellen einer Werbeanlage des Typs „Premium Großfläche“ mit wechselndem Plakatanschlag auf dem Grundstück Xxx 129 (Flurstück 1020/80, Flur 4, Gemarkung St. Lorenz). Es handelt sich dabei um eine hinterleuchtete Mega-Light- Werbeanlage mit einem Wechselmechanismus, bei dem bis zu fünf Plakate in einem Zeige- und Wechselintervall von vier Sekunden zum Aushang kommen können. Die Werbefläche beträgt ca. 9 m2. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorhabens wird auf die Antragsunterlagen der Klägerin verwiesen (vgl. Bl. 1-4, 10-16 Beiakte B).

3

Das Vorhabengrundstück befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans 05.31.00 (163, Teil 1, Xxx - Xxx) und ist dort teilweise als Straßenverkehrsfläche gem. § 9 Abs. 1 Nr. 11 festgesetzt worden. Die im Süden angrenzenden Grundstücke sind, soweit sie noch vom Geltungsbereich des Bebauungsplans erfasst werden, als Mischgebiet festgesetzt worden. Die Flächen nördlich und südlich der Straße xxx sind, soweit sie noch vom Geltungsbereich des Bebauungsplans erfasst werden und nicht als Straßenverkehrsfläche ausgewiesen sind, als Mischgebiet festgesetzt worden (vgl. Beiakte A).

4

Das Anbringungsgebäude befindet sich direkt an der Kreuzung der Straßen xxx, die in Richtung Osten in die xxx übergeht und der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden „Xxx“. Die Kreuzung der benannten Straßen ist beampelt. Im Kreuzungsbereich sind die Straßen vier- bis sechsspurig ausgestaltet (vgl. Übersichtsaufnahmen bei „google maps", Bl. 49 - 51 d.A.). Aus sämtlichen Richtungen kommend, können Fahrzeuge die Kreuzung sowohl geradeaus passieren als auch jeweils nach links oder rechts abbiegen. Fußgänger und Radfahrer können die Kreuzung auf allen Seiten an beampelten Überwegen in jeweils beide Richtungen passieren.

5

Die Anlage soll an dem Giebel des auf dem Flurstück 1020/80 belegenen Gebäudes angebracht werden. An der Giebelseite des Gebäudes, das zu Wohnzwecken genutzt wird, befinden sich bereits zwei großflächige Werbeanlagen („Xxx" und xxx). Der Eigentümer des Grundstücks, Herr Xxx, hat der Klägerin mit Schreiben vom 26.06.2013 seine Zustimmung für das Anbringen der Werbeanlage erteilt. Die geplante Anlage wird ca. 30 cm in den Luftraum hineinragen. Nördlich des Vorhabengrundstücks verläuft die Straße xxx. Zwischen dem Straßenkörper sowie dem parallel hierzu verlaufenden Geh- und Radweg und dem Anbringungsgebäude befindet sich eine schmale Grünfläche, die im Eigentum der Beklagten steht. Auf dieser Fläche befinden sich unter anderem eine Telefonzelle sowie eine freistehend errichtete Werbeanlage (Bild 14). Vor der Hauswand des Gebäudes Xxx 129 hin zur Straße xxx befindet sich ein ca. 1,20 m hoher und ca. 30 cm breiter Sockel (Bild 20).

6

Auf der dem Vorhabengrundstück in Richtung Norden gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich das Hotel xxx. An dem Hotelgebäude wurde eine Werbeanlage in der Art einer Video-Wall installiert (Bild 15). Dem Hotel in Richtung Osten gegenüberliegend - auf der anderen Seite der Straße „Xxx" - befindet sich ein gewerblich genutztes Gebäude, an dem mehrere Werbeanlagen angebracht wurden („Staples", „Perfect Fitness", „randstad", vgl. Bilder 1, 2, 5, 12, 13). Westlich vom Vorhabenrundstück befinden sich ebenfalls mehrere gewerblich genutzte Anlagen (u.a. xxx, „Xxx", „xxx"). In diesem Bereich sind eine Vielzahl von Anlagen für Eigen- und Fremdwerbung vorhanden (Bilder 7, 8, 21, 22). Die südlich vom Vorhabengrundstück belegenen Gebäude in der Xxx (u.a. Nr. 125 - 127a) werden auch zu Wohnzwecken genutzt. Die auf der gegenüberliegen Seite der Straße Xxx belegenen Gebäude werden ebenfalls - zumindest teilweise - zu Wohnzwecken genutzt.

7

Die Lage des Vorhabengrundstücks an der Straßenkreuzung ergibt sich aus folgenden Darstellungen (Lageplan Bl. 11 Beiakte B, Aufnahme aus Digitaler Atlas Nord):

Abbildung
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Abbildung
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8

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 12.11.2013 ab und führte zur Begründung Folgendes aus: Die geplante Werbeanlage sei bauplanungsrechtlich unzulässig, da sie auf einer festgesetzten Verkehrsfläche errichtet werden soll. Ferner sei die Anlage gem. § 11 LBO unzulässig, da sie zusammen mit bereits elf vorhandenen Werbeanlagen eine störende Häufung hervorrufen würde.

9

Die Klägerin legte gegen den Ablehnungsbescheid am 16.12.2013 Widerspruch ein. Sie ist der Ansicht, dass sich das Anbringungsgebäude nicht auf einer festgesetzten Straßenverkehrsfläche befinde. Der Bebauungsplan sei seit 45 Jahren bezüglich der geplanten Verkehrsfläche nicht realisiert worden und werde wohl auch in absehbarer Zeit nicht umgesetzt werden. Die Genehmigung könne mit der Maßgabe erteilt werden, dass sie bis zum Beginn der Realisierung des Bebauungsplans befristet wird. Die geplante Anlage führe auch nicht zu einer störenden Häufung. Es sei nicht feststellbar, auf welche weiteren Werbeanlagen sich die Beklagte beziehe. Am Giebel des Anbringungsgebäudes selbst würden sich zwei kleinere Werbeanlagen befinden.

10

Die Beklagte wies den Widerspruch unter Vertiefung ihrer Begründung mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2014 zurück. Durch das Vorhaben würde insbesondere eine störende Häufung im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 LBO entstehen. Über dem geplanten Vorhaben wurden bereits zwei Werbeanlagen angebracht. Vor der rechten Hälfte des Gebäudes seien zudem zwei weitere Werbeanlagen errichtet worden. Die benannten Anlagen befänden sich allesamt in einem einheitlichen Blickfeld eines Betrachters. Weitere Werbeanlagen seien auf der gegenüberliegenden Straßenseite am Hotel xxx und Gebäude xxx vorhanden. Die linke Hälfte des Anbringungsgebäudes wäre bei der Errichtung der geplanten Anlage fast vollständig von drei verschiedenen Werbeflächen bedeckt. Bei einer derartigen Häufung würde ein Durchschnittsbetrachter, auch in Ermangelung anderer Häuserfassaden an der Kreuzung, vergeblich nach einem Ruhepunkt suchen. Dieses Ruhebedürfnis würde durch die zahlreichen Werbeanlagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite weiter verstärkt.

11

Die Klägerin hat am 19.02.2014 Klage erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortag aus dem Verwaltungsverfahren. Dem Vorhaben könne die Festsetzung als Verkehrsfläche nicht entgegengehalten werden. Es sei nicht zu erwarten, dass diese Festsetzung überhaupt noch realisiert werde bzw. wegen der Bebauung der Grundstücke in absehbarer Zeit umgesetzt werden könne. Die geplante Anlage verursache auch keine störende Häufung im Sinne des Bauordnungsrechts. Es seien keine elf anderen Fremdwerbeanlagen mit einem Blick wahrnehmbar. Auch bei Annahme einer Häufung müsse beachtet werden, dass sich das Vorhabengrundstück in einem mehr als durchschnittlich gewerblich geprägten Bereich befinde. Um den Vorhabenstandort herum befänden sich diverse gewerbliche Nutzungen. Der Bebauungsplan setze diesen Bereich als Mischgebiet fest. In einem Mischgebiet, dass ganz überwiegend gewerblich geprägt sei, seien Werbeanlagen typischerweise anzutreffen. In einem überwiegend gewerblich geprägten Bereich trete eine Störung einer eventuell vorliegenden Häufung von Werbeanlagen erst später ein.

12

Die Klägerin beantragt,

13

die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 12.11.2013 und des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2014 zu verpflichten, der Klägerin die Genehmigung zur Anbringung einer Werbeanlage auf dem Grundstück Lübeck, Xxx 129 gem. näherer Darstellung in den Bauvorlagen zu erteilen.

14

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte trägt unter Wiederholung ihres Vortrags aus dem Verwaltungsverfahren Folgendes ergänzend vor: Die Ausweisung der mit der Werbeanlage überbauten Fläche im Bebauungsplan 05.31.00 als Verkehrsfläche sei bereits realisiert. Es handele sich um einen Teil der Straßenfläche, die als Verkehrsbegleitgrün angelegt sei. Eine gewerbliche Hauptnutzung sei dort planungsrechtlich unzulässig.

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Die Klägerin verfüge ferner über keine Genehmigung für die kommerzielle Inanspruchnahme ihres Straßengrundstücks, wozu auch der Luftraum gehöre. Die geplante Anlage rage in die Fläche des Flurstücks 80/4 hinein, welches als Straßenverkehrsfläche im Eigentum der Beklagten stehe. Bereits das Gebäude Xxx 129 überbaue die nördliche Grundstücksgrenze. Es handele sich auch nicht um eine bloß unbedeutende Überbauung. Es bestehe auch keine Duldungspflicht aus § 905 Satz 2 BGB. Die Klägerin könne sich auch nicht auf den Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen berufen. Zu dem Gemeingebrauch an einer öffentlichen Straßenfläche gehöre nicht deren Nutzung mit Fremdwerbeanlagen. Da die Beklagte keine Zustimmung für die Inanspruchnahme ihres Grundstücks erteilen werde, fehle der Klägerin schon das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Die Beklagte werde der Klägerin auch keine Sondernutzungserlaubnis erteilen. Sie habe im Jahr 2011 eine Dienstleitungskonzession vergeben, die einem anderen Unternehmen ein exklusives Werberecht auf öffentlichen Verkehrsflächen zubillige. Dies schließe es aus, der Klägerin im öffentlichen Straßenraum eine derartige Sondernutzung zu gestatten.

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Die geplante Werbeanlage stehe auch im Widerspruch zu § 17 Abs. 2 LBO, wonach die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen oder deren Nutzung nicht gefährdet werden darf. Dies sei bei der geplanten Anlage jedoch der Fall. Aufgrund ihres Plakatwechselsystems komme es zu einem häufigen und plötzlichen Wechsel der Werbebotschaften. Dies führe an der sehr stark genutzten Kreuzung zu einer unverträglichen Ablenkung der Verkehrsteilnehmer. Die geplante Anlage sei durch den häufigen und abrupten Bildwechsel gezielt darauf ausgelegt, die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer in besonderer Weise auf sich zu ziehen. Es sei zu beachten, dass die Anlage gleichzeitig mit der Fußgängerampel an der Einmündung der Straße xxx wahrnehmbar sei. Von ihr gehe deshalb ein besonderes Gefahrenpotential aus. Fußgänger könnten von ihr abgelenkt werden und den Überweg trotz rotem Lichtsignal betreten.

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Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 28.04.2015 den Vortrag der Beklagten in Abrede gestellt, wonach das Vorhaben auf einer städtischen Fläche errichtet werden soll und dass der öffentliche Luftraum tangiert werde. Es treffe auch nicht zu, dass sich der Giebel des Anbringungsgebäudes auf öffentlichem Grund befinde. Grenzsteine seien auf dem Vorhabengrundstück nicht vorhanden. Die Gebäudestruktur zeige vielmehr, dass der Sockel grenzständig errichtet sei und die zurückspringende Giebelwand deutlich auf dem Vorhabengrundstück liege. Die Anlage werde sich vollständig auf dem Flurstück 1020/08 befinden.

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Mit Beschluss vom 10.02.2015 hat die Kammer den Rechtsstreit gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

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Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat eine Ortsbesichtigung stattgefunden. Das Vorhabengrundstück sowie die nähere Umgebung wurden in Augenschein genommen. Es wurden Lichtbilder gefertigt (Bl. 61 - 72 d.A.).

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO) ist unbegründet. Der Ablehnungsbescheid vom 12.11.2013 und der Widerspruchsbescheid vom 05.02.2014 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den Erlass der beantragten Baugenehmigung.

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Anspruchsgrundlage ist § 73 Abs. 1 Satz 1 LBO. Danach ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das beantragte Vorhaben verstößt gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften. Die Werbeanlage ist mit den maßgeblichen Vorgaben des Bauordnungsrechts nicht vereinbar.

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1. Das Vorhaben ist wegen eines Verstoßes gegen § 11 Abs. 2 Satz 2 LBO unzulässig. Danach dürfen Werbeanlagen die Sicherheit des Verkehrs nicht beeinträchtigen.

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Die Frage der Gefährdung der Sicherheit des Verkehrs, worunter auch der Radfahrer- und Fußgängerverkehr zu zählen ist, richtet sich nach den örtlichen Verhältnissen (Beampelung, Straßenführung, Mehrspurigkeit, Bus- und Radfahrerspuren usw.) und den daraus folgenden Anforderungen an die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer (vgl. Domning/Möller/Suttkus, Kommentar zur LBO S-H, 11. EL, August 2010, § 11 Rn 9). Nach allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung der Obergerichte ist bei der Frage der Verkehrsgefährdung unter anderem nach der Art der zu errichtenden Werbeanlage und den sich daraus ergebenden Ablenkungswirkungen zu differenzieren (vgl. OVG Münster, Urt. v. 28.08.2013 - 10 A 1150/12 - juris, m.w.N.). Insoweit gilt:

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Voraussetzung für eine Verkehrsgefährdung ist die Erwartung, dass ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer durch die geplante Werbeanlage abgelenkt wird, wobei auf die jeweiligen örtlichen Verhältnisse abzustellen ist. Eine abstrakte Gefährdung genügt nicht. Entscheidend ist, ob durch die geplante Werbeanlage ein Zustand geschaffen wird, der eine konkrete Gefährdung erwarten lässt (OVG Münster, Urt. v. 18.09.1992 - 11 A 149/91 -; Urt. v. 17.04.2004 - 10 A 4188/01 - jeweils juris; st. Rspr. OVG Koblenz, z.B. Urt. v. 18.08.2005 - 1 A 10507/05.OVG - und Beschl. v. 13.12.2011 - 8 A 11068/11.OVG - jeweils zit. nach juris). Eine konkrete Gefahr ist dabei gegeben, wenn aus einer tatsächlich vorhandenen Situation hinreichend wahrscheinlich eine Gefährdung der betroffenen Rechtsgüter erfolgt. Gerade in dem jeweiligen Einzelfall muss in überschaubarer Zukunft mit einem Schadenseintritt zu rechnen sein. Dabei hängen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit von der Qualität des möglicherweise eintretenden Schadens ab. Da mit dem Leben und der Gesundheit der Verkehrsteilnehmer und der übrigen möglicherweise vom Verkehrsgeschehen betroffenen Menschen hohe Schutzgüter in Rede stehen, dürfen an die Feststellung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts keine übermäßig hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. OVG Münster, Urt. v. 18.09.1992 - 11 A 149/91 -, Beschl. v. 21.11.2000 - 7 A 5203/00 -; Urt. v. 06.02.2003 - 10 A 3464/01 -; Urt. v. 17. April 2004 - 10 A 4188/01 - jeweils zit. nach juris; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, 70. EL August 2010, BauO NRW, § 13 Rn 95). Ausgehend von diesen Grundsätzen entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass mit Rücksicht auf die Fülle der Eindrücke, denen ein Verkehrsteilnehmer im modernen Stadtverkehr ständig, insbesondere durch Werbung aller Art, ausgesetzt ist, von herkömmlichen Werbeanlagen ohne Bildwechsel in der Regel keine Ablenkung und damit keine verkehrsgefährdende Wirkung ausgeht (vgl. OVG Münster, a.a.O.; OVG Koblenz, a.a.O.; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, § 13 Rn. 96 m.w.N.). Im Vergleich zu herkömmlichen Werbeanlagen führen etwa Mega-Light-Werbeanlagen ebenso wie andere Werbeanlagen mit beweglichen oder wechselnden Bildern zu einer qualitativ gesteigerten visuellen Ablenkung von Kraftfahrzeugführern. Es gilt der Grundsatz, dass ein Betrachter auf bewegliche Anlagen empfindlicher reagiert als auf ruhende Objekte. Diese Wirkung wird durch die Erzeugung eines Überraschungseffektes und die Weckung der Neugier (auf das nächste Bild) hervorgerufen und verstärkt (Vgl. OVG Münster, Urt. v. 18.09.1992 - 11 A 149/91 - juris). Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass entsprechende Anlagen gleichsam regelmäßig zu einer Verkehrsgefährdung führen, soweit sie nicht ausnahmsweise in einen verkehrlich besonders ruhigen Raum hineinwirken. Denn auch im Hinblick auf Wechselwerbeanlagen hat mittlerweile ein Gewöhnungseffekt eingesetzt, der eine derartige allgemeine Wertung nicht mehr trägt. Dies schließt aber nicht aus, dass entsprechende Anlagen im Einzelfall die Sicherheit des Verkehrs gefährden. Dies ist je nach Stand und Anbringungsort der Anlage eine Frage der Prüfung des Einzelfalls (vgl. OVG Münster, Urt. v. 21.11.200 - 7 A 5203/00 -; Urt. v. 06.02.2003 - 10 A 3464/01 - jeweils nach juris; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O., Rn 100 m.w.N.; OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Maßgebend für die Beurteilung im Einzelfall sind einerseits die konkreten örtlichen Verhältnisse, insbesondere die Straßen- und Verkehrsverhältnisse einschließlich bereits bestehender Gefahrensituationen, andererseits die Fähigkeit eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers, die Situation zu bewältigen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 18.09.1992 - 11 A 149/91 - juris). Die Annahme einer konkreten Verkehrsgefährdung unter dem Aspekt der außergewöhnlich schwierigen verkehrlichen Situation setzt voraus, dass nach den örtlichen Verhältnissen der Verkehr von solcher Komplexität ist, dass er die volle Konzentration des Kraftfahrzeugführers erfordert, um Unfälle, insbesondere Auffahrunfälle, zu vermeiden. Angesprochen sind damit "unfallträchtige" Verkehrsstellen, an denen - etwa bei mehrspurigen Fahrbahnen und Kreuzungsbereichen - mehrere Verkehrsvorgänge zeitgleich auf engem Raum bei nicht unerheblichen Geschwindigkeiten stattfinden oder die Gesamtsituation für die Verkehrsteilnehmer aus anderen Gründen - etwa in Kurven oder bei schwer einsehbaren Abbiegungen - äußerst unübersichtlich ist oder aber die Werbeanlage erst kurz vor dem Passieren sichtbar wird und daher für Verkehrsteilnehmer einen Überraschungseffekt bringt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 06.02.2003 - 10 A 3464/01 - juris).

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Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und der örtlichen Gegebenheiten im Umfeld der geplanten Werbeanlage, von denen sich der Einzelrichter im Rahmen der Ortsbesichtigung einen Eindruck verschafft hat, ist die Annahme, dass die geplante Anlage eine konkrete Verkehrsgefährdung erwarten lässt, gerechtfertigt. Es handelt sich um eine Anlage mit automatischem Bildwechsel, von der bereits grundsätzlich eine erhöhte Ablenkungswirkung ausgeht. Weiterhin stellt sich die örtliche Verkehrssituation in dem zeitweilig stark frequentierten Kreuzungsbereich der Straßen xxx, „Xxx" und xxx als schwierig und komplex dar. In dem Einwirkungs- bzw. Ablenkungsbereich der geplanten Anlage sind von den Verkehrsteilnehmern, insbesondere von den Fahrzeugführern und Radfahrern, auf engem Raum vielfältige und zum Teil komplexe Verkehrsvorgänge zu bewältigen, welche ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration verlangen.

29

Kraftfahrzeugführer, die auf der „Xxx" aus nördlicher Richtung kommend auf die Kreuzung zufahren und nach rechts in die Straße xxx abbiegen wollen, müssen auf die Radfahrer und Fußgänger achten, welche die Straße xxx überqueren wollen (vgl. Bilder 3, 4, 6, 7, 17-19). Sowohl für die rechtsabbiegenden Fahrzeuge als auch für die Radfahrer und Fußgänger sind die jeweiligen Ampeln zur gleichen Zeit auf „grün" geschaltet. Ein sog. „Rechtsabbiegepfeil" ist nicht vorhanden. Die Fahrzeugführer haben sich somit darauf zu konzentrieren, dass es zu keinen Kollisionen mit passierenden Radfahrern und Fußgängern kommt. Zudem ist zu beachten, dass die Kreuzung von Radfahrern und Fußgängern aus beiden Richtungen passiert werden kann. Bei Radfahrern ist weiterhin zu berücksichtigen, dass sie teilweise mit hohen Geschwindigkeiten in den Kreuzungsbereich einfahren. Die Fahrzeugführer müssen demnach während des gesamten Abbiegevorgangs den auf sie zukommenden und den rückwärtigen Radfahrer- und Fußgängerverkehr im Blick haben und sich ggf. innerhalb weniger Augenblicke auf neue Situationen einstellen und entsprechend reagieren können. In diesem Zeitraum sind sie gegenüber Ablenkungen besonders empfindlich. Vor allem der erhöhte Ablenkungseffekt der Wechselwerbeanlage kann sich hierbei negativ auf die gebotene hohe Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer auswirken. Dies gilt auch für die passierenden Radfahrer und Fußgänger. Diese können sowohl durch die geplante Werbeanlage als auch die durch Werbeanlage (Video-Wall) an dem Hotel erheblich abgelenkt werden (vgl. Bild 15). Eine vergleichbare Situation stellt sich für die Verkehrsteilnehmer beim Rechtsabbiegen von Fahrzeugen aus der Straße xxx kommend in die Straße „Xxx" in Richtung Süden und beim Linksabbiegen von Fahrzeugen aus der xxx kommend in die Straße „Xxx" in Richtung Süden (vgl. Bilder 10, 11). Die geplante Anlage wirkt auch hier in eine komplexe Verkehrssituation hinein, bei der die Fahrzeugführer auf die aus beiden Richtungen kommenden Fahrradfahrer und Fußgänger zu achten haben. Auch hier gilt, dass vor allem Radfahrer mit nicht unerheblichen Geschwindigkeiten in die Kreuzungsbereiche einfahren können, weshalb von den Fahrzeugführern während des gesamten Abbiegevorgangs ein hohes Maß an Konzentration gefordert wird.

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Zusammenfassend ergibt sich aus den dargestellten Gründen, dass der Verkehr in den maßgeblichen Kreuzungsbereichen von einer solchen Komplexität ist, dass er die volle Konzentration der Kraftfahrzeugführer und anderen Verkehrsteilnehmer erfordert, um Unfälle zu vermeiden. Es finden mehrere Verkehrsvorgänge zeitlich auf engem Raum und mitunter auch nicht unerheblichen Geschwindigkeiten statt. Die geplante Anlage würde in dieser Gemengelage zu einer Erhöhung der Unfallgefahr und somit zu einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit führen.

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2. Der Errichtung der Werbeanlage steht zudem das Verbot der störenden Häufung gem. §11 Abs. 2 Satz 3 LBO entgegen. Das Verbot der störenden Häufung ist ein Unterfall des allgemeinen Verunstaltungsgebots. In der Rechtsprechung ist der Begriff der Verunstaltung definiert als ein hässlicher, das ästhetische Empfinden des Betrachters nicht bloß beeinträchtigender, sondern verletzender Zustand. Eine bauliche Anlage stört das Gesamtbild der Umgebung, wenn der Gegensatz zwischen ihr und der Umgebung von dem Betrachter als belastend oder unlusterregend empfunden wird. Bei der Beurteilung ist auf das Empfinden des sogenannten gebildeten Durchschnittsmenschen abzustellen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 28.08.2013 - 10 A 1150/12 - juris). Maßgeblich ist, ob der Anblick bei einem nicht unbeträchtlichen, in durchschnittlichem Maße für ästhetische Eindrücke aufgeschlossenen Teil der Betrachter nachhaltigen Protest auslöst (vgl. BVerwG, Beschl. vom 13.04.1995 - 4 B 70/95, NJW 1995, 2648).

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Eine Häufung im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 3 LBO setzt ein räumlich dichtes Nebeneinander einer Mehrzahl gleicher oder verschiedener Anlagen der Außenwerbung voraus (Domning/Möller/Suttkus, a.a.O., § 11 Rn 10 m.w.N.). Dabei sind Werbeanlagen jeder Art in die Betrachtung einzubeziehen. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um Fremd- oder Eigenwerbung, genehmigungsfreie, genehmigungspflichtige oder nur geduldete Einrichtungen handelt. Eine Häufung von Werbeanlagen liegt nur vor, wenn mehrere, mindestens aber drei Werbeanlagen in eine enge räumliche Beziehung gebracht werden. Der Begriff der Häufung erfordert, dass diese Werbeanlagen gleichzeitig im Gesichtsfeld des Betrachters liegen und ihre optische Wirkung gleichzeitig gemeinsam ausüben. Die Werbeanlagen müssen ohne Weiteres mit einem Blick erfasst werden können. Das Straßenbild darf nicht in verschiedene Teilstrecken aus unterschiedlicher Blickrichtung gleichsam zerlegt werden (vgl. OVG Münster, Urt. v. 28.08.2013 - 10 A 1150/12 - juris, m.w.N.; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O. § 13 Rn 89 f. m.w.N.). Die Störung setzt voraus, dass der für die Häufung maßgebliche örtliche Bereich im Gesichtsfeld des Betrachters derart mit Werbeanlagen überladen ist, dass das Auge keinen Ruhepunkt mehr findet und das Bedürfnis nach werbungsfreien Flächen stark hervortritt. Wann die störende Wirkung eintritt, hängt wesentlich von dem Baugebietscharakter der vorhandenen Bebauung und der tatsächlichen Nutzung des Gebiets ab (vgl. Domning/Möller/Suttkus, a.a.O., § 11 Rn 10 m.w.N.; VG Neustadt, Urt. v. 09.01.2014 - 4 K 630/13.NW - juris m.w. Rechtsprechungsnachweisen). Diese Annahme wird auch durch die Regelung des § 11 Abs. 4 LBO gestützt. Verbietet diese Bestimmung ein Einwirken von Fremdwerbung auf vornehmlich dem Wohnen dienende Baugebiete, so ist bei der Beurteilung, ob eine Häufung von Fremdwerbeanlagen stört, zu berücksichtigen, dass diese in Misch-, Kern-, Gewerbe- und Industriegebieten grundsätzlich zulässig sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.04.1972- 4 C 11. 69 -, BVerwGE 40, 94). Ferner ist der unbestimmte Rechtsbegriff „störende Häufung“ im Lichte der Bedeutung und Tragweite der Grundrechte in Form der Gewerbe- und Baufreiheit (Art. 12 Abs. 1 u. 14 Abs. 1 Grundgesetz) zu sehen. Bei Würdigung dessen ist der auslegungsbedürftige Verbotstatbestand in einem gewerblich geprägten Mischgebiet zugunsten des Bauwilligen zurückhaltend anzuwenden (vgl. VG Neustadt, Urt. v. 09.01.2014 - 4 K630/13.NW - juris, m.w.N.).

33

In Anwendung dieser Grundsätze ist bei Hinzutreten der beantragten Werbeanlage von einer störenden Häufung im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 3 LBO auszugehen. Das Entstehen einer Häufung liegt nach dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten unzweifelhaft vor. Bereits unmittelbar vor bzw. an der Giebelseite des Anbringungsgebäudes befinden sich bereits drei großflächige Werbeanlagen, die sich gleichzeitig im Blickfeld eines Betrachters befinden, der sich nördlich oder westlich von dem Anbringungsgebäude befindet. Hinzu kommen die vielfältigen Anlagen der Eigen- und Fremdwerbung im Bereich der Straße „xxx", die sich westlich an das Anbringungsgebäude anschließen und unter anderem auf die dort vorhandenen Gewerbebetriebe hinweisen (vgl. Bilder 3, 4, 6-9, 14, 21, 22).

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Mit der geplanten Anlage tritt auch eine Störung im dargelegten Sinne ein. Der örtliche Bereich, der sich im Blickfeld eines Betrachters befindet, ist bereits durch das Vorhandensein einer Vielzahl von Werbeanlagen derart geprägt, dass schon jetzt ein nicht unerhebliches Bedürfnis nach werbungsfreien Flächen besteht. Das Hinzutreten der Anlage würde diese Situation weiter belasten. Die an der Giebelseite des Vorhabengebäudes noch vorhandene Freifläche würde weiter reduziert und das Bedürfnis nach Flächen ohne Werbung weiter erhöht. Der Annahme einer störenden Häufung steht auch nicht entgegen, dass der sich westlich an das Anbringungsgebäude anschließende Bereich in der Straße xxx durch die dort vorhandenen Nutzungen stark gewerblich geprägt ist. Vorliegen ist insbesondere zu beachten, dass mit der geplanten Anlage in einem bestimmten Blickfeldbereich erstmals eine Werbeanlage mit Wechselmechanismus errichtet vorhanden wäre. Bislang sind in dem Blickfeld eines Betrachters, der sich am Standort des Hotels xxx oder im nordöstlichen Kreuzungsbereich befindet und auf die streitgegenständlichen Giebelwand schaut, lediglich statische Werbeanlagen - v.a. in Form von Plakaten und Fahnen - vorhanden. Das Vorhaben würde somit für zusätzliche Unruhe in der bereits bestehenden Situation sorgen. Des Weiteren ist zu beachten, dass sich für einen Betrachter, der sich nordöstlich des Anbringsgebäudes befindet nicht nur die gewerblichen Nutzungen in der Straße xxx im Blick hat, sondern zugleich auch südlich vom streitgegenständlichen Grundstück belegenen Gebäude wahrnehmbar sind, die auch zu Wohnzwecken genutzt werden (vgl. Bilder 21, 22, 24). In diesem Bereich befinden sich innerhalb eines vergleichbaren räumlichen Bereichs wesentlich weniger Werbeanlagen als in der Straße xxx. Die geplante Wechselwerbeanlage würde in diese vergleichsweise beruhigte und durch weniger gewerbliche Nutzungen geprägte Situation erheblich eingreifen und das Bedürfnis nach werbungsfreien Flächen signifikant erhöhen.

35

3. Ob dem streitgegenständlichen Vorhaben weitere öffentlich-rechtliche Vorschriften, insbesondere des Bauplanungsrechts, entgegenstehen oder ob der Klägerin das notwendige Sachbescheidungsinteresse fehlt, kann angesichts der dargestellten bauordnungsrechtlichen Unzulässigkeit der Werbeanlage dahinstehen.

36

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.