Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 29. März 2007 - 12 A 181/05

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2007:0329.12A181.05.0A
bei uns veröffentlicht am29.03.2007

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der am 19.12.1981 in ………. geborene Kläger ist russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Er verließ nach seinen Angaben am 11.05.2004 zusammen mit seiner Mutter seinen Wohnort in Tschetschenien und reiste zunächst nach ………. Von dort aus reiste er am 16.05.2004 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 19.05.2004 einen Antrag auf Gewährung politischen Asyls, den er im Wesentlichen wie folgt begründete:

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Er habe seine Heimat verlassen, da er dort mehrfach von russischen Militärangehörigen festgenommen und inhaftiert worden sei, letztmalig von März bis Mai des Ausreisejahres.

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Er sei ledig und habe bis zu seiner Flucht in einem Dorf in unmittelbarer Nähe zu …….. zusammen mit seiner Mutter gelebt. Bei einer der regelmäßig in seinem Heimatland stattfindenden Razzien russischer Soldaten habe man bei ihm zu Hause eine große Anzahl von Medikamenten entdeckt. Dies sei am 02.03.2004 gewesen. Die Razzia sei so abgelaufen wie immer, sie seien mit mindestens vier Mann in das Haus hineingekommen und hätten alles durchsucht. Die Durchsuchung habe nicht nur bei ihm, sondern auch in anderen Häusern des Ortes stattgefunden. Man habe ihn dann nach …….-……… gebracht, wo er in ein ehemaliges Internat verbracht worden sei. Man habe auch seine Mutter verhaftet, sie jedoch nicht so lange festgehalten wie ihn. Man habe ihn täglich mehrfach zu Verhören abgeholt und dabei auch verprügelt. Bei den Verhören habe man wissen wollen, wofür er die Medikamente gebraucht habe und wo sich sein Onkel und sein Vater befänden. In diesem Internat habe es sehr viele inhaftierte Personen gegeben. Er sei meist von drei Personen - einem Vorgesetzten und zwei weiteren - verhört worden. Der Mann seiner Tante arbeite mit den Föderalen zusammen, dieser habe sich dann um seine Freilassung gekümmert. Vor diesem Ereignis sei er schon ca. dreimal verhaftet und festgehalten worden, meistens für eine Woche. Dabei habe man ihn in seinem Dorf in eine ehemalige Fabrik gebracht, die zu einem Militärstützpunkt umgebaut worden sei. Es sei so, dass keiner mit einer Begründung verhaftet werde, die Menschen würden einfach so festgenommen. Er habe sich im letzten Tschetschenienkrieg nicht als Kämpfer beteiligt. Die Schwester seiner Mutter sei Ärztin, mit dieser habe er zusammen Medikamente in Dagestan eingekauft, diese seien dann nachts von tschetschenischen Kämpfern abgeholt worden. Er habe nicht innerhalb seines Heimatlandes, der Russischen Föderation, eine Zuflucht suchen können, da er nirgendwo als Tschetschene eine Registrierung erhalte.

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Mit Bescheid vom 08.04.2005 lehnte die Beklagte den Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen von § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen. Gleichzeitig setzte es eine Ausreisefrist und drohte die Abschiebung an. Hiergegen ist rechtzeitig Klage erhoben worden.

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Zur weiteren Begründung seiner Klage hat der Kläger ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen angegeben, seine Tante heiße …….. …….., diese sei Ärztin und arbeite in der Poliklinik in seinem Heimatdorf …….. Des Weiteren führe die Tante eine Apotheke, welche sich in der gleichen Straße wie die Klinik befinde. Der Ehemann der Tante sei ebenfalls tschetschenischer Volkszugehöriger und im Dorf als Vermittler zwischen Föderalen und Dorfbewohnern tätig, sein Name sei ……. ………. Der Tante sei nicht bekannt gewesen, dass der Kläger und seine Mutter die Medikamente an tschetschenische Kämpfer weitergeleitet hätten. Letztere hätten die Medikamente nachts im Hause des Klägers und seiner Mutter abgeholt. Der Großvater sei nachts in seinem Haus vermutlich von Föderalen umgebracht worden. Ein weiterer Onkel namens ……. ………. sei im Jahre 2002 verhaftet worden.

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Des Weiteren sei anzumerken, dass es zwei verschiedene Arten von „Verhaftungen“ gebe. Zum einen seien wiederkehrend alle, insbesondere jugendliche Männer des Dorfes, für mehrere Tage bis eine Woche mitgenommen und im Militärstützpunkt des Dorfes festgehalten worden. Diese Aktionen würden wörtlich übersetzt aus dem Russischen „Putzen“ genannt. Darüber hinaus habe es jedoch auch länger andauernde Inhaftierungen in dem ehemaligen Internatsgebäude in ……-……. gegeben.

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Der Kläger beantragt,

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unter Aufhebung des Bescheides vom 08. April 2005 die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festzustellen, sowie festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verweist zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.

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Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden. Er hat ergänzend ausgeführt, dass er sowohl über einen russischen Inlandspass als auch über einen Reisepass verfügt habe, beide seien ihm während der letzten Säuberung abgenommen worden. Er wisse nicht, wann diese Pässe ausgestellt worden seien. Er sei zu keiner Zeit in Grosny gewesen, um den Pass umzutauschen. Das Geld für die Ausreise - je 2000 $ pro Person- hätten seine Mutter und er durch den Verkauf des Hauses erhalten. Er habe in Tschetschenien nicht gearbeitet, die Familie habe sich von eigener Viehhaltung ernährt. Seinem Wissen nach lebten seine Tante und sein Onkel noch in Tschetschenien, seine Mutter habe noch gelegentlich über eine Freundin in Moskau mit diesen Kontakt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet.

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Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist, auch soweit er noch hinsichtlich der Ziff. 2-4 im Streit befindlich ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Er hat keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG. Auch Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 2-7 AufenthG liegen nicht vor.

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Bei der Anwendung und Auslegung des § 60 AufenthG sind die Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatenangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder Personen, die anderweitigen internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (QRL)- zu berücksichtigen. Diese Vorschriften sind infolge des Ablaufes der Umsetzungsfrist am 10.10.2006 unmittelbar anwendbar (BVerwG, Urteil vom 01.Februar 2007 - 1 C 24.06).

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Hinsichtlich der nachfolgenden Grundsätze geht die Kammer von einer Vereinbarkeit nationaler Regelung und Anwendung des Flüchtlingsschutzes mit den Anforderungen der QRL aus.

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Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559, Genfer Flüchtlingskonvention - GK -) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Verfolgungen wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperliche Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft (§ 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann nach Satz 4 ausgehen von

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a) dem Staat

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b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder

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c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.

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Das Flüchtlingsrecht bietet Schutz vor Verfolgung, die dem Einzelnen in Anknüpfung an die oben genannten unveränderlichen Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Dies kann im Sinne des Flüchtlingsrechts auch dann der Fall sein, wenn eine solche staatliche Einheit nicht besteht. Eine gezielte Rechtsverletzung in diesem Sinne liegt nicht vor bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatort zu erleiden hat wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen. Relevant im Sinne des Flüchtlingsrechts ist eine Verfolgung nur dann, wenn sie an ein geschütztes Merkmal anknüpft. Dies ist anhand der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst, nicht subjektiv anhand der Motive des Verfolgers zu beurteilen. Die in diesem Sinne gezielt zugefügte Rechtsverletzung muss von einer Intensität sein, die sich nicht nur als Beeinträchtigung, sondern als - ausgrenzende - Verfolgung darstellt. Das somit erforderliche Maß der Intensität ist nicht abstrakt vorgegeben, es muss vielmehr der humanitären Intention entnommen werden, die das Asylrecht prägt, nämlich demjenigen Aufnahme und Schutz zu gewähren, der sich in einer für ihn ausweglosen Lage befindet (BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989, - 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 -, BVerfGE 80, 315, 335).

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Stellt eine Person, die bereits einmal Verfolgung im oben genannten Sinn erlitten hat, einen Asylantrag, so hängt die Schutzgewährung davon ab, dass nach dem gewonnen Erkenntnisstand an einer Sicherheit vor erneut einsetzender Verfolgung auch nur ernsthafte Zweifel bestehen (diese Auslegung entspricht den Anforderungen des Art. 4 Abs. 4 QRL).

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Hat der Asylbewerber zuvor noch keine Verfolgung erlitten, so ist darauf abzustellen, ob ihm im Fall der Rückkehr Verfolgung mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, Urteil vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 - BVerfGE 80, 315; BVerwG, Urteil vom 25.9.1984 - 9 C 17/84 - BVerwGE 70, 169; Urteil vom 23.2.1988 - 9 C 85/87 - InfAuslR 1988, 194).

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Als vorverfolgt gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, wer seinen Heimatstaat entweder nach eingetretener oder vor unmittelbar drohender Verfolgung verlassen hat (BVerfG, Urteil vom 10. Juli 1989, BVerfGE 80, 315; BVerwG, Urteil vom 30.10.1990, BVerwGE 87, 52). Unter einer eine Vorverfolgung begründenden unmittelbar drohenden Verfolgung ist eine bei Ausreise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung zu verstehen (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993, DVBl. 1994,524). Als vorverfolgt gilt danach auch derjenige, dem bei der Ausreise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, was stets dann anzunehmen ist, wenn bei qualifizierter Betrachtungsweise die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Die bei Anwendung dieses Maßstabs gebotene qualifizierende Betrachtungsweise bezieht sich dabei nicht nur auf das Element der Eintrittswahrscheinlichkeit, sondern auch auf das Element der zeitlichen Nähe des befürchteten Ereignisses. Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar zugreift. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Auch diese aus der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sind mit Art. 4 Abs. 4 QRL vereinbar.

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Vorliegend kann indes dahingestellt bleiben, ob der Kläger individuell vorverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist ist. Ebenso braucht hier nicht entschieden zu werden, ob tschetschenische Volkszugehörige in Tschetschenien einer regionalen oder örtlich begrenzten Gruppenverfolgung zum Ausreisezeitpunkt unterlagen oder eine solche zum heutigen Zeitpunkt anzunehmen ist, denn in allen genannten Konstellationen wird ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch eine zum jetzigen Zeitpunkt für den Kläger als gegeben anzusehende interne Schutzalternative ausgeschlossen.

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Gemäß Art. 8 Abs. 1 QRL können die Mitgliedsstaaten bei der Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und vom Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Bei dieser Prüfung, ob ein Teil des Herkunftslandes diese Voraussetzungen erfüllt, berücksichtigten die Mitgliedstaaten die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag. Abs. 1 kann auch dann angewandt werden, wenn praktische Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland bestehen (Art. 8 Abs. 3 QRL). Gemäß Art. 4 Abs. 3 Buchstabe c der QRL sind bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz - so der Titel von Kapitel II der QRL - die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Antragstellers, einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter zu berücksichtigen.

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Nach Art. 8 Abs. 1 QRL ist die Frage einer in einem Teil des Hoheitsgebietes des Herkunftslandes bestehenden Schutzalternative im Rahmen der abschließenden Verfolgungsprognose zu prüfen. Somit soll es nach der Richtlinie nicht mehr in erster Linie um die Prüfung gehen, ob im Zeitpunkt der Flucht innerhalb des Herkunftsstaates interne Schutzzonen als Alternative zur Flucht bestanden, sondern darum, ob im Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchstabe a RL) derartige Zonen als Alternative zum internationalen Schutz zur Verfügung stehen. Nach der Auffassung des Gerichts bedarf es deshalb im Rahmen der Entscheidung über den Flüchtlingsstatus keiner rückschauenden Prognose als Vorfrage für die Anwendung des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes mehr; war der Antragsteller vor seiner Ausreise in einem Teil seines Herkunftslandes von Verfolgung betroffen, ist er unbeschadet bestehender interner Fluchtalternativen im Sinne der bisherigen deutschen Rechtsprechung als vorverfolgt anzusehen (Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung - Erläuterungen zur Richtlinie 2004/83/EG, § 14 Rn. 10).

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Die Prüfung des Vorhandenseins einer internen Schutzalternative setzt die nach den tatsächlichen Verhältnissen des Herkunftslandes zu treffende Feststellung voraus, dass sie hinreichende Sicherheit vor (erneuter) politischer Verfolgung gewährleistet. Dieser Schutz vor Verfolgung muss am Maßstab der QRL gemessen werden, d. h. am Ort des internen Schutzes darf keine begründete Furcht vor Verfolgung bestehen. Dabei ist von einer Regelvermutung der landesweiten Verfolgung durch staatliche Akteure auszugehen; auch die nationale Rechtsprechung geht davon aus, dass der interne Schutzeinwand regelmäßig nur bei Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure Anwendung finde (Marx, aaO, § 14 Rn. 20 unter Hinweis auf BVerfGE 81, 58). Nur ausnahmsweise sei es gerechtfertigt, bei Verfolgungen durch staatliche Behörden das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative zu prüfen („mehrgesichtiger“ Staat, BVerwG, InfAuslR 1994, 375).

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Neben der Verfolgungssicherheit kann vom Antragsteller vernünftigerweise nur dann erwartet werden, dass er den verfügbaren internen Schutzort aufsucht, wenn unter Berücksichtigung seiner persönlichen Lebensumstände dieser für ihn zumutbar ist. Insbesondere für die Beurteilung der konkreten Lebensverhältnisse legt Art. 8 Abs. 2 QRL den Mitgliedsstaaten eine konkrete, die persönlichen Umstände im Entscheidungszeitpunkt umfassende Bewertung auf. Die generalisierende Betrachtungsweise der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nach Ansicht des Gerichts insoweit mit der Richtlinie unvereinbar und damit überholt (Marx, aaO, Rdnr. 41).

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Gemäß Erwägungsgrund Nr. 3 der QRL stellen die Genfer Konvention und das Protokoll einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen dar. Die von Marx mit „Zumutbarkeitsbegriff“ umschriebenen Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 QRL müssen sich an dem sich aus Art. 1 A Nr. 2 GFK entnehmbaren menschenrechtlichem Schutzbedürfnis messen lassen.

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„Die Elemente des Flüchtlingsbegriffs ( der GK ) reflektieren ein menschenrechtliches Schutzbedürfnis. Sie verkörpern ein konkretes menschenrechtliches Schutzinstrument für bestimmte Menschenrechtsverletzungen. Der Flüchtlingsbegriff gewährt Personen, welche die Kriterien der Flüchtlingsdefinition erfüllen, mehr Freiheiten, als ihnen in ihrem Herkunftsland eingeräumt wurden. Daraus folgt, dass die Feststellungsbehörde den Zumutbarkeitsbegriff als Schutzstandard verstehen muss, den die Konvention vorsieht und nicht als ein vages dem Belieben anheim gestelltes Konzept“ (Marx, aaO, Rdnr. 46). Hieraus folgt nach dieser zitierten Ansicht, dass dem Flüchtlingsantragsteller ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Unterstützung am Ort des internen Schutzes zuteil werden muss, der gebotene interne Schutz ist deshalb nicht gewährleistet, wenn der Antragsteller unter Berücksichtigung seiner persönlichen Lebensverhältnisse keine reale Möglichkeit zum wirtschaftlichen Überleben hat. Dieser aus dem dargelegten Verständnis von Art. 8 Abs. 1 QRL gewonnene Standard ist offener und oberhalb des Maßstabes bisheriger nationaler Rechsprechung anzusehen, welche insoweit bei der Prüfung der inländischen Fluchtalternative lediglich berücksichtigt, ob der Antragsteller dort nichts anderes zu erwarten hat, als ein „dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums“ (BVerwG, NVwZ-RR 1991, 442).

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Berücksichtigt man, dass der so beschriebene menschenrechtliche Schutzstandard nach den individuellen Verhältnissen des Antragstellers real verfügbar sein muss und als individuelle Faktoren Sprache, Bildung, persönliche Fähigkeiten, vorangegangener Aufenthalt, örtliche und familiäre Bindungen, Geschlecht, Alter, ziviler Status, Lebenserfahrung, soziale Einrichtungen, gesundheitliche Versorgung und verfügbares Vermögen (Marx, aaO, Rdnr. 58) sowie die kumulative Wirkung sämtlicher Besonderheiten von Bedeutung sind, lässt sich eine generalisierende, abstrakte Beurteilung eines Landesteils als zumutbare interne Schutzalternative nicht vornehmen.

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Zu diesen individuellen Verhältnissen im Hinblick auf den Zumutbarkeitsbegriff können auch Erkenntnisse über das individuelle Vorverfolgungsschicksal mit einfließen, die es im Einzelfall ausnahmsweise trotz vorhandener Verfolgungssicherheit und Sicherung eines wirtschaftlichen Überlebensstandards einem Flüchtling unzumutbar machen könnten, den Schutz dieses Landes in Anspruch zu nehmen. Hierfür spricht, dass die Genfer Konvention wesentlicher Bestandteil des der Richtlinie zugrundeliegenden internationalen Schutzes und des Flüchtlingsbegriffes ist. Nach Art. 1 C Nr. 5 und 6 GK („Wegfall der Umstände“- Klausel) fällt eine Person nicht mehr unter die Bestimmungen der GK, wenn sie es nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt. Hierbei wird jedoch unterstellt, dass die Bestimmungen dieser Ziffer auf keinen Flüchtling Anwendung findet, der sich auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes seines Heimatlandes abzulehnen. Diese Bestimmung ist inhaltlich umgesetzt worden in § 73 AsylVfG. Zwingende, auf früherer Verfolgung beruhende Gründe liegen vor, wenn Flüchtlinge oder ihre Familienangehörigen einer außergewöhnlichen menschenverachtenden Verfolgung ausgesetzt waren und deshalb von ihnen eine Rückkehr in ihr Heimatland nicht erwartet werden kann. Nach den UNHCR-Richtlinien zum internationalen Schutz fallen hierunter insbesondere Personen, die Opfer von Gewalt waren oder Gewaltanwendungen gegen Familienmitglieder ansehen mussten. Solche Gründe sind weiter anzunehmen, wenn schwere physische und psychische Schäden vorliegen, die infolge der bereits erlittenen politischen Verfolgung entstanden sind und sich bei einer Rückkehr in die Heimat verschlechtern würden (GK-AsylVfG, Stand Juni 2006 § 73 Rdnr. 62 unter Hinweis auf Hess. VGH, Beschluss vom 28.05.2003 - 12 ZU 2805/02.A).

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Die nachfolgend dargestellten tatsächlichen Verhältnisse in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens für ethnische geflohene Tschetschenen lassen daher an dem oben dargelegten Verständnis von Art. 8 QRL gemessen lediglich die Bewertung zu, ob grundsätzlich innerhalb der Russischen Föderation Landesteile vorhanden sind, die geeignet sind, einen solchen Schutzstandard zu vermitteln. Gleichwohl bedarf es in jedem Einzelfall einer konkreten Subsumtion unter Berücksichtigung individueller Verhältnisse.

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Die heutige Lage ethnischer Tschetschenen, insbesondere der aus Tschetschenien geflohenen Binnenflüchtlinge und Rückkehrer, lässt sich wie folgt skizzieren:

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Nach wie vor sind ethnische Tschetschenen Ziel benachteiligender Praktiken der Behörden. Menschenrechtsorganisationen berichten glaubwürdig über verstärkte Personenkontrollen und Wohnungsdurchsuchungen, zum Teil ohne rechtliche Begründung, Festnahmen, Strafverfahren aufgrund fingierter Beweise und Kündigungsdruck auf Arbeitgeber und Vermieter. Offensichtliche Diskriminierungen wie das Fälschen von Beweismitteln oder die Verfolgung durch die Miliz sind im Vergleich zum ersten Tschetschenienkrieg seltener geworden. Subtile Formen der Diskriminierung bestehen fort. Tschetschenen haben zum Beispiel weiterhin Schwierigkeiten, eine Wohnortregistrierung auf legalem Wege zu erlangen (AA, Lagebericht Russische Föderation (einschließlich Tschetschenien), Stand Juli 2006, vom 18.08.2006). In der Russischen Föderation leben außerhalb Tschetscheniens nach UN-Angaben im April 2006 noch 24.162 tschetschenische Binnenvertriebene in Inguschetien (8.828 in Übergangslagern und 15.334 in Privatunterkünften). Weitere Binnenvertriebene halten sich in den nordkaukasischen Nachbarrepubliken auf: Ca. 10.000 in Dagestan, 4.000 in Nordossetien, 10.000 in Kabardino-Balkarien und 23.000 in Karatschajewo-Tscherkessien. Darüber hinaus gibt es praktisch in allen russischen Großstädten eine große tschetschenische Diaspora: Nach Angaben der tschetschenischen Vertretung in Moskau halten sich dort ca. 200.000 Tschetschenen auf, davon die Mehrzahl illegal. Laut Volkszählung von 2002 gibt es in Moskau lediglich 14.465 offiziell registrierte Tschetschenen. 70.000 Menschen leben im Gebiet Rostov, 40.000 in der Region Stavropol und 30.000 in der Wolgaregion (Angaben des tschetschenischen Parlamentspräsidenten im Juni 2006). Die Gesamtzahl der tschetschenischen Binnenflüchtlinge wird mit ca. 500.000 angegeben. Die Lebensbedingungen für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich nach Angaben von internationalen Hilfsorganisationen in Tschetschenien selbst in letzter Zeit etwas verbessert, in den Nachbarrepubliken Dagestan, Inguschetien und Kabardino-Balkarien hingegen eher verschlechtert. Die Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan sind durch den Tschetschenienkonflikt am meisten betroffen, in diesen beiden Teilrepubliken wird die Sicherheitslage inzwischen von internationalen Organisationen (u. a. UN) schlechter als in Tschetschenien eingeschätzt. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen kommt es in Inguschetien zu schweren Menschenrechtsverletzungen einschließlich extralegaler Tötung und dem „Verschwinden“ von Zivilisten, verübt durch russische wie einheimische Sicherheitskräfte (und tschetschenische Rebellen, denen sich immer mehr Inguschen anschließen). Nach der Geiselnahme von Beslan 2004 und den Kämpfen in Naltschik im Herbst 2005 sind auch die vormalig ruhigen Republiken wie Kabardino-Balkarien und Nordossetien zunehmend in die Gewaltspirale einbezogen worden. Föderale und republikanische Sicherheitskräfte haben nach den Kämpfen in Naltschik mit Säuberungsoperationen reagiert; willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen, Folter und Mord an „Terrorverdächtigen“ sind nach übereinstimmenden Angaben aller Beobachter im ganzen Nordkaukasus an der Tagesordnung.

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Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern formal zwar das Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu, dieses Recht wird in der Praxis an vielen Orten (insbesondere in großen Städten wie z. B. Moskau und St. Petersburg) durch die Verwaltungsvorschriften stark erschwert. Die dort in den großen Städten bestehenden Zuzugsbeschränkungen gelten zwar unabhängig von der Volkszugehörigkeit, wirken sich jedoch im Zusammenhang mit anti-kaukasischer Stimmung stark auf die Möglichkeit rückgeführter Tschetschenen aus, sich legal dort niederzulassen. Nach Moskau zurückgeführte Tschetschenen haben deshalb in der Regel nur deshalb eine Chance, in der Stadt Aufnahme zu finden, wenn sie genügend Geld haben oder auf ein Netzwerk von Bekannten oder Verwandten zurückgreifen können. Die das ursprüngliche Propiska-System ersetzende Registrierung (gegenwärtiger Aufenthaltsort = vorübergehende Registrierung, Wohnsitz = dauerhafte Registrierung) legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum Bezug von Rentenleistungen. Voraussetzung für eine dauerhafte Registrierung ist der Nachweis des Vorhandenseins von Wohnraum. In den Regionen Krasnodar und Stavropol in Südrussland als neben Inguschetien und Moskau größte tschetschenische Diaspora innerhalb der Russischen Föderation ist eine Registrierung grundsätzlich leichter möglich als in Moskau, u. a. deshalb, weil Wohnraum dort erheblich billiger ist als in Moskau. Eine Registrierung ist in vielen Landesteilen gleichwohl erst oft nach Intervention von NROs, Dumaabgeordneten oder anderen einflussreichen Persönlichkeiten oder durch Bestechung möglich. Weitere Voraussetzung für eine Registrierung ist der ab 2004 geltende neue russische Inlandspass. Für diejenigen, die seit dem 01.07.2004 kein gültiges Personaldokument vorweisen können, gelten die üblichen Vorschriften: Sie müssen eine Geldstrafe zahlen, erhalten ein vorläufiges Personaldokument und müssen bei dem für sie zuständigen Meldeamt (d. h. am letzten Wohnsitz) die Ausstellung eines neuen Inlandspasses beantragen. Der Umtausch erfolgt ohne Sonderbedingungen, d. h. die Beantragung am Ort der befristeten Registrierung ist nicht mehr möglich. Es ist zwar grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen, an den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor Kontrollposten der Föderalen Truppen oder der sogenannten „Kadyrowzy“ (Truppen des tschetschenischen Vizepremier und Befehlshaber des Sicherheitsdienstes, Ramsan Kadyrow, Sohn des ermordeten ehemaligen Präsidenten Ahmed Kadyrow), die gewöhnlich eine Ein- bzw. Ausreisegebühr erheben.

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Nicht registrierte Tschetschenen können innerhalb Russlands allenfalls in der tschetschenischen Diaspora untertauchen und dort überleben. Wie ihre Lebensverhältnisse sind, hängt insbesondere davon ab, ob sie über Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse verfügen. Menschenrechtler beklagen eine Zunahme von Festnahmen wegen fehlender Registrierungen oder aufgrund manipulierter Ermittlungsverfahren (vgl. insgesamt zum Vorstehenden: AA, Lagebericht 18.08.2006).

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Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet in ihrem Tschetschenien-Update von November 2005 (Klaus Ammann, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Tschetschenien, 07.11.2005) davon, dass der Druck auf tschetschenische intern Vertriebene (tschetschenische Binnenflüchtlinge in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens) zu einer Rückkehr nach Tschetschenien zugenommen hat. Mit Entschädigungsversprechungen und physischer Gewalt wurden und werden sie zur Rückkehr nach Tschetschenien gedrängt. Die letzten drei Zeltlager in Inguschetien seien in der ersten Hälfte des Jahres 2004 offiziell geschlossen worden. Nach Angaben des UNHCR sei im Juni 2004 mit einer Zahl von ca. 48.000 tschetschenischen Internvertriebenen in der Russischen Föderation auszugehen gewesen. Die Lage der Tschetschenen in der übrigen RF habe sich nicht verbessert. Es werde ihnen systematisch der von der Föderationsregierung verwandte Status der „Zwangsmigranten“ verweigert, nur Zwangsmigranten könnten jedoch legal arbeiten oder Grundstücke erwerben. Nach wie vor herrsche in der RF eine stark antitschetschenische Stimmung, Diskriminierungen und Misshandlungen sowohl durch Privatpersonen als auch durch Beamte in Uniform seien weit verbreitet. Tschetschenen müssten willkürliche Verhaftungen, konstruierte Anklagen, illegale Identitätskontrollen, aber auch Angriffe durch Gruppen von Privatpersonen über sich ergehen lassen. Laut russischem Innenministerium seien in der ersten Hälfte des Jahres 2004 1.058 Gesetzeshüter vor Gericht gezogen worden wegen Misshandlungen, die Zahl solcher Fälle sei somit um 30 % gestiegen im Vergleich zur Vorjahresperiode. Trotzdem herrsche nach wie vor ein Klima der Straflosigkeit, oftmals schauten die Justizbehörden weg. Der Konflikt in Tschetschenien trage dabei direkt zur Brutalisierung der Gesetzeshüter bei, da Polizisten aus ganz Russland gemäß einem Rotationssystem für sechs Monate nach Tschetschenien geschickt würden. Dort „lernten“ sie willkürliche und gewalttätige Methoden, die sie anschließend in ihren Heimatstädten zur Anwendung brächten. Insbesondere in der Folge von Terroranschlägen habe die Polizei jeweils „Revancheaktionen“ durchgeführt gegen ethnische Tschetschenen und andere Menschen kaukasischer Herkunft. Vertriebenen aus Tschetschenien werde der Zugang zu Identitätspapieren noch erschwert. Sie könnten ihren Inlandspass nur in Tschetschenien ausstellen oder erneuern lassen, die Reise dorthin sei jedoch mit hohen Kosten für Bestechungsgelder und vielerlei Gefahren verbunden. Für einen Inlandspass müsse man 50 bis 100 Euro an Bestechungsgeldern zahlen. Laut „Memorial“ stimme die Auffassung nicht, an kleineren Orten ließe sich ohne Registrierung leben oder es sei dort einfacher, eine solche zu erhalten. Auf ihren Inlandspass müssten Tschetschenen in der Regel viel länger warten als andere Bürger des Landes, zum Teil Monate oder gar Jahre. Keinen Pass zu haben könne gefährlich sei - verschiedentlich seien Menschen aufgrund fehlender Dokumente von den Sicherheitskräften festgehalten und teils misshandelt worden. Zur Situation in den Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan führt die Schweizerische Flüchtlingshilfe aus, dass sich die Situation der Sicherheitslage stark verschlechtert habe.

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Die Menschenrechtsorganisation Memorial führt in ihrem Bericht „Menschen aus Tschetschenien in der Russischen Föderation, Juli 2005 bis Juli 2006 zur Situation der innerhalb der RF vertriebenen Tschetschenen aus, dass es keine Strukturen gebe, die Binnenvertriebenen Wohnraum, Arbeit oder materielle Unterstützung gewährleisten würden. Nach dem zweiten Tschetschenienkrieg habe sich die Zahl derjenigen Menschen aus Tschetschenien, die den Status eine „unfreiwilligen Umsiedlers“ erhalten hätten, auf 12.000 reduziert, hierbei handele es sich indes nicht um ethnische Tschetschenen, sondern um Angehörige anderer Ethnien. Die Registrierung von Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens sei ein großes Problem, meistens seien Vermieter nicht bereit, Tschetschenen eine Registrierung zu unterschreiben, um keine Schwierigkeiten mit der Miliz zu bekommen. Es bedürfe manchmal jahrelanger Anstrengungen, um eine Registrierung mit Hilfe anderer durchzusetzen. Umsiedler aus Tschetschenien ohne gültige Registrierung hätten mit vielen Problemen zu kämpfen, sie erhielten keine kostenlose medizinische Hilfe, obwohl sie diese aufgrund ihrer Vertriebenensituation dringend benötigten. Wer nicht registriert sei, könne nur eine Arbeit ohne Arbeitsvertrag annehmen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 122 sei der Empfang von staatlichen Unterstützungsgeldern und Renten bei fehlender Registrierung nicht möglich. Die Verfolgung der Tschetschenen habe sehr unterschiedliche Formen: Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung würden sie gesetzeswidrig verhaftet und beschuldigt. Memorial berichtet sodann von mehreren Einzelfällen unrechtmäßiger Strafverfolgung gegenüber Tschetschenen und stellt sodann fest, dass sich Dutzende von Tschetschenen nach wie vor aufgrund falscher Anklagen in Haft in der RF befänden.

42

Aus dieser Auskunftslage schließt das Gericht zunächst einmal, dass innerhalb der Russischen Föderation außerhalb der Nordkaukasusgebiete für ethnische Tschetschenen, die aus Tschetschenien geflüchtet sind oder aus dem Ausland in die Russische Föderation zurück kehren, grundsätzlich Regionen vorhanden sind, in denen hinreichende Sicherheit vor Verfolgung besteht. Dies gilt jedenfalls für solche Personen, bei denen ein landesweites Verfolgungsinteresse russischer Behörden wegen einer hervorgehobenen Bedeutung im tschetschenischen Widerstand nicht anzunehmen ist.

43

Angesichts der Zahl der innerhalb der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus lebenden tschetschenischen Binnenflüchtlinge (angesichts der o. g. Zahlen dürfte es sich hierbei nach ungefährer Schätzung um ca. 300.000 bis ca. 350.000 handeln) kann auch angesichts der nicht zu verkennenden schwierigen Lage der Tschetschenen innerhalb der Russischen Föderation indes nicht davon ausgegangen werden, dass in der gesamten Russischen Föderation die Gefahr ethnisch oder politisch motivierter Übergriffe mit der erforderlichen asylrelevanten Eingriffsintensität von staatlicher oder sonstiger dritter Seite als reale, d. h. mehr als nur entfernt liegende Möglichkeit besteht. Zwar scheiden nach den obigen Darlegungen Regionen wie Inguschetien, Dagestan, Karbadino-Balkarien und möglicherweise auch die südrussischen Regionen Stawropol und Krasnodar als solche orte mit hinreichender Verfolgungssicherheit aus. Indes ist davon auszugehen, dass eine große Anzahl der aus Tschetschenien geflohenen ethnischen Tschetschenen in den übrigen Gebieten der Russischen Föderation, insbesondere auch in der Wolgaregion, nicht der Gefahr erneuter Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9 QRL ausgesetzt sind.

44

Diese Einschätzung entspricht soweit ersichtlich der mehrheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung (VGH München, Urteil vom 31.01.2005, 11 B 02.31597 - zitiert nach Juris -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.01.2007, 13 LA 67/06 - zitiert nach Juris -, OVG Schleswig, Urteil vom 03.11.2005, 1 LB 259/01 - zitiert nach Juris -; VGH Baden Württemberg, Urteil vom 25.10.2006, A 3 S 46/06 - zitiert nach Juris -; auch die im Ergebnis die Zumutbarkeit einer internen Schutzalternative verneinenden Entscheidungen des OVG Magdeburg vom 31.03.2006 und des Hess. VGH vom 02.02.2006 - 1 E 519/02. A (3) - gehen insoweit vom Vorhandensein verfolgungsfreier Regionen innerhalb der russischen Föderation aus).

45

Ob ein solcher verfolgungsfreier Ort den Anforderungen an die Zumutbarkeit eines dortigen Aufenthaltes gerecht wird, ist - wie oben ausgeführt - anhand eines gemischt objektiv-individuellen Maßstabes zu beurteilen. Grundsätzlich geht die Kammer indes davon aus, dass die Erlangung einer den Mindestanforderungen an ein gesellschaftlich und wirtschaftlich menschenwürdiges Dasein entsprechenden Existenzmöglichkeit auch für tschetschenische Binnenvertriebene und Rückkehrer möglich ist.

46

Zunächst einmal ist festzustellen, dass nach der oben zitierten Auskunftslage auch für tschetschenische Volkszugehörige der Erhalt einer dauerhaften Registrierung jedenfalls außerhalb der Großstädte wie Moskau und St. Petersburg grundsätzlich möglich ist, wenngleich diese dauerhafte Registrierung auf bürokratische Hemmnisse und Widerstände treffen kann und oftmals erst mit der - allerdings auch zumutbaren - Inanspruchnahme von gerichtlicher Hilfe oder durch Unterstützung Dritter wie Menschenrechtsorganisationen möglich ist.

47

Sollte im Einzelfall der für eine jedenfalls dauerhafte Registrierung erforderlich Inlandspass nicht vorhanden sein, ist im Hinblick auf die Frage der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Schutzalternative danach zu differenzieren, ob ein solcher Inlandspass für tschetschenische Volkszugehörige mit zumutbarem Aufwand erlangbar ist.

48

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass nach Angaben des Leiters der Pass- und Visaabteilung im tschetschenischen Innenministerium vom 23.09.2004 alle 770.000 Bewohner Tschetscheniens, die noch die alten sowjetischen Inlandspässe hatten, neue russische Pässe erhalten haben (Auswärtiges Amt, Lagebericht Russische Föderation (einschließlich Tschetschenien) vom 17. März 2007). Sollten die zum Zeitpunkt des Ablaufes der Umtauschfrist nicht in Tschetschenien wohnhaften und registrierten tschetschenischen Bürger nicht über einen Inlandspass verfügen, so kann dieser grundsätzlich am Ort der Registrierung, mithin in Tschetschenien beantragt werden. Der Erlass Nr. 828 sieht eine maximale Bearbeitungsdauer von zehn Tagen für die Ausstellung eines Inlandspasses vor. Auskünften Moskauer Pass-Stellen und der Pass- und Visaverwaltung der tschetschenischen Republik in Grosny zufolge wird diese Frist sowohl in Moskau als auch in Tschetschenien in der Regel eingehalten. Nach Angaben der Pass- und Visaverwaltung in Tschetschenien kann die Ausstellung bei noch notwendigen Rückfragen bis zu einem Monat dauern. In diesen Fällen kann jedoch ein vorübergehender Ausweis ausgestellt werden, so dass die betreffende Personen Tschetschenien nach der Antragsangabe in Richtung des derzeitigen (vorläufigen) Wohnortes verlassen und zur Passausgabe wieder einreisen kann (Auswärtiges Amt an VGH München, Auskunft vom 03.03.2006).

49

Angesichts dieser Auskunftslage ist im Einzelfall zu prüfen, ob unter diesen Bedingungen einem Tschetschenen zugemutet werden kann, zwecks Erlangung eines (neuen) Inlandspasses zur Erlangung der Registrierung außerhalb Tschetscheniens kurzzeitig zur Passbeantragung nach Grosny zurückzukehren. Dies wird nach Ansicht der Kammer grundsätzlich dann der Fall sein, wenn nicht zu erwarten steht, dass selbst bei einem kurzfristigen Aufenthalt in Tschetschenien und Vorsprache bei der Pass- und Visaabteilung in Grosny unmittelbar und unverzüglich Verfolgungsmaßnahmen gegenüber der betreffenden Person ergriffen werden. Liegt mithin kein glaubhaft vorgetragenes, individuelles, zielgerichtetes Verfolgungsinteresse vor, kann eine kurzzeitige Rückkehr zwecks Passbeantragung als zumutbar angesehen werden. An einem solchen individuellen, zielgerichteten Vorgehen gegenüber einzelnen Personen des tschetschenischen Widerstandes kann es möglicherweise etwa in den Fällen fehlen, in denen gegenüber der tschetschenischen Zivilbevölkerung allgemein, z. B. im Rahmen sogenannter „Säuberungsaktionen“ vorgegangen worden ist.

50

Ist somit grundsätzlich von der Möglichkeit einer dauerhaften Wohnsitzregistrierung innerhalb der russischen Föderation auch für ethnische Tschetschenen auszugehen, kann auch die Möglichkeit einer dauerhaften wirtschaftlichen Existenzsicherung angenommen werden. Auch unter Berücksichtigung der Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen das wirtschaftliche Existenzminimum in aller Regel dann, wenn sie am Ort der internen Schutzalternative, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können (BVerwG, Urteil vom 01.02.2007 - 1 C 24.06 -, zitiert nach Juris). Von dem grundsätzlichen Vorhandensein solcher Erwerbsmöglichkeiten ist in der Russischen Föderation auszugehen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Anteil der sogenannten „Schattenwirtschaft“ am Bruttoinlandsprodukt bis zu 40 % beträgt und somit einen erheblichen Faktor erwerbswirtschaftlicher Einkommenserzielung darstellt. Zwar ist in ländlich strukturschwachen Gebieten - anders als in größeren Städten und Ballungszentren wie Moskau und St. Petersburg - die in der Russischen Föderation bei 7,2 % liegende durchschnittliche Arbeitslosenquote erheblich höher, indes ist hier allerdings auch der nicht unerhebliche Anteil des informellen Sektors und der Subsistenzwirtschaft auf dem Lande zu berücksichtigen.

51

Liegen mithin keine Anhaltspunkte im Einzelfall dafür vor, dass durch etwa erhebliche Einschränkungen in der Erwerbsmöglichkeit oder anderer sonstiger individueller Umstände ein dauerhaftes Leben außerhalb der Illegalität mit der Möglichkeit der Sicherung wirtschaftlicher und sozialer Mindestanforderungen an ein menschenwürdiges Überleben nicht möglich ist, ist somit grundsätzlich für tschetschenische Volkszugehörige von dem Vorhandensein einer internen Schutzalternative innerhalb der Russischen Föderation auszugehen.

52

Bezogen auf den Kläger folgt hieraus, dass ihm zugemutet werden kann, innerhalb der Russischen Föderation außerhalb der Gebiete des Nordkaukasus bei einer heutigen Rückkehr in die Russische Föderation die Möglichkeit eines internen anderweitigen Schutzes vor Verfolgung in Anspruch zu nehmen. Das vom Kläger geschilderte Verfolgungsgeschehen lässt im Sinne der obigen Darlegungen erkennen, dass jedenfalls ein kurzfristiger Aufenthalt in Grosny zum Zwecke der Passbeantragung - sollte der Kläger wie von ihm behauptet tatsächlich nicht über einen Inlandspass verfügen - zumutbar ist. Wie sich aus dem Vorbringen des Klägers zur Überzeugung des Gerichtes ergeben hat, ist er Opfer einer sogenannten Säuberungsaktion russischer Soldaten geworden, ein hervorgehobenes, nach wie vor bestehendes Verfolgungsinteresse an der Person des Klägers etwa wegen einer herausgehobenen Bedeutung und Bekanntsein im tschetschenischen Widerstand, welches einen sofortigen Zugriff auf den Kläger erwarten ließe, ist danach nicht anzunehmen.

53

Auch die Entscheidung der Beklagten zu Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides ist nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2- 7 AufenthG vorliegen könnten, sind vom Kläger weder vorgetragen noch in sonstiger Weise ersichtlich.

54

Die Klage ist mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

55

Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83 b AsylVfG.

56

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO iVm § 167 VwGO.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorg

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Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 05. Oktober 2005 - A 11 K 11032/05 - geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Recht

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 05. Oktober 2005 - A 11 K 11032/05 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger zu 1 ist am ....1977 in Atsch’Choi-Martan (südlich von Grosny) geboren und nach seinen Angaben ein tschetschenischer Volkszugehöriger. Seine Ehefrau, die Klägerin zu 2 ist am ....1982 ebenfalls in Atsch’Choi-Martan geboren, wo die Eheleute nach ihren Angaben zuletzt auch ihren Wohnort hatten. Am 20.01.2004 reisten die Kläger zusammen mit der Klägerin zu 3, ihrer am ....2003 geborenen Tochter, aus. Am 27.01.2004 wurden sie um 2.05 Uhr, versehen mit einer Bahnfahrkarte nach Belgien, in Dortmund aufgegriffen und suchten um Asyl nach.
Die Klägerin zu 2 war im Besitz eines am 08.05.2003 ausgestellten russischen Inlandspasses (neu). Der Kläger führte hingegen keinen neuen russischen Inlandspass mit, sondern nur eine vorläufige Bescheinigung, eine Art Passersatz, die ihm der Schlepper abgenommen hatte. Ansonsten hatte der Kläger an Dokumenten einen Führerschein, ein Schulzeugnis, eine Heiratsurkunde, die Geburtsurkunde seiner Tochter sowie eine Bescheinigung über die bestandene Fahrprüfung dabei.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt gab der Kläger an, er habe von Herbst/Winter 1996 bis Juni 1997 in einer Spezialeinheit von Maschadow gedient, die in einer ehemaligen Bleistiftfabrik in Atsch’Choi-Martan untergebracht gewesen sei. Danach sei er zur Bahnpolizei gekommen und habe dort bis 1999 in Grosny gearbeitet. Im letzten Jahr habe er von der Landwirtschaft gelebt. Im Sommer 2001 habe er eine Vorladung zur Miliz in Atsch’Choi-Martan erhalten. Er habe ein Gespräch mit drei russischen Milizoffizieren geführt, die von ihm verlangt hätten, wieder bei der Miliz zu arbeiten. Außerdem hätten sie Informationen darüber gefordert, wer noch Waffen besitzen könnte und wer früher noch bei der Miliz gearbeitet habe. Er habe zahlreiche Formulare mitgenommen und sei ohne sich festzulegen gegangen. Sein Vater habe ihm danach geraten, diese Sache bleiben zu lassen, obwohl er 1.000 Dollar bekommen hätte. Im September 2001 sei es nachts zu einer Säuberungsaktion gekommen, bei der einige Personen festgenommen worden seien, darunter auch er. Sie hätten nach Alchasur Dasajew gesucht, ihn dabei auch gefasst und in einem anderen Zimmer verhört. Er - der Kläger - sei erniedrigt, beschimpft, geschlagen und nach Waffen befragt worden. Danach sei er mit 10 Leuten in eine Zelle gesperrt worden. Auch die drei Brüder D. seien bei ihm in der Zelle gewesen. Diese seien abgeholt, schwer misshandelt und dann wieder zurück in die Zelle gebracht worden. Ihn selbst habe man in Ruhe gelassen, weil er sich beim Treppensteigen die Rippen gebrochen habe. Drei Nächte habe er in dieser Zelle verbracht, dann habe ihn sein Vater freigekauft. In der Zeit danach habe er ein einigermaßen friedliches Leben geführt, im Garten und der Landwirtschaft gearbeitet und auch Kontakte zu seinen ehemaligen Kameraden aufrechterhalten. Am 12.12.2003 seien gegen 10.00 Uhr oder 11.00 Uhr vormittags zwei ehemalige Kameraden, Leibwächter von Dudajew, zu ihm nach Hause gekommen. Sie hätten ihn gebeten, ihr Motorrad mit Beiwagen zu verstecken, in dem sich vermutlich Utensilien zum Bau einer Bombe befunden hätten. Er habe nicht Nein sagen können. Nachmittags gegen 3.00 Uhr oder 4.00 Uhr habe er seine Frau zu seinen Schwiegereltern geschickt, weil er ein komisches Gefühl gehabt habe. Er habe an diesem Abend lange gewartet, aber seine Kameraden seien nicht zurückgekommen. Um 0.00 Uhr sei er ins Bett gegangen, gegen 3.00 Uhr oder 4.00 Uhr morgens seien die Militärs gekommen, einige maskiert, und hätten das Haus gestürmt. Ihn hätten sie verprügelt und festgenommen. Auch sein Vater und sein Bruder M. seien verprügelt worden, das Motorrad hätten sie beschlagnahmt. Wohin ihn die Militärs gebracht hätten, wisse er nicht, er sei dort in einer Zelle sieben bis acht Tage eingesperrt gewesen. Ca. 5 bis 6 Tage nach seiner Inhaftierung habe man ihn nach einer halbstündigen Fahrt an einen Ort, nicht weit von Schami-Jurt, einem Nachbardorf, gebracht. Dort habe er die beiden Freunde R. N. und H. Z. getroffen. Alle drei hätten sie Handschellen getragen und seien mit einer Video-Kamera aufgenommen worden, was wohl als Beweis dafür habe dienen sollen, dass sie an dieser Stelle hätten eine Bombe zünden wollen. Nachdem er 8 Tage beim Militär inhaftiert gewesen sei, habe man ihn für 15 Tage zur Miliz gebracht, bevor ihn sein Vater wiederum habe freikaufen können. Dies sei am 04.01.2004 vormittags gewesen. Am 05.01. habe ihn ein Cousin zu der Verwandtschaft seiner Frau für acht Tage nach Walerik gebracht, anschließend sei er noch ein paar Tage bei seiner Tante in Walerik geblieben. Vom 17.01. bis zum 20.01. habe er sich bei seinem Cousin in Atsch’Choi-Martan aufgehalten. Seine Ausreise habe sein Vater organisiert.
Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt bestätigte die Klägerin zu 2, dass der Kläger zu 1 am 12.12.2003 festgenommen worden sei. Sie sei nicht zu Hause gewesen, denn ihr Mann habe sie nachmittags zu ihren Eltern geschickt. Er sei dann am 04.01.2004 wieder freigekommen, nachdem ihn ihr Schwiegervater freigekauft habe. Weiter berichtete sie, dass der Kläger nicht immer zu Hause gewesen sei, sondern mal in Inguschetien und in Walerik gelebt habe. Vom September bis Dezember 2003 habe er in Inguschetien eine Wohnung gemietet gehabt, eigentlich schon von Juni ab, und sei dort in Nasran als Bauarbeiter beschäftigt gewesen.
Mit Bescheid vom 18.07.2005 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asylanträge ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des AufenthG nicht vorliegen. Außerdem wurden die Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Im Falle einer nicht freiwilligen Ausreise wurde ihre Abschiebung in die Russische Föderation oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rücknahme verpflichtet ist, angedroht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine Asylanerkennung gem. Art. 16 a Abs. 1 GG scheitere schon daran, dass die Kläger das Bundesgebiet auf dem Landweg erreicht hätten. Es bestünde aber auch kein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG, denn die Kläger seien nicht individuell vorverfolgt ausgereist. Die vom Kläger vorgetragene Verfolgungsgeschichte sei nicht glaubhaft. Wenn es tatsächlich zugetroffen hätte, dass sich in dem bei ihm untergestellten Motorrad samt Beiwagen Utensilien für den Bau einer Bombe befunden hätten, wäre er mit Sicherheit von der russischen Armee nicht mehr auf freien Fuß gesetzt worden. Ein weiteres Indiz dafür, dass er nicht die Wahrheit gesagt habe, sei seine Aussage, wonach er im letzten Jahr von der Landwirtschaft gelebt habe, während seine Ehefrau angegeben habe, er sei von September bis Dezember 2003 in Inguschetien gewesen, habe dort eine Wohnung gemietet und sei einer Beschäftigung als Bauarbeiter nachgegangen. Offenbar habe er von Inguschetien aus seine Ausreise betrieben. Dass diese längerfristig geplant gewesen sei, beweise die Vielzahl der Unterlagen, besonders sein Schulzeugnis, das er mitgeführt habe. Seine Festnahme im Rahmen einer Säuberungsaktion im Jahr 2001 könne als wahr unterstellt werden, stehe jedoch nicht mehr im kausalen Zusammenhang mit der Ausreise. Nach seinen eigenen Angabe habe er danach längere Zeit unbehelligt leben können. Auch die allgemeine Lage in der russischen Teilrepublik Tschetschenien führe zu keiner anderen Einschätzung des Asylantrags. Es werde nicht verkannt, dass eine Rückkehr in die russische Teilrepublik Tschetschenien auf Grund der derzeitigen allgemeinen Lage den Ausländern nur schwerlich zugemutet werden könne. Die Kläger könnten ihren Aufenthalt aber in anderen Teilen der Russischen Föderation nehmen. Vor allem in Südrussland sei eine Registrierung und der für die Registrierung notwendige Wohnraum eher möglich als in den großen Städten, wie etwa in den Regionen Stawropol oder der Wolgaregion. Da die Familie nicht in das Blickfeld der russischen Sicherheitsorgane geraten sei und die Kläger somit auch nicht als potentielle Unterstützer der tschetschenischen Sache angesehen würden, sei eine Wohnsitznahme außerhalb Tschetscheniens durchaus möglich, wie vom Kläger bereits unter Beweis gestellt worden sei. Dieser könne durch Arbeiten am Bau oder durch Mitarbeit in der Landwirtschaft den Lebensunterhalt seiner Familie sicherstellen. Gründe für ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 AufenthG seien ebenfalls nicht ersichtlich. Der schwierige Prozess des Wiederaufbaus einer funktionstüchtigen Wirtschaft habe in den neunziger Jahren zu einem sinkenden Lebensstandard und einer angespannten sozialen Lage in der Russischen Föderation geführt. Der 1999 einsetzende Wirtschaftsaufschwung habe eine allmähliche Verbesserung bewirkt. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sei vom Nahrungsmittelangebot her gewährleistet und es gebe staatliche Unterstützung, z.B. Sozialhilfe für bedürftige Personen auf sehr niedrigem Niveau (AA, Lagebericht vom 26.03.2004). Dieser Bescheid wurde den Klägern am 20.07.2005 zugestellt.
Bereits am 19.07.2005 haben die Kläger Klage erhoben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben sie am 05.10.2005 ihr Klagebegehren dahingehend beschränkt, dass sie nunmehr unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 18.07.2005 die Feststellung begehren, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG erfüllt sind; hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG vorliegen, weiter hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG gegeben sind.
Mit Urteil vom 05.10.2005 - A 11 K 11032/05 - hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe der Klage stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AuslG vorliegen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Gericht sei davon überzeugt, dass die Kläger tschetschenische Volkszugehörige seien. Es habe zwar nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Kläger individuell vorverfolgt ausgereist seien, indessen sei die Kriegsführung der russischen Seite im und seit dem 2. Tschetschenienkrieg sowie die Übergriffe der in Tschetschenien stationierten russischen Streitkräfte und der pro-russischen Sicherheitskräfte zur Überzeugung des Gerichts gegenüber der tschetschenischen Zivilbevölkerung als Gruppenverfolgung zu bewerten, von der die in Tschetschenien verbliebene tschetschenische Bevölkerung betroffen sei. Auf eine inländische Fluchtalternative in den restlichen Gebieten der russischen Föderation könnten die Kläger nicht verwiesen werden, denn ihnen drohe im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens ebenfalls mit hinreichender Sicherheit politische Verfolgung, nämlich durch die in ihrem Fall zu erwartende Verweigerung der Registrierung und deren Folgen. Weder in Inguschetien, noch in Kabardino-Balkarien oder Krasnador und Stawropol sei hinreichend gewährleistet, dass die Kläger dort einen legalen Aufenthalt begründen könnten. Auch in den übrigen Teilen der Russischen Föderation könne nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Kläger eine Registrierung fänden, und dass sie ohne registriert zu sein, nicht in eine ausweglose Lage gerieten. Das Fehlen der Registrierung sperre den Zugang zum Gesundheits- und Schulwesen, zum freien Wohnungs- und in der Regel auch zum Arbeitsmarkt für unselbständige Tätigkeiten. Ein Aufenthalt in der Russischen Föderation, ohne registriert zu sein, sei generell geeignet, die Kläger aus der Rechtsgemeinschaft des Staates, auszugrenzen und in eine ausweglose Lage zu bringen. Eine solche Maßnahme sei asylerheblich. Ob den Klägern ein Leben in der Illegalität zumutbar sei, hänge von der Prognose über die zu erwartenden Folgen und Beeinträchtigungen ab. Maßgebend hierfür seien etwa die Vermögensverhältnisse des Betroffenen und seiner Familie und seine Fähigkeiten, etwa erlernte Berufe und bisherige Beschäftigungen sowie Kontakte zu ansässig gewordenen Tschetschenen, mittels denen der Betreffende seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Solche Besonderheiten seien für die gesamte Familie vorliegend nicht gegeben. Diese existenzielle Gefährdung sei auch verfolgungsbedingt, denn die Kläger hätten sich in Tschetschenien, wenn sie es nicht verfolgungsbedingt hätten verlassen müssen, weiterhin und wie bisher in dem vertrauten Umfeld ihrer Heimat mit dem Existenznotwendigen versorgen können.
Gegen das ihr am 17.10.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.10.2005 beim Verwaltungsgericht die Zulassung der Berufung beantragt.
Mit Beschluss vom 11.01.2006 - A 3 S 990/05 - hat der Senat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der (Tatsachen)Frage zugelassen, ob tschetschenische Volkszugehörige in Tschetschenien einer Gruppenverfolgung unterliegen und ob für sie in den restlichen Gebieten der Russischen Föderation eine inländische Fluchtalternative besteht. Der Beschluss ist der Beklagten am 19.01.2006 zugestellt worden.
10 
Am 07.02.2006 hat die Beklagte die Berufung begründet, in dem sie auf die Ausführungen in der Antragsschrift auf Zulassung der Berufung vom 19.10.2005 sowie auf die Ausführungen im Zulassungsbeschluss vom 11.01.2006 verwiesen hat.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 05.10.2005 - A 11 K 11032/05 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
13 
Die Kläger beantragen,
14 
die Berufung zurückzuweisen,
15 
hilfsweise, zusätzlich festzustellen, dass die Voraussetzungen des Art. 15 c RL 2004/83/EG vorliegen.
16 
Zur Begründung beziehen sie sich auf die Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts.
17 
In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger zu den Gründen seines Asylantrags angehört worden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf die darüber gefertigte Niederschrift verwiesen.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Behördenakten und die Erkenntnismittel, aufgelistet in der den Beteiligten mit Schreiben vom 28.09.2006 übermittelten Erkenntnisquellenliste Russische Föderation (Stand: 28.09.2006) sowie die Gerichts- und Behördenakten im Verfahren der Tochter der Kläger zu 1 und 2 (- A 3 S 48/06 -). Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung, ebenso wie der Bericht von MEMORIAL „Menschen aus Tschetschenien in der Russischen Föderation, Juli 2005 bis Juli 2006“.

Entscheidungsgründe

 
I.
19 
Die Berufung des Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 4 VwGO erfüllt, wonach die Berufungsbegründung einen bestimmten Antrag und die im Einzelnen anzuführenden Berufungsgründe enthalten muss. Welche Mindestanforderungen danach an die Berufungsbegründung zu stellen sind, hängt wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab. Das gesetzliche Erfordernis der Einreichung eines Schriftsatzes zur Berufungsbegründung kann grundsätzlich auch eine auf die erfolgreiche Begründung des Zulassungsantrags verweisende Begründung erfüllen, wenn damit hinreichend zum Ausdruck gebracht werden kann, dass und weshalb das erstinstanzliche Urteil weiterhin angefochten wird. In asylrechtlichen Streitigkeiten genügt eine Berufungsbegründung den Anforderungen des § 124 a Abs. 6 VwGO regelmäßig etwa dann, wenn sie zu einer entscheidungserheblichen Frage ihre von der Vorinstanz abweichende Beurteilung deutlich macht, was auch durch die Bezugnahme auf die Begründung des insoweit erfolgreichen Zulassungsantrags und auf den Zulassungsbeschluss geschehen kann (st. Rechtspr. des BVerwG, z.B. Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 - ; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.11.1997 - A 16 S 193/97 -, NVwZ 1998, 1089 f.). Dem wird die auf den Berufungszulassungsantrag sowie den Zulassungsbeschluss des erkennenden Senats verweisende Berufungsbegründung der Beklagten vom 02.02.2006 gerecht.
II.
20 
Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil zu Unrecht verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG erfüllt sind und daher auch zu Unrecht den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Den Klägern steht nämlich der mit der Berufung weiterverfolgte Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht zu, und die Beklagte kann auch nicht zur (hilfsweise beantragten) Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG, § 60 Abs. 7 AufenthG und Art. 15 c RL 2004/83/EG verpflichtet werden (siehe § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21 
1. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (Abkommen vom 28.07.1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl. 1953 II, S. 559 - GFK -) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Satz 4 dieser Bestimmung kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 ausgehen vom Staat selbst, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder von nichtstaatliche Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten; dies gilt nach der gesetzlichen Regelung unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Eine Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an eines der genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (siehe grundsätzlich: BVerfG, Urteil vom 10.07.1989 - 2 BvR 502, 1000 und 961/86 -, BVerfGE 80, 315, S. 339 und Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Stand Oktober 2006, RdNr. 41 zu § 60 AufenthG).
22 
Bei Auslegung und Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG ist die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004, ABl. vom 30.09.2004 L 304/12 (Qualifikationsrichtlinie) zu berücksichtigen, denn am 10.10.2006 ist gemäß Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG die Umsetzungsfrist für diese Richtlinie abgelaufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kommt nicht fristgerecht umgesetzten Richtlinien im Recht der Mitgliedstaaten eine unmittelbare Wirkung zu, wenn die Richtlinie von ihrem Inhalt her unbedingt und hinreichend bestimmt ist, um im Einzelfall angewandt zu werden, und sie dem Einzelnen subjektiv-öffentliche Rechte einräumt oder jedenfalls seine rechtlichen Interessen schützen will (vgl. EuGH, Urteile vom 05.04.1979 - Rs. 148/78 - , Slg. 1979, 1629 Rn. 23; Ruffert, in: Callies/Ruffert, EUV/EGV, Kommentar, 2. Aufl. (2002), Art. 249 EGV RdNr. 73 ff.). Diese Voraussetzungen liegen im Fall der Qualifikationsrichtlinie vor; die darin enthaltenen Regelungen erfüllen zum ganz überwiegenden Teil diese Voraussetzungen. Dies hat zur Folge, dass die nationalen Bestimmungen unter Berücksichtigung der Richtlinienbestimmung richtlinienkonform auszulegen sind, und im Falle des Entgegenstehens der nationalen Bestimmung die Richtlinienbestimmung unmittelbare Anwendung findet (vgl. auch Hinweise des Bundesministerium des Innern vom 13.09.2006 zur Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG, S. 2 - künftig: Hinweise des BMI -). Hierbei sind die Anforderungen an die Verfolgungsmotivation und an die in Betracht kommenden (staatlichen und nichtstaatlichen) Verfolgungssubjekte in der RL 2004/83/EG und in dem ihr insoweit nachgebildeten § 60 Abs. 1 AufenthG deckungsgleich geregelt.
23 
Ob und inwieweit sich bei anderen Verfolgungsmerkmalen Abweichungen bei den Voraussetzungen und beim Verfolgungsmaßstab zwischen § 60 Abs. 1 AufenthG und der RL 2004/83/EG ergeben könnten, kann der Senat weitgehend offen lassen. Denn auch wenn von der für die Kläger jeweils günstigsten tatsächlichen und rechtlichen Konstellation hinsichtlich einer Vorverfolgung in Tschetschenien vor der Ausreise ausgegangen wird (dazu 1.) und der Senat zudem auch ihre Verfolgung in Tschetschenien im Falle der Rückkehr unterstellt , können sie Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AuslG und nach der RL 2004/83/EG jedenfalls deswegen nicht erhalten, weil ihnen jedenfalls eine inländische Fluchtalternative i.S.v. § 60 Abs. 1 Satz 4 c) AufenthG bzw. interner Schutz im Sinne von Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie in Gebieten außerhalb Tschetscheniens zur Verfügung steht (dazu 2.).
24 
1. Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kommt nach nationalem Recht wie nach der RL 2004/83/EG ein herabgestufter Verfolgungsmaßstab zugute. Nach nationalem Recht kann ihm eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (vgl. BVerwGE 70, 169 <170 f.>). Nach diesem Maßstab wird nicht verlangt, dass die Gefahr erneuter Übergriffe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist - über die theoretische Möglichkeit, Opfer eines Übergriffs zu werden, hinaus - erforderlich, dass objektive Anhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als durchaus reale Möglichkeit erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.09.1992 - 9 C 62/91 -, NVwZ 1993 S. 191). Dem entspricht im Ergebnis Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie, wonach die Tatsache einer bereits eingetretenen oder unmittelbar drohenden Verfolgung als ernsthafter Hinweis darauf zu werten ist, dass die Furcht des Schutzsuchenden vor Verfolgung begründet ist.
25 
Der Senat unterstellt zugunsten der Kläger, dass sie vor der Ausreise aus Tschetschenien dort von einer derartigen Verfolgung in Form einer regionalen Gruppenverfolgung betroffen waren. Ob dies tatsächlich der Fall war - ob mithin tschetschenische Volkszugehörige aus Tschetschenien dort aus asylerheblichen Gründen (wegen ihres Volkstums oder ihrer politischen Überzeugung) in der erforderlichen Verfolgungsdichte und -intensität von staatlichen russischen Stellen verfolgt wurden - braucht demgemäß nicht entschieden zu werden. Allerdings folgt der Senat dem Verwaltungsgericht darin, dass die Kläger jedenfalls eine individuelle Vorverfolgung nicht belegen können. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann zunächst auf die überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts hierzu verwiesen werden. Auch der Senat hat in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass der Kläger jedenfalls hinsichtlich des Vorfalls im Jahre 2003, der Auslöser für seine Flucht gewesen sein soll, von Geschehnissen berichtet hat, die er nicht selbst erlebt hat. Zu oberflächlich und unbeteiligt geriet seine Schilderung. Auch soweit er erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat von sexuellen Erniedrigungen und Demütigungen berichtet hat, zeigte er keine Emotionen und vermittelte dem Senat einen durchweg unbeteiligten Eindruck. Hinzu kommt, dass es sich hierbei um eine deutliche Steigerung seines Vorbringens handelt, und er nicht plausibel erklären konnte, weshalb er diese Geschehnisse nicht bereits bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt oder dem Verwaltungsgericht offenbart hat. Seine Einlassung auf den Vorhalt des Gerichts, es sei ihm schwer gefallen, die sexuellen Demütigungen und Erniedrigungen einem Richter gegenüber zu bekunden, weil es sich bei den Soldaten ja um Männer gehandelt habe, überzeugen den Senat schon deshalb nicht, weil der Kläger sich in einer Art und Weise geäußert hat, die eine wirkliche Betroffenheit vermissen ließ.
26 
2. Auf der Grundlage der (unterstellten) (Gruppen-) Vorverfolgung der Kläger wäre ein Anspruch auf Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG dann gegeben, wenn sie zum einen auch bei einer Rückkehr nach Tschetschenien wegen ihrer tschetschenischen Volkszugehörigkeit einer (regionalen) Gruppenverfolgung - mit der erforderlichen Verfolgungsmotivation und Verfolgungsdichte - unterlägen, wobei sie sich auf einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab berufen könnten, und wenn ihnen zum anderen eine zumutbare inländische Flüchtalternative in anderen Landesteilen Russlands nicht zur Verfügung stünde. Ob die erstgenannte Voraussetzung (Gruppenverfolgung in Tschetschenien, hinreichende Sicherheit) gegeben ist, braucht der Senat ebenfalls nicht zu entscheiden. Denn auch wenn er diesen Verfolgungssachverhalt zu Gunsten der Kläger unterstellt, können sich die Kläger jedenfalls an einen Ort innerhalb der Russischen Föderation begeben, an dem sie eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 c) AufenthG nach Maßgabe der Auslegungskriterien nach Art. 8 RL 2004/83/EG (interner Schutz) finden können.
27 
a) Gemäß Art. 8 Abs. 1 RL 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) können die Mitgliedsstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Gemäß Art. 8 Abs. 2 RL 2004/83/EG berücksichtigen die Mitgliedsstaaten bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag. Art. 8 RL 2004/83/EG ermächtigt die Mitgliedsstaaten zunächst grundsätzlich, den internationalen Schutz einzuschränken, wenn die betreffende Person in einem Teil des Herkunftslandes unter zumutbaren Umständen Schutz vor Verfolgung gefunden hat oder findet. Wie Art. 1 Nr. 38 a) bb) und cc) des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (Stand: 13.03.2006) zeigt, werden diese Vorgaben in der Neufassung des § 60 Abs. 1 AufenthG aufgegriffen und umgesetzt.
28 
Nach Art. 8 Abs. 2 RL 2004/83/EG kommt es nunmehr auf die am Ort des internen Schutzes bestehenden „allgemeinen Gegebenheiten“ und zusätzlich auch auf die „persönlichen Umstände“ des Asylsuchenden im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag an (so auch die Begründung des oben genannten Gesetz-Entwurfs zu Art. 1, Nr. 38 zur Auslegung von Art. 8 RL 2004/83/EG, S. 193 f.). Zur Interpretation des Begriffs der persönlichen Umstände kann auf Art. 4 Abs. 3 Buchst. c RL 2004/83/EG zurückgegriffen werden, wonach die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Asylsuchenden einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter, bei der Entscheidung zugrunde zu legen sind. Zu fragen ist sodann auf der Grundlage dieses gemischt objektiv-individuellen Maßstabs, ob von einem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich am Ort der internen Fluchtalternative aufhält. Erforderlich hierfür ist , dass er am Zufluchtsort unter persönlich zumutbaren Bemühungen jedenfalls sein Existenzminimum sichern kann. Fehlt es an einer solchen Möglichkeit der Existenzsicherung, ist eine interne Schutzmöglichkeit nicht gegeben.
29 
Dies entspricht im Kern der geltenden Rechtsprechung zu den Mindestanforderungen einer inländischen Fluchtalternative. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierbei auch bisher schon die individuellen Umstände des Asylsuchenden in den Blick genommen. So hat es eine inländische Fluchtalternative beispielsweise dann verneint, wenn für einen vorverfolgten Flüchtling am Zufluchtsort das wirtschaftliche Existenzminimum wegen in seiner Person liegender Merkmale - etwa wegen Behinderung oder wegen hohen Alters - nicht gewährleistet ist oder wenn der Vorverfolgte am Ort der Fluchtalternative keine Verwandten oder Freunde hat, bei denen er Obdach oder Unterstützung finden könnte, und ohne eine solche Unterstützung dort kein Leben über dem Existenzminimum möglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.1993 - 9 C 45.92 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166). In einer neuen Entscheidung hat sich das Bundesverwaltungsgericht ferner mit der Frage auseinandergesetzt, was dem Betroffenen am Ort der Fluchtalternative an Tätigkeiten zumutbar ist, um seinen Lebensunterhalt zu sichern (Beschluss vom 31.08.2006 - 1 B 96/06 - ) und hat damit Erwägungen angestellt, die auch den Anforderungen des Art. 8 RL 2004/83/EG Rechnung tragen. Nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, denen der Senat folgt, bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen das wirtschaftliche Existenzminimum grundsätzlich dann, wenn sie dort - was grundsätzlich zumutbar ist - durch eigene und notfalls auch weniger attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer "Schatten- oder Nischenwirtschaft" stattfinden. Der Verweis auf eine entwürdigende oder eine kriminelle Arbeit - etwa durch Beteiligung an Straftaten im Rahmen „mafiöser“ Strukturen - ist dagegen nicht zumutbar (BVerwG, Beschluss vom 17.05.2005 - 1 B 100/05 - ). Maßgeblich ist grundsätzlich auch nicht, ob der Staat den Flüchtlingen einen durchgehend legalen Aufenthaltsstatus gewähren würde, vielmehr ist in tatsächlicher Hinsicht zu fragen, ob das wirtschaftliche Existenzminimum zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.08.2006 - 1 B 96/06 - a.a.O.; a.A. OVG Magdeburg, Urteil v. 31.03.2006 - 2 L 40/06 - , d.h. ob mit den erlangten Mitteln auch die notwendigsten Aufwendungen für Leben und Gesundheit aufgebracht werden können.
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b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist es den Klägern - nach der gegenwärtigen Sachlage (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG sowie Art. 8 Abs. 2 RL 2004/83/EG) - zuzumuten und kann von ihnen daher auch vernünftigerweise erwartet werden, dass sie ihren Aufenthalt in einem anderen Landesteil der Russischen Föderation nehmen, an dem sie vor Verfolgung sicher sind und wo ihr soziales und wirtschaftliches Existenzminimum gewährleistet ist. Selbst wenn dabei mit dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Hess. VGH, Urteil vom 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A - ) und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Bay.VGH, Urteil vom 31.01.2005 - 11 B 02.31597 - ) die Regionen Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Krasnodar und Stawropol als Orte/Räume einer inländischen Fluchtalternative ebenso ausgenommen werden wie die russische Hauptstadt Moskau und Petersburg, hat zumindest die Klägerin zu 2 gegenwärtig die Möglichkeit, in der tschetschenischen Diaspora innerhalb Russlands eine Registrierung zu erhalten und mit ihrer Registrierung für die ganze Familie das soziale und wirtschaftliche Existenzminimum zu sichern, denn sie verfügt über einen neuen gültigen russischen Inlandspass, der u.a. Voraussetzung für eine Registrierung ist. Hierzu ist im Einzelnen folgendes auszuführen:
31 
Art. 27 der russischen Verfassung von 1993 garantiert zwar die Niederlassungsfreiheit. Dieses Recht ist indessen strikt begrenzt durch regionale und lokale Bestimmungen und durch das de facto vielerorts noch gültige Propiska-System, das vor dem mit dem Föderationsgesetz im Jahre 1993 eingeführten Registrierungssystem galt und das nicht nur eine Meldung durch den Bürger, sondern auch die Gestattung oder Verweigerung durch die Behörden vorsah. Nach dem Registrierungssystem ist nunmehr Voraussetzung für eine dauerhafte Registrierung, dass der Antragsteller einen Wohnraumnachweis führen kann und über einen russischen Inlandspass verfügt. Ein in Deutschland ausgestelltes Passersatzpapier reicht für eine dauerhafte Registrierung nicht aus (AA, Lagebericht vom 18.08.2006, S. 26). Trotz der Systemumstellung durch das Föderationsgesetz wenden viele Regionalbehörden der Russischen Föderation restriktive örtliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken an, weshalb Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens erhebliche Schwierigkeiten haben, eine offizielle Registrierung zu erhalten. Besonders in Moskau haben zurückgeführte Tschetschenen in der Regel nur dann eine Chance, in der Stadt Aufnahme zu finden, wenn sie über genügend Geld verfügen oder auf ein Netzwerk von Bekannten oder Verwandten zurückgreifen können. Hierbei haben sich die administrativen Schwierigkeiten und auch die Behördenwillkür nach der Geiselnahme im Oktober 2002 gegenüber - besonderes auch rückkehrenden - Tschetschenen verstärkt; daran dürfte sich auf absehbare Zeit angesichts der weiterhin fortbestehenden Terrorgefahr auch nichts ändern (AA, Lagebericht vom 18.08.2006, S. 26).
32 
Die genannten Registrierungsvoraussetzungen gelten im ganzen Land. Gleichwohl ist eine offizielle Registrierung in anderen Regionen der Russischen Föderation, vor allem in Südrussland, grundsätzlich leichter möglich als in Moskau, unter anderem weil Wohnraum - eine der Registrierungsvoraussetzungen - dort erheblich billiger ist als in der russischen Hauptstadt mit ihren hohen Mieten. Neben Moskau, wo etwa 200.000 Tschetschenen leben und den oben genannten, als Ort des internen Schutzes möglicherweise nicht in Betracht kommenden Regionen, ist es Tschetschenen auch gelungen, sich im Gebiet Rostow (70.000), in der Wolgaregion (50.000), in Nordossetien (4.000) und in Karatschajewo-Tscherkessien (23.000) anzusiedeln (AA, Lagebericht vom 18.08.2006, S. 18).
33 
c) Zur Überzeugung des Senats wird es auch der Klägerin zu 2, die im Besitz eines neuen gültigen russischen Inlandspasses ist, gelingen, in diesen tschetschenischen Siedlungsgebieten Wohnraum für sich und ihre Familie zu erlangen und damit grundsätzlich die geforderten Rechtsvoraussetzungen für eine Registrierung zu erfüllen. Im Hinblick auf die Möglichkeit, eine Registrierung zu erhalten bzw. ohne eine solche zu leben, führt MEMORIAL in seinem Schreiben vom 16.10.2005 allerdings aus, dass es sich auch an kleinen Orten nicht ohne Registrierung leben lasse, denn diese werde an jedem Ort benötigt. Hinzu komme, dass in kleinen Ortschaften alles sichtbar sei und man nicht „mit der großen Masse verschmelzen“ könne. Der Senat geht gleichwohl nicht davon aus, dass die Klägerin zu 2 an einem solchen Ort ohne Registrierung wird leben müssen. Trotz aller Schwierigkeiten, vor die sich die Angehörigen der tschetschenischen Volksgruppe bei Registrierungen gestellt sehen, ist nach Auskunft des Auswärtigen Amtes eine Registrierung in vielen Landesteilen möglich, wenn auch oft erst nach Intervention von Nicht-Regierungsorganisationen, Duma-Abgeordneten oder anderen einflussreichen Persönlichkeiten oder durch Bestechung (Lagebericht des AA vom 18.08.2006, Stand Juli 2006, S. 27). Bei ihren diesbezüglichen Bemühungen kann die Klägerin zu 2 auch auf die Unterstützung ihres Ehemannes zählen. Auch wenn dieser selbst über keinen gültigen Inlandspass verfügt und damit die Registrierungsvoraussetzungen für seine Person nicht erfüllt, wird es ihm gelingen, in der stark männlich dominierten tschetschenischen Diaspora Wohnraum zu organisieren und für sich selbst - auch ohne eigene Registrierung (dazu sogleich) - zumindest in der so genannten „Schattenwirtschaft“ eine Arbeit zu finden, die es ihm ermöglicht, das wirtschaftliche Existenzminimum für sich und seine Familie zu sichern. Darauf, ob er sich selbst registrieren lassen kann - wofür mangels eines gültigen Passes wenig spricht - und ob es ihm zumutbar wäre, zunächst nach Tschetschenien zurückzukehren, um sich einen neuen Pass zu beschaffen (dazu AA vom 22.11.2005 an VG Berlin), kommt es vorliegend nicht an. Denn für ihn als Angehörigen einer grundsätzlich registrierungsberechtigten Ehefrau ist auch ohne gültigen Pass eine Aufenthaltsnahme in einer als Ort des internen Schutzes in Betracht kommenden anderen Region der Russischen Föderation möglich und zumutbar (vgl. hierzu auch Hess. VGH, Urteil vom 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A- Nr. 53 des Dokuments; für den Fall eines 35jährigen allein stehenden Mannes).
34 
Der Senat verkennt nicht, dass die Konsequenzen einer Nichtregistrierung gravierend sind und Rechtspositionen sowie eine Reihe sozialer Leistungen von der Registrierung abhängen, so das Recht auf Beschäftigung, auf medizinische Versorgung und Ausbildung. Gleichwohl werden sich die Kläger nach den besonderen Umständen des Falles in den Zufluchtgebieten mit zumutbaren Anstrengungen eine ausreichende Lebensgrundlage schaffen können ( zu den generellen Verhältnissen nicht registrierter Tschetschenen vgl. zuletzt AA, Lagebericht vom 18.08.2006, S. 27). Entscheidend ist, dass die Klägerin zu 2 über einen gültigen russischen Inlandspass verfügt. Damit wird es ihr nach Einschätzung des Senats möglich sein, in der Russischen Föderation - außerhalb der oben angeführten Regionen, die als Orte des internen Schutzes nicht in Betracht kommen - eine Registrierung zu erhalten. Jedenfalls auf Grundlage dieser Registrierung wird es den Klägern im Familienverbund gelingen, sich durch eine Tätigkeit des Klägers in der in der Russischen Föderation weit verbreiteten sog. „Schattenwirtschaft“ eine ausreichende Lebensgrundlage zu schaffen. Der Kläger ist ersichtlich gesund und zu körperlicher Arbeit in der Lage. Er hat auch bereits in der Landwirtschaft gearbeitet und beim Bau mitgeholfen. Darauf, ob der Familie auch ohne Registrierung „vernünftigerweise“ angesonnen werden könnte, sich in einer der Zufluchtsregionen aufzuhalten - laut MEMORIAL („Menschen aus Tschetschenien in der Russischen Föderation, Juli 2005 bis Juli 2006“, S. 35) ist seit Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 122 der Empfang von staatlichen Unterstützungsgeldern und Renten bei fehlender Registrierung nicht möglich und wird der Besuch des Kindergartens und manchmal sogar der Schulbesuch erschwert - kommt es nicht an.
III.
35 
Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG vor, wobei für die Auslegung Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und die Art. 6 bis 8 RL 2004/83/EG jeweils heranzuziehen sind (vgl. Hinweise des BMI, S.15). Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass den Klägern bei einer Rückkehr in die Russische Föderation Folter (§ 60 Abs. 2 AufenthG), die Todesstrafe (§ 60 Abs. 3 AufenthG) oder insbesondere eine unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 der EMRK (§ 60 Abs. 5 AufenthG) droht. Art. 2 e RL 2004/83/EG definiert die „Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ als Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der bei einer Rückkehr Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie zu erleiden. Auch für diese Personen sieht Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG vor, dass für sie - falls sie bereits vor ihrer Ausreise einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten haben -, der herab gestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab Anwendung findet. Auch wenn der Senat dessen Vorliegen auch hier bei den Klägern unterstellt, scheidet ein Anspruch aus den oben genannten Gründen aus.
36 
Auch für eine Schutzgewährung nach § 60 Abs. 7 AufenthG gilt entsprechendes. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Mit Blick auf die Qualifikationsrichtlinie ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt ist. Bei der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG gelten Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und die Art. 6 bis 8 der Richtlinie 2004/83/EG. Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Hinblick auf die Tatsache, dass die Umsetzungsfrist für die Qualifikationsrichtlinie mittlerweile abgelaufen ist, hilfsweise beantragt haben, zusätzlich festzustellen, dass die Voraussetzungen des Art. 15 c RL 2004/83/EG vorliegen, können sie damit gleichfalls nicht durchdringen, denn Art. 15 c RL 2004/83/EG ist ein Unterfall des § 60 Abs. 7 AufenthG und regelt die subsidiäre Schutzgewährung in Fällen willkürlicher Gewalt im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten. Ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall auf die Situation in Tschetschenien zutreffen, kann dahinstehen, denn auch hier gilt, dass den Klägern nach den obigen Ausführungen eine zumutbare interne Schutzalternative zur Verfügung steht, diese auch erreichbar ist und von ihnen vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort aufhalten.
IV.
37 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
38 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist. Insbesondere kommt es auf die Frage, ob (und welche) tschetschenische Volkszugehörige in Tschetschenien einer (regionalen) Gruppenverfolgung ausgesetzt sind, wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht an.

Gründe

 
I.
19 
Die Berufung des Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 4 VwGO erfüllt, wonach die Berufungsbegründung einen bestimmten Antrag und die im Einzelnen anzuführenden Berufungsgründe enthalten muss. Welche Mindestanforderungen danach an die Berufungsbegründung zu stellen sind, hängt wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab. Das gesetzliche Erfordernis der Einreichung eines Schriftsatzes zur Berufungsbegründung kann grundsätzlich auch eine auf die erfolgreiche Begründung des Zulassungsantrags verweisende Begründung erfüllen, wenn damit hinreichend zum Ausdruck gebracht werden kann, dass und weshalb das erstinstanzliche Urteil weiterhin angefochten wird. In asylrechtlichen Streitigkeiten genügt eine Berufungsbegründung den Anforderungen des § 124 a Abs. 6 VwGO regelmäßig etwa dann, wenn sie zu einer entscheidungserheblichen Frage ihre von der Vorinstanz abweichende Beurteilung deutlich macht, was auch durch die Bezugnahme auf die Begründung des insoweit erfolgreichen Zulassungsantrags und auf den Zulassungsbeschluss geschehen kann (st. Rechtspr. des BVerwG, z.B. Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 - ; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.11.1997 - A 16 S 193/97 -, NVwZ 1998, 1089 f.). Dem wird die auf den Berufungszulassungsantrag sowie den Zulassungsbeschluss des erkennenden Senats verweisende Berufungsbegründung der Beklagten vom 02.02.2006 gerecht.
II.
20 
Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil zu Unrecht verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG erfüllt sind und daher auch zu Unrecht den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Den Klägern steht nämlich der mit der Berufung weiterverfolgte Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht zu, und die Beklagte kann auch nicht zur (hilfsweise beantragten) Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG, § 60 Abs. 7 AufenthG und Art. 15 c RL 2004/83/EG verpflichtet werden (siehe § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21 
1. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (Abkommen vom 28.07.1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl. 1953 II, S. 559 - GFK -) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Satz 4 dieser Bestimmung kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 ausgehen vom Staat selbst, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder von nichtstaatliche Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten; dies gilt nach der gesetzlichen Regelung unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Eine Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an eines der genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (siehe grundsätzlich: BVerfG, Urteil vom 10.07.1989 - 2 BvR 502, 1000 und 961/86 -, BVerfGE 80, 315, S. 339 und Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Stand Oktober 2006, RdNr. 41 zu § 60 AufenthG).
22 
Bei Auslegung und Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG ist die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004, ABl. vom 30.09.2004 L 304/12 (Qualifikationsrichtlinie) zu berücksichtigen, denn am 10.10.2006 ist gemäß Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG die Umsetzungsfrist für diese Richtlinie abgelaufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kommt nicht fristgerecht umgesetzten Richtlinien im Recht der Mitgliedstaaten eine unmittelbare Wirkung zu, wenn die Richtlinie von ihrem Inhalt her unbedingt und hinreichend bestimmt ist, um im Einzelfall angewandt zu werden, und sie dem Einzelnen subjektiv-öffentliche Rechte einräumt oder jedenfalls seine rechtlichen Interessen schützen will (vgl. EuGH, Urteile vom 05.04.1979 - Rs. 148/78 - , Slg. 1979, 1629 Rn. 23; Ruffert, in: Callies/Ruffert, EUV/EGV, Kommentar, 2. Aufl. (2002), Art. 249 EGV RdNr. 73 ff.). Diese Voraussetzungen liegen im Fall der Qualifikationsrichtlinie vor; die darin enthaltenen Regelungen erfüllen zum ganz überwiegenden Teil diese Voraussetzungen. Dies hat zur Folge, dass die nationalen Bestimmungen unter Berücksichtigung der Richtlinienbestimmung richtlinienkonform auszulegen sind, und im Falle des Entgegenstehens der nationalen Bestimmung die Richtlinienbestimmung unmittelbare Anwendung findet (vgl. auch Hinweise des Bundesministerium des Innern vom 13.09.2006 zur Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG, S. 2 - künftig: Hinweise des BMI -). Hierbei sind die Anforderungen an die Verfolgungsmotivation und an die in Betracht kommenden (staatlichen und nichtstaatlichen) Verfolgungssubjekte in der RL 2004/83/EG und in dem ihr insoweit nachgebildeten § 60 Abs. 1 AufenthG deckungsgleich geregelt.
23 
Ob und inwieweit sich bei anderen Verfolgungsmerkmalen Abweichungen bei den Voraussetzungen und beim Verfolgungsmaßstab zwischen § 60 Abs. 1 AufenthG und der RL 2004/83/EG ergeben könnten, kann der Senat weitgehend offen lassen. Denn auch wenn von der für die Kläger jeweils günstigsten tatsächlichen und rechtlichen Konstellation hinsichtlich einer Vorverfolgung in Tschetschenien vor der Ausreise ausgegangen wird (dazu 1.) und der Senat zudem auch ihre Verfolgung in Tschetschenien im Falle der Rückkehr unterstellt , können sie Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AuslG und nach der RL 2004/83/EG jedenfalls deswegen nicht erhalten, weil ihnen jedenfalls eine inländische Fluchtalternative i.S.v. § 60 Abs. 1 Satz 4 c) AufenthG bzw. interner Schutz im Sinne von Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie in Gebieten außerhalb Tschetscheniens zur Verfügung steht (dazu 2.).
24 
1. Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kommt nach nationalem Recht wie nach der RL 2004/83/EG ein herabgestufter Verfolgungsmaßstab zugute. Nach nationalem Recht kann ihm eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (vgl. BVerwGE 70, 169 <170 f.>). Nach diesem Maßstab wird nicht verlangt, dass die Gefahr erneuter Übergriffe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist - über die theoretische Möglichkeit, Opfer eines Übergriffs zu werden, hinaus - erforderlich, dass objektive Anhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als durchaus reale Möglichkeit erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.09.1992 - 9 C 62/91 -, NVwZ 1993 S. 191). Dem entspricht im Ergebnis Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie, wonach die Tatsache einer bereits eingetretenen oder unmittelbar drohenden Verfolgung als ernsthafter Hinweis darauf zu werten ist, dass die Furcht des Schutzsuchenden vor Verfolgung begründet ist.
25 
Der Senat unterstellt zugunsten der Kläger, dass sie vor der Ausreise aus Tschetschenien dort von einer derartigen Verfolgung in Form einer regionalen Gruppenverfolgung betroffen waren. Ob dies tatsächlich der Fall war - ob mithin tschetschenische Volkszugehörige aus Tschetschenien dort aus asylerheblichen Gründen (wegen ihres Volkstums oder ihrer politischen Überzeugung) in der erforderlichen Verfolgungsdichte und -intensität von staatlichen russischen Stellen verfolgt wurden - braucht demgemäß nicht entschieden zu werden. Allerdings folgt der Senat dem Verwaltungsgericht darin, dass die Kläger jedenfalls eine individuelle Vorverfolgung nicht belegen können. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann zunächst auf die überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts hierzu verwiesen werden. Auch der Senat hat in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass der Kläger jedenfalls hinsichtlich des Vorfalls im Jahre 2003, der Auslöser für seine Flucht gewesen sein soll, von Geschehnissen berichtet hat, die er nicht selbst erlebt hat. Zu oberflächlich und unbeteiligt geriet seine Schilderung. Auch soweit er erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat von sexuellen Erniedrigungen und Demütigungen berichtet hat, zeigte er keine Emotionen und vermittelte dem Senat einen durchweg unbeteiligten Eindruck. Hinzu kommt, dass es sich hierbei um eine deutliche Steigerung seines Vorbringens handelt, und er nicht plausibel erklären konnte, weshalb er diese Geschehnisse nicht bereits bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt oder dem Verwaltungsgericht offenbart hat. Seine Einlassung auf den Vorhalt des Gerichts, es sei ihm schwer gefallen, die sexuellen Demütigungen und Erniedrigungen einem Richter gegenüber zu bekunden, weil es sich bei den Soldaten ja um Männer gehandelt habe, überzeugen den Senat schon deshalb nicht, weil der Kläger sich in einer Art und Weise geäußert hat, die eine wirkliche Betroffenheit vermissen ließ.
26 
2. Auf der Grundlage der (unterstellten) (Gruppen-) Vorverfolgung der Kläger wäre ein Anspruch auf Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG dann gegeben, wenn sie zum einen auch bei einer Rückkehr nach Tschetschenien wegen ihrer tschetschenischen Volkszugehörigkeit einer (regionalen) Gruppenverfolgung - mit der erforderlichen Verfolgungsmotivation und Verfolgungsdichte - unterlägen, wobei sie sich auf einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab berufen könnten, und wenn ihnen zum anderen eine zumutbare inländische Flüchtalternative in anderen Landesteilen Russlands nicht zur Verfügung stünde. Ob die erstgenannte Voraussetzung (Gruppenverfolgung in Tschetschenien, hinreichende Sicherheit) gegeben ist, braucht der Senat ebenfalls nicht zu entscheiden. Denn auch wenn er diesen Verfolgungssachverhalt zu Gunsten der Kläger unterstellt, können sich die Kläger jedenfalls an einen Ort innerhalb der Russischen Föderation begeben, an dem sie eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 c) AufenthG nach Maßgabe der Auslegungskriterien nach Art. 8 RL 2004/83/EG (interner Schutz) finden können.
27 
a) Gemäß Art. 8 Abs. 1 RL 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) können die Mitgliedsstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Gemäß Art. 8 Abs. 2 RL 2004/83/EG berücksichtigen die Mitgliedsstaaten bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag. Art. 8 RL 2004/83/EG ermächtigt die Mitgliedsstaaten zunächst grundsätzlich, den internationalen Schutz einzuschränken, wenn die betreffende Person in einem Teil des Herkunftslandes unter zumutbaren Umständen Schutz vor Verfolgung gefunden hat oder findet. Wie Art. 1 Nr. 38 a) bb) und cc) des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (Stand: 13.03.2006) zeigt, werden diese Vorgaben in der Neufassung des § 60 Abs. 1 AufenthG aufgegriffen und umgesetzt.
28 
Nach Art. 8 Abs. 2 RL 2004/83/EG kommt es nunmehr auf die am Ort des internen Schutzes bestehenden „allgemeinen Gegebenheiten“ und zusätzlich auch auf die „persönlichen Umstände“ des Asylsuchenden im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag an (so auch die Begründung des oben genannten Gesetz-Entwurfs zu Art. 1, Nr. 38 zur Auslegung von Art. 8 RL 2004/83/EG, S. 193 f.). Zur Interpretation des Begriffs der persönlichen Umstände kann auf Art. 4 Abs. 3 Buchst. c RL 2004/83/EG zurückgegriffen werden, wonach die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Asylsuchenden einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter, bei der Entscheidung zugrunde zu legen sind. Zu fragen ist sodann auf der Grundlage dieses gemischt objektiv-individuellen Maßstabs, ob von einem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich am Ort der internen Fluchtalternative aufhält. Erforderlich hierfür ist , dass er am Zufluchtsort unter persönlich zumutbaren Bemühungen jedenfalls sein Existenzminimum sichern kann. Fehlt es an einer solchen Möglichkeit der Existenzsicherung, ist eine interne Schutzmöglichkeit nicht gegeben.
29 
Dies entspricht im Kern der geltenden Rechtsprechung zu den Mindestanforderungen einer inländischen Fluchtalternative. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierbei auch bisher schon die individuellen Umstände des Asylsuchenden in den Blick genommen. So hat es eine inländische Fluchtalternative beispielsweise dann verneint, wenn für einen vorverfolgten Flüchtling am Zufluchtsort das wirtschaftliche Existenzminimum wegen in seiner Person liegender Merkmale - etwa wegen Behinderung oder wegen hohen Alters - nicht gewährleistet ist oder wenn der Vorverfolgte am Ort der Fluchtalternative keine Verwandten oder Freunde hat, bei denen er Obdach oder Unterstützung finden könnte, und ohne eine solche Unterstützung dort kein Leben über dem Existenzminimum möglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.1993 - 9 C 45.92 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166). In einer neuen Entscheidung hat sich das Bundesverwaltungsgericht ferner mit der Frage auseinandergesetzt, was dem Betroffenen am Ort der Fluchtalternative an Tätigkeiten zumutbar ist, um seinen Lebensunterhalt zu sichern (Beschluss vom 31.08.2006 - 1 B 96/06 - ) und hat damit Erwägungen angestellt, die auch den Anforderungen des Art. 8 RL 2004/83/EG Rechnung tragen. Nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, denen der Senat folgt, bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen das wirtschaftliche Existenzminimum grundsätzlich dann, wenn sie dort - was grundsätzlich zumutbar ist - durch eigene und notfalls auch weniger attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer "Schatten- oder Nischenwirtschaft" stattfinden. Der Verweis auf eine entwürdigende oder eine kriminelle Arbeit - etwa durch Beteiligung an Straftaten im Rahmen „mafiöser“ Strukturen - ist dagegen nicht zumutbar (BVerwG, Beschluss vom 17.05.2005 - 1 B 100/05 - ). Maßgeblich ist grundsätzlich auch nicht, ob der Staat den Flüchtlingen einen durchgehend legalen Aufenthaltsstatus gewähren würde, vielmehr ist in tatsächlicher Hinsicht zu fragen, ob das wirtschaftliche Existenzminimum zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.08.2006 - 1 B 96/06 - a.a.O.; a.A. OVG Magdeburg, Urteil v. 31.03.2006 - 2 L 40/06 - , d.h. ob mit den erlangten Mitteln auch die notwendigsten Aufwendungen für Leben und Gesundheit aufgebracht werden können.
30 
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist es den Klägern - nach der gegenwärtigen Sachlage (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG sowie Art. 8 Abs. 2 RL 2004/83/EG) - zuzumuten und kann von ihnen daher auch vernünftigerweise erwartet werden, dass sie ihren Aufenthalt in einem anderen Landesteil der Russischen Föderation nehmen, an dem sie vor Verfolgung sicher sind und wo ihr soziales und wirtschaftliches Existenzminimum gewährleistet ist. Selbst wenn dabei mit dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Hess. VGH, Urteil vom 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A - ) und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Bay.VGH, Urteil vom 31.01.2005 - 11 B 02.31597 - ) die Regionen Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Krasnodar und Stawropol als Orte/Räume einer inländischen Fluchtalternative ebenso ausgenommen werden wie die russische Hauptstadt Moskau und Petersburg, hat zumindest die Klägerin zu 2 gegenwärtig die Möglichkeit, in der tschetschenischen Diaspora innerhalb Russlands eine Registrierung zu erhalten und mit ihrer Registrierung für die ganze Familie das soziale und wirtschaftliche Existenzminimum zu sichern, denn sie verfügt über einen neuen gültigen russischen Inlandspass, der u.a. Voraussetzung für eine Registrierung ist. Hierzu ist im Einzelnen folgendes auszuführen:
31 
Art. 27 der russischen Verfassung von 1993 garantiert zwar die Niederlassungsfreiheit. Dieses Recht ist indessen strikt begrenzt durch regionale und lokale Bestimmungen und durch das de facto vielerorts noch gültige Propiska-System, das vor dem mit dem Föderationsgesetz im Jahre 1993 eingeführten Registrierungssystem galt und das nicht nur eine Meldung durch den Bürger, sondern auch die Gestattung oder Verweigerung durch die Behörden vorsah. Nach dem Registrierungssystem ist nunmehr Voraussetzung für eine dauerhafte Registrierung, dass der Antragsteller einen Wohnraumnachweis führen kann und über einen russischen Inlandspass verfügt. Ein in Deutschland ausgestelltes Passersatzpapier reicht für eine dauerhafte Registrierung nicht aus (AA, Lagebericht vom 18.08.2006, S. 26). Trotz der Systemumstellung durch das Föderationsgesetz wenden viele Regionalbehörden der Russischen Föderation restriktive örtliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken an, weshalb Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens erhebliche Schwierigkeiten haben, eine offizielle Registrierung zu erhalten. Besonders in Moskau haben zurückgeführte Tschetschenen in der Regel nur dann eine Chance, in der Stadt Aufnahme zu finden, wenn sie über genügend Geld verfügen oder auf ein Netzwerk von Bekannten oder Verwandten zurückgreifen können. Hierbei haben sich die administrativen Schwierigkeiten und auch die Behördenwillkür nach der Geiselnahme im Oktober 2002 gegenüber - besonderes auch rückkehrenden - Tschetschenen verstärkt; daran dürfte sich auf absehbare Zeit angesichts der weiterhin fortbestehenden Terrorgefahr auch nichts ändern (AA, Lagebericht vom 18.08.2006, S. 26).
32 
Die genannten Registrierungsvoraussetzungen gelten im ganzen Land. Gleichwohl ist eine offizielle Registrierung in anderen Regionen der Russischen Föderation, vor allem in Südrussland, grundsätzlich leichter möglich als in Moskau, unter anderem weil Wohnraum - eine der Registrierungsvoraussetzungen - dort erheblich billiger ist als in der russischen Hauptstadt mit ihren hohen Mieten. Neben Moskau, wo etwa 200.000 Tschetschenen leben und den oben genannten, als Ort des internen Schutzes möglicherweise nicht in Betracht kommenden Regionen, ist es Tschetschenen auch gelungen, sich im Gebiet Rostow (70.000), in der Wolgaregion (50.000), in Nordossetien (4.000) und in Karatschajewo-Tscherkessien (23.000) anzusiedeln (AA, Lagebericht vom 18.08.2006, S. 18).
33 
c) Zur Überzeugung des Senats wird es auch der Klägerin zu 2, die im Besitz eines neuen gültigen russischen Inlandspasses ist, gelingen, in diesen tschetschenischen Siedlungsgebieten Wohnraum für sich und ihre Familie zu erlangen und damit grundsätzlich die geforderten Rechtsvoraussetzungen für eine Registrierung zu erfüllen. Im Hinblick auf die Möglichkeit, eine Registrierung zu erhalten bzw. ohne eine solche zu leben, führt MEMORIAL in seinem Schreiben vom 16.10.2005 allerdings aus, dass es sich auch an kleinen Orten nicht ohne Registrierung leben lasse, denn diese werde an jedem Ort benötigt. Hinzu komme, dass in kleinen Ortschaften alles sichtbar sei und man nicht „mit der großen Masse verschmelzen“ könne. Der Senat geht gleichwohl nicht davon aus, dass die Klägerin zu 2 an einem solchen Ort ohne Registrierung wird leben müssen. Trotz aller Schwierigkeiten, vor die sich die Angehörigen der tschetschenischen Volksgruppe bei Registrierungen gestellt sehen, ist nach Auskunft des Auswärtigen Amtes eine Registrierung in vielen Landesteilen möglich, wenn auch oft erst nach Intervention von Nicht-Regierungsorganisationen, Duma-Abgeordneten oder anderen einflussreichen Persönlichkeiten oder durch Bestechung (Lagebericht des AA vom 18.08.2006, Stand Juli 2006, S. 27). Bei ihren diesbezüglichen Bemühungen kann die Klägerin zu 2 auch auf die Unterstützung ihres Ehemannes zählen. Auch wenn dieser selbst über keinen gültigen Inlandspass verfügt und damit die Registrierungsvoraussetzungen für seine Person nicht erfüllt, wird es ihm gelingen, in der stark männlich dominierten tschetschenischen Diaspora Wohnraum zu organisieren und für sich selbst - auch ohne eigene Registrierung (dazu sogleich) - zumindest in der so genannten „Schattenwirtschaft“ eine Arbeit zu finden, die es ihm ermöglicht, das wirtschaftliche Existenzminimum für sich und seine Familie zu sichern. Darauf, ob er sich selbst registrieren lassen kann - wofür mangels eines gültigen Passes wenig spricht - und ob es ihm zumutbar wäre, zunächst nach Tschetschenien zurückzukehren, um sich einen neuen Pass zu beschaffen (dazu AA vom 22.11.2005 an VG Berlin), kommt es vorliegend nicht an. Denn für ihn als Angehörigen einer grundsätzlich registrierungsberechtigten Ehefrau ist auch ohne gültigen Pass eine Aufenthaltsnahme in einer als Ort des internen Schutzes in Betracht kommenden anderen Region der Russischen Föderation möglich und zumutbar (vgl. hierzu auch Hess. VGH, Urteil vom 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A- Nr. 53 des Dokuments; für den Fall eines 35jährigen allein stehenden Mannes).
34 
Der Senat verkennt nicht, dass die Konsequenzen einer Nichtregistrierung gravierend sind und Rechtspositionen sowie eine Reihe sozialer Leistungen von der Registrierung abhängen, so das Recht auf Beschäftigung, auf medizinische Versorgung und Ausbildung. Gleichwohl werden sich die Kläger nach den besonderen Umständen des Falles in den Zufluchtgebieten mit zumutbaren Anstrengungen eine ausreichende Lebensgrundlage schaffen können ( zu den generellen Verhältnissen nicht registrierter Tschetschenen vgl. zuletzt AA, Lagebericht vom 18.08.2006, S. 27). Entscheidend ist, dass die Klägerin zu 2 über einen gültigen russischen Inlandspass verfügt. Damit wird es ihr nach Einschätzung des Senats möglich sein, in der Russischen Föderation - außerhalb der oben angeführten Regionen, die als Orte des internen Schutzes nicht in Betracht kommen - eine Registrierung zu erhalten. Jedenfalls auf Grundlage dieser Registrierung wird es den Klägern im Familienverbund gelingen, sich durch eine Tätigkeit des Klägers in der in der Russischen Föderation weit verbreiteten sog. „Schattenwirtschaft“ eine ausreichende Lebensgrundlage zu schaffen. Der Kläger ist ersichtlich gesund und zu körperlicher Arbeit in der Lage. Er hat auch bereits in der Landwirtschaft gearbeitet und beim Bau mitgeholfen. Darauf, ob der Familie auch ohne Registrierung „vernünftigerweise“ angesonnen werden könnte, sich in einer der Zufluchtsregionen aufzuhalten - laut MEMORIAL („Menschen aus Tschetschenien in der Russischen Föderation, Juli 2005 bis Juli 2006“, S. 35) ist seit Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 122 der Empfang von staatlichen Unterstützungsgeldern und Renten bei fehlender Registrierung nicht möglich und wird der Besuch des Kindergartens und manchmal sogar der Schulbesuch erschwert - kommt es nicht an.
III.
35 
Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG vor, wobei für die Auslegung Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und die Art. 6 bis 8 RL 2004/83/EG jeweils heranzuziehen sind (vgl. Hinweise des BMI, S.15). Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass den Klägern bei einer Rückkehr in die Russische Föderation Folter (§ 60 Abs. 2 AufenthG), die Todesstrafe (§ 60 Abs. 3 AufenthG) oder insbesondere eine unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 der EMRK (§ 60 Abs. 5 AufenthG) droht. Art. 2 e RL 2004/83/EG definiert die „Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ als Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der bei einer Rückkehr Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie zu erleiden. Auch für diese Personen sieht Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG vor, dass für sie - falls sie bereits vor ihrer Ausreise einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten haben -, der herab gestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab Anwendung findet. Auch wenn der Senat dessen Vorliegen auch hier bei den Klägern unterstellt, scheidet ein Anspruch aus den oben genannten Gründen aus.
36 
Auch für eine Schutzgewährung nach § 60 Abs. 7 AufenthG gilt entsprechendes. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Mit Blick auf die Qualifikationsrichtlinie ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt ist. Bei der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG gelten Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und die Art. 6 bis 8 der Richtlinie 2004/83/EG. Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Hinblick auf die Tatsache, dass die Umsetzungsfrist für die Qualifikationsrichtlinie mittlerweile abgelaufen ist, hilfsweise beantragt haben, zusätzlich festzustellen, dass die Voraussetzungen des Art. 15 c RL 2004/83/EG vorliegen, können sie damit gleichfalls nicht durchdringen, denn Art. 15 c RL 2004/83/EG ist ein Unterfall des § 60 Abs. 7 AufenthG und regelt die subsidiäre Schutzgewährung in Fällen willkürlicher Gewalt im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten. Ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall auf die Situation in Tschetschenien zutreffen, kann dahinstehen, denn auch hier gilt, dass den Klägern nach den obigen Ausführungen eine zumutbare interne Schutzalternative zur Verfügung steht, diese auch erreichbar ist und von ihnen vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort aufhalten.
IV.
37 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
38 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist. Insbesondere kommt es auf die Frage, ob (und welche) tschetschenische Volkszugehörige in Tschetschenien einer (regionalen) Gruppenverfolgung ausgesetzt sind, wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht an.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.