Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 20. Juli 2016 - RO 1 K 16.690

bei uns veröffentlicht am20.07.2016

Gericht

Verwaltungsgericht Regensburg

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Polizeioberkommissar. Er verlangt von seinem Dienstherrn die Erfüllungsübernahme eines festgesetzten Schmerzensgeldanspruchs gegenüber einer Privatperson, die ihm im Dienst eine Körperverletzung und Beleidigungen zugefügt hat.

Am 1.5.2013 war der Kläger zusammen mit einem Kollegen im Streifendienst in M. tätig. Er wurde von der Einsatzzentrale zu einer Gaststätte beordert, weil dort betrunkene Gäste herumpöbelten und es schon zu Tätlichkeiten untereinander gekommen war. Ein Teil dieser Personen, die zwischenzeitlich die Gaststätte verlassen hatten, wurde im öffentlichen Straßenraum angetroffen. Bei der Feststellung der Personalien wurde der Kläger von dem Beteiligten T. K. mehrfach beleidigt und mit voller Kraft mit dem Handballen gegen den Oberkörper geschlagen. Im Verlauf des 2./3.5.2013 bildete sich nach Angaben des Klägers ein Bluterguss im Bereich des linken Rippenbogens. Beschädigt wurde durch den Angriff auch die in der rechten Brusttasche des Diensthemdes befindliche Lesebrille des Klägers. Weiterhin wurde der Kläger durch den im vorliegenden Verfahren nicht maßgeblichen weiteren Beteiligten M. W. beleidigt. Wegen des weiteren Tatverlaufs wird auf die Stellungnahmen des Klägers und seines Kollegen PHK H. J. Bezug genommen.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 10.4.2015 an das Polizeipräsidium Niederbayern/Oberpfalz und Schreiben vom 9.6.2015 an das Landesamt für Finanzen beantragte der Kläger Erfüllungsübernahme hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruchs gegenüber dem Täter K. Verwiesen wird auf das rechtskräftige Versäumnisurteil des Amtsgerichts K. vom 14.7.2014, mit dem der Täter zu einer Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 4.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.6.2014, sowie außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 258,17 € nebst Zinsen hieraus verurteilt worden war. In der zugrunde liegenden Klageschrift zum Amtsgericht K. vom 13.6.2014 hatte der Kläger angegeben, dass der Täter ihn mit voller Wucht mit dem Handballen gegen den Oberkörper geschlagen habe. Er habe einen Bluterguss im Bereich des linken Rippenbogens erlitten, der über geraume Zeit einen Druckschmerz zur Folge gehabt habe. Weiterhin sei er durch zahlreiche Äußerungen beleidigt worden. Zum Zwecke einer außergerichtlichen Einigung habe er dem Täter die Möglichkeit gegeben, zu einem „relativ geringfügigen“ Ausgleichsbetrag den Vorgang ohne gerichtliche Klärung zum Abschluss zu bringen. Hierauf habe der Täter aber nicht reagiert.

Die Obergerichtsvollzieherin N. erklärte am 2.3.2015 unter Bezugnahme auf das vom Täter abgegebene Vermögensverzeichnis, dass eine Vollstreckung erfolglos war.

Mit Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom 3.9.2015 wurde der Antrag auf Erfüllungsübernahme abgelehnt. Anerkannt wurde zwar, dass der Kläger verbal beleidigt und gegen den Oberkörper geschlagen worden sei, so dass er einen Bluterguss im Bereich des linken Rippenbogens erlitten habe. Es liege ein rechtskräftiges Versäumnisurteil und eine erfolglose Zwangsvollstreckung vor.

Bei einem tätlich angegriffenen Beamten könne der Dienstherr nach Art. 97 BayBG die Erfüllung eines Anspruchs bis zur Höhe des festgestellten Schmerzensgeldbetrages übernehmen, soweit dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig sei. Art. 97 BayBG sei aber erst am 1.1.2015 mit Wirkung für die Zukunft in Kraft getreten. Vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens liegende Ereignisse würden von der Regelung nicht erfasst, da der tätliche Angriff eine eigenständige Tatbestandsvoraussetzung sei.

Der mit Schriftsatz vom 16.11.2015 erhobene Widerspruch wurde damit begründet, dass sich aus dem Gesetzestext nur eine zeitliche Begrenzung für die Geltendmachung von zwei Jahren ab Eintritt der formalen Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über den Schmerzensgeldanspruch ergebe. Allein aus dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der gesetzlichen Regelung ergebe sich nicht, dass die Erfüllungsübernahme nicht auch Sachverhalte umfasse, die vor diesem Zeitpunkt lägen. Es entspreche dem Regelfall, dass Gesetzesänderungen hinsichtlich der begünstigenden Wirkung auch Sachverhalte vor Inkrafttreten der Gesetzesänderungen erfassten. Wollte der Gesetzgeber eine andere Regelung, könne er diese ausdrücklich schaffen, wie etwa die Ausschlussfrist von 2 Jahren für die Geltendmachung der Ansprüche. Auch aus der Gesetzesbegründung ergebe sich kein Hinweis darauf, dass die Regelung lediglich zukünftige tätliche Angriffe erfassen solle. Aus der gesetzlichen Begründung ergebe sich nur der Zweck des Tatbestandsmerkmals „tätlicher Angriff“ als Abgrenzung zwischen Angriffen mit körperlichen Beeinträchtigungen oder nur Gesundheitsschädigungen und bloßen Beleidigungen und Bedrohungen, die zu keinen körperlichen oder psychischen Folgen geführt hätten. Eine Beschränkung sei erstmals in den Verwaltungsvorschriften zum BayBG erfolgt. Diese seien aber lediglich verwaltungsintern verbindlich.

Mit Schreiben vom 12.1.2016 wies das Landesamt für Finanzen drauf hin, dass der Kläger keinen förmlichen Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalles gestellt habe. Der Kläger reichte daraufhin am 22.2.2016 einen Dienstunfallantrag einschließlich seiner Schilderung vom 1.5.2013 und der Stellungnahme seines Kollegen vom 2.5.2013 ein. Dabei gab er an, dass anlässlich des Unfalls kein Arzt konsultiert worden sei.

Im Schreiben vom 23.3.2016 erklärte das Landesamt für Finanzen, dass ein Dienstunfall nach Art. 46 BayBeamtVG ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis sei, das in Ausübung oder in Folge des Dienstes eingetreten sei. Ein Körperschaden sei nachgewiesen, wenn er aus medizinischer Sicht Krankheitswert besitze und eine ärztliche Konsultation stattgefunden habe. Eine geringfügige, ärztlich nicht bestätigte Verletzung zähle dagegen nicht als Körperschaden. Aus dem Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalles ergebe sich, dass aufgrund des geschilderten Ereignisses keine ärztliche Konsultation erfolgt sei. Bei dem Ereignis vom 1.5.2013 handele es sich deshalb nicht um einen Dienstunfall.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.3.2015 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Art. 97 BayBG sei zum1.1.2015 in Kraft getreten. Eine rückwirkende Anwendung habe der Gesetzgeber weder gesetzlich geregelt noch beabsichtigt. Auch auf die nachträgliche Schaffung einer rückwirkenden Regelung habe der Bayerische Landtag ausdrücklich verzichtet (LT-Drs. 17/9502). Eine Erfüllungsübernahme komme deshalb nur bei Angriffen in Betracht, die nach dem 1.1.2015 erfolgt seien. Der zeitliche Geltungsbereich sei bereits dem Wortlaut des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG zu entnehmen. Dieser setze voraus, dass der Beamte einen Titel aufgrund eines Angriffs erlangt habe, den er in Ausübung des Dienstes oder außerhalb des Dienstes wegen der Eigenschaft als Beamter „erleide“. Nicht erfasst würden Titel, die auf einem Angriff beruhten, die der Beamte bereits vor Inkrafttreten „erlitten habe“.

Der Bescheid wurde am 31.3.2016 zugestellt.

Mit Telefax seines Prozessbevollmächtigten vom 29.4.2016 erhob der Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg Klage auf Erfüllungsübernahme.

Zur Begründung wird ausgeführt, Gegenstand des Verfahrens sei nur die Frage, ob Art. 97 BayBG eine Einschränkung der Erfüllungsübernahme auf Ereignisse ab dem1.1.2015 enthalte. Im Übrigen seien die Tatbestandsvoraussetzungen wegen des tätlichen Angriffs bei Ausübung des Dienstes erfüllt, aufgrund dessen der Kläger einen rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld gegen einen Dritten habe. Die Zwangsvollstreckung sei erfolglos verlaufen. Es liege deshalb eine Ermessensreduzierung auf Null vor.

Mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe Einverständnis.

Der Kläger stellt den Antrag,

den Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom 30.9.2015 und seinen Widerspruchsbescheid vom 21.3.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger 4.000,- € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erfüllungsübernahme nach Art. 97 BayBG. Bei dieser Bestimmung handele es sich nicht um einen Anspruch des Beamten auf Übernahme des Schmerzensgeldanspruchs, sondern nur um einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Bestimmung sei mit dem Haushaltsgesetz 2015/2016 (Art. 9 Nr. 3) am 1.1.2015 in Kraft getreten. Bestimmungen dahingehend, dass die Norm rückwirkend auf Sachverhalte aus der Zeit vor ihrem Inkrafttreten anzuwenden sei, enthalte das Haushaltsgesetz nicht. Es gebe keine Überleitungs- oder Übergangsregelungen wie in Art. 100 ff BayBeamtVG. Auch aus dem Gesetzgebungsverfahren ergebe sich, dass die Regelung von Sachverhalten vor dem 1.1.2015 nicht beabsichtigt gewesen sei. Abgeordnete hätten mit einem Antrag vom 1.10.2015 erreichen wollen, dass auch Altfälle erfasst werden sollten. Dieser Antrag sei aber abgelehnt worden.

Im Übrigen beziehe sich Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG nur auf einen Schmerzensgeldanspruch wegen eines tätlichen rechtswidrigen Angriffs. Hierunter sei nur ein körperlicher Angriff zu verstehen. Dies ergebe sich schon aus der Gesetzesbegründung, nach der nur der auf einen physischen Schaden ausgerichtete Angriff erfasst werden solle, nicht hingegen bloße Beleidigungen und Bedrohungen, die zu keinen körperlichen oder nur zu psychischen Folgen geführt hätten. Gleiches ergebe sich aus Nr. 45.4.2 BayVV-Versorgung. Eine Erfüllungsübernahme komme deshalb bei Beschimpfungen und Beleidigungen nicht in Betracht. Zu berücksichtigen wären damit nur die Schmerzen und Leiden des Klägers aufgrund des Schlags gegen den Oberkörper im Bereich zwischen rechtem Brustmuskel und Schultergelenk. In der Klage vom 13.6.2014 zum Amtsgericht K. sei der Schmerzensgeldanspruch aber hauptsächlich mit der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie der Kränkung der Ehre als Privatperson und als Polizeibeamter begründet worden. Der Schlag gegen den Oberkörper und dessen Folgen hätten in der Begründung kaum eine Rolle gespielt. Auch aus diesem Grunde scheide damit eine Erfüllungsübernahme in der geforderten Höhe aus. Auch der weiterhin geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch gegen den Beschuldigten W., der sich nur auf die von diesem begangenen Beleidigungen bezogen habe und für die der Kläger einen Schmerzensgeldanspruch durch Versäumnisurteil des Amtsgerichts K. in Höhe von 3.000,- € erhalten habe, zeige, dass bei dem streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch die Beleidigungen den wesentlichen Grund dargestellt hätten.

Der Kläger habe zudem dem Täter in der Klageschrift die Möglichkeit eingeräumt, durch Zahlung eines relativ geringfügigen Ausgleichsbetrags die Angelegenheit außergerichtlich zu bereinigen.

Die Beklagtenseite verzichtete ebenfalls auf mündliche Verhandlung.

Ergänzend trägt die Klägerseite vor, die Vorschrift über die Erfüllungsübernahme sei anwendbar, da der Gesetzgeber als Anknüpfungspunkt die Rechtskraft der Entscheidung gewählt habe. Schmerzensgeld beziehe sich auf einen längeren Zeitraum und könne nicht in einen Teil vor und einen Teil nach Inkrafttreten einer Regelung aufgeteilt werden. Nicht aufgeteilt werden könne auch die individuelle Schmerzensgeldbemessung auf die Verletzung der körperlichen Integrität und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Der Antrag von Abgeordneten habe sich nur darauf bezogen, die Exekutive aufzufordern, die Erfüllungsanordnung rückwirkend anzuwenden. Dies sei abgelehnt worden, weil die Begrenzung der Anwendung der Norm auf Ansprüche, die ab dem 1.1.2015 entstanden sind, nur auf fehlerhaftem Behördenhandeln beruhe. Es habe deshalb kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestanden. In den Landtagsdrucksachen sei kein Hinweis darauf gegeben, dass die Norm für Angriffe vor dem 1.1.2015 ausgeschlossen sein solle.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze und die Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Parteien hierauf verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.

Die zulässige Klage ist nicht begründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Erfüllungsübernahme hat.

Mit Art. 97 BayBG wurde insbesondere geregelt, dass der Dienstherr bei einem Beamten, der im Dienst einen „tätlichen rechtswidrigen Angriff … erleidet“ und der einen rechtskräftig festgestellter Anspruch auf Schmerzensgeld gegen einen Dritten hat, auf Antrag die Erfüllung dieses Anspruchs bis zur Höhe des festgestellten Schmerzensgeldbetrages übernehmen kann, soweit dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist. Nach Art. 97 Abs. 2 BayBG liegt eine unbillige Härte insbesondere vor, wenn die Vollstreckung über einen Betrag von mindestens 500 € erfolglos geblieben ist. Die Übernahme ist nach Art. 97 Abs. 3 BayBG innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach Rechtskraft des Urteils schriftlich unter Nachweis der Vollstreckungsversuche zu beantragen.

Art. 97 BayBG wurde als Art. 9 Nr. 3 des Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaats Bayern für die Haushaltsjahre 2015 und 2016 (Haushaltsgesetz 2015/2016 - HG 2015/2016, GVBl. S. 511) in das Bayerische Beamtengesetz eingefügt. Es hat weder für Bayerische Beamte, noch für Bundesbeamte Vorläuferregelungen gegeben, auch gibt es keine entsprechenden Regelungen in Gesetzen anderer Bundesländer.

Bei Art. 97 BayBG handelt es sich um eine besondere Fürsorgeleistung nach Abschnitt 7 des 4. Teils des Bayerischen Beamtengesetzes. Ohne diese Regelungen würde es sich nicht um eine zulässige Leistung des Dienstherrn nach Art. 5 BayBG handeln. Sie wäre damit unzulässig.

Abgesehen davon, dass der Kläger außer im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null bei der zu treffenden Ermessensentscheidung höchstens einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hat, ist somit erforderlich, dass der Anwendungsbereich dieser Vorschrift eröffnet ist. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass dies vorliegend nicht der Fall ist, da hierzu alle Tatbestandsmerkmale und damit auch der tätliche Angriff nach Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung hätten verwirklicht werden müssen.

Nach Art. 17 HG 2015/2016 ist das Gesetz am1.1.2015 in Kraft getreten. Da der Kläger nach diesem Zeitpunkt nicht den konkret bezeichneten Angriff „erleidet“, sondern bereits am 1.5.2013 erlitten hat, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzestextes, dass Art. 97 BayBG für den früheren Angriff nicht anwendbar ist. Der Angriff und auch die zugefügten Schmerzen waren bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen. Gleiches gilt vorliegend auch für die gerichtliche Entscheidung durch das Versäumnisurteil des Amtsgerichts K. vom 14.7.2014. Dass der Vollstreckungsversuch erst nach Inkrafttreten der Norm erfolglos geblieben ist, kann auch dann nicht zur Zulässigkeit des Antrags auf Erfüllungsübernahme führen, wenn der Antrag innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Jahren gestellt wurde. Die erfolglose Vollstreckung ist nicht unmittelbares Tatbestandsmerkmal des Erfüllungsanspruchs nach Art. 97 Abs. 1 BayBG, sondern führt nur bei Beträgen von mindestens 500 EUR dazu, dass ein Regelfall einer unbilligen Härte vorliegt.

Eine rückwirkende Anwendung der Bestimmung auf einen abgeschlossenen Sachverhalt ist nicht nur zulasten des Beamten unzulässig, sondern auch zugunsten des Beamten, wenn der Dienstherr damit nach Art. 5 BayBG unzulässige Leistungen gewähren würde. Entgegen der Darstellung des Klägervertreters stellt auch bei einer begünstigenden Regelung die rückwirkende Anwendbarkeit nicht den Regelfall dar.

Unzulässig ist auch eine entsprechende Anwendung des Art. 97 BayBG auf tätliche Angriffe, die vor dem 1.1.2015 stattgefunden haben. Die Schließung einer Gesetzeslücke im Wege der Analogie ist zwar auch bei Leistungen an Beamte nicht ausgeschlossen, setzt aber eine planwidrige Regelungslücke voraus. „Der Anwendungsbereich der Norm muss wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig sein.“ (BVerwG, Urt.v. 27.3.2014, 2 C 2.13, juris).

Eine Regelungslücke kann bereits aufgrund der differenzierten Regelung in Art. 17 HG 2015/2016 nicht angenommen werden. Nach Art. 17 Abs. 2 HG 2015/2016 wurden für einzelne Bestimmungen, zu denen auch Änderungen der Beamtenbesoldung gehören, abweichende Regelungen hinsichtlich des Inkrafttretens getroffen. Hieraus kann darauf geschlossen werden, dass der Gesetzgeber hinsichtlich aller weiteren Regelungen das Inkrafttreten zum 1.1.2015 wollte.

Dem steht nicht entgegen, dass Teile des Landtags nach Inkrafttreten des Art. 97 BayBG die Staatsregierung auffordern wollten, die Bestimmung auf Altfälle anzuwenden. Der Landtags-Drucksache kann dabei nicht entnommen werden, dass sich der Antrag nur auf einen unzulässigen Eingriff in die Verwaltung bezog. Die Ablehnung dieses Antrags mit Beschluss vom 1.10.2015 (LT-Drucks. 17/8221), ohne dass eine Gesetzesänderung beantragt wurde, zeigt vielmehr, dass eine Regelung für Altfälle nicht dem Mehrheitswillen des Gesetzgebers entsprach.

Bei einer Neuregelung ist eine Geltung ab einem bestimmten Stichtag zulässig. Stichtagsregelungen sind ein für eine ungleiche Behandlung von Sachverhalten, die vor bzw. nach dem Stichtag stattfanden, hinreichender Grund (BVerfG, B.v. 27.2.2007, 1 BvL 10/00, juris), wenn sie sachlich vertretbar sind. Dies ist bei der Neueinführung einer Leistung bei einer Geltung ab Inkrafttreten des Gesetzes regelmäßig der Fall. Eine Ungleichbehandlung von Beamten, die vor Inkrafttreten der Neuregelung einen tätlichen Angriff erlitten haben mit denen, die erst danach einen tätlichen Angriff erleiden, ist damit zulässig.

Hingewiesen wird noch darauf, dass auch im Übrigen die Klageerwiderung zutreffend ist. Der in Art. 97 Abs. 1 BayBG verwendete Begriff des tätlichen Angriffs bezieht sich nach der Gesetzesbegründung (Bay. Landtag Drucksache 17/2871, S. 44), wie bereits in Nr. 46.4.2 BayVV-Versorgung definiert, auf einen Angriff, der auf einen physischen Schaden gerichtet ist. Der Beamte muss eine körperliche Beeinträchtigung oder Gesundheitsschäden erleiden. Nicht erfasst werden bloße Beleidigungen und Bedrohungen, die zu keinen körperlichen oder nur zu psychischen Folgen führen.

Selbst wenn der Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hätte, würde sich dieser nur auf ein Schmerzensgeld in Bezug auf einen körperlichen Angriff beziehen. Wenn, wie glaubhaft dargelegt, dabei nur Körperverletzungen als wesentlich angesehen werden, bei denen eine ärztliche Untersuchung erfolgte, ist die Ablehnung der Erfüllungsübernahme deshalb nicht ermessenswidrig. Im Rahmen der zu treffenden Ermessenentscheidung kann der Begriff des tätlichen Angriffs auf Angriffe mit einer Mindestschwere beschränkt werden, bei denen eine ärztliche Untersuchung erfolgt.

Damit war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 VwGO abzuweisen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

Die Zulassung der Berufung war nicht veranlasst.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.