Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 27. Juli 2010 - 4 L 716/10.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2010:0727.4L716.10.NW.0A
bei uns veröffentlicht am27.07.2010

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Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 30. Juni 2010 wird wiederhergestellt, soweit in Ziffer 2.) die Rauchfreiheit des Nebenzimmers gefordert wird. Außerdem wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet, soweit unter Ziffer 4.) insoweit ein Zwangsgeld in Höhe 500,00 € angedroht wird. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 3/5 und die Antragsgegnerin zu 2/5.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig. In ihrer Verfügung vom 30. Juni 2010 verlangt die Antragsgegnerin die Rauchfreiheit sowohl des Thekenraums (Ziffer 1.) als auch des Nebenzimmers (Ziffer 2.) der Gaststätte der Antragstellerin und das Anbringen von Hinweisen über dieses Rauchverbot (Ziffer 3.). Gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO hat die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziffer 5.). Statthaft ist daher insoweit ein Antrag nach § 80 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin. Soweit unter Ziffer 4.) der Verfügung Zwangsgelder angedroht werden, ist diese Regelung gemäß § 20 AGVwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Das Begehren der Antragstellerin ist daher diesbezüglich zu verstehen als Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alternative VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs.

2

Dieses statthafte Begehren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist nur teilweise begründet.

3

In formeller Hinsicht genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 30. Juni 2010 den Anforderungen in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, denn die Antragsgegnerin hat das überwiegende öffentliche Interesse mit der Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts der Gesundheit der Bevölkerung hinreichend begründet.

4

In materieller Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1.) und 3.) des Bescheids vom 30. Juni 2010 rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die Antragsgegnerin darin die Rauchfreiheit des sogenannten Thekenraums und eine entsprechende Kennzeichnung des Rauchverbots anordnet, überwiegt das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Verfügung. Hingegen überwiegt das Interesse der Antragstellerin, von Vollzugsmaßnahmen vorläufig verschont zu bleiben, soweit in Nummer 2.) der Verfügung auch ein Rauchverbot für das Nebenzimmer verlangt wird.

5

Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang (vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 581). Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht (vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 240).

6

Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des unter Ziffer 1.) angeordneten Rauchverbots im sogenannten Thekenraum der Gaststätte der Antragstellerin, weil der Bescheid vom 30. Juni 2010 insoweit ersichtlich rechtmäßig ist und mit seiner Durchsetzung nicht bis zur Bestandskraft, deren Eintritt noch nicht abzusehen ist, abgewartet werden kann.

7

Die Anordnung eines Rauchverbots im Thekenraum der Gaststätte der Antragstellerin hat ihre Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 des Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 26. Mai 2009 ( - NRSG - ).

8

Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 NRSG kann die Antragsgegnerin die zur Umsetzung und Einhaltung dieses Gesetzes erforderlichen Anordnungen treffen. Die Anordnung eines Rauchverbots im Thekenraum der Gaststätte der Antragstellerin stellt eine solche erforderliche Maßnahme dar.

9

Gemäß § 7 Abs. 1 NRSG sind Gaststätten grundsätzlich rauchfrei. Ausnahmen davon sind nach § 7 Abs. 2 NRSG nur möglich für Gaststätte mit nur einem Gastraum und mit einer Grundfläche von weniger als 75 m². Bei einer Gaststätte mit mehreren, durch ortsfeste Trennwände voneinander getrennten Räumen kann die Betreiberin oder der Betreiber gemäß § 7 Abs. 3 NRSG das Rauchen außerdem auch in einzelnen Nebenräumen erlauben. Weitere Voraussetzung für eine solche Raucherlaubnis in einer Mehrraumgaststätte ist, dass die Grundfläche und die Anzahl der Sitzplätze in den Nebenräumen mit Raucherlaubnis nicht größer sind als in den übrigen rauchfreien Gasträumen.

10

Auf dieser gesetzlichen Grundlage, die keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. März 2010 - VGH 60 und 70/09 - ), hat die Antragsgegnerin zu Recht ein Rauchverbot für den sogenannten Thekenraum der Gaststätte der Antragstellerin angeordnet. Dieser Gastraum ist nämlich nach § 7 Abs. 1 NRSG rauchfrei zu halten.

11

Eine Ausnahme nach § 7 Abs. 2 NRSG kommt vorliegend nicht in Betracht, denn die Gaststätte der Antragstellerin verfügt über zwei Gasträume und über eine Grundfläche von mehr als 75 m². Aber auch eine Nutzung des sogenannten Thekenraums als Raucherraum im Sinne von § 7 Abs. 3 BRSG scheidet aus. Erlaubt werden darf nach dieser Vorschrift nämlich nur das Rauchen in einzelnen Nebenräumen, während der Hauptbereich der Gaststätte rauchfrei bleiben muss. Der sogenannte Thekenraum der Gaststätte der Antragstellerin ist jedoch kein Nebenraum.

12

Die Räume, in denen nach § 7 Abs. 3 NRSG das Rauchen erlaubt werden darf, müssen durch ortsfeste Trennwände vom rauchfreien Bereich getrennt sein und dürfen gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 NRSG nicht größer sein als die übrigen rauchfreien Gasträume. Außerdem muss es sich um Neben räume handeln, während der Hauptbereich rauchfrei bleiben muss. Kennzeichnend für einen Nebenraum im Sinne von § 7 Abs. 3 NRSG ist mithin nicht nur die untergeordnete Größe, sondern auch eine entsprechende untergeordnete Funktion, die ihn von einem Hauptraum unterscheidet. Der zentrale Gastraum einer Gaststätte, der eine zentrale Bewirtungsfunktion wahrnimmt und der von jedem Gast beim Besuch zwangsläufig betreten werden muss, ist Haupt- und nicht Nebenraum. Ein solcher Raum ist deshalb in einer Mehrraumgaststätte rauchfrei zu halten.

13

Der sogenannte Thekenraum ist der Hauptraum der Gaststätte der Antragstellerin. Dieser Raum verfügt über eine Theke mit dahinterliegender Küche, der eine zentrale Bewirtungsfunktion zukommt. Außerdem kann die Gaststätte nur über diesen Raum betreten werden. Sowohl der Haupteingang von der Kaiserstraße her als auch der Hintereingang führen nämlich unmittelbar in diesen sogenannten Thekenraum. Auch für die Benutzung der Toilette, die sich in einem Nebengebäude befindet, muss dieser Raum durchschritten werden. Entsprechend diesen Gegebenheiten wurde der sogenannte Thekenraum schon in der Gaststättenerlaubnis vom 25. August 1977 als „allgemeines Wirtszimmer“ bzw. „Gaststätte“ bezeichnet, während die zweite Räumlichkeit - ebenfalls zutreffend - als „Nebenzimmer“ ausgewiesen ist. Als Nebenraum, in dem unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 NRSG in der Gaststätte der Antragstellerin das Rauchen erlaubt werden kann, kommt mithin nur das sogenannte Nebenzimmer in Betracht, während der sogenannte Thekenraum als Hauptraum rauchfrei bleiben muss.

14

Im Hinblick darauf bestehen auch gegen die Anordnung in Ziffer 3.) des Bescheids vom 30. Juni 2010, wonach über das Rauchverbot durch deutlich wahrnehmbare Hinweise insbesondere an den beiden Eingangsbereichen der Gaststätte zu informieren ist, keine rechtlichen Bedenken. Diese Anordnung entspricht dem entsprechenden gesetzlichen Gebot in § 9 NRSG.

15

Erweisen sich mithin die Ziffern 1.) und 3.) der Verfügung vom 30. Juni 2010 als rechtmäßig, so besteht mit Blick auf die Gewährleistung eines gesetzeskonformen Nichtraucherschutzes auch ein überwiegendes öffentliches Interesse an ihrem sofortigen Vollzug.

16

Soweit hingegen in Nummer 2.) der Verfügung auch ein Rauchverbot für das Nebenzimmer verlangt wird, überwiegt das Interesse der Antragstellerin, von Vollzugsmaßnahmen diesbezüglich vorläufig verschont zu bleiben.

17

Die Anordnung dieses Rauchverbots erscheint der Kammer nicht erforderlich im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 NRSG. Gegenwärtig wird dieses sogenannte Nebenzimmer von der Antragstellerin nämlich bereits rauchfrei gehalten. Ob und wie sie diesen Raum im Hinblick auf das Rauchverbot, das die Antragsgegnerin betreffend den sogenannten Thekenraum ausgesprochen hat, in einen Raucherraum umgestaltet, ist derzeit unklar. Die Voraussetzungen, unter denen § 7 Abs. 3 NRSG das Rauchen in diesem Nebenraum zulässt, sind jedoch ohne größere Umbauten erfüllbar. So erscheint schon zweifelhaft, ob die Grundfläche des Nebenzimmers tatsächlich größer ist als die des Thekenraums. Dies ist davon abhängig, ob der nachträgliche Einbau eines Ofens im Thekenraum zu einer Verringerung der Grundfläche geführt hat. Insoweit bestehen deshalb Bedenken, weil nach Ziffer 3.2 der DIN 277-1, die für die Ermittlung von Grundflächen von Bauwerken gilt, die Netto-Grundfläche auch die Flächen von fest eingebauten Gegenständen, wie z.B. Öfen, einschließt. Im Übrigen ist der Thekenraum selbst bei Abzug der Ofenfläche nur 0,24 m² kleiner als das Nebenzimmer. Falls überhaupt notwendig, wäre eine entsprechende Verringerung der Grundfläche des Nebenzimmers gegebenenfalls ebenso leicht realisierbar wie eine Reduzierung der Anzahl der Sitzplätze.

18

Entsprechend den bisherigen Ausführungen war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen, soweit der Antragstellerin unter Ziffer 4.) der Verfügung vom 30. Juni 2010 ein Zwangsgeld in Höhe 500,00 € für den Fall angedroht wird, dass sie der Anordnung in Ziffer 2.) nicht fristgerecht nachkommt. Im Übrigen war der Antrag auch insoweit abzulehnen.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes ergibt sich aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.