Verwaltungsgericht München Urteil, 26. Okt. 2015 - M 8 K 13.3325

published on 26/10/2015 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 26. Okt. 2015 - M 8 K 13.3325
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Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

Aktenzeichen: M 8 K 13.3325

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 26. Oktober 2015

8. Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte:

Nachbarklage;

Abweichung von den gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften für die Errichtung von Balkonen;

Ungenaue Planzeichnung;

Abweichungsentscheidung floskelhaft

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: ...

gegen

...

- Beklagte -

beigeladen: ...

bevollmächtigt: Rechtsanwältin ...

wegen Baugenehmigung ...-str. 4 FlNr. ... Gem. ... - Nachbarklage

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 8. Kammer,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., die Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2015 am 26. Oktober 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Baugenehmigung vom ... Juli 2013, Az.: ... wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Alleineigentümerin des Anwesens ...-straße 6, Fl.Nr. ..., Gemarkung ... Sie wendet sich mit ihrer Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom ... Juli 2013 für die Errichtung von Balkonen am Nachbargebäude ...-straße 4.

Die Beigeladene beantragte mit Bauantrag vom 21. März 2013 die Genehmigung für den Anbau von Balkonen am Gebäude ...-straße 4, Fl.Nr. ... der Gemarkung ... Am 10. Juni 2013 stellte die Beigeladene einen Änderungsantrag (Pl.Nr. ...), dabei wurde eine Abweichung von den Abstandsflächen zum klägerischen Grundstück beantragt. Durch die Abweichung würde die Beigeladene ca. 15 m² mehr Wohnfläche erhalten, die Wohnqualität werde gesteigert und es entstünde eine Wertsteigerung der gesamten Immobilie. Die Grundstücksgrenze werde um ca. 28 m² überschritten.

Am ... Juli 2013 erteilte die Beklagte unter Plan-Nr. ... der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren entsprechend dem Bauantrag vom 21. März 2013 nach Plan-Nr. ... mit Handeintragungen vom 16. Mai 2013 und Änderungsantrag vom 10. Juni 2013. Es wurde eine Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.Nr. ... (= klägerisches Anwesen) und Fl.Nr. ... durch die Errichtung neuer Balkone an der Ostseite des Vordergebäudes erteilt. Durch die neuen Balkone werde das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt, das betroffene Nachbargrundstück der Klägerin, Fl.Nr. ... weise seinerseits eine Bebauung auf, die Abstandsflächen zum Baugrundstück nicht einhalte. Die Balkone mit einer Tiefe von 1,50 m und einer Breite von 3,50 m entsprächen lediglich aufgrund ihrer Breite von mehr als einem Drittel der Außenwand nicht den Kriterien eines untergeordneten Bauteils gemäß Art. 6 Abs. 8 Satz 2 BayBO. Für den betroffenen Nachbarn sei die Situation jedoch wie bei einem auf ein Drittel der Außenwandbreite reduzierten Balkon, welcher als untergeordneter Bauteil gemäß Art. 6 Abs. 8 BayBO für die Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht bliebe. Die Nachbarn würden durch die erteilten Abweichungen nicht nachhaltig und gravierend in ihren schutzwürdigen Individualinteressen verletzt, die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse und eine ausreichende Belichtung und Belüftung blieben gewahrt.

Eine Nachbarausfertigung der streitgegenständlichen Baugenehmigung wurde der Eigentümergemeinschaft ...-straße 6 v.d.d. HV ... mit Postzustellungsurkunde am 18. Juli 2013 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2013, am Verwaltungsgericht am 30. Juli 2013 eingegangen, beantragten die Bevollmächtigten der Klägerin:

Die Baugenehmigung vom ...07.2013, Az. ..., betreffend ...-straße 4, Anbau von Balkonen, wird aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 4. September 2015 wurde die Klage im Wesentlichen damit begründet, dass die beiden benachbarten Grundstücke einen irregulären Grenzverlauf aufwiesen. Die nördliche Balkonreihe an der hofseitigen Fassade des Gebäudes der Beigeladenen halte im 2. bis 4. Obergeschoss nach dem genehmigten Eingabeplan auf Höhe der ostseitigen Gebäudeabschlusswand einen Abstand von 1,23 m zum Nachbargebäude der Klägerin ein. Darüber hinaus sei in den Eingabeplänen die nach Südosten hin abknickende gemeinsame Grundstücksgrenze mit einem Abstand von ca. 0,95 m zum Gebäude der Klägerin hin dargestellt. Diese Darstellung weiche gravierend vom tatsächlichen Grenzverlauf zulasten der Klägerin ab. Der Grenzpunkt liege nicht bei einem Abstand von 0,95 m, sondern bei ca. 1,85 m von der gemeinsamen Kommunwand. Dies habe zur Folge, dass die Balkonreihe in erheblichem Umfang in das Grundstück der Klägerin hineinrage, ohne dass einem solchen Überbau zugestimmt worden sei. Aus dem Wortlaut der erteilten Abweichungen in Verbindung mit der zeichnerischen Darstellung der Abstandsflächen in den genehmigten Plänen sei ersichtlich, dass die Beklagte mehrfach von fehlerhaften Eintragungen und Annahmen ausgegangen sei. Zum einen suggeriere der Maßeintrag von 1,23 m zur Gebäudeaußenwand, dass auch der Abstand der Balkonreihe zur Grundstücksgrenze 1,23 m betrage, da insbesondere aus den Ansichten der tatsächliche Grenzverlauf nicht ersichtlich sei. In den Grundrissplänen sei der Grenzverlauf fehlerhaft eingetragen, so dass die Beklagte nicht habe erkennen können, dass die Balkone direkt an der Grundstücksgrenze bzw. sogar über diese hinaus errichtet werden sollten. Der Plan sei daher in gravierenden Punkten unrichtig und nicht geeignet, Grundlage für die zu treffende Abwägungsentscheidung zu sein. Die Klägerin müsse anhand der Planzeichnung in die Lage versetzt werden, zu erkennen, ob und in welchem Umfang Abweichungen von den Abstandsflächen erteilt worden seien und wo welche baulichen Anlagen errichtet würden. Die Baugenehmigung sei aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden könne. Die Bauvorlagenverordnung verlange sowohl die Eintragung der Grundstücksgrenzen wie die Darstellung der Abstände und der Abstandsflächen zu benachbarten Grundstücken. Diese Angaben müssten richtig und vollständig sein, was vorliegend nicht der Fall sei. Es spreche zudem vieles dafür, dass die Beklagte von fehlerhaften Ermessenserwägungen ausgegangen sei, und zwar auch im Hinblick auf die Nichteinhaltung von Abstandsflächen durch das Gebäude der Klägerin. Dieses weise zwar ebenfalls hofseitige Balkone auf, diese befänden sich jedoch im Bereich der zurückversetzten Außenwand und ragten daher nur in ganz geringem Umfang über die gemeinsame Kommunmauer hinaus. Die Baugenehmigung verstoße zudem gegen das Gebot der Rücksichtnahme, da der Beigeladenen die Errichtung von Balkonen unmittelbar an der Grundstücksgrenze genehmigt worden sei. Wegen des ungehinderten Einblicks auf das klägerische Grundstück und die Wohnräume würde der erforderliche Sozialabstand nicht gewahrt.

Mit Schreiben vom 2. September 2015 beantragte die Beklagte,

die Klage wird abgewiesen.

Die tatsächliche Bauausführung im 1. und 2. Obergeschoss an der Hofseite entspreche nicht dem genehmigten Plan. Die tatsächliche Bauausführung sei Gegenstand eines Verfahrens, das noch nicht abgeschlossen sei.

Über die baulichen und örtlichen Verhältnisse auf dem streitgegenständlichen Grundstück sowie in dessen Umgebung hat das Gericht am 26. Oktober 2015 Beweis durch Einnahme eines Augenscheins erhoben. Hinsichtlich der Feststellungen dieses Augenscheins sowie hinsichtlich der anschließenden mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge stellten, wird auf das Protokoll vom 26. Oktober 2015 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage hat in der Sache Erfolg, da die eingereichten Bauvorlagen ungenügend sind und daher keine geeignete Grundlage für die in der streitgegenständlichen Baugenehmigung erteilte Abweichung darstellen. Insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, dass aufgrund der unrichtigen Pläne und der darauf gestützten Abweichungsentscheidung Nachbarrechte der Klägerin verletzt werden, § 113 Abs. 1 VwGO, Art. 59 Abs. 1 BayBO.

1. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B. v. 24.03.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20).

Das beantragte Bauvorhaben wurde im vereinfachten Genehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO genehmigt. Da die Beigeladene eine Abweichung von den Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach Art. 6 BayBO beantragt und die Beklagte diese gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO erteilt hat, gehören die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch zum Prüfumfang der streitgegenständlichen Baugenehmigung gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO, so dass sie im Rahmen des Nachbarrechtsbehelfes zu prüfen sind (vgl. BayVGH, B. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - n. v.; BayVGH, B. v. 5.11.2015 - 15 B 15.1371 - n. v.).

2. Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind.

2.1 Der Zweck des Abstandsflächenrechtes besteht vor allem darin, eine ausreichende Belichtung und Belüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern. Da jede Abweichung von den Anforderungen des Art. 6 BayBO zur Folge hat, dass die Ziele des Abstandsflächenrechtes nur unvollkommen verwirklicht werden, setzt die Zulassung einer Abweichung Gründe von ausreichendem Gewicht voraus, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Belüftung im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Es muss sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (vgl. BayVGH, B. v. 17.07.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16; B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23; B. v. 05.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3; U. v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231 - juris Rn. 16; BayVGH, B. v. 12.10.2015 - 2 CS 15.1821).

Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. In solchen Lagen kann grundsätzlich auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch die Zulassung einer Abweichung rechtfertigen. In dichtbebauten innerstädtischen Bereichen ist eine atypische Situation regelmäßig dann anzunehmen, wenn jedwede bauliche Veränderung der historischen Bausubstanz geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23). Hingegen begründen allein Wünsche eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen als dies ohnehin schon zulässig ist, noch keine Atypik. Modernisierungsmaßnahmen, die nur der Gewinnmaximierung dienen sollen, sind auch in Ballungsräumen nicht besonders schützenswert (vgl. BayVGH, B. v. 13.10.2014 - 2 ZB 13.1627- juris; BayVGH, B. v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris Rn. 4).

2.2 Der streitgegenständliche Bescheid setzt sich bereits mit dem Vorliegen einer solchen Sondersituation (Atypik) nicht auseinander. Es wird lediglich darauf abgestellt, dass die neuen Balkone eine Verbesserung der bestehenden Wohnqualität darstellen. Dieser Umstand ist jedoch nicht geeignet, das Vorliegen einer vom Regelfall abweichenden Sondersituation, die ein Abweichen von den gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften rechtfertigt, zu begründen. Auf die örtlichen Verhältnisse (Grundstücksschnitt, Grenzverlauf) geht der streitgegenständliche Bescheid überhaupt nicht ein. Die Beklagte hat sich also offensichtlich nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob überhaupt eine Atypik vorliegt, die es ausnahmsweise rechtfertigt, von den gesetzlichen Vorschriften zugunsten des Bauherrn abzuweichen. Es ist jedoch bereits auf der Tatbestandsseite des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eine Abwägung vorzunehmen, die jeweils die vorgesehene Abweichung zu den genannten Einzelaspekten in Beziehung setzt und die betroffenen Belange untereinander koordiniert (BayVGH, B. v. 22.07.2003 - 15 ZB 02.1223 - juris Rn. 8).

Im vorliegenden Verfahren kann die Frage, ob nach diesen Maßstäben eine derartige Atypik hier gegeben ist, dahinstehen. Denn die Abweichungsentscheidung ist jedenfalls ermessensfehlerhaft und verletzt die Klägerin insoweit in drittschützenden Rechten.

2.3 Unabhängig vom Vorliegen einer Atypik verlangt Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eine ausreichende Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Belange (BayVGH, B. v. 12.10.2015 - 2 CS 15.1821 - n. v.). Es ist stets zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (vgl. BayVGH, B. v. 17.07.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 20).

Grundlegende Voraussetzung für die Erteilung einer rechtmäßigen Abweichung ist, dass die Behörde vor Augen hat, welche Bauteile eine (zusätzliche) Abstandsfläche auslösen und wieviel Abstandsfläche auf den Nachbargrundstücken anfällt. Die Beklagte kann die für Art. 63 BayBO erforderliche Interessenabwägung nur dann ermessensfehlerfrei vornehmen, wenn ihr aufgrund der eingereichten Bauvorlagen ersichtlich ist, in welchen Umfang konkret Abstandsflächen auf dem Vorhabengrundstück sowie auf den davon betroffenen Nachbargrundstücken anfallen. Selbst bei einer im Ergebnis unter Umständen unbedenklichen Abweichungsentscheidung muss sich die Bauaufsichtsbehörde ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen von den Abstandsflächenanforderungen gemacht haben (vgl. Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Stand: Mai 2014, Art. 63 Rn. 18, 19).

2.3.1 Die eingereichten Baupläne genügen vorliegend nicht den Anforderungen der Bauvorlagenverordnung. Sie zeigen die durch das beantragte Vorhaben hervorgerufenen Abstandsflächenüberschreitung nicht vollumfänglich auf und sind deshalb keine geeignete Entscheidungsgrundlage für die erteilte Abweichung gemäß Art. 63 BayBO.

Nach § 7 Abs. 3 Nr. 13 BauVorlV sind die Abstände der geplanten baulichen Anlage zu anderen baulichen Anlagen auf dem Baugrundstück und auf den benachbarten Grundstücken, zu den Nachbargrenzen sowie die Abstandsflächen der geplanten baulichen Anlagen und der bestehenden Anlagen auf dem Baugrundstück und den Nachbargrundstücken darzustellen. Darüber hinaus müssen gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauVorlV die katastermäßigen Flächen, Flurgrundstücksnummern und die Flurgrundstücksgrenzen des Baugrundstücks und der benachbarten Grundstücke im Lageplan enthalten sein. Soweit dies zur Beurteilung der anfallenden Abstandsflächen erforderlich ist, ist der katastermäßige Grenzverlauf im Abstandsflächenplan darzustellen, insbesondere wenn die Abstandsflächen nicht vollumfänglich im Lageplan eingetragen sind und der Grundstücksverlauf - wie im vorliegenden Fall - an der streitgegenständlichen Grundstücksgrenze im Bereich der Abstandsflächenüberschreitung irregulär ist.

Der dem Antrag auf Baugenehmigung beigefügte Lageplan mit dem Maßstab 1:1000 erfüllt diese Anforderungen im Hinblick auf die dargestellten Abstandsflächen nicht, insbesondere ist die seitliche Abstandsfläche, ausgelöst durch die seitlichen Balkonwände nicht dargestellt. Die im Grundriss zum 2. - 4. Obergeschoss handschriftlich mit Strichen eingezeichneten Abstandsflächen erfüllen diese Anforderung ebenfalls nicht, da insbesondere der katastermäßige Grenzverlauf zum Nachbargrundstück der Klägerin aus dem Grundrissplan nicht ersichtlich ist. Die Abstandsflächen der hofseitigen Balkone zum klägerischen Anwesen werden in der Planzeichnung „2. - 4. Obergeschoss“ nicht als Flächen, sondern lediglich durch einen Strich dargestellt. Dieser Strich ist mit „H = 13,45 m“ bezeichnet, endet aber am Rand des Papiers bei einer Länge von etwa 10,75 m. Das betroffene klägerische Nachbargebäude bzw. seine hofseitige Fassade sind überhaupt nicht dargestellt, so dass eine ausreichende Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Belange nicht möglich ist. Darüber hinaus ist in der Planzeichnung „Erdgeschoss“ die hofseitige Grundstücksgrenze zum Anwesen der Klägerin überhaupt nicht eingezeichnet und in der Planzeichnung „2. - 4. Obergeschoss“ in erkennbarem Widerspruch zum beigefügten amtlichen Lageplan. In der Planzeichnung läuft die Grenze mit rund 1 Meter Länge (abgegriffen) am Mauerfuß des Vorhabengebäudes entlang, um dann in den Hof abzuknicken. Im amtlichen Lageplan (1:1000) sind es knapp 2 m. Selbst unter Berücksichtigung einer Meßungenauigkeit sind beide Angaben nicht in Übereinstimmung zu bringen. Die handschriftliche Eintragung des Grenzverlaufs ist folglich nicht ausreichend, wie gerade der streitgegenständliche Rechtsstreit verdeutlicht.

Die streitgegenständlichen Pläne stellen weder die durch die geplanten Balkone anfallenden Abstandsflächen exakt dar, noch ermöglichen sie es, diese exakt zu berechnen. Es ist daher nicht eindeutig ersichtlich, welche Abstandfläche noch auf dem Vorhabengrundstück und welche Abstandsflächen bereits auf dem Nachbargrundstücken liegen. Mit Blick auf § 242 BGB ist aus den eingereichten Plänen auch nicht ersichtlich, ob die Abstandsflächen, die das streitgegenständliche Vorhaben auslöst, in etwa gleichwertig mit den Abstandsflächen sind, die das klägerische Anwesen auf das Vorhabengrundstück durch die eigenen Balkone und einen vorgelagerten Treppenhauswandteil wirft.

Angesichts dieser Unklarheiten und Widersprüche ist aus den vorgelegten Bauvorlagen nicht mit der gebotenen Zuverlässigkeit zu ermitteln, welchen Umfang und welche Lage die durch die streitgegenständlichen Balkone ausgelösten Abstandsflächen haben.

2.3.2 Hinzu kommt, dass die geplanten Balkone zwei Abstandsflächen zum klägerischen Anwesen hin auslösen. Anders als die im Bescheid vom ... Juli 2013 erteilte Abweichung und auch der vorgelegte Lageplan vom 18. Mai 2013 vermuten lassen, bedarf es im Hinblick auf das klägerische Grundstück nicht nur einer Abweichungsentscheidung, sondern zweier Abweichungen, einmal für die seitliche Abstandsfläche, ausgelöst durch den seitlichen Bauteil der Balkone sowie einer Abweichung für die durch die östliche Vorderseite der Balkone ausgelöste Abstandsfläche. Bei den Abstandsflächen sind nicht nur die Vorderseite des jeweiligen Bauteils, sondern auch die Seitenfläche zu berücksichtigen (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl., Art. 6 Rn. 77).

2.3.3 Da die vorgelegten Baupläne nicht aufzeigen, wie groß die Abstandsflächenüberschreitung genau ist, konnte sich die Beklagte auch keine genaue Vorstellung von dem Ausmaß der erteilten Abweichungen und von den Beeinträchtigungen der schützenswerten nachbarlichen Belange machen. Die Beklagte konnte daher nicht alle Tatsachen, die für eine ermessenfehlerfreie Abweichungsentscheidung erforderlich sind, in ihre Ermessensentscheidung einfließen lassen. Die mit Bescheid vom ... Juli 2013 pauschal erteilte Abweichung wird deshalb den gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 63 Abs. 1 BayBO nicht gerecht. Hinsichtlich der durch die geplanten Balkone betroffenen nachbarlichen Belange der Klägerin enthält der streitgegenständliche Bescheid nur Floskeln, die sich nicht konkret mit dem Ausmaß der in Anspruch genommenen Abstandsflächenüberschreitung auseinandersetzen. Es wird pauschal eine Abweichung erteilt, anstatt der eigentlich erforderlichen zwei Abweichungen. Weiter ist weder aus den Bauvorlagen noch aus dem streitgegenständlichen Bescheid ersichtlich, welchen Umfang die erteilte Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften genau hat. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um die konkrete Betroffenheit auf dem Anwesen der Klägerin ermitteln und abwägen zu können (vgl. BayVGH, B. v. 12.10.2015 - 2 CS 15.1821 - n. v.).

3. Ferner genügen die eingereichten Bauvorlagen - wie vorstehend unter 2.3.1 ausgeführt - nicht den Anforderungen der Verordnung über Bauvorlagen und bauaufsichtliche Anzeigen (Bauvorlagenverordnung - BauVorlV) vom 10.11.2007 (GVBl. S. 792, BayRS 2132-1-2-I).

3.1 Die vorgelegten Bauvorlagen und die in ihnen enthaltenen Angaben müssen vollständig, richtig und eindeutig sein, was insbesondere für die Darstellungen im Lageplan im Sinne von § 7 Abs. 3 BauVorlV gilt (vgl. Gaßner, in: Simon/Busse, BayBO, Stand 116. EL Juli 2014, Art. 64 Rn. 75; VG München, U. v. 24.11.2014 - M 8 K 13.5076 - juris Rn. 21). Stellt sich bei der Prüfung durch die Behörde heraus, dass die Bauvorlagen inhaltlich unrichtige Angaben enthalten bzw. widersprüchlich oder sonst als Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung ungeeignet sind, darf die Baugenehmigung nicht erteilt werden (vgl. Gaßner, in: Simon/Busse, BayBO, Stand 116. EL Juli 2014, Art. 64 Rn. 80). Sind die Angaben in den Bauvorlagen in wesentlichen Punkten unrichtig oder unvollständig, so ist eine Baugenehmigung rechtswidrig, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen von der Genehmigungsbehörde nicht zutreffend beurteilt wurden (vgl. Gaßner, in: Simon/Busse, BayBO, Stand 116. EL Juli 2014, Art. 64 Rn. 82). Die eingereichten Bauvorlagen genügen wie vorstehend (vgl. 2.3.1) diesen Anforderungen nicht.

3.2 Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Nachbar zwar keinen materiellen Anspruch darauf hat, dass der Bauantragsteller einwandfreie Bauvorlagen einreicht, die Baugenehmigung aber dann aufzuheben ist, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BayVGH, B. v. 5.12.2001 - 26 ZB 01.1175 - juris Rn. 11 m. w. N.; BayVGH, B. v. 20.6.2008 - 15 CS 08.1088 - juris Rn. 10 und 12). Wenn die Baugenehmigung selbst oder die der Baugenehmigung zugrunde liegenden Bauvorlagen wegen Ungenauigkeiten keine Entscheidung zulassen, ob die Anforderungen derjenigen Vorschriften gewährleistet sind, die zum Prüfprogramm des konkreten bauaufsichtlichen Verfahrens gehören und die Nachbarschutz vermitteln, kann eine Nachbarrechtsverletzung zur Aufhebung einer Baugenehmigung führen (vgl. BayVGH, U. v. 28.6.1999 - 1 B 97.3174 - juris Rn. 16). Betrifft die Unbestimmtheit oder Unrichtigkeit der Bauvorlagen solche Vorschriften, deren Verletzung im konkreten Fall subjektivöffentliche Abwehrrechte des Nachbarn begründen können, ist eine mögliche Rechtsverletzung des Nachbarn hierdurch zu bejahen (vgl. BayVGH, U. v. 28.6.1999 - 1 B 97.3174 - juris Rn. 16; B. v. 5.12.2001 - 26 ZB 01.1175 - juris Rn. 11 m. w. N.).

Vorliegend stellen die eingereichten Bauvorlagen wie unter 2.3.1 ausgeführt keine geeignete Grundlage für eine zutreffende abstandsflächenrechtliche Überprüfung der nachbarschützenden Bestimmungen des Art. 6 BayBO und für die Erteilung von Abweichungen von den Abstandsflächen nach Art. 63 Abs. 1 BayBO dar.

4. Nach alledem verstößt die streitgegenständliche Baugenehmigung unabhängig davon, ob eine Atypik vorliegt, wegen der zur Genehmigung eingereichten ungenauen Pläne und der darauf beruhenden undifferenzierten und pauschalen Abweichungsentscheidung gegen zumindest auch dem Schutz der Klägerin dienende Vorschriften des Bauordnungsrechts.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt, so dass sie sich auch keinem Kostenrisiko gem. § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat. Es entspricht daher billigem Ermessen, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, § 162 Abs. 3 VwGO.

6. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.500 festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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published on 26/10/2015 00:00

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Annotations

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.