Verwaltungsgericht München Urteil, 16. Juli 2015 - M 12 K 15.836

bei uns veröffentlicht am16.07.2015

Gericht

Verwaltungsgericht München

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

Aktenzeichen: M 12 K 15.836

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 16. Juli 2015

12. Kammer

Sachgebiets-Nr. 1334

Hauptpunkte:

Notwendige und angemessene Kosten der Heilbehandlung;

Stationäre Reha-Maßnahme;

Ambulante Maßnahme nicht ausreichend

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Kläger -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

Freistaat Bayern vertreten durch: Landesamt für Finanzen Dienststelle Regensburg Bezügestelle Dienstunfall Bahnhofstr. 7, 93047 Regensburg

- Beklagter -

wegen Dienstunfallfürsorge

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 12. Kammer,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2015 am 16. Juli 2015 folgendes Urteil:

I.

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 16. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2015 verpflichtet, die Kosten für die vom Kläger beantragte stationäre Rehabilitations-Maßnahme in der ... Klinik in ... für einen Zeitraum von drei Wochen zu übernehmen.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vom Beklagten Kostenübernahme für eine stationäre Reha-Maßnahme im Rahmen der Dienstunfallfürsorge.

Er ist am ... geboren und erlitt am 12. Oktober 1988 einen Unfall, der mit Bescheid vom 23. November 1988 als Dienstunfall anerkannt wurde. Einschließlich des Erweiterungsbescheids vom 14. November 1989 wurden als Dienstunfallfolgen folgende Verletzungen festgestellt: ACG-Arthrose rechts bei ehemaliger ACG-Sprengung Tossy III rechts sowie eine Armplexusschädigung rechts; Clavikularluxation rechts Grad II (Tossy) mit Ruptur des Ligamentum acromio clavikularae.

Seit 1. Dezember 2010 befindet sich der Kläger wegen Dienstunfähigkeit aus psychischen Gründen im Ruhestand.

Mit Schreiben vom ... November 2014 (Bl. 926 d. Behördenakte - BA) beantragte er die Kostenübernahme für eine stationäre Reha-Maßnahme im Rahmen der Dienstunfallfürsorge. Er legte eine Stellungnahme von Herrn Dr. S., Klinikum ..., vom 23. September 2014 vor (Bl. 927 d. BA), in der über die ambulante Vorstellung des Klägers am 23. September 2014 berichtet wird. In den letzten Wochen hätten sich beim Kläger wieder deutliche Beschwerden im Bereich der rechten Schulter eingestellt. Bei der jetzigen klinischen Untersuchung habe sich die Flexion und Abduktion der Schulter nur bis knapp 50 Grad möglich gezeigt, der Schürzengriff sei nicht möglich, der Nackengriff deutlich eingeschränkt. Insgesamt bestehe eine Kraftabschwächung im gesamten Schultergürtel mit deutlicher Dyskinesie des Schultergürtels. Aufgrund der hochgradigen funktionellen Beeinträchtigung des Patienten werde geraten, die krankengymnastische Behandlung äußerst intensiv durchzuführen, idealerweise wäre nochmal eine stationäre Reha-Maßnahme für drei bis vier Wochen zeitnah zu unternehmen. Sollten diese konservativen Maßnahmen nicht konsequent ausgeschöpft werden, sei in absehbarer Zeit die Implantation einer Schulterendoprothese notwendig.

Herr Dr. W. hatte bereits unter dem 14. Januar 2014 ein orthopädisches Gutachten erstellt (Bl. 786 d. BA). Hiernach seien der hohe Leidensdruck und die damit in Zusammenhang stehenden psychosozialen Probleme Folge einer psychischen Erkrankung, die nicht Folge der Verletzung vom 12. Oktober 1988, sondern in der Persönlichkeit des Klägers zu suchen seien (Bl. 811 d. BA). Zu der Frage, ob wegen der Unfallfolgen weitere Behandlungsmaßnahmen erforderlich seien und über welchen Zeitraum, könnten abgesehen von gelegentlichen krankengymnastischen Behandlungen, etwa zehn Einheiten pro Quartal, keine darüber hinausgehenden weiteren Maßnahmen empfohlen werden. Jeder weitere operative Eingriff dürfte eher zu einer Verschlechterung der Situation, nicht zu einer Verbesserung führen (Bl. 813 d. BA).

Aufgrund des Auftrags des Beklagten vom 24. November 2014 (Bl. 929 d. BA) nahm Dr. W. in Ergänzung zu seinem orthopädischen Gutachten vom 14. Januar 2014 unter dem 10. Dezember 2014 zur Notwendigkeit einer erneuten stationären Reha-Maßnahme Stellung (Bl. 934 d. BA). Zum Bericht von Dr. S. vom 23. September 2014 sei festzustellen, dass der Kläger nicht unter gutachterlichen Gesichtspunkten untersucht worden sei. Ein ähnliches Bewegungsausmaß habe der Kläger auch bei der gutachterlichen Untersuchung am 11. Dezember 2013 demonstriert, er habe jedoch am Ende der Untersuchung durch Gestikulieren eine deutlich bessere, offensichtlich zumindest schmerzarme Beweglichkeit in der rechten Schulter erkennen lassen. Grundsätzlich sei eine wesentliche Verschlechterung wenig wahrscheinlich, jedoch nicht auszuschließen. Das Krankheitsbild sei vorwiegend durch eine psychische Erkrankung geprägt, so dass eine orthopädische Reha-Maßnahme wenig aussichtsreich erscheine. Es käme allenfalls eine psychosomatische Reha-Maßnahme in Frage. Da jedoch durch den Beklagten ein Zusammenhang zwischen der psychischen Problematik und den Unfallfolgen abgelehnt werde, komme eine derartige Reha-Maßnahme nicht in Betracht. Die im Gutachten vom 14. Januar 2014 angesprochenen gelegentlichen krankengymnastischen Behandlungen seien ausreichend, um Funktion und Kraft im betroffenen Schultergürtel aufrecht zu erhalten.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2012 (Bl. 937 d. BA) lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf eine stationäre Reha-Maßnahme im Rahmen der Dienstunfallfürsorge ab. Der Anspruch eines durch Dienstunfall Verletzten auf ein Heilverfahren werde dadurch erfüllt, dass ihm die notwendigen und angemessenen Kosten des Heilverfahrens erstatten würden, um die Folgen des Dienstunfalls zu beseitigen oder - soweit möglich - zu mindern. Dem Gutachten vom 10. Dezember 2014 sei zu entnehmen, dass das Krankheitsbild vorwiegend durch eine psychische Erkrankung geprägt sei und nicht durch die anerkannten Dienstunfallfolgen. Eine orthopädische Reha-Maßnahme erscheine aus diesem Grund nicht aussichtsreich. Der Behandlungsumfang von gelegentlichen krankengymnastischen Behandlungen, etwa zehn Einheiten pro Quartal, sei ausreichend, um Funktion und Kraft im betroffenen Schultergürtel aufrecht zu erhalten.

Am ... Januar 2015 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein (Bl. 941 d. BA). Gegenstand der geplanten Reha-Maßnahme sei eine Behandlung auf orthopädischem Fachgebiet, Einschränkungen der Beweglichkeit der Schulter hätten mit der psychischen Verfassung des Klägers nichts zu tun. Es werde nicht Kostenübernahme für eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung beantragt, sondern ausschließlich für eine Maßnahme, die sich auf das orthopädische Beschwerdebild beziehe. Der Kläger legte eine Stellungnahme von Dr. S. vom 21. Januar 2015 vor (Bl. 948 f. d. BA), die in Kenntnis des Ablehnungsbescheids verfasst wurde. Darin wird darauf hingewiesen, dass die empfohlene Reha-Maßnahme rein orthopädisch indiziert sei. Eine ambulante physiotherapeutische Behandlung von zehn Anwendungen pro Quartal sei nicht zielführend. Eine relevante psychische Begleiterkrankung des Klägers werde für unwahrscheinlich gehalten und würde nicht die Notwendigkeit und den Sinn einer orthopädischen Rehabilitationsbehandlung stören.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2015 (Bl. 951 d. BA) wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die vorgetragenen Einwendungen führten zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts.

Durch Urteil des BayVGH vom 5. Mai 2015 (3 B 12.2148) wurde der Beklagte verpflichtet, dem Kläger Unfallausgleich auf der Grundlage einer dienstunfallbedingten Gesamt-MdE von 50 v. H. beginnend ab 1. Juli 2006 zu gewähren und die Kosten für die am 17. Juni 2006 beantragte psychologisch-ambulante Behandlung zu übernehmen. Für den Senat stehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 zumindest eine wesentlich mitwirkende Teilursache für die nunmehr manifeste, sich im Laufe der Jahre entwickelte, schwere, andauernde Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom des Klägers sei. Sei der Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 ursächlich für die psychischen Beschwerden des Klägers, so sei die Ablehnung der Übernahme der hierfür erforderlichen Behandlungskosten rechtswidrig. Denn die für die Erstattung von Behandlungskosten hinsichtlich der beim Kläger vorliegenden Persönlichkeitsänderung erforderliche Voraussetzung eines Ursachenzusammenhangs zwischen dem Dienstunfall und der Heilbehandlung liege aufgrund der unfallabhängigen Schädigung vor.

Am ... März 2015 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt zuletzt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2015 zu verpflichten, die Kostenübernahme für eine stationäre Reha-Maßnahme in der ...-klinik in ... für einen Zeitraum von drei Wochen erklären.

Die als Dienstunfallfolge anerkannte Schulterverletzung habe in der Vergangenheit dazu geführt, dass sich der Kläger zehn Mal an der Schulter habe operieren lassen müssen. Das Beschwerdebild des Klägers erfordere eine ständige fachorthopädische Behandlung. Der Kläger habe Anspruch auf Erteilung der beantragten Kostenübernahmeerklärung aus Art. 50 Abs. 1 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG). Durch die Stellungnahme vom 23. September 2014 von Dr. S. sei ärztlich bescheinigt, dass die als Unfallfolge anerkannte Schädigung des rechten Schultergelenks eine Behandlung des Klägers in einer stationären Reha-Einrichtung erforderlich mache. Die Stellungnahme von Dr. W. sei nicht nachvollziehbar. Ihr stehe die ergänzende Äußerung von Dr. S. vom 21. Januar 2015 entgegen, worin ausdrücklich darauf hingewiesen werde, dass die empfohlene stationäre Reha-Maßnahme rein orthopädisch indiziert sei. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass Dr. W. kein Amtsarzt sei. Er sei privater Auftragnehmer der Behörde und erhalte von dieser seine Aufträge und seine Bezahlung. Insofern könne er nicht als unabhängiger Gutachter angesehen werden. Der Kläger verweist zusätzlich auf das Urteil des BayVGH vom 5. Mai 2015 (3 B 12.2148). Zur Begründung sei angeführt, dass auch die beim Kläger festgestellten psychischen Beeinträchtigungen auf den Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 zurückzuführen seien. Daher stehe fest, dass auch die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers als Dienstunfallfolgen einzustufen seien. Damit sei die Begründung des Beklagten zur Ablehnung der beantragten Maßnahme hinfällig. Dr. W. habe sich im Wesentlichen darauf berufen, die Behandlung sei insbesondere im Hinblick auf die psychischen Probleme des Klägers erforderlich, die jedoch keine Dienstunfallfolge darstellten.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Der Antrag des Klägers vom ... November 2014 konkretisiere die Reha-Maßnahme nicht nach Ort und Zeit. Der Gutachter Dr. W. sei zwar kein Amtsarzt, dies sei aber auch nicht erforderlich. In der Stellungnahme von Dr. S. vom 23. September 2014 werde davon gesprochen, „idealerweise“ wäre eine stationäre Maßnahme von drei bis vier Wochen zu unternehmen. Diese Ausdrucksweise lasse vermuten, dass die stationäre Behandlung zwar wünschenswert, nicht aber medizinisch zwingend erforderlich sei. Laut Stellungnahme vom 21. Januar 2015 sei eine rein ambulante physiotherapeutische Behandlung mit zehn Anwendungen pro Quartal nicht zielführend, eine Begründung hierfür werde aber nicht vorgetragen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der sachverständigen Zeugen Dr. S. und Dr. W. Bezüglich des Ergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2015 verwiesen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Die Ablehnung des Antrags war rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Er hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Kostenübernahme für eine dreiwöchige stationäre Reha-Maßnahme.

I. Nach Art. 45 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG wird Unfallfürsorge gewährt, wenn ein Beamter durch einen Dienstunfall verletzt wird. Die Unfallfürsorge beinhaltet nach Art. 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG das Heilverfahren i. S. d. Art. 50 und 51 BayBeamtVG. Gemäß Art. 50 Abs. 1 Nrn. 1 und 4 BayBeamtVG umfasst das Heilverfahren die notwendige ärztliche Behandlung sowie die notwendige Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen. Nach Art. 50 Abs. 4 BayBeamtVG i. V. m. § 1 der Verordnung über das Heilverfahren nach Dienstunfällen (Bayerische Heilverfahrensverordnung - BayHeilvfV) wird der Anspruch auf Durchführung des Heilverfahrens dadurch erfüllt, dass die notwendigen und angemessenen Kosten des Heilverfahrens erstattet werden. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BayHeilvfV werden die angemessenen Kosten medizinisch notwendiger Maßnahmen in vollem Umfang erstattet. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BayHeilvfV i. V. m. § 29 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung - BayBhV) muss eine stationäre Maßnahme nach begründeter ärztlicher Bescheinigung nach Art und vorgesehener Dauer notwendig und ambulante Maßnahmen nicht ausreichend sein.

1. Der Kläger hat am 12. Oktober 1988 einen Dienstunfall erlitten. Nach Art. 46 BayBeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Ausweislich der bestandskräftigen Bescheide vom 23. November 1988 und vom 14. November 1989 wurde der Unfall des Klägers vom 12. Oktober 1988 als Dienstunfall anerkannt.

2. Zu den notwendigen und angemessenen Kosten der Heilbehandlung der Dienstunfallfolgen gehört die Kostenübernahme der vom Kläger beantragten stationären Reha-Maßnahme in ... für drei Wochen. Es handelt sich um angemessene Kosten einer nach Art und vorgesehener Dauer medizinisch notwendigen Maßnahme, ohne dass eine ambulante Maßnahme ausreichend wäre.

a) Soweit der Beklagte einwendet, dass der klägerische Antrag nicht hinreichend nach Zeit und Ort konkretisiert sei, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2015 erklärt, dass er eine orthopädische stationäre Reha-Maßnahme in der ...-klinik in ... beantrage, und damit seinen Antrag genügend konkretisiert.

b) Die Kosten der vom Kläger beantragten Reha-Maßnahme sind notwendige und angemessene Kosten des Heilverfahrens.

aa) Aus den Stellungnahmen des sachverständigen Zeugen Dr. S. vom 23. September 2014 und vom 21. Januar 2015 sowie aus seinen überzeugenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2015 ergibt sich, dass es sich bei der beantragten Reha-Maßnahme um eine medizinisch notwendige Maßnahme handelt. Der sachverständige Zeuge schilderte in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und überzeugend den Krankheitsverlauf des Klägers betreffend dessen rechte Schulter sowie die bisher durchgeführten Operationen seit der erstmaligen Vorstellung am 9. Juli 2002. Er beschrieb ausführlich, dass beim Kläger eine Kräftigung, Koordinierung und Schulung der schulterblattführenden Muskulatur sowie eine Kräftigung der Nacken- und Brustwirbelmuskulatur erforderlich ist, um die Schulter funktionsfähiger zu machen und zu halten. Dabei machte er plausibel, dass eine regelmäßige Behandlung in Bezug auf physiotherapeutische, manuell-therapeutische und ergotherapeutische Maßnahmen sowie ein neuromuskuläres Koordinationstraining erfolgen muss. Die schlechte Funktion der Schulter des Klägers wird zusätzlich zu den ambulanten Maßnahmen von Zeit zu Zeit - so auch jetzt - eine gebündelte stationäre Maßnahme erforderlich machen, um die derzeitige schlechte Situation zu verbessern.

Das beim Kläger vorhandene chronische Schmerzsyndroms lässt die Notwendigkeit der beantragten Maßnahme nicht entfallen. Nach den anschaulichen Ausführungen des sachverständigen Zeugen ist es kein Einzelfall, dass der Kläger aufgrund seiner Schulterverletzung ein chronisches Schmerzsyndrom entwickelt hat, vielmehr beobachtet er diese Entwicklung bei einem Teil seiner Patienten mit Schultereckgelenksverletzungen. Weiter erklärte er einleuchtend, dass sich beim Kläger das Schmerzsyndrom verschlechtert und eine Eigendynamik entwickelt hat. Es handelt sich also nicht um ein rein orthopädisches Problem. Notwendig ist daher eine stationäre Behandlung unter Leitung eines Arztes, damit der Behandlungsfortgang zwischen den Fachdisziplinen überprüft und koordiniert werden kann. In ... werden eine orthopädische und eine schmerztherapeutische Maßnahme durchgeführt, so dass die Verbesserung der Funktionsfähigkeit der rechten Schulter und eine Behandlung des Schmerzsyndroms möglich sind.

Die Möglichkeit einer etwaigen Operation nimmt der vom Kläger beantragten Reha-Maßnahme nicht ihre Notwendigkeit. Der sachverständige Zeuge erläuterte nachvollziehbar, dass eine Operation dem Kläger nur kurzfristig, nicht aber langfristig helfen kann und dass der Kläger langfristig konservative Maßnahmen zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit seiner Schulter benötigen wird.

bb) Eine ambulante Reha-Maßnahme ist im Fall des Klägers nicht ausreichend. Zwar ist nach Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. S. grundsätzlich sowohl eine stationäre als auch eine ambulante Behandlung möglich. Er machte durch seine fundierten Ausführungen jedoch begreiflich, dass im Fall des Klägers eine stationäre Maßnahme zwingend erforderlich ist, da nur diese bezüglich der Intensität und Häufigkeit in einem verlässlichen Rahmen erfolgen kann. Der sachverständige Zeuge erklärte, dass ein einzelner (ambulanter) Physiotherapeut die ineinandergreifenden Maßnahmen durch verschiedene Therapien nicht leisten kann. Der Vorteil einer stationären gegenüber einer ambulanten Maßnahme besteht in der Durchführung eines neuromuskulären Koordinationstrainings. Der sachverständige Zeuge erläuterte hierzu, dass der Kläger im Rahmen der stationären Reha-Maßnahme das Muskelzusammenspiel zu trainieren und verbessern lernt, was ambulante Maßnahmen nicht leisten können.

In Bezug auf den Langzeiterfolg einer stationären im Vergleich zu einer ambulanten Reha-Maßnahme erklärte der sachverständige Zeuge anschaulich und überzeugend, dass der Patient durch die stationäre Reha-Maßnahme aus seiner schlechten Situation herausgeholt und danach sein Zustand stabilisiert wird sowie eine Eigenschulung des Patienten erfolgt. Nach der Entlassung aus der Reha muss der Patient durch einen Arzt mittels psychomentaler Schulung begleitet werden. Der sachverständige Zeuge erläuterte zudem logisch nachvollziehbar, dass sich die Funktion der rechten Schulter des Klägers immer wieder verschlechtern wird, was von Zeit zu Zeit eine intensive und gebündelte stationäre Maßnahme zusätzlich zu den laufenden ambulanten Maßnahmen notwendig macht. Hierzu führte er anschaulich aus, dass die Flexion der Schulter vor der Reha-Maßnahme im September und Oktober 2013 bei 70 Grad, hernach jedoch bei 90 Grad gelegen hat. Aus der Tatsache, dass die Flexion im Februar 2015 bei 45 Grad lag, folgert der sachverständige Zeuge überzeugend, dass die positiven Wirkungen der Reha-Maßnahme mit der Zeit wieder nachlassen. Er erklärte deutlich, dass angesichts des Zustands der Schulter der Kläger langfristig behandlungsbedürftig bleiben wird.

Soweit der Beklagte einwendet, dass die Ausdrucksweise „idealerweise“ im Attest vom 23. September 2014 darauf hindeute, dass eine stationäre Behandlung zwar wünschenswert, nicht aber medizinisch zwingend erforderlich sei, hat der sachverständige Zeuge auf Grundlage seiner überzeugenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2015 diesen Ausdruck dahingehend konkretisiert, dass er die stationäre Maßnahme für zwingend erforderlich hält. Beim Krankheitsbild des Klägers sei auf jeden Fall die stationäre Maßnahme einer ambulanten vorzuziehen. Diese Konkretisierung überzeugt, zumal der sachverständige Zeuge schon in seinem Attest vom 23. September 2014 darauf hingewiesen hat, dass in absehbarer Zeit die Implantation einer Schulterendoprothese notwendig werde, wenn die konservativen Maßnahmen nicht konsequent ausgeschöpft würden.

cc) Die Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. S. ist glaubhaft. Er hat die Notwendigkeit der vom Kläger beantragten stationären Reha-Maßnahme fundiert, in sich schlüssig und nachvollziehbar erläutert. Er machte sowohl den Krankheitsverlauf beim Kläger als auch die dadurch notwendigen Behandlungsmaßnahmen plausibel. In sich widerspruchsfrei und sachlich erklärte er die medizinischen Zusammenhänge. Es gibt keine Anhaltspunkte, an der Glaubwürdigkeit des sachverständigen Zeugen zu zweifeln.

dd) Der Bewertung, dass es sich bei der beantragten Reha-Maßnahme um eine medizinisch notwendige Maßnahme handelt und eine ambulante Reha-Maßnahme nicht ausreichend ist, steht die Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. W. in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2015 nicht entgegen.

Zwar war Dr. W. in seinem Gutachten vom 14. Januar 2014 und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Dezember 2014 zu dem Ergebnis gekommen, dass eine orthopädische stationäre Reha-Maßnahme nicht in Betracht komme. Allerdings stützt er diese Aussage vor allem auf die Annahme, dass beim Kläger eine psychische Erkrankung bestehe und vom Beklagten ein Zusammenhang zwischen der psychischen Problematik und den Unfallfolgen des Dienstunfalls vom 12. Oktober 1988 abgelehnt werde. Da die funktionellen Beeinträchtigungen an der rechten Schulter des Klägers vorwiegend psychisch und weniger körperlich bedingt seien, erscheine eine orthopädische Reha-Maßnahme wenig aussichtsreich.

Jedoch hat der sachverständige Zeuge seine Angaben in der mündlichen Verhandlung dahingehend konkretisiert, dass für ihn die psychischen Komponenten der Krankheit im Vordergrund stünden. Beim Kläger sei aus einer im Grunde nicht gravierenden Verletzung ein schweres Krankheitsbild entstanden. Eine stationäre Reha-Maßnahme, deren Schwerpunkt auf der Behandlung der psychischen Erkrankung liege, sei durchaus notwendig. Die Frage, ob aus orthopädischer Sicht eine stationäre der ambulanten Reha-Maßnahme vorzuziehen sei, könne man nicht vom Schmerzsyndrom trennen. Zunächst müsse jedoch das Schmerzsyndrom im Vordergrund stehen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger bereits seit 2006 eine Behandlung des Schmerzsyndroms durchführe, könne dieser durchaus eine stationäre Reha-Maßnahme mit dem Schwerpunkt Psychotherapie machen.

Der sachverständige Zeuge Dr. W. sieht also eine stationäre Reha-Maßnahme ebenfalls als erforderlich an, auch wenn er den Schwerpunkt eher auf die Psychotherapie legt. Er führte aber auch aus, dass man die orthopädische Maßnahme nicht losgelöst vom Schmerzsyndrom betrachten kann. Dies steht im Ergebnis im Einklang mit den Ausführungen des sachverständigen Zeugen Dr. S., der nachvollziehbar erläutert hat, dass die vorhandene Schulterverletzung beim Kläger zu einem chronischen Schmerzsyndrom geführt hat, so dass es sich nicht allein um ein orthopädisches Problem handelt. Mit anderen Worten ist eine saubere Trennung zwischen Schmerzsyndrom und funktioneller Beeinträchtigung der Schulter nicht möglich. Um also eine Verbesserung der Funktionsfähigkeit der durch den Dienstunfall verletzten rechten Schulter zu erreichen, ist die vom Kläger beantragte stationäre Reha-Maßnahme in ... notwendig, die sowohl orthopädische als auch schmerztherapeutische Maßnahmen beinhaltet.

Dieses Ergebnis steht überdies im Einklang mit dem Urteil des BayVGH vom 5. Mai 2015 (3 B 12.2148), in dem der Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 zumindest als wesentlich mitwirkende Teilursache für die sich im Laufe der Jahre entwickelte Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom des Klägers angesehen wurde.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren war im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5.000.- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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Gesetz über den Lastenausgleich


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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 05. Mai 2015 - 3 B 12.2148

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Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 7. September 2010, der Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesamts für Finanzen vom 29. Januar 2007 und der Bes

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Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 7. September 2010, der Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesamts für Finanzen vom 29. Januar 2007 und der Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 9. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2008 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Unfallausgleich auf der Grundlage einer dienstunfallbedingten Gesamt-MdE von 50 v. H. beginnend ab dem 1. Juli 2006 zu gewähren.

Der Beklagte wird verpflichtet, die Kosten für die am 17. Juni 2006 beantragte psychologisch-ambulante Behandlung zu übernehmen.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 19... geborene Kläger erlitt am 12. Oktober 1988 bei einer Fortbildungsveranstaltung für Justizwachtmeister einen Unfall, der mit Bescheid der damaligen Bezirksfinanzdirektion M. (BFD M.; heute: Landesamt für Finanzen) vom 23. November 1988 als Dienstunfall anerkannt wurde. Einschließlich eines Erweiterungsbescheides vom 14. November 1989 wurden eine Clavikularluxation rechts Grad II (Tossy) mit Ruptur des Ligamentum acromio clavikularae, eine ACG-Arthrose rechts bei ehemaliger AVG-Sprengung Tossy III rechts sowie eine Armplexusschädigung rechts festgestellt. Aufgrund des Dienstunfalls wurde mit Bescheid der BFD M. vom 6. November 1995 Unfallausgleich gemäß § 35 BeamtVG auf der Grundlage einer dienstunfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v. H. ab 1. Juli 1994 bewilligt. In dem damaligen Verfahren hatte die frühere Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 2. September 1994 ein Gutachten von Dr. R. vom 30. Juni 1994 vorgelegt, der ein somatisiert-depressives Syndrom im Rahmen einer neurotischen Fehlverarbeitung bei einer vermutlich hypochondrischen Grundhaltung festgestellt hat und mit ausreichender Wahrscheinlichkeit von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der auf psychischen Gebiet vorliegenden Störungen und dem Unfallereignis ausgegangen ist. Die BFD M. ist dieser gutachterlichen Feststellung indes beim der Festlegung des Unfallausgleichs nicht gefolgt.

Der Kläger beantragte am 17. Juni 2006 die Zusage der Kostenübernahme einer psychologischen Weiterbehandlung und legte einen Entlassungsbericht der Reha-Klinik B. ... vom 1. Juni 2006 vor. Aus dem Entlassungsbericht folgt, dass im Rahmen der psychologischen Mitbehandlung eine Stabilisierung erreicht werden konnte und dringend eine psychologische Weiterbehandlung zur Krankheitsverarbeitung empfohlen wird. Das Landesamt für Finanzen, Dienststelle R. (Landesamt) lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 10. Juli 2007 unter Hinweis auf ein amtsärztliches Gutachten vom 29. Juni 2006 ab. Nach dem amtsärztlichen Gutachten sei die vorgesehene Behandlung zwar notwendig, sie stehe jedoch nicht ursächlich in Zusammenhang mit den anerkannten Dienstunfallfolgen.

Der Kläger beantragte mit einem weiteren Schreiben vom 17. Juni 2006 die Erhöhung der MdE auf 50 v. H.; mit Telefax vom 11. Juni 2007 änderte er den ursprünglichen Antrag vom 17. Juni 2006 dahingehend, dass er nunmehr eine Gesamt-MdE von 80 v. H. begehrt. Das Landesamt lehnte die - nicht weiter begründeten Anträge - mit Bescheid vom 9. Oktober 2007 ab. Zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen sei von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. ein fachärztlich-chirurgisches Gutachten eingeholt worden. Danach betrage die unfallbedingte MdE unverändert 25 v. H.

Nach erfolgten Widerspruchsverfahren erhob der Kläger mit Schriftsätzen vom 2. März 2007 (Behandlungskosten) und vom 14. Februar 2008 (Unfallausgleich) Klage zum Verwaltungsgericht mit den zuletzt gestellten Anträgen,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2007 zu verpflichten, die Kosten für die psychologisch-ambulante Behandlung zu übernehmen,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 9. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2008 zu verpflichten, dem Kläger Unfallausgleich auf der Grundlage einer MdE von 70 v. H. zu gewähren.

Die Klagen wurden im Wesentlichen damit begründet, dass die eingeholten gutachterlichen Feststellungen nicht ausreichend seien.

Mit Urteil vom 7. September 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klagen abgewiesen. Die psychischen Beschwerden des Klägers seien nicht auf den Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 zurückzuführen. Dies ergebe sich aus dem im gerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten von Prof. Dr. D. vom 23. Juni 2009. Danach leide der Kläger an einer Anpassungsstörung bzw. somatoformen Schmerzstörung, die vor dem Hintergrund einer testpsychologischen wie klinisch festzustellenden paranoiden Persönlichkeitsstörung bzw. differentialdiagnostisch zu erwägenden wahnhaften Störungen ab 1991/1992 dadurch entstanden sei, dass der Kläger aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung die getroffenen Entscheidungen bezüglich der Einschätzung seines Grads der Behinderung und des daraus abzuleitenden Dienstunfallausgleichs nicht habe akzeptieren können oder wollen und darauf mit der Entwicklung psychischer Beschwerden reagiert habe. Die psychischen Störungen seien nicht unmittelbar auf den erlittenen Dienstunfall zurückzuführen.

Der auf Grundlage einer - nicht näher substantiierten - Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 70 v. H. geltend gemachte Unfallausgleich stehe dem Kläger nicht zu. Nach der Einschätzung des gerichtlichen Gutachters bedingten die festgestellten psychischen Beschwerden/Störungen des Klägers (Anpassungsstörung, somatoforme Schmerzstörung, paranoide Persönlichkeitsstörung) die Annahme einer Gesamt-MdE von 40 v. H. Da diese jedoch nicht unfallbedingt seien, blieben sie auf die Höhe der festgestellten unfallbedingten MdE ohne Einfluss.

Der Kläger hat gegen das Urteil die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung eingelegt und zuletzt beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 7. September 2010, des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2007 zu verpflichten, die Kosten für die psychologisch-ambulante Behandlung zu übernehmen,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 7. September 2010, des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 9. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2008 zu verpflichten, dem Kläger Unfallausgleich auf der Grundlage einer MdE von 50 v. H. beginnend ab dem 1. Juli 2006 zu gewähren.

Der Kläger verweist auf das psychiatrische Gutachten von Herrn MedDir. Dr. H. bei dem Landgericht M. ... vom 14. April 2011 (das dort zur Frage der Schuldfähigkeit des Klägers eingeholt worden war), das den Dienstunfall anders als das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten Prof. Dr. D. als kausal für die psychische Erkrankung des Klägers ansieht und damit im Widerspruch zum gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten steht.

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2012 hat der Senat Beweis erhoben über die Frage, ob die psychischen Beschwerden des Klägers durch den Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 verursacht sind, bejahendenfalls, ob die vom Kläger begehrte psychologische Behandlung zur Heilung oder Linderung dieser Beschwerden geeignet ist, sowie ferner wie hoch die insgesamt durch den Dienstunfall verursache Minderung der Erwerbsfähigkeit ist.

Unter dem 19. Februar 2014 legte der Sachverständige Prof. Dr. W. sein psychiatrisches und neurologisches Fachgutachten vor. Zusammenfassend könnten die Diagnosen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, differentialdiagnostisch einer Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom, auch nach neurologischer und orthopädischer Einordnung des Schmerzsyndroms gestellt werden. Der Kläger sei aufgrund seines Schmerzsyndroms und der Persönlichkeitsänderung in seinem Alltag deutlich eingeschränkt. Sein Aktivitätsradius habe sich reduziert und sein Sozialleben stark negativ verändert, so dass es weiterhin erforderlich erscheine, eine regelmäßige ambulante psychologische und psychotherapeutische Behandlung zu erhalten. Hinsichtlich der Kausalitätsfrage sei anzuführen, dass es sich bei somatoformen Schmerzstörungen und den dadurch bedingten Persönlichkeitswandel grundsätzlich um ein multifaktorielles Geschehen handele. Einerseits sei das Unfallgeschehen die notwendige Bedingung, ohne die das weitere Krankheitsgeschehen nicht aufgetreten wäre, andererseits spielten anlage- und aufrechterhaltende Faktoren eine wichtige Rolle, zumal seit dem Unfallereignis bereits viele Jahre vergangen seien. Daher könne das heutige Beschwerdebild nicht mehr allein dem Dienstunfallereignis zugeordnet werden. Es kämen sicherlich andere Faktoren hinzu, die das Schmerzleben beeinflussen und aufrechterhalten, wie die erst nach dem Unfallereignis aufgetretenen Ehe- und Arbeitsplatzprobleme. Die Persönlichkeitsänderung sei im Wesentlichen eine Folge der Schmerzen, ggf. verstärkt durch weitere ungünstige Faktoren.

Von chirurgischer Seite sei bereits durch die einschlägigen chirurgischen Zusatzgutachten eine Minderung der Erwerbstätigkeit von 25 v. H. erhoben worden. Da dem Dienstunfall die chronischen Schmerzen und in Folge auch psychiatrische Beschwerden gefolgt seien, sei der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die psychiatrischen Diagnosen und das Schmerzsyndrom zu ergänzen (30 - 40 v. H.). Aufgrund der Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom) sei zusammenfassend eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um insgesamt 50 v. H. gegeben. Allerdings könne die Minderung auf psychiatrischem Fachgebiet nicht insgesamt dem Unfallereignis zugeordnet werden, so dass die dienstunfallbedingte Gesamt-MdE 35 bis 40 v. H. betrage.

Der Beklagte erhebt Einwände gegen das Gutachten Prof. Dr. W.; es fehle eine Auseinandersetzung mit der im Dienstunfallrecht geltenden Theorie der wesentlich mitwirkenden Teilursache. Dem Anspruch des Klägers stehe die Ausschlussfrist des § 45 Abs. 2 BeamtVG bzw. des Art. 47 Abs. 2 BeamtVG entgegen. Hiernach werde Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen seien. Selbst der Antrag des Klägers vom 17. Juni 2006 liege außerhalb der 10-jährigen Ausschlussfrist. Das Gutachten Prof. Dr. W. gehe von einer Minderung der Erwerbstätigkeit des Klägers auf chirurgischem Gebiet in Höhe von 25 v. H. aus. Das orthopädische Gutachten des Facharztes für Orthopädie, Rheumatologie und Sozialmedizin Dr. W. vom 14. Januar 2014, das im Auftrag des Landesamts erstellt worden sei, gelange hingegen lediglich zu einer Minderung der Erwerbstätigkeit von 20 v. H.

In der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2015 erläuterte der Sachverständige sein Gutachten. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 18. März 2015 führte er aus, dass die Minderung der Erwerbstätigkeit des Klägers von 50 v. H. nach seiner Überzeugung im Wesentlichen seit Juli 2006 besteht und dem Gesamtverlauf im zeitlichen Durchschnitt angemessen ist.

Die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Zur Ergänzung wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 125 Abs. 1 i. V. m.. § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Dem Kläger ist ab dem 1. Juli 2006 Unfallausgleich für eine dienstunfallbedingte Gesamt-MdE von 50 v. H. zu gewähren (1.) und der Beklagte zu verpflichten, die Kosten für die am 17. Juni 2006 beantragte psychologisch-ambulante (Weiter-)Behandlung des Klägers zu übernehmen (2.).

1. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung von Unfallausgleich ab dem 1. Juli 2006 auf der Grundlage einer Gesamt-MdE von 50 v. H.

1.1. Für die Verpflichtungsklage auf einen Unfallausgleich ist der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt für die Anspruchsvoraussetzungen die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. OVG Bremen, U. v. 29.10.2008 - 2 A 38/05 - juris Rn. 55; OVG Lüneburg, B. v. 29.11.2000 - 2 L 3371/00 - juris Rn. 9; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Hauptband I, Stand: Okt. 2015, § 35 BeamtVG Rn. 107; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 2. Band, Stand: Feb. 2015, § 35 BeamtVG Rn. 87). Damit ist auf die Sach- und Rechtslage am 11. Januar 2008 - Erlass des Widerspruchsbescheids hinsichtlich des begehrten Unfallausgleichs - abzustellen und mithin auf das Beamtenversorgungsgesetz in der am 31. August 2006 (BeamtVG 2006) geltenden Fassung (vgl. § 108 Abs. 1 BeamtVG, Art. 117 BayBeamtVG), das gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes im maßgeblichen Zeitpunkt als Bundesrecht fortgalt.

1.2. Ein (Ruhestands-)Beamter, der in Folge eines Dienstunfalls in seiner Erwerbstätigkeit länger als sechs Monate wesentlich beschränkt ist, erhält neben den Dienstbezügen bzw. dem Ruhegehalt einen Unfallausgleich, solange dieser Zustand andauert. Eine wesentliche Beschränkung der Erwerbsfähigkeit liegt vor, wenn die dienstunfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mindestens 25 v. H. beträgt. Aufgrund dessen ist dem Kläger mit Bescheid vom 6. November 1995 Unfallausgleich basierend auf einer MdE von 25 v. H. ab 1. Juli 1994 gewährt worden (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der Fassung vom 1.10.1994). Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 (i. V. m. Abs. 1 Satz 1) BeamtVG 2006 wird der Unfallausgleich neu festgestellt, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. So liegt der Fall hier. Eine wesentliche Änderung ist eingetreten, weil die im Laufe der Jahre vom Kläger entwickelte „anhaltende somatoforme Schmerzstörung (Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom)“ zu einer Erhöhung der Gesamt-MdE führt, die nunmehr mit 50 v. H. zu bewerten ist (1.2.1.). Die Änderung ist zu berücksichtigen, weil sie zum einen kausal im Sinne der mitwirkenden Teilursache auf den Dienstunfall zurückzuführen ist (1.2.2.) und der Kläger die psychischen Beschwerden rechtzeitig als Dienstunfallfolge angezeigt hat (1.2.3.).

1.2.1. Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG 2006 ist gegeben, wenn sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit ununterbrochen für mehr als sechs Monate um mindestens 10 v. H. ändert oder wenn durch die Änderung die Mindestgrenze von 25 v. H. erreicht oder unterschritten wird (vgl. Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Hauptband I, Stand: Okt. 2015, § 35 Rn. 85; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 2. Band, Stand: Feb. 2015, § 35 BeamtVG Rn. 69; BVerwG, U. v. 15.9.1966 - II C 95.64 - BVerwGE 25,46 - juris Rn. 22; BayVGH, U. v. 18.10.2006 - 3 B 03.2950 - juris Rn. 31; Tz. 35.3.1 Satz 4 der Allgemeinen Vorschrift zum Beamtenversorgungsgesetz, GMBl 1980, 742). Dies setzt jedoch voraus, dass sich der durch den Dienstunfall eingetretene Gesundheitszustand tatsächlich auch geändert hat, nicht lediglich dessen ärztliche Beurteilung (BVerwG, B. v 16.9.1980 - 6 B 44.80 - juris; BayVGH, B. v. 7.1.2015 - 3 ZB 12.1391 - juris Rn. 6).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger hat Anspruch auf Unfallausgleich, der sich nunmehr auf der Grundlage einer Gesamt-MdE von 50 v. H. errechnet. Damit hat sich die Sachlage gegenüber dem Bescheid vom 6. November 1995 (Unfallausgleich basierend auf einer MdE von 25 v. H. ab 1. Juli 1994) wesentlich geändert. Der Unfallausgleich ist daher gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG 2006 vom Beklagten - unter Anerkennung einer anhaltenden somatoforme Schmerzstörung (Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom) - ab 1. Juli 2006 neu festzusetzen.

Der Senat legt seiner Entscheidung das von ihm eingeholte wissenschaftlich begründete psychiatrische und neurologische Fachgutachten von Prof. Dr. W. vom 19. Februar 2014 (Gutachten Prof. Dr. W.), erläutert in der mündlichen Verhandlung am 9. Februar 2015 und ergänzt mit Schreiben vom 18. März 2015, das er für schlüssig und nachvollziehbar erachtet, zugrunde.

Der Kläger leidet nach Prof. Dr. W. an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und (differentialdiagnostisch) Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom (schwere, andauernde Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom). Insoweit stimmt das Gutachten Prof. Dr. W. mit den weiteren hinsichtlich des Klägers erstellten psychiatrischen Gutachten überein. Dr. R. stellt in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 30. Juni 1994, das er gegenüber dem Sozialgericht M. zur Frage der Einschätzung hinsichtlich des Grades der Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz erstellte, ebenso wie Dr. B. in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 13. September 1995 ein „somatisiert-depressives Syndrom“ fest. Prof. Dr. D. konstatiert in seinem psychiatrischen Gutachten vom 23. Juni 2009 eine „Anpassungsstörung und somatoforme Störung“ und auch MedDir. H. diagnostiziert in seinem psychiatrischen Gutachten vom 14. April 2011 eine „schwere andauernde Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom“.

1.2.2. Die Sachverständigen beurteilen jedoch die Frage, ob die psychischen Störungen auf den im Jahre 1988 erlittenen Dienstunfall zurückzuführen sind, unterschiedlich.

Für die Frage der kausalen Verknüpfung zwischen Unfallereignis und Körperschaden ist die von der Rechtsprechung entwickelte Theorie der wesentlichen Verursachung bzw. der zumindest wesentlich mitwirkenden Teilursache maßgeblich. Hiernach sind (mit-)ursächlich für einen eingetretenen Körperschaden nur solche Bedingungen im natürlich-logischen Sinn, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. BVerwG, U. v. 29.1.2009 - 2 A 3.08 - BayVBl 2009, 347). Als wesentliche Ursache kann auch ein Ereignis in Betracht kommen, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder beschleunigt, wenn ihm im Verhältnis zu den anderen denkbaren Ursachen nach natürlicher Betrachtungsweise eine überragende oder zumindest annähernd gleichwertige Bedeutung für den Eintritt des Schadens zukommt (vgl. BVerwG, B. v. 7.5.1999 - 2 B 117.98 - juris Rn. 4). Umgekehrt ist das Unfallereignis dann nicht wesentliche Ursache für den Körperschaden, wenn das Ereignis von untergeordneter Bedeutung gewissermaßen der „letzte Tropfen“ war, der das „Fass zum Überlaufen“ brachte. Das Unfallereignis tritt dann im Verhältnis zu der schon gegebenen Bedingung (dem vorhandenen Leiden oder der Vorschädigung) derart zurück, dass die bereits gegebene Bedingung als allein maßgeblich anzusehen ist (ständige Rechtsprechung; vgl. bereits BVerwG, U. v. 20.4.1967 - II C 118.64 - BVerwGE 26, 332 <339 f.>; vgl. weiter BayVGH, B. v. 4.12.2014 - 14 ZB 12.2449 - juris Rn. 6 m. w. N.).

Nicht ursächlich im Sinn des Gesetzes sind demnach die sogenannten Gelegenheitsursachen, d. h. solche Bedingungen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht. Letzteres ist beispielsweise dann der Fall, wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte (vgl. BVerwG, B. v. 8.3.2004 - 2 B54.03 - juris Rn. 7). Der im Dienstunfallrecht maßgebliche Ursachenbegriff soll zu einer dem Schutzbereich der Dienstunfallfürsorge entsprechenden sachgerechten Risikoverteilung führen. Der Dienstherr soll nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückzuführenden Unfallursachen belastet werden. Dem Beamten sollen dagegen diejenigen Risiken verbleiben, die sich aus anderen als dienstlichen Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben (BVerwG, B. v. 23.10.2013 - 2 B 34.12 - juris Rn. 8).

Alle Tatbestandsvoraussetzungen für eine Dienstunfallanerkennung bzw. die geltend gemachten Unfallfolgen müssen zur Überzeugung der Behörde und des Gerichts vorliegen. Der Beamte trägt das Feststellungsrisiko bzw. die materielle Beweislast, dass die behauptete Schädigungsfolge wesentlich auf den Dienstunfall und nicht etwa auf eine anlagebedingte Konstitution zurückzuführen ist. Ein Anspruch ist nur dann anzuerkennen, wenn der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Körperschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwG, U. v. 25.2.2010 - 2 C 81.08 - NVwZ 2010, 708; BVerwG, B. v. 4.4.2011 - 2 B 7.10 - juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 4.12.2014 - 14 ZB 12.2449 - juris Rn. 7).

Dies zugrunde gelegt steht für den Senat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 zumindest eine wesentlich mitwirkende Teilursache für die nunmehr manifeste, sich im Laufe der Jahre entwickelte, „schwere, andauernde Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom“ des Klägers ist. Der Senat schließt sich insoweit den Sachverständigen Dr. R., MedDir. Dr. H. und (insbesondere) Prof. Dr. W. an. Den Sachverständigen Dr. B. und Prof. Dr. D. folgt der Senat nicht. Hierfür sind die folgenden Überlegungen maßgeblich:

Dr. B. verneint eine Kausalität wegen einer vorbestehenden psychopathische Persönlichkeitsstruktur mit latent soziopathischen bzw. querulatorisch-rechthaberischen Tendenzen (vgl. Gutachten vom 13.9.1995, Bl. 30) ebenso wie Prof. Dr. D. in einem psychiatrischen Gutachten vom 23.6.2009. Dr. B. untersuchte den Kläger sieben Jahre nach dem Unfall und stellte eine psychische Entwicklung fest, die aus seiner Sicht ohne eine vorbestehende psychopathische Persönlichkeitsstruktur mit soziopathischen bzw. querulatorisch-rechthaberischen Tendenzen nicht zu erklären sei (vgl. Gutachten vom 13.9.1995, Bl. 30). Insoweit fußt das Gutachten auf einer nicht weiter begründeten Behauptung, wenngleich der Sachverständige darauf hinweist, dass eine egozentrische Blindheit des Klägers für seinen erheblichen eigenen Anteil am Zustandekommen des Unfalls auffiele, was wohl zum Beleg einer vorbestehenden psychopathischen Persönlichkeitsstruktur dienen soll. Auch Prof. Dr. D. stellte eine dienstunfallunabhängige paranoide Persönlichkeitsstörung fest und schlussfolgert, dass die psychischen Beschwerden (Anpassungsstörung, somatoforme Schmerzstörung) dadurch entstanden seien, dass der Kläger aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung die getroffenen Entscheidungen bezüglich der Einschätzung seines Grads der Behinderung und den daraus abzuleitenden Dienstunfallausgleich nicht habe akzeptieren können/wollen und deshalb Symptome einer Anpassungsstörung und somatoforme Störung entwickelt habe (vgl. Bl. 66/68 des Gutachtens). Prof. Dr. D. begründet seine Meinung damit, dass sich die Symptome bei dem Kläger nicht als unmittelbare Unfallfolge, sondern im Zusammenhang mit dem „Kampf“ des Klägers gegen die Ablehnung des von ihm geforderten Grades der Behinderung und entsprechend der Entschädigung durch den Dienstunfallausgleich entwickelt hätten. Die von ihm durchgeführten testpsychologischen und klinischen Untersuchungen ergäben eindeutige Hinweise auf das Vorliegen überdauernder, prämorbider Persönlichkeitsmerkmale, die die Kriterien einer (unfallunabhängigen) paranoiden Persönlichkeitsstörung erfüllten. Bei andauernden Persönlichkeitsänderungen handele es sich um Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, die sich bei Personen ohne vorbestehende Persönlichkeitsstörung nach extremer oder übermäßiger anhaltender Belastung oder nach schwerer psychiatrischer Krankheit entwickelt hätten. Eine derartige „andauernde Persönlichkeitsänderung“ werde meist als Folge „verheerender traumatischer Erfahrungen“ gesehen. Eine „andauernde Persönlichkeitsänderung“ sollte nur diagnostiziert werden, wenn diese als anhaltend und lebensverändernd anzusehen sei und ätiologisch auf eine „tiefgreifende, existenziell extreme Erfahrung“ zurückgeführt werden könne. Bei dem 1988 erlittenen Dienstunfall und seinen Folgen könne nicht von einer „tiefgreifenden, existentiell extremen Erfahrung“ bzw. einer „extremen oder übermäßigen anhaltenden Belastung“ gesprochen werden (immerhin könne der Kläger im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung seinen Dienst mittlerweile wieder für sechs Stunden, wenn auch unter Belastung, verrichten).

Anders wird die Frage der Kausalität von Dr. R. beurteilt, der in seinem Gutachten vom 30. Juni 1994 mit einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der auf psychiatrischem Gebiet vorliegenden Störungen und dem Unfallereignis ausgeht und das Vorliegen einer relevanten neurotischen Fehlhaltung vor dem Unfall verneint. Auch MedDir. Dr. H. verneint in seinem psychiatrischen Gutachten vom 14. April 2011 relevante psychiatrische Auffälligkeiten vor dem Unfallereignis im Oktober 1988 (vgl. Bl. 22 des Gutachtens). Der Kläger litt auch nach den Feststellungen von Prof. Dr. W. an keinen wesentlichen somatischen Vor- und Grunderkrankungen, keinen psychiatrischen Vorerkrankungen und auch keiner Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert vor dem Unfallereignis. Prof. Dr. W. stellte zwar psychiatrisch ausgeprägte negativistische sowie paranoide Persönlichkeitszüge fest, konnte jedoch keine eindeutigen Belege dafür finden, dass diese Auffälligkeiten bereits in der frühen Kindheit oder Jugend des Klägers bestanden hätten. Dieses Merkmal stelle - so Prof. Dr. W. - definitionsgemäß eine Voraussetzung für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung dar. Beim Kläger habe keine paranoide Persönlichkeitsstörung bzw. differenzialdiagnostisch eine wahnhafte Störung entsprechend dem Gutachten Prof. Dr. D. festgestellt werden können. Vielmehr gehe er mit Dr. H. von einem chronischen Schmerzsyndrom aus, das nach dem Unfall und unter teilweise ungünstig geschilderten sozialen Interaktionen über die Jahre zu einer andauernden Veränderung der Wahrnehmung, des Denkens und des Verhaltens geführt habe. Aufgrund der deutlichen Ausprägung mit bisweilen unflexibel und eindeutig fehlangepasstem Verhalten sei es zu einem deutlichen subjektiven Leid sowie sozialen beruflichen Beeinträchtigungen im Sinne einer nachhaltigen Lebensänderung gekommen. Aus psychiatrischer Sicht sei es vorliegend entscheidend, ob beim Kläger bereits vor dem Dienstunfallereignis aus dem Jahr 1988 eine nachweisbare psychische Störung im Sinne einer Persönlichkeitsstörung vorgelegen habe oder nicht. Sollte eine solche Persönlichkeitsstörung nachweisbar vorgelegen haben, dann wäre es sehr wahrscheinlich, dass das fragliche Dienstunfallereignis als eine von mehreren Teilursachen in der Kausalitätsbeurteilung an Gewicht verliere. Eine solche psychologische Auffälligkeit vor dem Dienstunfallereignis sei jedoch nicht nachweisbar. Damit sei das Dienstunfallereignis zumindest eine wesentlich mitwirkende Teilursache. Um die Frage zu klären, sei der Kläger sowohl psychiatrisch als auch klinisch psychologisch untersucht worden. Hierbei hätten für den Zeitraum vor dem Dienstunfallereignis keine psychischen Veränderungen festgestellt werden können, auch keine sog. Disposition für die psychischen Auffälligkeiten. Da es zur wissenschaftlich anerkannten Definition einer Persönlichkeitsstörung gehöre, dass diese spätestens seit der Adoleszenz oder dem frühen Erwachsenenalter nachweisbar sein müsse, habe er sich der Einschätzung der Vorgutachter Prof. D. und Dr. B. nicht anschließen können. Er halte es für wesentlich plausibler, dass die beim Kläger zweifelslos vorhandenen auffälligen Wesenszüge in seiner Persönlichkeit im Zuge des Krankheitsverlaufs seit 1988 entstanden seien.

Der Senat folgt dem Gutachten von Prof. Dr. W., denn es hat überzeugend die Grundlagen herausgearbeitet, womit der Senat die Kausalitätsfrage beantworten konnte. Die Fragen des Beklagten zum Gutachten hat der Gutachter in der mündlichen Verhandlung klarstellend und unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung entwickelten Theorie der zumindest wesentlich mitwirkenden Teilursache klarstellend beantwortet. Die Schlussfolgerungen von Prof. Dr. W. sind in sich stimmig und in allen Punkten nachvollziehbar. Insbesondere hat Prof. Dr. W. überzeugend begründet, warum er sich den der Einschätzung der Vorgutachter Dr. B. und Prof. Dr. D. nicht anzuschließen vermag.

Der Senat folgt auch der Bewertung der Gesamt-MdE durch Prof. Dr. W., die er unter Einbeziehung der MdE auf orthopädischem Gebiet in einer Höhe von 20 bzw. 25 v. H. mit 50 v. H. angibt, weil der Kläger offensichtlich durch die psychische Komponente an einer erheblichen Alltagsbeeinträchtigung leidet. Abweichungen um 5% in den zugrundeliegenden orthopädischen Einschätzungen seien aus seiner Sicht unerheblich. Zwar hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 19. Februar 2014 ursprünglich ausgeführt, die Minderung auf psychiatrischem Fachgebiet könne nicht insgesamt dem Unfallereignis zugeordnet werden, so dass die dienstunfallbedingte Gesamt-MdE 35 bis 40 v. H. betrage. Daran hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung aber nicht festgehalten, nachdem ihm vom Senat die Rechtsprechung zur wesentlich mitwirkenden Teilursache erläutert worden war. Der Senat erachtet die Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit für schlüssig und überzeugend. Auch der Beklagte ist diesen nicht entgegen getreten.

1.2.3. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG in der zum Zeitpunkt der Anzeige - 2. September 1994 - geltenden Fassung (§ 45 BeamtVG 1994) wird nach Ablauf der zweijährigen Ausschlussfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1994 für die Meldung eines Dienstunfalls Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Folge des Unfalls erst später bemerkbar geworden ist. Die Meldung muss innerhalb von drei Monaten erfolgen (§ 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG 1994). Unschädlich ist, dass sich schon früher Unfallfolgen gezeigt haben. § 45 Abs. 2 BeamtVG 1994 verlangt nur, dass „eine“ anspruchsbegründende Unfallfolge erst später bemerkbar geworden ist. Ab diesem Zeitpunkt läuft die Dreimonatsfrist des § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG (vgl. BVerwG. U. v. 28.2.2002 - 2 C 5/01 - IÖD 2002, 200 - juris Rn. 9).

Bemerkbar geworden ist eine Unfallfolge, wenn der verletzte Beamte bei sorgfältiger Prüfung nach seinem Urteilsvermögen zu der Überzeugung gekommen ist oder kommen musste, dass sein Leiden durch den Unfall verursacht ist. Dass er nur mit einer solchen Möglichkeit rechnen musste, genügt nicht (vgl. BVerwG, U. v. 28.2.2002 - 2 C 5/01 - juris Rn. 10).

Die Dienstunfallfolgen des Klägers beschränkten sich zunächst im Wesentlichen auf den orthopädischen Bereich. In einem sozialgerichtlichen Verfahren wegen des Grades der Schwerbehinderung des Klägers stellte Dr. R. mit Gutachten vom 30. Juni 1994 im Rahmen einer psychiatrischen Beurteilung - soweit ersichtlich erstmals - ein somatisiert-depressives Syndrom im Rahmen einer neurotischen Fehlverarbeitung bei einer vermutlich hypochondrischen Grundhaltung fest und ging mit „ausreichender Wahrscheinlichkeit“ von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der auf psychiatrischen Gebiet vorliegenden Störungen und dem Unfallereignis aus. Der Kläger legte dieses Gutachten mit Schreiben seiner (früheren) Bevollmächtigten vom 2. September 1994 in einem Verfahren betreffend einen Antrag auf Gewährung von Unfallausgleich auf der Grundlage einer MdE von 35 v. H. mit der Bitte um Berücksichtigung vor, was die Bezirksfinanzdirektion zum Anlass nahm, ein Gutachten zur Frage, ob auf psychiatrischem Gebiet Körperschäden bzw. Beschwerden vorliegen, die allein oder wesentlich bzw. annährend gleichwertig durch den Unfall verursacht worden sind. Das Gutachten Dr. R. vom 30. Juni 1994 genügt den inhaltlichen Anforderung an die Meldung einer erst nach Ablauf der zweijährigen Ausschlussfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG bemerkbar gewordenen anspruchsbegründenden Unfallfolge. Die Unfallfolgenanzeige wahrte die Dreimonatsfrist des § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG 1994, wenn für den Kläger als medizinischer Laie erst durch das nervenärztliche Gutachten Dr. R. vom 30. Juni 1994 erkennbar wurde, dass seine psychischen Beschwerden unmittelbar auf den Dienstunfall beruhen könnten (vgl. BVerwG, U. v. 28.2.2002 - 2 C 5/01 - juris Rn. 11). Mit dem Gutachten Dr. R. und der dort geäußerten „ausreichenden Wahrscheinlichkeit“ eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Auftreten der auf psychiatrischen Gebiet vorliegenden Störungen und dem Unfallereignis war die Unfallfolge für den Kläger im Sinne der vorstehenden Ausführungen „bemerkbar“ geworden. Unschädlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger bereits 1991/1992 psychische Beschwerden bemerkte, „gegenüber seinen Mitmenschen immer aggressiver“ wurde, da mit dieser Feststellung kein Bezug zum Unfallgeschehen hergestellt worden ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Sachverständige Prof. Dr. W. in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof ausführte, dass der Kläger wohl erst im Jahr 2006 anlässlich einer Rehamaßnahme in B. ... bewusst erkannt habe, dass eine Kausalität zwischen Dienstunfall und psychischen Beschwerden besteht.

Gemäß § 45 Abs. 2 BeamtVG sind Leistungen der Unfallfürsorge ausgeschlossen, die mit Rücksicht auf einen Körperschaden verlangt werden, der auf einem mehr als zehn Jahren zurückliegenden Ereignis beruht. Das ist der Fall, wenn nach Ablauf der Ausschlussfrist von zehn Jahren das Dienstunfallgeschehen als solches oder auch ein - weiterer - Körperschaden aufgrund eines solchen Ergebnisses gemeldet wird. § 45 Abs. 2 BeamtVG hindert nicht die Leistung von Unfallfürsorge über mehr als zehn Jahre. Vielmehr sollen nach zehn Jahren nur Auseinandersetzungen über den Geschehensablauf und über den Kausalzusammenhang eines Körperschadens vermieden werden (vgl. BVerwG, U. v. 28.2.2002 - 2 C 5/01 - juris Rn. 18).

Die von ihm geltend gemachten psychischen Beschwerden sind erst nach etwa sechs Jahren nach dem Dienstunfall aufgetreten. In diesem Fall deckt die damalige Meldung des Dienstunfalls die später eingetretene weitere Unfallfolge nicht ab (vgl. BayVGH, U. v. 16.7.2008 - 14 B 05.2548 - juris Rn. 8; BVerwG, U. v. 21.9.2000 - 2 C 22/99 - NVwZ 2001, 328 - juris Rn. 13). Der selbstständige Fristenlauf für später auftretende Unfallfolgen rechtfertigt sich aus dem Sinn und Zweck des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG, wonach durch die rechtzeitige Unfallmeldung vermieden werden soll, dass notwendige Ermittlungen hinsichtlich des Unfallgeschehens und des Kausalzusammenhangs erst nach vielen Jahren und unter kaum zu bewältigenden Schwierigkeiten festgestellt werden müssen (vgl. BayVGH, U. v. 16.7.2008 - 14 B 05.2548 - juris Rn. 9).

Der Kläger hat nach Sachlage mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls - einer (andauernden) Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom - vor Ablauf der Ausschlussfrist von zwei Jahren nicht rechnen können, weil ein entsprechender Zusammenhang aufgrund der Krankheitsentwicklung erst Jahre später erkennbar war.

2. Ist aus den vorstehenden Gründen der Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 ursächlich für die psychischen Beschwerden des Klägers, so ist die Ablehnung der Übernahme der hierfür erforderlichen Behandlungskosten gemäß Art. 33 BeamtVG 2006 rechtswidrig. Denn die für die Erstattung von Behandlungskosten hinsichtlich des beim Kläger vorliegenden Persönlichkeitsänderung erforderliche Voraussetzung eines Ursachenzusammenhangs zwischen dem Dienstunfall und der Heilbehandlung liegt - wie vorstehend dargestellt - aufgrund der unfallabhängigen Schädigung vor.

3. Der Berufung des Klägers war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, da dem Kläger nicht zugemutet werden konnte, das Vorverfahren allein, ohne rechtskundigen Rat, zu betreiben.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG nicht erfüllt sind.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 7. September 2010, der Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesamts für Finanzen vom 29. Januar 2007 und der Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 9. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2008 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Unfallausgleich auf der Grundlage einer dienstunfallbedingten Gesamt-MdE von 50 v. H. beginnend ab dem 1. Juli 2006 zu gewähren.

Der Beklagte wird verpflichtet, die Kosten für die am 17. Juni 2006 beantragte psychologisch-ambulante Behandlung zu übernehmen.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 19... geborene Kläger erlitt am 12. Oktober 1988 bei einer Fortbildungsveranstaltung für Justizwachtmeister einen Unfall, der mit Bescheid der damaligen Bezirksfinanzdirektion M. (BFD M.; heute: Landesamt für Finanzen) vom 23. November 1988 als Dienstunfall anerkannt wurde. Einschließlich eines Erweiterungsbescheides vom 14. November 1989 wurden eine Clavikularluxation rechts Grad II (Tossy) mit Ruptur des Ligamentum acromio clavikularae, eine ACG-Arthrose rechts bei ehemaliger AVG-Sprengung Tossy III rechts sowie eine Armplexusschädigung rechts festgestellt. Aufgrund des Dienstunfalls wurde mit Bescheid der BFD M. vom 6. November 1995 Unfallausgleich gemäß § 35 BeamtVG auf der Grundlage einer dienstunfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v. H. ab 1. Juli 1994 bewilligt. In dem damaligen Verfahren hatte die frühere Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 2. September 1994 ein Gutachten von Dr. R. vom 30. Juni 1994 vorgelegt, der ein somatisiert-depressives Syndrom im Rahmen einer neurotischen Fehlverarbeitung bei einer vermutlich hypochondrischen Grundhaltung festgestellt hat und mit ausreichender Wahrscheinlichkeit von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der auf psychischen Gebiet vorliegenden Störungen und dem Unfallereignis ausgegangen ist. Die BFD M. ist dieser gutachterlichen Feststellung indes beim der Festlegung des Unfallausgleichs nicht gefolgt.

Der Kläger beantragte am 17. Juni 2006 die Zusage der Kostenübernahme einer psychologischen Weiterbehandlung und legte einen Entlassungsbericht der Reha-Klinik B. ... vom 1. Juni 2006 vor. Aus dem Entlassungsbericht folgt, dass im Rahmen der psychologischen Mitbehandlung eine Stabilisierung erreicht werden konnte und dringend eine psychologische Weiterbehandlung zur Krankheitsverarbeitung empfohlen wird. Das Landesamt für Finanzen, Dienststelle R. (Landesamt) lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 10. Juli 2007 unter Hinweis auf ein amtsärztliches Gutachten vom 29. Juni 2006 ab. Nach dem amtsärztlichen Gutachten sei die vorgesehene Behandlung zwar notwendig, sie stehe jedoch nicht ursächlich in Zusammenhang mit den anerkannten Dienstunfallfolgen.

Der Kläger beantragte mit einem weiteren Schreiben vom 17. Juni 2006 die Erhöhung der MdE auf 50 v. H.; mit Telefax vom 11. Juni 2007 änderte er den ursprünglichen Antrag vom 17. Juni 2006 dahingehend, dass er nunmehr eine Gesamt-MdE von 80 v. H. begehrt. Das Landesamt lehnte die - nicht weiter begründeten Anträge - mit Bescheid vom 9. Oktober 2007 ab. Zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen sei von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. ein fachärztlich-chirurgisches Gutachten eingeholt worden. Danach betrage die unfallbedingte MdE unverändert 25 v. H.

Nach erfolgten Widerspruchsverfahren erhob der Kläger mit Schriftsätzen vom 2. März 2007 (Behandlungskosten) und vom 14. Februar 2008 (Unfallausgleich) Klage zum Verwaltungsgericht mit den zuletzt gestellten Anträgen,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2007 zu verpflichten, die Kosten für die psychologisch-ambulante Behandlung zu übernehmen,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 9. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2008 zu verpflichten, dem Kläger Unfallausgleich auf der Grundlage einer MdE von 70 v. H. zu gewähren.

Die Klagen wurden im Wesentlichen damit begründet, dass die eingeholten gutachterlichen Feststellungen nicht ausreichend seien.

Mit Urteil vom 7. September 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klagen abgewiesen. Die psychischen Beschwerden des Klägers seien nicht auf den Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 zurückzuführen. Dies ergebe sich aus dem im gerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten von Prof. Dr. D. vom 23. Juni 2009. Danach leide der Kläger an einer Anpassungsstörung bzw. somatoformen Schmerzstörung, die vor dem Hintergrund einer testpsychologischen wie klinisch festzustellenden paranoiden Persönlichkeitsstörung bzw. differentialdiagnostisch zu erwägenden wahnhaften Störungen ab 1991/1992 dadurch entstanden sei, dass der Kläger aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung die getroffenen Entscheidungen bezüglich der Einschätzung seines Grads der Behinderung und des daraus abzuleitenden Dienstunfallausgleichs nicht habe akzeptieren können oder wollen und darauf mit der Entwicklung psychischer Beschwerden reagiert habe. Die psychischen Störungen seien nicht unmittelbar auf den erlittenen Dienstunfall zurückzuführen.

Der auf Grundlage einer - nicht näher substantiierten - Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 70 v. H. geltend gemachte Unfallausgleich stehe dem Kläger nicht zu. Nach der Einschätzung des gerichtlichen Gutachters bedingten die festgestellten psychischen Beschwerden/Störungen des Klägers (Anpassungsstörung, somatoforme Schmerzstörung, paranoide Persönlichkeitsstörung) die Annahme einer Gesamt-MdE von 40 v. H. Da diese jedoch nicht unfallbedingt seien, blieben sie auf die Höhe der festgestellten unfallbedingten MdE ohne Einfluss.

Der Kläger hat gegen das Urteil die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung eingelegt und zuletzt beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 7. September 2010, des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2007 zu verpflichten, die Kosten für die psychologisch-ambulante Behandlung zu übernehmen,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 7. September 2010, des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 9. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2008 zu verpflichten, dem Kläger Unfallausgleich auf der Grundlage einer MdE von 50 v. H. beginnend ab dem 1. Juli 2006 zu gewähren.

Der Kläger verweist auf das psychiatrische Gutachten von Herrn MedDir. Dr. H. bei dem Landgericht M. ... vom 14. April 2011 (das dort zur Frage der Schuldfähigkeit des Klägers eingeholt worden war), das den Dienstunfall anders als das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten Prof. Dr. D. als kausal für die psychische Erkrankung des Klägers ansieht und damit im Widerspruch zum gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten steht.

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2012 hat der Senat Beweis erhoben über die Frage, ob die psychischen Beschwerden des Klägers durch den Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 verursacht sind, bejahendenfalls, ob die vom Kläger begehrte psychologische Behandlung zur Heilung oder Linderung dieser Beschwerden geeignet ist, sowie ferner wie hoch die insgesamt durch den Dienstunfall verursache Minderung der Erwerbsfähigkeit ist.

Unter dem 19. Februar 2014 legte der Sachverständige Prof. Dr. W. sein psychiatrisches und neurologisches Fachgutachten vor. Zusammenfassend könnten die Diagnosen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, differentialdiagnostisch einer Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom, auch nach neurologischer und orthopädischer Einordnung des Schmerzsyndroms gestellt werden. Der Kläger sei aufgrund seines Schmerzsyndroms und der Persönlichkeitsänderung in seinem Alltag deutlich eingeschränkt. Sein Aktivitätsradius habe sich reduziert und sein Sozialleben stark negativ verändert, so dass es weiterhin erforderlich erscheine, eine regelmäßige ambulante psychologische und psychotherapeutische Behandlung zu erhalten. Hinsichtlich der Kausalitätsfrage sei anzuführen, dass es sich bei somatoformen Schmerzstörungen und den dadurch bedingten Persönlichkeitswandel grundsätzlich um ein multifaktorielles Geschehen handele. Einerseits sei das Unfallgeschehen die notwendige Bedingung, ohne die das weitere Krankheitsgeschehen nicht aufgetreten wäre, andererseits spielten anlage- und aufrechterhaltende Faktoren eine wichtige Rolle, zumal seit dem Unfallereignis bereits viele Jahre vergangen seien. Daher könne das heutige Beschwerdebild nicht mehr allein dem Dienstunfallereignis zugeordnet werden. Es kämen sicherlich andere Faktoren hinzu, die das Schmerzleben beeinflussen und aufrechterhalten, wie die erst nach dem Unfallereignis aufgetretenen Ehe- und Arbeitsplatzprobleme. Die Persönlichkeitsänderung sei im Wesentlichen eine Folge der Schmerzen, ggf. verstärkt durch weitere ungünstige Faktoren.

Von chirurgischer Seite sei bereits durch die einschlägigen chirurgischen Zusatzgutachten eine Minderung der Erwerbstätigkeit von 25 v. H. erhoben worden. Da dem Dienstunfall die chronischen Schmerzen und in Folge auch psychiatrische Beschwerden gefolgt seien, sei der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die psychiatrischen Diagnosen und das Schmerzsyndrom zu ergänzen (30 - 40 v. H.). Aufgrund der Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom) sei zusammenfassend eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um insgesamt 50 v. H. gegeben. Allerdings könne die Minderung auf psychiatrischem Fachgebiet nicht insgesamt dem Unfallereignis zugeordnet werden, so dass die dienstunfallbedingte Gesamt-MdE 35 bis 40 v. H. betrage.

Der Beklagte erhebt Einwände gegen das Gutachten Prof. Dr. W.; es fehle eine Auseinandersetzung mit der im Dienstunfallrecht geltenden Theorie der wesentlich mitwirkenden Teilursache. Dem Anspruch des Klägers stehe die Ausschlussfrist des § 45 Abs. 2 BeamtVG bzw. des Art. 47 Abs. 2 BeamtVG entgegen. Hiernach werde Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen seien. Selbst der Antrag des Klägers vom 17. Juni 2006 liege außerhalb der 10-jährigen Ausschlussfrist. Das Gutachten Prof. Dr. W. gehe von einer Minderung der Erwerbstätigkeit des Klägers auf chirurgischem Gebiet in Höhe von 25 v. H. aus. Das orthopädische Gutachten des Facharztes für Orthopädie, Rheumatologie und Sozialmedizin Dr. W. vom 14. Januar 2014, das im Auftrag des Landesamts erstellt worden sei, gelange hingegen lediglich zu einer Minderung der Erwerbstätigkeit von 20 v. H.

In der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2015 erläuterte der Sachverständige sein Gutachten. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 18. März 2015 führte er aus, dass die Minderung der Erwerbstätigkeit des Klägers von 50 v. H. nach seiner Überzeugung im Wesentlichen seit Juli 2006 besteht und dem Gesamtverlauf im zeitlichen Durchschnitt angemessen ist.

Die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Zur Ergänzung wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 125 Abs. 1 i. V. m.. § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Dem Kläger ist ab dem 1. Juli 2006 Unfallausgleich für eine dienstunfallbedingte Gesamt-MdE von 50 v. H. zu gewähren (1.) und der Beklagte zu verpflichten, die Kosten für die am 17. Juni 2006 beantragte psychologisch-ambulante (Weiter-)Behandlung des Klägers zu übernehmen (2.).

1. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung von Unfallausgleich ab dem 1. Juli 2006 auf der Grundlage einer Gesamt-MdE von 50 v. H.

1.1. Für die Verpflichtungsklage auf einen Unfallausgleich ist der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt für die Anspruchsvoraussetzungen die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. OVG Bremen, U. v. 29.10.2008 - 2 A 38/05 - juris Rn. 55; OVG Lüneburg, B. v. 29.11.2000 - 2 L 3371/00 - juris Rn. 9; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Hauptband I, Stand: Okt. 2015, § 35 BeamtVG Rn. 107; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 2. Band, Stand: Feb. 2015, § 35 BeamtVG Rn. 87). Damit ist auf die Sach- und Rechtslage am 11. Januar 2008 - Erlass des Widerspruchsbescheids hinsichtlich des begehrten Unfallausgleichs - abzustellen und mithin auf das Beamtenversorgungsgesetz in der am 31. August 2006 (BeamtVG 2006) geltenden Fassung (vgl. § 108 Abs. 1 BeamtVG, Art. 117 BayBeamtVG), das gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes im maßgeblichen Zeitpunkt als Bundesrecht fortgalt.

1.2. Ein (Ruhestands-)Beamter, der in Folge eines Dienstunfalls in seiner Erwerbstätigkeit länger als sechs Monate wesentlich beschränkt ist, erhält neben den Dienstbezügen bzw. dem Ruhegehalt einen Unfallausgleich, solange dieser Zustand andauert. Eine wesentliche Beschränkung der Erwerbsfähigkeit liegt vor, wenn die dienstunfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mindestens 25 v. H. beträgt. Aufgrund dessen ist dem Kläger mit Bescheid vom 6. November 1995 Unfallausgleich basierend auf einer MdE von 25 v. H. ab 1. Juli 1994 gewährt worden (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der Fassung vom 1.10.1994). Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 (i. V. m. Abs. 1 Satz 1) BeamtVG 2006 wird der Unfallausgleich neu festgestellt, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. So liegt der Fall hier. Eine wesentliche Änderung ist eingetreten, weil die im Laufe der Jahre vom Kläger entwickelte „anhaltende somatoforme Schmerzstörung (Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom)“ zu einer Erhöhung der Gesamt-MdE führt, die nunmehr mit 50 v. H. zu bewerten ist (1.2.1.). Die Änderung ist zu berücksichtigen, weil sie zum einen kausal im Sinne der mitwirkenden Teilursache auf den Dienstunfall zurückzuführen ist (1.2.2.) und der Kläger die psychischen Beschwerden rechtzeitig als Dienstunfallfolge angezeigt hat (1.2.3.).

1.2.1. Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG 2006 ist gegeben, wenn sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit ununterbrochen für mehr als sechs Monate um mindestens 10 v. H. ändert oder wenn durch die Änderung die Mindestgrenze von 25 v. H. erreicht oder unterschritten wird (vgl. Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Hauptband I, Stand: Okt. 2015, § 35 Rn. 85; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 2. Band, Stand: Feb. 2015, § 35 BeamtVG Rn. 69; BVerwG, U. v. 15.9.1966 - II C 95.64 - BVerwGE 25,46 - juris Rn. 22; BayVGH, U. v. 18.10.2006 - 3 B 03.2950 - juris Rn. 31; Tz. 35.3.1 Satz 4 der Allgemeinen Vorschrift zum Beamtenversorgungsgesetz, GMBl 1980, 742). Dies setzt jedoch voraus, dass sich der durch den Dienstunfall eingetretene Gesundheitszustand tatsächlich auch geändert hat, nicht lediglich dessen ärztliche Beurteilung (BVerwG, B. v 16.9.1980 - 6 B 44.80 - juris; BayVGH, B. v. 7.1.2015 - 3 ZB 12.1391 - juris Rn. 6).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger hat Anspruch auf Unfallausgleich, der sich nunmehr auf der Grundlage einer Gesamt-MdE von 50 v. H. errechnet. Damit hat sich die Sachlage gegenüber dem Bescheid vom 6. November 1995 (Unfallausgleich basierend auf einer MdE von 25 v. H. ab 1. Juli 1994) wesentlich geändert. Der Unfallausgleich ist daher gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG 2006 vom Beklagten - unter Anerkennung einer anhaltenden somatoforme Schmerzstörung (Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom) - ab 1. Juli 2006 neu festzusetzen.

Der Senat legt seiner Entscheidung das von ihm eingeholte wissenschaftlich begründete psychiatrische und neurologische Fachgutachten von Prof. Dr. W. vom 19. Februar 2014 (Gutachten Prof. Dr. W.), erläutert in der mündlichen Verhandlung am 9. Februar 2015 und ergänzt mit Schreiben vom 18. März 2015, das er für schlüssig und nachvollziehbar erachtet, zugrunde.

Der Kläger leidet nach Prof. Dr. W. an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und (differentialdiagnostisch) Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom (schwere, andauernde Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom). Insoweit stimmt das Gutachten Prof. Dr. W. mit den weiteren hinsichtlich des Klägers erstellten psychiatrischen Gutachten überein. Dr. R. stellt in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 30. Juni 1994, das er gegenüber dem Sozialgericht M. zur Frage der Einschätzung hinsichtlich des Grades der Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz erstellte, ebenso wie Dr. B. in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 13. September 1995 ein „somatisiert-depressives Syndrom“ fest. Prof. Dr. D. konstatiert in seinem psychiatrischen Gutachten vom 23. Juni 2009 eine „Anpassungsstörung und somatoforme Störung“ und auch MedDir. H. diagnostiziert in seinem psychiatrischen Gutachten vom 14. April 2011 eine „schwere andauernde Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom“.

1.2.2. Die Sachverständigen beurteilen jedoch die Frage, ob die psychischen Störungen auf den im Jahre 1988 erlittenen Dienstunfall zurückzuführen sind, unterschiedlich.

Für die Frage der kausalen Verknüpfung zwischen Unfallereignis und Körperschaden ist die von der Rechtsprechung entwickelte Theorie der wesentlichen Verursachung bzw. der zumindest wesentlich mitwirkenden Teilursache maßgeblich. Hiernach sind (mit-)ursächlich für einen eingetretenen Körperschaden nur solche Bedingungen im natürlich-logischen Sinn, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. BVerwG, U. v. 29.1.2009 - 2 A 3.08 - BayVBl 2009, 347). Als wesentliche Ursache kann auch ein Ereignis in Betracht kommen, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder beschleunigt, wenn ihm im Verhältnis zu den anderen denkbaren Ursachen nach natürlicher Betrachtungsweise eine überragende oder zumindest annähernd gleichwertige Bedeutung für den Eintritt des Schadens zukommt (vgl. BVerwG, B. v. 7.5.1999 - 2 B 117.98 - juris Rn. 4). Umgekehrt ist das Unfallereignis dann nicht wesentliche Ursache für den Körperschaden, wenn das Ereignis von untergeordneter Bedeutung gewissermaßen der „letzte Tropfen“ war, der das „Fass zum Überlaufen“ brachte. Das Unfallereignis tritt dann im Verhältnis zu der schon gegebenen Bedingung (dem vorhandenen Leiden oder der Vorschädigung) derart zurück, dass die bereits gegebene Bedingung als allein maßgeblich anzusehen ist (ständige Rechtsprechung; vgl. bereits BVerwG, U. v. 20.4.1967 - II C 118.64 - BVerwGE 26, 332 <339 f.>; vgl. weiter BayVGH, B. v. 4.12.2014 - 14 ZB 12.2449 - juris Rn. 6 m. w. N.).

Nicht ursächlich im Sinn des Gesetzes sind demnach die sogenannten Gelegenheitsursachen, d. h. solche Bedingungen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht. Letzteres ist beispielsweise dann der Fall, wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte (vgl. BVerwG, B. v. 8.3.2004 - 2 B54.03 - juris Rn. 7). Der im Dienstunfallrecht maßgebliche Ursachenbegriff soll zu einer dem Schutzbereich der Dienstunfallfürsorge entsprechenden sachgerechten Risikoverteilung führen. Der Dienstherr soll nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückzuführenden Unfallursachen belastet werden. Dem Beamten sollen dagegen diejenigen Risiken verbleiben, die sich aus anderen als dienstlichen Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben (BVerwG, B. v. 23.10.2013 - 2 B 34.12 - juris Rn. 8).

Alle Tatbestandsvoraussetzungen für eine Dienstunfallanerkennung bzw. die geltend gemachten Unfallfolgen müssen zur Überzeugung der Behörde und des Gerichts vorliegen. Der Beamte trägt das Feststellungsrisiko bzw. die materielle Beweislast, dass die behauptete Schädigungsfolge wesentlich auf den Dienstunfall und nicht etwa auf eine anlagebedingte Konstitution zurückzuführen ist. Ein Anspruch ist nur dann anzuerkennen, wenn der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Körperschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwG, U. v. 25.2.2010 - 2 C 81.08 - NVwZ 2010, 708; BVerwG, B. v. 4.4.2011 - 2 B 7.10 - juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 4.12.2014 - 14 ZB 12.2449 - juris Rn. 7).

Dies zugrunde gelegt steht für den Senat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 zumindest eine wesentlich mitwirkende Teilursache für die nunmehr manifeste, sich im Laufe der Jahre entwickelte, „schwere, andauernde Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom“ des Klägers ist. Der Senat schließt sich insoweit den Sachverständigen Dr. R., MedDir. Dr. H. und (insbesondere) Prof. Dr. W. an. Den Sachverständigen Dr. B. und Prof. Dr. D. folgt der Senat nicht. Hierfür sind die folgenden Überlegungen maßgeblich:

Dr. B. verneint eine Kausalität wegen einer vorbestehenden psychopathische Persönlichkeitsstruktur mit latent soziopathischen bzw. querulatorisch-rechthaberischen Tendenzen (vgl. Gutachten vom 13.9.1995, Bl. 30) ebenso wie Prof. Dr. D. in einem psychiatrischen Gutachten vom 23.6.2009. Dr. B. untersuchte den Kläger sieben Jahre nach dem Unfall und stellte eine psychische Entwicklung fest, die aus seiner Sicht ohne eine vorbestehende psychopathische Persönlichkeitsstruktur mit soziopathischen bzw. querulatorisch-rechthaberischen Tendenzen nicht zu erklären sei (vgl. Gutachten vom 13.9.1995, Bl. 30). Insoweit fußt das Gutachten auf einer nicht weiter begründeten Behauptung, wenngleich der Sachverständige darauf hinweist, dass eine egozentrische Blindheit des Klägers für seinen erheblichen eigenen Anteil am Zustandekommen des Unfalls auffiele, was wohl zum Beleg einer vorbestehenden psychopathischen Persönlichkeitsstruktur dienen soll. Auch Prof. Dr. D. stellte eine dienstunfallunabhängige paranoide Persönlichkeitsstörung fest und schlussfolgert, dass die psychischen Beschwerden (Anpassungsstörung, somatoforme Schmerzstörung) dadurch entstanden seien, dass der Kläger aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung die getroffenen Entscheidungen bezüglich der Einschätzung seines Grads der Behinderung und den daraus abzuleitenden Dienstunfallausgleich nicht habe akzeptieren können/wollen und deshalb Symptome einer Anpassungsstörung und somatoforme Störung entwickelt habe (vgl. Bl. 66/68 des Gutachtens). Prof. Dr. D. begründet seine Meinung damit, dass sich die Symptome bei dem Kläger nicht als unmittelbare Unfallfolge, sondern im Zusammenhang mit dem „Kampf“ des Klägers gegen die Ablehnung des von ihm geforderten Grades der Behinderung und entsprechend der Entschädigung durch den Dienstunfallausgleich entwickelt hätten. Die von ihm durchgeführten testpsychologischen und klinischen Untersuchungen ergäben eindeutige Hinweise auf das Vorliegen überdauernder, prämorbider Persönlichkeitsmerkmale, die die Kriterien einer (unfallunabhängigen) paranoiden Persönlichkeitsstörung erfüllten. Bei andauernden Persönlichkeitsänderungen handele es sich um Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, die sich bei Personen ohne vorbestehende Persönlichkeitsstörung nach extremer oder übermäßiger anhaltender Belastung oder nach schwerer psychiatrischer Krankheit entwickelt hätten. Eine derartige „andauernde Persönlichkeitsänderung“ werde meist als Folge „verheerender traumatischer Erfahrungen“ gesehen. Eine „andauernde Persönlichkeitsänderung“ sollte nur diagnostiziert werden, wenn diese als anhaltend und lebensverändernd anzusehen sei und ätiologisch auf eine „tiefgreifende, existenziell extreme Erfahrung“ zurückgeführt werden könne. Bei dem 1988 erlittenen Dienstunfall und seinen Folgen könne nicht von einer „tiefgreifenden, existentiell extremen Erfahrung“ bzw. einer „extremen oder übermäßigen anhaltenden Belastung“ gesprochen werden (immerhin könne der Kläger im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung seinen Dienst mittlerweile wieder für sechs Stunden, wenn auch unter Belastung, verrichten).

Anders wird die Frage der Kausalität von Dr. R. beurteilt, der in seinem Gutachten vom 30. Juni 1994 mit einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der auf psychiatrischem Gebiet vorliegenden Störungen und dem Unfallereignis ausgeht und das Vorliegen einer relevanten neurotischen Fehlhaltung vor dem Unfall verneint. Auch MedDir. Dr. H. verneint in seinem psychiatrischen Gutachten vom 14. April 2011 relevante psychiatrische Auffälligkeiten vor dem Unfallereignis im Oktober 1988 (vgl. Bl. 22 des Gutachtens). Der Kläger litt auch nach den Feststellungen von Prof. Dr. W. an keinen wesentlichen somatischen Vor- und Grunderkrankungen, keinen psychiatrischen Vorerkrankungen und auch keiner Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert vor dem Unfallereignis. Prof. Dr. W. stellte zwar psychiatrisch ausgeprägte negativistische sowie paranoide Persönlichkeitszüge fest, konnte jedoch keine eindeutigen Belege dafür finden, dass diese Auffälligkeiten bereits in der frühen Kindheit oder Jugend des Klägers bestanden hätten. Dieses Merkmal stelle - so Prof. Dr. W. - definitionsgemäß eine Voraussetzung für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung dar. Beim Kläger habe keine paranoide Persönlichkeitsstörung bzw. differenzialdiagnostisch eine wahnhafte Störung entsprechend dem Gutachten Prof. Dr. D. festgestellt werden können. Vielmehr gehe er mit Dr. H. von einem chronischen Schmerzsyndrom aus, das nach dem Unfall und unter teilweise ungünstig geschilderten sozialen Interaktionen über die Jahre zu einer andauernden Veränderung der Wahrnehmung, des Denkens und des Verhaltens geführt habe. Aufgrund der deutlichen Ausprägung mit bisweilen unflexibel und eindeutig fehlangepasstem Verhalten sei es zu einem deutlichen subjektiven Leid sowie sozialen beruflichen Beeinträchtigungen im Sinne einer nachhaltigen Lebensänderung gekommen. Aus psychiatrischer Sicht sei es vorliegend entscheidend, ob beim Kläger bereits vor dem Dienstunfallereignis aus dem Jahr 1988 eine nachweisbare psychische Störung im Sinne einer Persönlichkeitsstörung vorgelegen habe oder nicht. Sollte eine solche Persönlichkeitsstörung nachweisbar vorgelegen haben, dann wäre es sehr wahrscheinlich, dass das fragliche Dienstunfallereignis als eine von mehreren Teilursachen in der Kausalitätsbeurteilung an Gewicht verliere. Eine solche psychologische Auffälligkeit vor dem Dienstunfallereignis sei jedoch nicht nachweisbar. Damit sei das Dienstunfallereignis zumindest eine wesentlich mitwirkende Teilursache. Um die Frage zu klären, sei der Kläger sowohl psychiatrisch als auch klinisch psychologisch untersucht worden. Hierbei hätten für den Zeitraum vor dem Dienstunfallereignis keine psychischen Veränderungen festgestellt werden können, auch keine sog. Disposition für die psychischen Auffälligkeiten. Da es zur wissenschaftlich anerkannten Definition einer Persönlichkeitsstörung gehöre, dass diese spätestens seit der Adoleszenz oder dem frühen Erwachsenenalter nachweisbar sein müsse, habe er sich der Einschätzung der Vorgutachter Prof. D. und Dr. B. nicht anschließen können. Er halte es für wesentlich plausibler, dass die beim Kläger zweifelslos vorhandenen auffälligen Wesenszüge in seiner Persönlichkeit im Zuge des Krankheitsverlaufs seit 1988 entstanden seien.

Der Senat folgt dem Gutachten von Prof. Dr. W., denn es hat überzeugend die Grundlagen herausgearbeitet, womit der Senat die Kausalitätsfrage beantworten konnte. Die Fragen des Beklagten zum Gutachten hat der Gutachter in der mündlichen Verhandlung klarstellend und unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung entwickelten Theorie der zumindest wesentlich mitwirkenden Teilursache klarstellend beantwortet. Die Schlussfolgerungen von Prof. Dr. W. sind in sich stimmig und in allen Punkten nachvollziehbar. Insbesondere hat Prof. Dr. W. überzeugend begründet, warum er sich den der Einschätzung der Vorgutachter Dr. B. und Prof. Dr. D. nicht anzuschließen vermag.

Der Senat folgt auch der Bewertung der Gesamt-MdE durch Prof. Dr. W., die er unter Einbeziehung der MdE auf orthopädischem Gebiet in einer Höhe von 20 bzw. 25 v. H. mit 50 v. H. angibt, weil der Kläger offensichtlich durch die psychische Komponente an einer erheblichen Alltagsbeeinträchtigung leidet. Abweichungen um 5% in den zugrundeliegenden orthopädischen Einschätzungen seien aus seiner Sicht unerheblich. Zwar hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 19. Februar 2014 ursprünglich ausgeführt, die Minderung auf psychiatrischem Fachgebiet könne nicht insgesamt dem Unfallereignis zugeordnet werden, so dass die dienstunfallbedingte Gesamt-MdE 35 bis 40 v. H. betrage. Daran hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung aber nicht festgehalten, nachdem ihm vom Senat die Rechtsprechung zur wesentlich mitwirkenden Teilursache erläutert worden war. Der Senat erachtet die Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit für schlüssig und überzeugend. Auch der Beklagte ist diesen nicht entgegen getreten.

1.2.3. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG in der zum Zeitpunkt der Anzeige - 2. September 1994 - geltenden Fassung (§ 45 BeamtVG 1994) wird nach Ablauf der zweijährigen Ausschlussfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1994 für die Meldung eines Dienstunfalls Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Folge des Unfalls erst später bemerkbar geworden ist. Die Meldung muss innerhalb von drei Monaten erfolgen (§ 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG 1994). Unschädlich ist, dass sich schon früher Unfallfolgen gezeigt haben. § 45 Abs. 2 BeamtVG 1994 verlangt nur, dass „eine“ anspruchsbegründende Unfallfolge erst später bemerkbar geworden ist. Ab diesem Zeitpunkt läuft die Dreimonatsfrist des § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG (vgl. BVerwG. U. v. 28.2.2002 - 2 C 5/01 - IÖD 2002, 200 - juris Rn. 9).

Bemerkbar geworden ist eine Unfallfolge, wenn der verletzte Beamte bei sorgfältiger Prüfung nach seinem Urteilsvermögen zu der Überzeugung gekommen ist oder kommen musste, dass sein Leiden durch den Unfall verursacht ist. Dass er nur mit einer solchen Möglichkeit rechnen musste, genügt nicht (vgl. BVerwG, U. v. 28.2.2002 - 2 C 5/01 - juris Rn. 10).

Die Dienstunfallfolgen des Klägers beschränkten sich zunächst im Wesentlichen auf den orthopädischen Bereich. In einem sozialgerichtlichen Verfahren wegen des Grades der Schwerbehinderung des Klägers stellte Dr. R. mit Gutachten vom 30. Juni 1994 im Rahmen einer psychiatrischen Beurteilung - soweit ersichtlich erstmals - ein somatisiert-depressives Syndrom im Rahmen einer neurotischen Fehlverarbeitung bei einer vermutlich hypochondrischen Grundhaltung fest und ging mit „ausreichender Wahrscheinlichkeit“ von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der auf psychiatrischen Gebiet vorliegenden Störungen und dem Unfallereignis aus. Der Kläger legte dieses Gutachten mit Schreiben seiner (früheren) Bevollmächtigten vom 2. September 1994 in einem Verfahren betreffend einen Antrag auf Gewährung von Unfallausgleich auf der Grundlage einer MdE von 35 v. H. mit der Bitte um Berücksichtigung vor, was die Bezirksfinanzdirektion zum Anlass nahm, ein Gutachten zur Frage, ob auf psychiatrischem Gebiet Körperschäden bzw. Beschwerden vorliegen, die allein oder wesentlich bzw. annährend gleichwertig durch den Unfall verursacht worden sind. Das Gutachten Dr. R. vom 30. Juni 1994 genügt den inhaltlichen Anforderung an die Meldung einer erst nach Ablauf der zweijährigen Ausschlussfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG bemerkbar gewordenen anspruchsbegründenden Unfallfolge. Die Unfallfolgenanzeige wahrte die Dreimonatsfrist des § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG 1994, wenn für den Kläger als medizinischer Laie erst durch das nervenärztliche Gutachten Dr. R. vom 30. Juni 1994 erkennbar wurde, dass seine psychischen Beschwerden unmittelbar auf den Dienstunfall beruhen könnten (vgl. BVerwG, U. v. 28.2.2002 - 2 C 5/01 - juris Rn. 11). Mit dem Gutachten Dr. R. und der dort geäußerten „ausreichenden Wahrscheinlichkeit“ eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Auftreten der auf psychiatrischen Gebiet vorliegenden Störungen und dem Unfallereignis war die Unfallfolge für den Kläger im Sinne der vorstehenden Ausführungen „bemerkbar“ geworden. Unschädlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger bereits 1991/1992 psychische Beschwerden bemerkte, „gegenüber seinen Mitmenschen immer aggressiver“ wurde, da mit dieser Feststellung kein Bezug zum Unfallgeschehen hergestellt worden ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Sachverständige Prof. Dr. W. in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof ausführte, dass der Kläger wohl erst im Jahr 2006 anlässlich einer Rehamaßnahme in B. ... bewusst erkannt habe, dass eine Kausalität zwischen Dienstunfall und psychischen Beschwerden besteht.

Gemäß § 45 Abs. 2 BeamtVG sind Leistungen der Unfallfürsorge ausgeschlossen, die mit Rücksicht auf einen Körperschaden verlangt werden, der auf einem mehr als zehn Jahren zurückliegenden Ereignis beruht. Das ist der Fall, wenn nach Ablauf der Ausschlussfrist von zehn Jahren das Dienstunfallgeschehen als solches oder auch ein - weiterer - Körperschaden aufgrund eines solchen Ergebnisses gemeldet wird. § 45 Abs. 2 BeamtVG hindert nicht die Leistung von Unfallfürsorge über mehr als zehn Jahre. Vielmehr sollen nach zehn Jahren nur Auseinandersetzungen über den Geschehensablauf und über den Kausalzusammenhang eines Körperschadens vermieden werden (vgl. BVerwG, U. v. 28.2.2002 - 2 C 5/01 - juris Rn. 18).

Die von ihm geltend gemachten psychischen Beschwerden sind erst nach etwa sechs Jahren nach dem Dienstunfall aufgetreten. In diesem Fall deckt die damalige Meldung des Dienstunfalls die später eingetretene weitere Unfallfolge nicht ab (vgl. BayVGH, U. v. 16.7.2008 - 14 B 05.2548 - juris Rn. 8; BVerwG, U. v. 21.9.2000 - 2 C 22/99 - NVwZ 2001, 328 - juris Rn. 13). Der selbstständige Fristenlauf für später auftretende Unfallfolgen rechtfertigt sich aus dem Sinn und Zweck des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG, wonach durch die rechtzeitige Unfallmeldung vermieden werden soll, dass notwendige Ermittlungen hinsichtlich des Unfallgeschehens und des Kausalzusammenhangs erst nach vielen Jahren und unter kaum zu bewältigenden Schwierigkeiten festgestellt werden müssen (vgl. BayVGH, U. v. 16.7.2008 - 14 B 05.2548 - juris Rn. 9).

Der Kläger hat nach Sachlage mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls - einer (andauernden) Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom - vor Ablauf der Ausschlussfrist von zwei Jahren nicht rechnen können, weil ein entsprechender Zusammenhang aufgrund der Krankheitsentwicklung erst Jahre später erkennbar war.

2. Ist aus den vorstehenden Gründen der Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 ursächlich für die psychischen Beschwerden des Klägers, so ist die Ablehnung der Übernahme der hierfür erforderlichen Behandlungskosten gemäß Art. 33 BeamtVG 2006 rechtswidrig. Denn die für die Erstattung von Behandlungskosten hinsichtlich des beim Kläger vorliegenden Persönlichkeitsänderung erforderliche Voraussetzung eines Ursachenzusammenhangs zwischen dem Dienstunfall und der Heilbehandlung liegt - wie vorstehend dargestellt - aufgrund der unfallabhängigen Schädigung vor.

3. Der Berufung des Klägers war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, da dem Kläger nicht zugemutet werden konnte, das Vorverfahren allein, ohne rechtskundigen Rat, zu betreiben.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG nicht erfüllt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.