Verwaltungsgericht München Urteil, 24. Okt. 2017 - M 1 K 16.5374

bei uns veröffentlicht am24.10.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Oktober 2016 verpflichtet, der Klägerin einen positiven Vorbescheid zur Frage 1 des Vorbescheidsantrags vom … April 2016 zu erteilen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Vorbescheides zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der Art und des Maßes der Nutzung für den Neubau einer Wohnanlage mit 34 Altenwohnungen und Nebennutzungen.

Die Klägerin beabsichtigt auf der FlNr. 311, 311/1 und 313, Gemarkung … (Baugrundstück) die Errichtung einer Wohnanlage mit 34 Altenwohnungen für betreutes Wohnen mit …-Tagesklinik, Café und einer Penthouse-Wohnung.

Mit Vorbescheidsantrag vom … April 2016 reichte sie hierzu Planunterlagen ein und erklärte, dass in einem Vorbescheid über folgende Fragen entschieden werden solle:

„1. Art und Maß der baulichen Nutzung:

Darf das Baugrundstück F* …str. 25 - 27 bezüglich Art und Maß der baulichen Nutzung bebaut werden, wie in der beiliegenden Bauzeichnung dargestellt? Wohnanlage mit 34 Altenwohnungen für betreutes Wohnen, …-Tagesklinik, Café, 1 Penthouse-Wohnung.

Höhenentwicklung wie dargestellt: 4 Geschosse plus zurückgesetztes Penthouse.

2. Stellplatznachweis:

Dürfen alle geforderten Stellplätze unterirdisch nachgewiesen werden? …“

Zur Art der Nutzung wurde in Anlage 2 zum Vorbescheidsantrag näher ausgeführt:

„DG: Penthouse-Wohnung

EG: …-Tagesklinik; Café; Gemeinschaftsraum, Büro und 3 Appartements für betreutes Wohnen

1. OG, 2. OG, 3. OG: Betreutes Wohnen, je 9 - 11 Ein- und Zweizimmer Appartements KG: Wirtschafts-, Abstell- und Technikräume“

Das geplante Bauvolumen ergibt sich aus den dem Vorbescheidsantrag beigegebenen Planunterlagen. Das Vorhaben gliedert sich in zwei Baukörper. Der kleinere der beiden Baukörper soll hauptsächlich auf der FlNr. 313 entstehen und unmittelbar an das benachbarte Gebäude F* …str. 29 angebaut werden. Für diesen ist eine Wandhöhe von 13 m bei einem Erdsowie 3 Obergeschossen vorgesehen. Dieser Baukörper soll mit einem größeren Baukörper auf FlNr. 311/1 und 311 Gemarkung …, durch Stege verbunden werden. Der größere Baukörper soll ebenfalls direkt an das Nachbargebäude (F* …str. 23) angebaut werden und 5 Geschosse (Erdgeschoss, 3 Obergeschosse sowie ein zurückgesetztes Terrassengeschoss) erhalten. Der geplante Baukörper hat unmittelbar an der F* …straße - im Bereich des Erdsowie der 3 Obergeschosse - eine Wandhöhe von 13 m. Die Wandhöhe - gemessen bis zu dem geplanten Flachdach über dem Terrassengeschoss - ist mit 15,50 m angegeben. Das Terrassengeschoss tritt an der Gebäudeseite zur F* …-straße um 2,50 m hinter die Außenwand der darunter liegenden Geschosse zurück. Dieser Versatz besteht in gleichem Umfang an den übrigen Gebäudeseiten. Lediglich an der Seite zum Anwesen F* …str. 23 ist das Terrassengeschoss um etwa 5,40 m zurückgesetzt, an der Nordseite des geplanten Gebäudes ist in einem kleineren Bereich ein Versatz von etwa 2 m geplant.

Die zum Vorbescheidsantrag gehörenden Pläne enthalten auch eine Ansicht der Bestandsgebäude der näheren Umgebung in Kombination mit dem geplanten Gebäude. Das unmittelbar an das geplante Gebäude anschließende Anwesen F* …str. 23 hat nach dieser Darstellung eine Firsthöhe von 14,50 m und verfügt über ein Erdgeschoss, 2 Obergeschosse sowie ein ausgebautes Dachgeschoss mit 4 Dachgauben. In dieser Ansicht ist auch das Gebäude auf der FlNr. 298 Gemarkung … dargestellt (im Folgenden: …hof). Der …hof ist hier mit einer Wandhöhe von ca. 15 m (Maßentnahme aus dem Plan) sowie einer Firsthöhe von ca. 19,80 m wiedergegeben. Das Gebäude verfügt über ein Erdgeschoss, das aufgrund eines befensterten Souterrains deutlich über dem Straßenniveau liegt, 3 Obergeschosse sowie ein Dachgeschoss mit steilem Dach, das durch Dachfenster, eine Dachgaube und zwei Quergiebel belichtet wird.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2016 lehnte die Beklagte den Vorbescheidsantrag vom … April 2016 ab. Das Vorhaben füge sich zwar nach der Art der Nutzung ein, die geplante Bebauung mit 5 Vollgeschossen und einer Wandhöhe von 15,50 m überschreite jedoch den Rahmen der Umgebung und sei deshalb hinsichtlich des Maßes der Nutzung bauplanungsrechtlich nicht zulässig.

Mit Telefax vom … November 2016 hat der Bevollmächtigte der Klägerin Klage erhoben und zunächst die Aufhebung des Bescheids vom 25. Oktober 2016 und die Verpflichtung der Beklagten zu Erteilung des Vorbescheids beantragt.

Er beantragt zuletzt,

den Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin einen positiven Vorbescheid zum Antrag vom 18. April 2016 hinsichtlich Frage 1 zu erteilen.

Die für die vorliegend strittige Frage des zulässigen Maßes der Nutzung maßgebliche Bebauung sei diejenige beidseits der F* …straße - vom …hof bis zum Anwesen F* …str. 39 im Süd-Osten. Das geplante Vorhaben halte sich im Rahmen dieser Umgebungsbebauung. Sowohl hinsichtlich der Geschossigkeit als auch hinsichtlich der Höhe sei der …hof mit dem geplanten Vorhaben vergleichbar.

Darüber hinaus bilde der rückwärtige Teil des sogenannten „…hauses“, der eine Firsthöhe von 17,50 m und 5 Geschosse aufweise, ein Vorbild für die geplante Bebauung. Auch das Anwesen F* …str. 39 habe eine Wandhöhe an der nördlichen Dachseite von ca. 15,50 m und eine Geschossigkeit von 4 + D. Jedenfalls sei ein Einfügen hinsichtlich des Maßes der Nutzung zu bejahen, da das Vorhaben keine bodenrechtlich relevanten Spannungen auslöse. Schon im Verhältnis zur Nachbarbebauung (F* …str. 23) sei angesichts des zurückgesetzten Dachgeschosses keine negative Vorbildwirkung zu erwarten.

Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2017 beantragt die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Für die Beurteilung des Maßes der Nutzung sei das relativ geschlossene Viertel –bestehend aus den Häusern F* …str. 2 - 41 – heranzuziehen. Dieser Bereich sei bis 2007 als historisches Ensemble in der Denkmalliste eingetragen gewesen. Der …hof sei diesem Bereich nicht zuzurechnen, da er Teil des städtebaulichen Rahmens am …platz sei. Auch das so genannte „…haus“ befinde sich an der Straße „A* … …“ und nehme nicht mehr am Straßenbild der F* …-straße teil. In dem maßgeblichen Bereich der F* …straße seien Häuser mit 3 und 4 Vollgeschossen prägend. Durch das ausgebaute Dachgeschoss sei das Gebäude F* …str. 39 zwar 5-geschossig. Diese Geschossigkeit beschränke sich jedoch auf die der F* …straße abgewandte Gebäudeseite. Sie habe deshalb keinen Einfluss auf das Straßenbild der F* …straße. Falls man ihn zur näheren Umgebung zählen wolle, stelle der …hof innerhalb des Bereichs der F* …straße jedenfalls eine erkennbare Ausnahme und damit einen nicht zu berücksichtigenden „Ausreißer“ dar. Die Überschreitung der in der maßgeblichen Umgebung vorhandenen Höhenentwicklung durch das geplante Gebäude führe zu städtebaulichen Spannungen, da es eine Bezugsfallwirkung habe. Es füge sich aufgrund der abweichenden Höhenentwicklung und Geschossigkeit deshalb nicht in die Umgebung ein.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Augenschein am 24. Oktober 2017. Zu den hierbei getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift vom 24. Oktober 2017 verwiesen.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behördenakten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf die positive Beantwortung der Vorbescheids-frage 1 zum Vorbescheidsantrag vom … April 2016. Die negative Beantwortung dieser Frage im Bescheid vom 25. Oktober 2016 ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist nach der Klarstellung durch den Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2017 lediglich die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 25. Oktober 2016 und die Verpflichtung der Beklagten zur positiven Beantwortung der Vorbescheidsfrage 1 im Vorbescheidsantrag vom … April 2016. Die mit dem Vorbescheidsantrag vom … April 2016 neben der Frage 1 begehrte Klärung der Stellplatzpflicht in Frage 2 ist nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens.

Da die Beklagte im Bescheid vom 25. Oktober 2016 keine Sachentscheidung zu Frage 2 getroffen hat, sondern angesichts der Verneinung von Frage 1 von einem fehlenden Sachbescheidungsinteresse ausging, ist in der Klarstellung des Streitgegenstands durch die Erklärung des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2016 keine teilweise Klagerücknahme zu sehen, sondern die bloße Klarstellung, dass lediglich eine Entscheidung über die Frage zu treffen ist, die auch Gegenstand des angefochtenen Bescheides war.

Das Gericht versteht die Frage 1 des Vorbescheidsantrages vom … April 2016 in der Weise, dass damit die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des mit den Antragsunterlagen dargestellten Vorhabens hinsichtlich Art und Maß der baulichen Nutzung geklärt werden soll. Durch die Verwendung der Begrifflichkeit „Art und Maß der baulichen Nutzung“ aus § 34 Abs. 1 BauGB ist ersichtlich, dass die Vorbescheidsfrage sich ausschließlich auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit hinsichtlich dieser Kriterien bezieht, nicht jedoch auch auf bauordnungsrechtliche Fragen.

Nachdem die Beklagte bereits im streitgegenständlichen Bescheid vom 25. Oktober 2016 ausdrücklich ausgeführt hat, dass das Vorhaben hinsichtlich der Art der Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig ist, bedarf es hierzu keiner weiteren Ausführungen des Gerichts, das die Einschätzung der Beklagten teilt.

Zu klären war daher lediglich die Zulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung.

2. Das Vorhaben ist im Rahmen der gestellten Vorbescheidsfrage hinsichtlich des Maßes der Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit bestimmt sich vorliegend nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Hiernach ist innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Das Maß der geplanten Nutzung ist bei Betrachtung des maßgeblichen Umgriffs (2.1) und des durch die dort vorhandene Bebauung vorgegebenen Rahmens (2.2) noch im Bereich dessen, was die Umgebungsbebauung vorgibt (2.3). Jedenfalls werden von dem Vorhaben keine bodenrechtlichen Spannungen ausgelöst (2.4).

2.1 Maßgeblicher Bereich und damit nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB für das Maß der baulichen Nutzung ist im vorliegenden Fall der Straßenzug beidseits der F* …straße - beginnend mit dem Grundstück FlNr. 298 (* …hof, F* …str. 17) im Westen bis zum Grundstück FlNr. 319 (F* …str. 41) im Osten sowie die diesen Gebäuden gegenüberliegende Straßenseite vom Grundstück FlNr. 395/1 bis zum Grundstück FlNr. 365.

Als nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder doch beeinflusst (BayVGH, U.v. 12.12.2013 – 2 B 13.1995 – juris Rn. 15 m.w.N.). Die Grenzen sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen. Dabei ist die nähere Umgebung für jedes der Merkmale des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gesondert zu ermitteln, weil die wechselseitige Prägung unterschiedlich weit reichen kann.

Aufgrund dieser Vorgaben und nach dem beim Augenschein gewonnenen Eindruck ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass das Baugrundstück hinsichtlich des Maßes der Nutzung von dem vorstehend genannten Bereich geprägt wird. Es besteht in diesem Bereich eine zusammenhängende, weitgehend geschlossene Bebauung, die einen einheitlichen Straßenzug ohne deutliche Zäsur bildet.

Die nähere Umgebung zur Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung beinhaltet insbesondere auch das Grundstück FlNr. 298, das mit dem …hof bebaut ist. Auch dieses Gebäude wirkt optisch auf das Baugrundstück und ist Teil der Straßenzeile, die mit dem Baugrundstück einheitlich zu beurteilen ist. Die Einbeziehung dieses Gebäudes folgt insbesondere daraus, dass in der Bebauung – ausgehend vom Baugrundstück bis zum Ende der F* …straße – keine Zäsur feststellbar ist, die es rechtfertigt, diese Gebäudefront zu unterbrechen. Zwar ist der …hof – anders als die östlich davon gelegenen Gebäude – nicht mehr unmittelbar an das jeweilige Nachbargebäude in der F* …straße angebaut. Gleichwohl bilden die Gebäude an dieser Seite der F* …straße ein zusammengehöriges Straßenbild. Die in östlicher Richtung nach dem …hof befindliche Verkehrsfläche hat nur eine sehr geringe Breite und weist nach dem im Augenschein gewonnenen Eindruck keine besondere Verkehrsbedeutung auf. Es handelt sich vielmehr eher um einen Fußgängerbereich, der optisch eine mehr verbindende als trennende Wirkung zwischen dem …hof und dem Grundstück FlNr. 302/2 (im Folgenden: …mühle) hat. Diese verbindende Wirkung wird auch durch das Verhältnis der Baukörper beidseits dieser Verkehrsfläche zu ihrer Breite unterstrichen. Nachdem sowohl die …mühle als auch der …hof hohe und große Baukörper darstellen, tritt die dazwischen befindliche Freifläche deutlich in den Hintergrund.

Die Häuserzeile vom Baugrundstück bis zum …hof vermittelt durch die zwar unterschiedlichen, aber durchwegs stattlichen Baukörper einen Eindruck der Einheitlichkeit und Geschlossenheit. Eine Beschränkung auf die Häuserzeile bis zur so genannten …mühle lässt sich durch äußerlich erkennbare Merkmale nicht rechtfertigen. Eine Aussonderung des …hofs aus dieser einheitlichen Straßenansicht an der Nordseite der F* …straße ist auch durch eine von der Beklagten behaupteten Orientierung desselben zum …platz nicht gerechtfertigt. Zwar ist der …hof vom …platz aus deutlich und fast dominierend zu sehen. Gleiches gilt jedoch für die Nordseite der F* …straße in noch größerem Maße. Hier wird das Straßenbild der …-straße noch deutlicher vom …hof dominiert. Das Gebäude kann nicht allein deshalb aus der näheren Umgebung herausgenommen werden, weil es zugleich zum …platz hin orientiert ist. Eine Zugehörigkeit zu einem geschlossenen Ensemble „…platz“ war beim Augenschein nicht zu erkennen.

Eine Beschränkung des maßgeblichen Bereichs auf die Gebäude östlich des …hofs ist auch nicht aufgrund einer in diesem Bereich von der übrigen Bebauung abweichenden Bebauungsstruktur (ehemaliges Färber- und Handwerkerviertel) gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist in der Häuserzeile nördlich der F* …straße nicht ablesbar, dass sie Teil einer einheitlichen Bebauung durch historisch gewachsene Handwerkerhäuser wäre. Eine einheitliche Bebauungsstruktur mit einer solchen Prägung besteht nach dem Ergebnis des Augenscheins lediglich in der Bebauungszeile F* …str. 1 bis 15. Diese Zeile ist als einheitliche Wohnbebauung mit Nebenanlagen gleicher Ausführung erkennbar. Hier ist die geschichtliche Entwicklung auch in der Baustruktur noch ablesbar. Mit dieser Bebauungszeile ist jedoch die Häuserzeile nördlich der F* …straße vom …hof bis zum Baugrundstück nicht vergleichbar. Sowohl der Bestand auf dem Baugrundstück als auch die westlich angrenzenden Gebäude sind Mehrfamilienhäuser mit mehreren Geschossen. Sie unterscheiden sich deutlich von den kleineren, einheitlichen Häusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite und bilden mit diesen kein bauliches Ensemble. Vielmehr ist die Bebauung nördlich der F* …straße – einschließlich des …hofs – zueinander besser abgestimmt als zu den südlich der F* …straße vorhandenen Gebäuden F* …straße 1 bis 15.

Diese Bebauungsstruktur nördlich der F* …straße setzt sich an dieser Straßenseite bis zum Grundstück FlNr. 319 fort. Erst dort besteht eine deutliche Freifläche, die als Zäsur erkennbar ist und die weitgehend geschlossene Bebauung nördlich der F* …straße abschließt.

Der Bereich südlich der F* …straße ist für den vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich und muss dementsprechend nicht genauer abgegrenzt werden. Die von dem Bauvorhaben beanspruchte Obergrenze des zulässigen Maßes der Nutzung wird allein durch die in der nördlichen Bebauungszeile vorhandene Bebauung gebildet.

2.2 Das Gebäude …hof kann nicht als so genannter „Ausreißer“ angesehen werden, der zwar zur näheren Umgebung zählt, aber bei der Beurteilung der prägenden Umgebung auszusondern wäre.

Als Gebäude, die hinsichtlich des „Maßes der baulichen Nutzung“ nicht mehr als prägend angesehen werden können und deshalb auszusondern sind, können nur solche baulichen Anlagen angesehen werden, die nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen. Mit anderen Worten wäre es erforderlich, dass es sich um eine singuläre Anlage handelt, die einem auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung steht. Ein solches Unikat ist umso eher anzunehmen, je einheitlicher die nähere Umgebung im Übrigen baulich genutzt ist (BVerwG, U.v. 15.2.1990 – 4 C 23.86 – juris Rn. 15). Ein solcher singulärer Charakter mit einer isolierten Stellung innerhalb des Straßenbildes nördlich der F* …straße ist dem …hof nicht beizumessen. Zwar handelt es sich um das größte Gebäude im Straßenbild der Nordseite der F* …straße. Es lässt sich angesichts der unterschiedlichen Baukörper jedoch nicht aus der Bebauungszeile nördlich der F* …straße ausgliedern. Allein der Umstand, dass es hinsichtlich seiner Gesamthöhe über die ansonsten vorhandene Bebauung hinausgeht, reicht nicht aus, um die bauliche Anlage als Unikat anzusehen. Auch bei den übrigen Gebäuden dieser Straßenseite handelt es sich um mehrgeschossige Gebäude mit erheblichen Wandhöhen. So wirkt etwa das Gebäude „F* …str. 23“ angesichts der großen Zahl von Dachgauben, die eng nebeneinander stehen, im Straßenbild 4-geschossig. Darüber geht der …hof zwar hinaus, da er neben 4 Geschossen noch ein Dachgeschoss mit einem steilen Dach aufweist. Es handelt sich dabei aber um Abweichungen, die angesichts der unterschiedlichen Bebauung in der F* …straße nur Ausprägungen des weiteren Rahmens der Baukörpergrößen bilden. Der …hof ist hinsichtlich der Bebauungsstruktur nicht so weit von dem ansonsten vorhandenen Rahmen entfernt, wie es für die Einstufung als „Ausreißer“ erforderlich wäre, wenngleich die Architektur einen erkennbar großbürgerlicheren Charakter aufweist, als diejenige des ehemaligen F* …viertels.

2.3 Die streitgegenständliche Planung fügt sich nach dem Maß der Nutzung gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die beschriebene nähere Umgebung ein.

Ein Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung ist nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen insbesondere auf solche Maße zu beziehen, die nach außen hin wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen. Dies sind ihre absolute Größe nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur Freifläche als vorrangige Bezugsgrößen (BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 17). Dabei bleibt das gesamte Erscheinungsbild und die dadurch entstehende, optisch maßstabsbildende Wirkung von entscheidender Bedeutung (BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 20)

Strittig sind im vorliegenden Fall lediglich die Geschossigkeit sowie die durch die Höhe des Baukörpers zum Ausdruck kommende absolute Größe desselben. Dabei ist zu beachten, dass die Übereinstimmung von Vorhaben und Referenzobjekten in nur einem Maßfaktor nicht genügt, weil sie dazu führen könnte, dass durch eine Kombination von Bestimmungsgrößen, die einzelnen Gebäude in der näheren Umgebung jeweils separat entnommen werden, Baulichkeiten entstehen, die in ihrer Dimension kein Vorbild in der näheren Umgebung haben (BVerwG, U.v. 8.12.2016 - 4 C 7.15 - juris Rn. 20).

Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der geplante Baukörper aufgrund der absoluten Größe des …hofs auch noch im Rahmen der maßgeblichen Umgebungsbebauung.

Dies gilt ohne weiteres für die Höhe des Baukörpers. Der …hof weist nach den Angaben der Beklagten eine Wandhöhe von etwa 15 m auf. Durch das steile Dach erreicht das Gesamtgebäude nach den unwidersprochenen Angaben der Klägerin eine Gesamthöhe von ca. 20 m. Durch die Steilheit des Daches und die sowohl zur F* …straße als auch zum …platz hin bestehenden Quergiebel wirkt das Gebäude somit deutlich höher als die von der Beklagten bis zur Traufe angegebene Wandhöhe von 15 m. Es kann daher dahinstehen, ob die Wandhöhe des streitgegenständlichen Vorhabens bis zur Oberkante des Geländers der Dachterrasse im Terrassengeschoss oder bis zum Dach des Terrassengeschosses gemessen wird. Bei einem Vergleich der absoluten Baukörpergröße bleibt der geplante Baukörper mit einer Gesamthöhe von 15,50 m - hinsichtlich der Gebäudehöhe - hinter dem Rahmen, der durch den …hof gezogen wird, zurück.

Das Vorhaben fügt sich auch hinsichtlich seiner Geschossigkeit in den vorstehend beschriebenen Rahmen ein. Das streitgegenständliche Gebäude soll 5 Geschosse erhalten. Es geht mit dieser Geschossigkeit nicht über die bereits durch den …hof vorgegebene Geschossigkeit hinaus. Zwar sind beim …hof nur 4 Geschosse ohne Dachschräge zu erkennen. Er verfügt jedoch über ein Dachgeschoss, das durch Quergiebel und eine Gaube nach außen deutlich als Geschoss in Erscheinung tritt. Angesichts des hohen und steilen Daches ist das Dachgeschoss auch von außen erkennbar, auf nahezu der gesamten Grundfläche des Gebäudes nutzbar. Wegen im höheren Dachbereich sichtbaren Fenstern ist sogar zu vermuten, dass innerhalb des Dachgeschosses eine zweite Ebene existiert, die zumindest als Speicher nutzbar ist. Das Gebäude tritt nach außen jedenfalls fünfgeschossig in Erscheinung. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Dachgeschoss des …hofs um ein Vollgeschoss handelt. Bei der Beurteilung der Geschossigkeit zur Feststellung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung kommt es nicht auf die Feinheiten der landesrechtlichen Begriffe wie demjenigen des „Vollgeschosses“ an (BVerwG, B.v. 14.3.2013 – 4 B 49/12 – juris Rn. 5). Maßgeblich ist allein das, was nach außen hin wahrnehmbar in Erscheinung tritt.

Das geplante Gebäude geht nicht über die im …hof vorhandene Geschossigkeit hinaus, auch wenn das oberste Geschoss im geplanten Gebäude kein Dachgeschoss mit Satteldach ist. Das für das streitgegenständliche Gebäude vorgesehene zurückgesetzte Terrassengeschoss kann nicht anders beurteilt werden, als ein Dachgeschoss auf einem Gebäude mit geneigtem Dach, sofern das Bauvolumen im obersten Geschoss vergleichbar ist. Die optisch maßstabsbildende Wirkung erzielen die Maßbestimmungsfaktoren durch ihr gesamtes Erscheinungsbild (BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 20). Entscheidend ist daher nicht die Art der Ausführung des letzten Geschosses, sondern der Vergleich der vorhandenen Baukörpergrößen mit dem geplanten Bauvolumen. Die Geschossigkeit erhöht sich auch bei einem Dachgeschossausbau durch Dachgauben um ein Geschoss, sofern die neue Nutzung im Dachgeschoss durch die Fenster nach außen in Erscheinung tritt (BVerwG, a.a.O. Rn. 19). Eine solche Gestaltung kann folglich auch als Bezugsfall für neu hinzukommende Gebäude in der maßgeblichen Umgebung herangezogen werden (BVerwG, U.v. 14.03.2013 – juris Rn. 4). Deshalb kommt es nicht darauf an, ob ein Geschoss als Dach- oder Terrassengeschoss ausgebildet ist, sofern – wie hier – das Baukörpervolumen bei der Ausführung als Terrassengeschoss das Gesamtvolumen des in Bezug genommenen Gebäudes nicht überschreitet.

Nachdem der …hof auch bei einer Gesamtschau hinsichtlich der übrigen Maßfaktoren über die Maße des geplanten Gebäudes hinausgeht, bewegt sich die Planung damit im Rahmen der Umgebungsbebauung.

2.4 Ein Einfügen in die nähere Umgebung gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wäre hinsichtlich des Maßes der Nutzung selbst dann gegeben, wenn der …hof bei der Beurteilung außer Acht gelassen würde oder entgegen der unter 2.3 vertretenen Auffassung kein Bezugsfall für die geplante Schaffung eines Terrassengeschosses wäre. Die geplante Bebauung würde jedenfalls keine bodenrechtlichen Spannungen auslösen.

Ein Vorhaben kann zulässig sein, auch wenn es den vorgegebenen Rahmen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung überschreitet, wenn es weder selbst noch infolge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen (BayVGH, U.v. 14.12.2016 - 2 B 16.1574 - juris Rn. 62).

Solche bodenrechtlich beachtlichen Spannungen durch eine Vorbildwirkung des geplanten Baukörpers scheiden hinsichtlich der Geschossigkeit aus, weil diese in der maßgeblichen Umgebung bereits durch das Gebäude „F* …-straße 39“ angelegt ist. Der dortige Baukörper verfügt – jedenfalls Richtung Nord-Osten – über 5 Geschosse. Nach außen erkennbar ist über dem dritten Obergeschoss ein viertes, zurückgesetztes Obergeschoss vorhanden, das über raumhohe Fenster und einen Zugang zu einer Dachterrasse verfügt. Damit ist ein Vorbild für eine fünfgeschossige Bebauung vorhanden, auch wenn diese Geschossigkeit sich nur auf eine Gebäudeseite beschränkt (BayVGH, U.v. 30.07.2012 – 1 B 12.906 – juris Rn. 21).

Zwar hat das Gebäude F* …straße 39 nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagten nur eine „theoretische Traufwandhöhe“ von etwa 14 m. Gleichwohl ist es an seiner Nord-Ostseite angesichts der Ausgestaltung des Daches als Satteldach mit dem streitgegenständlichen Gebäude in der Gesamthöhe vergleichbar. Auch wenn das Volumen des geplanten Gebäudes über das in der F* …straße 39 Vorhandene hinausgehen wird, ist bei der Realisierung des Vorhabens keine neue Vorbildwirkung im Hinblick auf die einzelnen Maßfaktoren zu erwarten. Künftige Planungen können insbesondere nicht beanspruchen, die Wandhöhe des geplanten Gebäudes (gemessen bis zum Dach des Terrassengeschosses) zu übernehmen und zugleich ein Satteldach zu realisieren. Ein solcher Baukörper würde über die vorhandene Bebauung hinsichtlich der Gesamthöhe hinausgehen und hätte in dem streitgegenständlichen Gebäude kein Vorbild. Nachdem die Gebäude im maßgeblichen Bereich regelmäßig nahezu die gesamte Grundstücksfläche beanspruchen, ist auch nicht zu befürchten, dass das Baukörpervolumen des streitgegenständlichen Gebäudes wegen der Kombination der geplanten Höhe und Geschossigkeit mit der Grundfläche des Gebäudes zu bodenrechtlichen Spannungen führt. Die Entstehung größerer Baukörper hinsichtlich des Gesamtvolumens wird durch die öffentlichen Verkehrsflächen und die Größe der privaten Grundstücksbereiche begrenzt.

Eine Verschärfung oder Begründung von städtebaulichen Spannungen lässt sich durch die Realisierung des 5. Geschosses und der geplanten Wandhöhe daher nicht begründen.

Nach alledem war der Klage in vollem Umfang stattzugeben.

Die Beklagte hat als unterlegene Partei gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

2

a) Für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Frage,

ob im Rahmen des Einfügungsgebots gemäß § 34 Abs. 1 BauGB auf die Zahl der Vollgeschosse absolut abzustellen ist oder ob die Zahl der Vollgeschosse als Zulassungsmerkmal hinter den Kriterien der Höhe baulicher Anlagen und dessen Erscheinungsweise zurücktritt, insbesondere dann, wenn der Baukörper nicht oder nur geringfügig in Erscheinung tritt.

3

Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.

4

Sie ist nicht entscheidungserheblich. Die der Frage unterlegte Prämisse, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung, ob das klägerische Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung den Rahmen der Umgebungsbebauung einhält, auf die Zahl der Vollgeschosse abgestellt habe, trifft nicht zu. Der Verwaltungsgerichtshof (UA Rn. 21) hat angenommen, dass sich das klägerische Vorhaben im Hinblick auf die insbesondere wegen des sehr hohen, steil aufragenden Krüppelwalmdachs massiv wirkende Bebauung auf dem westlichen Nachbargrundstück Fl.Nr. 456/2 zwar hinsichtlich der Geschossfläche und der Gebäudehöhe, nicht aber hinsichtlich der Geschosszahl innerhalb des vorgegebenen Rahmens halte. Dieser Annahme liegen die Feststellungen zugrunde, dass das bisher als dreigeschossiges Gebäude genehmigte Einfamilienhaus der Klägerin mit dem geplanten Turmzimmer viergeschossig würde, während das Nachbargebäude trotz seines massiven Krüppelwalmdachs nur dreigeschossig in Erscheinung trete. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof das Dachgeschoss des Nachbargebäudes (E+1+D, UA Rn. 4 und 5) in die Betrachtung mit einbezogen, also auf die nach außen wahrnehmbare Geschosszahl abgestellt, ohne danach zu differenzieren, ob dieses Dachgeschoss ein Vollgeschoss ist. Der Einschätzung der Klägerin, dass im massiven Dach des Nachbargebäudes gegebenenfalls auch ein viertes (Voll-) Geschoss unterzubringen wäre, ist er mit der Feststellung entgegengetreten, dass das Nachbargebäude nur dreigeschossig in Erscheinung trete. Dass auch das vom Verwaltungsgerichtshof verwendete Kriterium der (nach außen wahrnehmbaren) Geschosszahl ein ungeeignetes Prüfkriterium wäre, macht die Klägerin nicht geltend.

5

Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage wäre überdies nicht klärungsbedürftig. In der bisherigen Senatsrechtsprechung (Urteil vom 23. März 1994 - BVerwG 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277 <278 f.>) ist geklärt, dass in erster Linie auf solche Maßfaktoren abzustellen ist, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung in Beziehung zueinander setzen lassen, und dass sich deshalb vorrangig die (absolute) Größe der Gebäude nach Grundfläche, Geschossfläche, Geschosszahl und Höhe und bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur umgebenden Freifläche als Bezugsgröße zur Ermittlung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung anbieten. Damit ist eine Berücksichtigung der anderen Maßfaktoren der Baunutzungsverordnung zwar nicht ausgeschlossen; sie werden allerdings vielfach nur eine untergeordnete bis gar keine Bedeutung für die Frage des Einfügens haben, weil sie in der Örtlichkeit häufig nur schwer ablesbar sind (a.a.O. S. 279). Auch auf die Feinheiten der an landesrechtliche Begriffe wie demjenigen des Vollgeschosses anknüpfenden Berechnungsregeln der Baunutzungsverordnung kommt es grundsätzlich nicht an (a.a.O. S. 280; siehe auch Beschluss vom 21. Juni 1996 - BVerwG 4 B 84.96 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 180 = juris Rn. 5). An diesen Maßstäben hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem Begriff der (nach außen wahrnehmbar in Erscheinung tretenden) Geschosszahl tragend orientiert (UA Rn. 19, 21). Soweit er in Auseinandersetzung mit der Kommentarliteratur (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand September 2012, § 34 Rn. 44) auch die Brauchbarkeit der Zahl der Vollgeschosse als Prüfkriterium erörtert hat (UA Rn. 20), war dies - wie ausgeführt - für die Subsumtion ohne Bedeutung.

6

b) Die weiteren Fragen,

ob städtebauliche Spannungen bei Überschreitung des durch § 34 Abs. 1 BauGB gesetzten Rahmens aufgrund Vorbildwirkung begründet oder erhöht werden, wenn die Zulassung einer in Bezug auf den Hauptbaukörper untergeordneten, nicht oder nicht wesentlichen in Erscheinung tretenden baulichen Anlage in der weiteren, hier vierten Geschossebene erfolgt,

und ferner,

ob insofern das Gericht unterstellen kann, dass die Zulassung einer untergeordneten baulichen Anlage in der vierten Geschossebene Vorbildwirkung für die Errichtung eines weiteren, die gesamte Grundfläche des Hauptbaukörpers umfassenden Geschosses besitzt,

rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Sie wären, soweit entscheidungserheblich, einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Ihre Beantwortung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

7

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

I. In Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 16. März 2015 wird die Klage auch hinsichtlich der Beantwortung der Vorbescheidsfragen 3 und 5 im Vorbescheid vom 20. März 2014 abgewiesen. Die Anschlussberufung der Kläger wird zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner vier Fünftel und die Beklagte ein Fünftel. Die Kläger tragen gesamtschuldnerisch die Kosten der Berufung sowie der Anschlussberufung.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger begehren von der Beklagten die Erteilung eines positiven Vorbescheids für ihren Antrag vom 2. Oktober 2013. Beantragt wurde ein Anbau an ein bestehendes zweigeschossiges Einfamilienhaus auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung F. im S.-weg … sowie die Errichtung eines Terrassengeschosses auf dem Bestandsgebäude. Mit ihrem Vorbescheidsantrag haben die Kläger insgesamt fünf Vorbescheidsfragen gestellt, die von der Beklagten mit negativem Vorbescheid vom 20. März 2014 allesamt negativ beantwortet wurden:

Frage 1: Ist die Nutzung als Wohngebäude (Einfamilienhaus) möglich?

Antwort: Nein.

Begründung: Unter Maßgabe der Beantwortung der Frage 4 und damit der hinsichtlich der Lage des Erweiterungsbaukörpers grundlegenden planungsrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens werde die Frage 1 negativ beantwortet und im Übrigen auf die ausführliche Begründung im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage 4 verwiesen.

Die Beklagte wies ausdrücklich darauf hin, dass für ein innerhalb des Bauraums situiertes, im Übrigen hinsichtlich des Nutzungsmaßes planungsrechtlich zulässiges Vorhaben die Art der Nutzung - Wohnung - zulässig und positiv zu beantworten wäre.

Frage 2: Ist das Maß der Nutzung (GRZ) - wie in den Plänen dargestellt - planungsrechtlich möglich?

Antwort: Nein. Eine Aussage zur GRZ könne nicht getroffen werden, da für den fraglichen Bereich nicht festgesetzt.

Begründung: Aussagen zur GRZ könnten nur in Bereichen getroffen werden, für die qualifizierte Bebauungspläne, welche entsprechende Zahlen festsetzen, vorhanden und nach § 30 Abs. 1 BauGB zu beurteilen seien. Für Bereiche, in denen sich, wie im vorliegenden Fall, die Zulässigkeit von Bauvorhaben nach § 34 BauGB richte, seien Angaben zur GRZ nicht möglich, da diese nach gängiger Betrachtungsweise keine Einfügungskriterien im Sinn des § 34 BauGB darstellten.

Frage 3: Ist die in den Plänen dargestellte Höhenentwicklung des Anbaus planungsrechtlich möglich?

Antwort: Nein.

Begründung: Unter Maßgabe der Beantwortung der Frage 4 und damit der hinsichtlich der Lage des Baukörpers grundlegenden planungsrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens, werde die Frage 1 negativ beantwortet und im Übrigen auf die Beantwortung der Frage 4 verwiesen.

Frage 4: Der Bauraum im rückwärtigen Bereich - festgesetzt durch die Baugrenze - wurde von der Nachbarbebauung (s. Referenzobjekt Nachbargrundstück FlNr. … und FlNr. …) nicht eingehalten. Ist die Lage auf dem Grundstück - wie dargestellt - möglich?

Antwort: Nein, die abgefragte und in den Plänen Nr. ... dargestellte Lage des Erweiterungsbaukörpers auf dem Grundstück ist nicht möglich.

Begründung: Das beantragte Bauvorhaben in Form eines Erweiterungsbaukörpers solle im rückwärtigen Grundstücksbereich vollständig außerhalb des mit einfachem übergeleitetem Bebauungsplan festgesetzten Bauliniengefüges errichtet werden. Die Sachbehandlung im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens ergebe, dass die hierfür erforderliche Befreiung und Berücksichtigung der Einfügungskriterien nach § 34 BauGB i.V.m. der unmittelbaren bzw. maßgeblichen Umgebungsbebauung nicht in Aussicht gestellt werden könne. Als maßgeblicher Umgriff werde die Bebauung nördlich des Bebauungsplanumgriffs Nr. 568 angesehen. Hier sei eine kleinteilige Bebauung mit zweigeschossigen Wohngebäuden mit Satteldach vorherrschend. Die Gebäude hielten die festgesetzten Bauräume ein. Das Notwohngebäude F.-straße … könne nicht als Bezugsfall herangezogen werden. Im südlichen Bereich des Gevierts gelte der Bebauungsplan Nr. ..., der hier ein Mischgebiet festsetze und eine erkennbar andere städtebauliche Struktur mit sehr großen Baukörpern ermögliche. Hier seien bei den Gebäuden S.-weg … - … (FlNr. … und FlNr. …) rückwärtige Bauraumüberschreitungen vorhanden. Dieses Bebauungsplangebiet könne aber nicht als Bezugsfall zur Beurteilung des Bauvorhabens dienen, da es sowohl hinsichtlich der Art als auch hinsichtlich des Maßes der Nutzung eine deutlich andere städtebauliche Struktur aufweise und zudem einer anderen Rechtsgrundlage unterliege.

Zwar sei mit dem Anwesen F.-straße … ein Rückgebäude in der städtebaulich maßgeblichen Umgebung vorhanden, aber hierbei handle es sich um ein widerrechtlich errichtetes Notwohngebäude, das seinerzeit mit einer Nichteinschreitensverfügung belassen worden sei und keine Genehmigung besitze. Zudem würden im maßgeblichen Geviert Rückgebäude bzw. Erweiterungen von bestehenden Gebäuden über die rückwärtige Baugrenze, die außerhalb des festgesetzten Bauliniengefüges errichtet werden sollten, als städtebauliche Fehlentwicklung gesehen. Damit könne gerade um keine entsprechende städtebauliche Entwicklung einzuleiten bzw. um keine negative Vorbild-/Bezugsfallwirkung entstehen zu lassen, eine Befreiung weder in Aussicht gestellt noch erteilt werden. Das Bauvorhaben sei folglich im Widerspruch zu dem einfachen übergeleiteten Bauliniengefüge im rückwärtigen Grundstücksbereich außerhalb des festgesetzten Bauraums nicht zulässig.

Frage 5: Ist der in den Plänen dargestellte Dachaufbau planungsrechtlich möglich?

Antwort: Nein.

Begründung: Das abgefragte Terrassengeschoss erreiche mit 8,73 m eine Wandhöhe, die aus der maßgeblichen Umgebungsbebauung nicht herzuleiten sei. Zudem sei auch die dargestellte Höhenentwicklung (3 Geschosse) und Dachgestaltung in der maßgeblichen Umgebungsbebauung nicht vorzufinden. Folglich seien die Einfügenskriterien im Sinne des § 34 BauGB nicht erfüllt. Im Gegenteil werde mit der geplanten Wandhöhe von 8,73 m und dem dritten Geschoss als Terrassengeschoss ein „neuer Takt“ in das Geviert hineingetragen, was zu städtebaulichen Spannungen führe. Das in den Plänen dargestellte Terrassengeschoss sei daher nach § 34 BauGB planungsrechtlich unzulässig.

Mit Urteil vom 16. März 2015 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung der negativen Beantwortung der Vorbescheidsfragen 1, 3 und 5 im Vorbescheid vom 20. März 2014, die Vorbescheidsfragen 1, 3 und 5 nach dem Vorbescheidsantrag vom 2. Oktober 2013 positiv zu beantworten. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Frage 1 wurde die Vorgehensweise der Beklagten für unzulässig gehalten. Wenn vom Antragsteller eine zulässige Einzelfrage gestellt werde, habe die Bauaufsichtsbehörde diese Frage zu beantworten und könne nicht unter Hinweis auf die Unzulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich eines anderen Einfügungsmerkmals - etwa der überbaubaren Grundstücksfläche - die Frage nach der Zulässigkeit der Art der Nutzung verneinen. Auch hinsichtlich Frage 3 hätte die Beklagte einen positiven Vorbescheid erteilen müssen, da sich das Vorhaben mit der geplanten Höhenentwicklung des Anbaus in das in der Umgebung vorhandene Maß der baulichen Nutzung einfüge. Wie schon bei Frage 1 hätte die Beklagte auch bei der Frage 3 nicht auf die negative Beantwortung der Frage 4 im Hinblick auf die überbaubare Grundstücksfläche verweisen dürfen. Hinsichtlich der Frage 5 hätte die Beklagte eine positive Antwort geben müssen, da sich der auf dem Bestandsgebäude vorgesehene Dachaufbau bzw. das in den Plänen dargestellte Terrassengeschoss mit einer Höhe von 8,73 m als bauplanungsrechtlich zulässig darstelle. Bei Frage 2 sei zu Recht eine negative Antwort gegeben worden. Eine Vorbescheidsfrage, mit der das Maß der baulichen Nutzung allein anhand der Grundflächenzahl abgefragt werden soll, stelle sich als unzulässige Fragestellung dar, da in erster Linie auf die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung tretenden Maße abzustellen sei. Auch die Frage 4 sei zu Recht verneint worden.

Der Verwaltungsgerichtshof ließ mit Beschluss vom 9. August 2016 die Berufung der Beklagten zu.

Nach Auffassung der Beklagten kann die Frage nach der zulässigen Höhenentwicklung des Anbaus ohne die Frage zu dessen Situierung nicht selbständig beantwortet werden. Daher hätte die Vorbescheidsfrage 3 richtigerweise mit Verweis auf die negative Beantwortung der Vorbescheidsfrage 4 zur überbaubaren Grundstücksfläche negativ beantwortet werden dürfen. Die Frage nach der Situierung des Gebäudes außerhalb des Bauraums und der Gebäudehöhe außerhalb des Bauraums seien untrennbar miteinander verbunden, da außerhalb des Bauraums überhaupt kein Baukörper zulässig sei. Hinsichtlich Vorbescheidsfrage 5 vertritt die Beklagte die Auffassung, dass das Bauvorhaben eine Wandhöhe von bis 8,73 m aufweise, teilweise dreigeschossig sei, und sich daher nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Im vorliegenden Fall sei das als Beurteilungsbereich herangezogene Gebiet auf die Wohnbebauung im nördlichen Bereich des Gevierts K.-straße, F.-straße, H.-weg und S.-weg sowie die dem Bauvorhaben gegenüberliegende Bebauung geprägt. Dort befänden sich zweigeschossige Gebäude mit teilweise ausgebautem Dachgeschoss, Satteldächern und Wandhöhen um 6 m bis 6,50 m. Die Gebäude im Bereich des Bebauungsplans Nr. ... (FlNrn. …) seien nicht mehr zum Umgriff der prägenden näheren Umgebung zu zählen. In der Rechtsprechung sei zwar anerkannt, dass die Traufhöhe nicht immer prägend sein müsse. Wenn sich dies aus den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten ergebe, könne auch die absolute Höhe der in der näheren Umgebung vorhandenen Gebäude das Baugrundstück entscheidend prägen. Allerdings fehlten vorliegend entsprechende örtliche Gegebenheiten, so dass die Wandhöhe prägend sei. Denn die nähere Umgebung sei von einer zweigeschossigen Bebauung mit teilweise ausgebautem Dachgeschoss und von Satteldächern geprägt. Daher hätte das Verwaltungsgericht Wand- und Firsthöhen nicht miteinander vergleichen dürfen. Die Zulassung des Vorhabens sei auch geeignet, städtebauliche Spannungen auszulösen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 16. März 2015 dahin abzuändern, dass die Klage auch hinsichtlich der negativen Beantwortung der Vorbescheidsfragen 3 und 5 im Vorbescheid vom 20. März 2014 abgewiesen wird, und die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.

Weiter erheben sie Anschlussberufung insoweit, als die Klage abgewiesen wurde und beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 16. März 2015 insoweit aufzuheben, als die Vorbescheidsfragen 2 und 4 negativ beantwortet wurden, und die Beklagte zu verpflichten, den beantragten Vorbescheid (auch) dahin zu erteilen, dass festgestellt wird, dass die Lage des beantragten Erweiterungsbaus auf dem Grundstück wie dargestellt planungsrechtlich zulässig ist, ebenso das Maß der Nutzung.

Die Kläger hätten einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Befreiung bezüglich der Überschreitung der rückwärtigen Baugrenze, weil die Grundzüge der Planung nicht berührt würden. Im Quartier würden eine Vielzahl von Gebäuden die (rückwärtigen) Baugrenzen überschreiten. Nicht nur innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. 568 im südlichen Teil des Gevierts seien zahlreiche Befreiungen von dessen Festsetzungen betreffend die Bauräume durch die Beklagte erteilt worden, sondern auch im übrigen Teil des Gevierts außerhalb dieses Bebauungsplans (FlNr. …). Im nördlichen Teil des Gevierts, für welches kein Bebauungsplan existiere, überschreite das Rückgebäude auf dem Grundstück F.-straße … (FlNr. …) ebenfalls die Baugrenzen. Dort sei ein freistehendes Gebäude inmitten des Gevierts errichtet. Darüber hinaus sei das Geviert auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung durch eine uneinheitliche Bebauung geprägt. Hinsichtlich der Berufung der Beklagten weist die Klägerin darauf hin, dass ein Betrachter ein Terrassengeschoss mit einer maximalen Höhe von 8,73 m städtebaulich weniger dominant empfinden werde als ein Satteldach mit einer Höhe von 10,50 m.

Hinsichtlich der übrigen Einzelheiten wird auf die Niederschriften über den Augenschein und die mündliche Verhandlung, die Gerichtsakten sowie die dem Gericht vorliegenden Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist auch hinsichtlich der negativen Beantwortung der Vorbescheidsfragen 3 und 5 im Vorbescheid vom 20. März 2014 unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine positive Beantwortung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die zulässige Anschlussberufung der Kläger ist unbegründet, weil ihre Klage hinsichtlich der negativen Beantwortung der Vorbescheidsfragen 2 und 4 zu Recht abgewiesen wurde.

1. Die Beklagte hat die Frage 4 „Ist die Lage auf dem Grundstück wie dargestellt möglich?“ zu Recht verneint. Eine Bebauung widerspricht bauplanerischen Festsetzungen. Eine Befreiung kann nicht erteilt werden.

a) Auf dem Vorhabensgrundstück verläuft im hinteren Bereich eine rückwärtige Baugrenze. Der beantragte Anbau soll vollständig hinter dieser Baugrenze errichtet werden. Die überbaubare Grundstücksfläche bestimmt sich gemäß § 30 Abs. 3 BauGB nach dem gemäß § 173 BBauG 1960 und § 233 Abs. 3 BauGB als einfacher Bebauungsplan übergeleiteten Bauliniengefüge. Regelungen eines auf der Grundlage der Münchner Bauordnung vom 29. Juli 1895 (BayBS II S. 430) erlassenen Baulinienplans gelten als Festsetzungen eines einfachen Bebauungsplans weiter, soweit es sich um verbindliche Regelungen der in § 9 BBauG 1960 bezeichneten Art handelt (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2007 - 2 ZB 05.476 - juris; U.v. 26.10.2004 - 2 B 03.321 - juris; U.v. 11.9.2003 - 2 B 00.1400 - juris).

Die Regelungen des Baulinienplans sind nicht funktionslos geworden. Eine bauplanerische Festsetzung tritt wegen Funktionslosigkeit nur dann außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sich die Festsetzung bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. Entscheidend ist dabei, ob die jeweilige Festsetzung überhaupt noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.2003 - 4 B 85.03 - BauR 2014, 1128; BayVGH, B.v. 9.9.2013 - 2 ZB 12.1544 - juris). Dies ist hier der Fall.

Die städtebauliche Funktion des Bauliniengefüges ist es, die rückwärtigen Grundstücksbereiche im Interesse einer Durchgrünung des Geviertsinneren von Bebauung freizuhalten (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2011 - 2 ZB 10.166 - juris). Dieses Ziel wurde bis auf die Ausnahme des Anwesens F.-straße … (FlNr. …) und geringfügige Überschreitungen erreicht. Wie der Senat beim Augenschein festgestellt hat, haben die Anwesen, die das Grundstück der Kläger umgeben, größere Gärten mit Gartenhäuschen und ähnlichem. Allein das rückwärtige Gebäude auf dem Anwesen F.-straße … (FlNr. …) steht im hinteren Bereich; es handelt sich hierbei um ein Wohngebäude mit Erdgeschoss und ausgebautem Dachgeschoss (Niederschrift über den Augenschein vom 5.12.2016, S. 2). Die rückwärtige Bebauung auf dem Grundstück F.-straße … (FlNr. …) ist als Ausreißer nicht geeignet, die Funktionslosigkeit des Bauliniengefüges zu begründen. Unabhängig davon, ob dieses Anwesen ein Fremdkörper ist, stellt es sich als einziger gewichtiger Ausreißer der im Übrigen im nördlichen Bereich des Gevierts weitestgehend intakten rückwärtigen Baugrenze dar. Die übrigen, in der unmittelbaren Umgebung des Vorhabens im nördlichen Geviert vorhandenen Überschreitungen der rückwärtigen Baugrenze (S.-weg, FlNr. …; K.-straße, FlNr. …) sind flächenmäßig absolut untergeordnet oder betreffen relativ geringfügige Überschreitungen durch untergeordnete Nebenanlagen (F.-straße …, FlNr. …). Der Senat teilt die Einschätzung des Erstgerichts, dass diese Überschreitungen nicht geeignet sind, die Wirksamkeit des übergeleiteten Bauliniengefüges in Frage zu stellen. Es kann keine Rede davon sein, dass die Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen ist. Vielmehr leistet die Festsetzung auch heute noch zur städtebaulichen Ordnung einen sinnvollen Beitrag.

Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte im südlichen Teil des Quartiers mit dem Bebauungsplan Nr. 568 vom 2. April 1970 gemäß § 1 Abs. 3 der Bebauungsplansatzung den Umgriff des gemäß § 173 Abs. 3 BBauG 1960 übergeleiteten Bebauungsplans aufgehoben und eine eigenständige Festsetzung zu den überbaubaren Grundstücksflächen getroffen hat. Denn damit wurde nur im südlichen Teil des Quartiers eine neue städtebauliche Ordnung begründet, die jedoch die städtebaulichen Zielsetzungen im nördlichen Teil des Quartiers und das dort geltende Bauliniengefüge unberührt lässt.

b) Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass ihnen eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt wird. Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde (Nr. 3), und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

Mit den Grundzügen der Planung umschreibt das Gesetz in § 31 Abs. 2 BauGB die planerische Grundkonzeption, die den Festsetzungen eines Bebauungsplans zu Grunde liegt und in ihnen zum Ausdruck kommt (vgl. BVerwG, B.v. 19.5.2004 - 4 B 35.04 - BRS 67, 83). Hierzu gehören die Planungsüberlegungen, die für die Verwirklichung der Hauptziele der Planung sowie den mit den Festsetzungen insoweit verfolgten Interessenausgleich und damit für das Abwägungsergebnis maßgeblich sind (vgl. BayVGH, U.v. 30.3.2009 - 1 B 05.616 - BauR 2009, 1414). Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Veränderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Weg der (Um-)Planung möglich ist. Ob eine Befreiung die Grundzüge der Planung berührt oder von minderem Gewicht ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, nämlich dem im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachten planerischen Wollen.

Gemessen an diesen Vorgaben würde eine Befreiung hier Grundzüge der Planung berühren. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Befreiung nicht mehr im Bereich dessen läge, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung erkannt hätte (vgl. BVerwG, U.v. 4.8.2009 - 4 CN 4.08 - juris). Insbesondere können sich die Kläger in diesem Zusammenhang nicht auf die rückwärtige Bebauung des Grundstücks F.-straße … (FlNr. …) berufen. Denn dieses stellt sich aufgrund seiner Eingeschossigkeit und seiner Situierung inmitten des Gevierts als Ausreißer dar, der nicht die Kraft hat, die durchweg zweigeschossige und unter weitestgehender Einhaltung des Bauliniengefüges bebaute nähere Umgebung zu prägen. Die Zulassung einer weiteren Hauptnutzung in Form des streitgegenständlichen Bauvorhabens hinter der rückwärtigen Baugrenze könnte nicht mehr als Ausreißer angesehen werden und würde somit im Gegensatz zum Anwesen F.-straße … (FlNr. …) eine Bezugsfallwirkung entfalten. Dies würde die Grundzüge der Planung berühren, da die Beklagte weiteren Bauwünschen jenseits der rückwärtigen Baugrenze nicht mehr entgegentreten könnte.

Die Anwesen S.-weg … (FlNr. …) und … (FlNr. …) spielen für die Frage der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB keine Rolle, da sie in einem anderen Plangebiet liegen. Gleiches gilt für die Bebauung auf dem Grundstück F.-straße … (FlNr. …). Dabei ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Bebauungsplan Nr. 568 eventuell funktionslos ist. Selbst wenn er funktionslos wäre, hätte dies keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Bauliniengefüges im nördlichen Teil des Quartiers und die Frage der Erteilung einer Befreiung. Denn wie oben dargelegt wurde, ist der übergeleitete Baulinienplan im nördlichen Teil des Quartiers wirksam.

Zudem geht der Senat davon aus, dass zwischen der Bebauung im Gebiet des Bebauungsplans Nr. 568 und der Bebauung im nördlichen Teil des Quartiers auch ein struktureller Unterschied besteht, der trennende Wirkung hat. Denn die Bebauungsdichte im Gebiet des Bebauungsplans Nr. 568 ist viel höher, als im nördlichen Teil des Quartiers, das durch Reihenhäuser, Doppelhäuser und Einfamilienhäuser geprägt ist. Dieser strukturelle Unterschied wird dadurch unterstrichen, dass der große westliche Teil des Grundstücks FlNr. … unbebaut ist und die beiden Gebiete voneinander trennt. Auch von daher kann die Bebauung auf dem Gebiet des Bebauungsplans Nr. 568 keine Auswirkungen auf die Frage der Befreiung haben.

2. Die Frage 2 „Ist das Maß der Nutzung (GRZ, siehe beiliegende Berechnungen) wie in den Plänen dargestellt, planungsrechtlich möglich?“ wurde von der Beklagten ebenfalls zu Recht negativ beantwortet. Dabei ist fraglich, ob die Beklagte und das Erstgericht die Frage richtig dahingehend verstanden haben, dass das Maß der baulichen Nutzung allein anhand der Grundflächenzahl abgefragt werden soll. Nach Art. 71 Satz 1 BayBO ist auf Antrag vor Einreichung des Bauantrags zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen. Bei Fragen zur bauplanungsrechtlichen Bebaubarkeit nach § 34 BauGB kann entweder die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach den §§ 30 ff. BauGB in Form einer „Bebauungsgenehmigung“ abgefragt werden, oder aber es können, sofern sie selbständig prüfungsfähig sind, einzelne Zulässigkeitskriterien des § 34 BauGB, etwa das Maß der baulichen Nutzfläche (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Auflage 2012, Art. 71 Rn. 4). Der Senat legt zugunsten der Kläger die Frage 2 so aus, dass das Maß der baulichen Nutzung abgefragt werden soll und der Klammerzusatz „GRZ, siehe beiliegende Berechnungen“ die Frage nach dem Maß der baulichen Nutzung - ohne eine genaue GRZ-Berechnung - lediglich verdeutlicht.

Die so verstandene Frage wurde von der Beklagten im Ergebnis zu Recht verneint. Denn jede Einzelfrage muss einer separaten Entscheidung zugänglich sein (vgl. Decker in Simon/Busse, Bayer. Bauordnung, Stand: Februar 2015, Art. 71 BayBO Rn. 73). Eine Frage ist nur dann als Einzelfrage zulässig, wenn die Frage unabhängig von den sonst gestellten Fragen beantwortet werden kann. Dies ist hier nicht der Fall. Denn das Vorhaben ist als einheitliches Vorhaben anzusehen, das nicht aufgespaltet werden darf (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.1998 - 1 B 93.274 - juris Rn. 41). Die Fragen nach der Situierung des Gebäudes außerhalb des Bauraums (Frage 4) und des Maßes der baulichen Nutzung (Frage 2) außerhalb des Bauraums sind untrennbar miteinander verbunden, da außerhalb des Bauraums überhaupt kein Baukörper zulässig ist. Ein Bauantrag und damit auch die Baugenehmigung sind nur dann teilbar, wenn sie getrennt voneinander genehmigbare Bauteile betreffen (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2014 -2 CS 13.2472 - juris; BayVGH, U.v. 18.4.2013 - 2 B 13.423 - juris). Entsprechendes muss bei einem Vorbescheid gelten, wenn den Fragen ein einheitliches Bauvorhaben zugrunde liegt und mit der negativen Beantwortung einer Frage alle anderen Fragen negativ beantwortet werden müssen. So liegt es hier. Vorliegend ist bei einem Anbau an ein bereits bestehendes Gebäude der Ort des Bauwerks festgelegt. Der Genehmigungsbehörde wurde ein einheitliches Bauvorhaben zur Beurteilung vorgelegt. Dies ergibt sich aus den Akten, in denen als Art des Vorhabens ein Anbau an ein Einfamilienhaus genannt wird. Zur Auslegung der Vorbescheidsfragen dienen die textliche Formulierung der Frage und die Planunterlagen. In den Ansichten und Grundrissen zum Vorbescheidsantrag ist ein einheitlicher Baukörper dargestellt. Ausweislich der vorgelegten Pläne soll der Anbau aus Untergeschoss, Erdgeschoss und Obergeschoss bestehen. Über dem Obergeschoss von Anbau und Bestand soll eine Dachterrasse situiert werden, wobei im Bereich der Dachterrasse über dem Bestand zusätzlich ein Dachgeschoss errichtet werden soll. Durch die Dachterrasse sind im vorliegenden Fall die einzelnen Komponenten - insbesondere das geplante Dachgeschoss mit dem geplanten Anbau - so miteinander verwoben, dass für den Fall der Unzulässigkeit des Anbaus wegen negativer Beantwortung der Frage 4 eine positive Beantwortung etwa hinsichtlich des Teils der Planung, der sich mit der Errichtung des Dachgeschosses befasst, nicht möglich ist. Das Bauvorhaben kann nicht in verschiedene Komponenten aufgespaltet werden. Mithin ist die Frage 2 bereits deshalb negativ zu beantworten, weil die Frage 4 zutreffenderweise negativ beantwortet wurde.

3. Die Beklagte hat die Frage 3 „Ist die in den Plänen dargestellte Höhenentwicklung des Anbaus planungsrechtlich möglich?“ zutreffenderweise verneint.

Ausgehend von dem soeben Dargelegten war auch die Frage 3 zu verneinen. Denn die Frage nach der zulässigen Höhenentwicklung des Anbaus kann ohne die Frage zu dessen Situierung nicht selbständig beantwortet werden. Die Beklagte hat daher zu Recht die Vorbescheidsfrage 3 mit Verweis auf die negative Beantwortung der Vorbescheidsfrage 4 zur überbaubaren Grundstücksfläche negativ beantwortet. Auch hier sind die Fragen nach der Situierung des Gebäudes außerhalb des Bauraums und nach der Gebäudehöhe außerhalb des Bauraums untrennbar miteinander verbunden, weil außerhalb des Bauraums überhaupt kein Baukörper zulässig ist.

4. Die Frage 5 „Ist der in den Plänen dargestellte Dachaufbau planungsrechtlich möglich?“ wurde zu Recht negativ beantwortet. Der auf dem Bestandsgebäude vorgesehene Dachaufbau bzw. das in den Plänen dargestellte Terrassengeschoss mit einer Höhe von 8,73 m stellt sich als planungsrechtlich unzulässig dar. Vorrangig ist bei der Prüfung des Einfügens im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt. Das ist in Fällen wie diesem vor allem die (absolute) Grundfläche, die Anzahl der Vollgeschosse und die Höhe des Gebäudes (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.1994 - 4 C 17.92 - juris; BayVGH, U.v. 18.12.2009 - 2 B 08.2154 - juris).

Wie oben dargelegt wurde, kann der Anbau nicht außerhalb des Bauraums situiert werden. Denkt man den Anbau hinweg, schließt das Terrassengeschoss auf einer Breite von 5,34 m bündig mit der Ostfassade des Bestandsgebäudes ab. Damit handelt es sich um ein teilweise dreigeschossiges Gebäude mit einer Wandhöhe von bis zu 8,73 m und einem Flachdach. Dieses Bauvorhaben überschreitet den vorgegebenen Rahmen im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.

a) Der maßgebliche Bereich der näheren Umgebung beschränkt sich hier auf die Wohnbebauung im nördlichen Bereich des Gevierts K.-straße, F.-straße, H.-weg und S.-weg sowie die dem Bauvorhaben gegenüberliegende Bebauung. Die Gebäude im Bereich des Bebauungsplans Nr. ... sind nicht mehr zum Umgriff der prägenden näheren Umgebung zu zählen. Es handelt sich wegen ihrer im Vergleich zu den nördlichen Gebäuden deutlich größeren Ausmaße, ihrer Massivität und ihrer andersartigen Nutzung um eine Bebauung mit deutlich unterschiedlichem Gepräge. Entlang der F.-straße folgt ein großflächiges Autohaus (Audi und VW) mit Hallen und Bürogebäuden (Niederschrift über den Augenschein vom 5.12.2016, S. 3). Beim Anwesen S.-weg … (FlNr. …) und … (FlNr. …) handelt es sich um ein zweigeschossiges Mehrfamilienhaus mit ausgebautem Dachgeschoss (Niederschrift über den Augenschein vom 5.12.2016, S. 3). Die mit diesem Bebauungsplan beabsichtigten städtebaulichen Zielsetzungen sind noch erkennbar. Sie können sich nicht auf das Bauvorhaben auswirken.

b) Das Bauvorhaben überschreitet sowohl hinsichtlich der Geschossigkeit als auch bezüglich der Wandhöhe den vorgegebenen Rahmen.

aa) Im maßgeblichen Bereich finden sich zweigeschossige Wohngebäude mit einem flachen Walmdach (S.-weg …, FlNr. …). Beim Anwesen S.-weg ... (FlNr. …) handelt es sich um ein entsprechendes Gebäude. Die Anwesen S.-weg (FlNr. …) und ... (FlNr. …) sind zwei Doppelhaushälften mit jeweils zwei Geschossen und ausgebautem Dachgeschoss. Bei den Anwesen S.-weg, … und … (alle auf FlNr. …) handelt es sich um Reihenhäuser mit zwei Geschossen und ausgebautem Dachgeschoss. Das Anwesen S.-weg ... (FlNr. …) ist ein größeres Wohnhaus mit zwei Geschossen und ausgebautem Dachgeschoss. Bei den Anwesen K.-straße ... bis … (FlNrn. …, …, …, …, …, …) handelt es sich um zweigeschossige Reihenhäuser. Die Anwesen F.-straße … (FlNr. …) bis … (FlNr. …) stellen zweigeschossige Reihenhäuser dar, wobei bei F.-straße … (FlNr. …) das ausgebaute Dachgeschoss aufgesetzt ist. Bei den Anwesen F.-straße … (FlNr. …) und … (FlNr. …) handelt es sich um zwei Doppelhaushälften mit zwei Geschossen sowie ausgebautem Dachgeschoss. Das Anwesen F.-straße … (FlNr. …) ist ein zweigeschossiges Wohnhaus. Das Anwesen F.-straße … (FlNr. …) stellt ein zweigeschossiges Wohnhaus mit ausgebautem Dachgeschoss dar. Beim Vordergebäude des Anwesens F.-straße … (FlNr. …) handelt es sich um ein kleines eingeschossiges Wohngebäude mit ausgebautem Dachgeschoss und kleinerem Anbau. Auf der gegenüberliegenden Seite des S.-wegs findet sich zweigeschossige Wohnbebauung, teilweise mit ausgebautem Dachgeschoss (Niederschrift über den Augenschein vom 5.12.2016, S. 2 und 3). In der Umgebung sind somit keine dreigeschossigen Baukörper vorhanden. Bereits von daher überschreitet das Bauvorhaben den vorgegebenen Rahmen.

bb) In der näheren Umgebung sind auch keine Wandhöhen von 8,73 m vorhanden. Das Verwaltungsgericht hat zwar zur Begründung seiner Entscheidung auf die Firsthöhen der näheren Umgebung abgestellt. Die Gebäude in der näheren Umgebung weisen danach folgende Höhen auf:

S.-weg ... (FlNr. …) Firsthöhe 8,70 m,

S.-weg ... (FlNr. …) Firsthöhe 10,50 m,

S.-weg … (FlNr. …) Firsthöhe 10,50 m,

F.-straße … (FlNr. …) Firsthöhe 8,60 m,

F.-straße … (FlNr. …) Firsthöhe 9,55 m,

F.-straße … (FlNr. …) Firsthöhe 9,80 m,

F.-straße … (FlNr. …) Firsthöhe 8,60 m,

F.-straße … (FlNr. …) Firsthöhe 8,60 m,

S.-weg … (FlNr. …) Firsthöhe 8,30 m,

K.-straße ... (FlNr. …) Firsthöhe ca. 8,25 m.

Im vorliegenden Fall können Wand- und Firsthöhen aber nicht miteinander verglichen werden. Denn die nähere Umgebung ist von Satteldächern geprägt. Die Wandhöhe liegt bei Satteldächern naturgemäß wesentlich niedriger als bei entsprechenden Flachdächern. Nach der nicht bestrittenen Darlegung der Beklagten beträgt die Wandhöhe in der Umgebungsbebauung 6,00 m bis 6,50 m. Bei Satteldächern ist für die Frage nach dem Einfügen nicht nur auf die Firsthöhe, sondern auch auf die Wandhöhe abzustellen. Es liegt auf der Hand, dass ein Gebäude mit Flachdach bei einer Wandhöhe von 8,73 m wesentlich massiver wirkt, als ein Gebäude mit Satteldach und einer entsprechenden Firsthöhe. Da sich in der näheren Umgebung keine Wandhöhen von 8,73 m finden, überschreitet das Bauvorhaben auch insofern den vorgegebenen Rahmen.

c) Ein Vorhaben kann gleichwohl zulässig sein, wenn es weder selbst noch infolge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 - IV C 9.77 - juris; BayVGH, U.v. 18.12.2009 - 2 B 08.2154 - juris). Die Zulassung des Vorhabens wäre hier geeignet, städtebauliche Spanungen auszulösen. Die Wandhöhe von 8,73 m und die Dreigeschossigkeit würden sich im Osten auf einer Breite von 5,34 m und damit über mehr als die Hälfte der Ostfassade von 9,74 m erstrecken. Das Dachgeschoss wirkt aufgrund seiner Dimensionierung nicht mehr wie ein bloßer Dachaufbau, sondern wie eine neue prägende Wandhöhe. Der Senat ist der Auffassung, dass die Wandhöhe und die Dreigeschossigkeit des Vorhabens bei Bauvorhaben in der für eine Nachverdichtung offenen näheren Umgebung zum Vorbild genommen werden könnten. Insofern besteht die Gefahr, dass das Vorhaben eine ungesteuerte Bezugsfallwirkung auslöst.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.