Verwaltungsgericht München Beschluss, 27. Nov. 2014 - M 4 S7 14.30911

published on 27/11/2014 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 27. Nov. 2014 - M 4 S7 14.30911
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Gericht

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Tenor

I. In Abänderung von Nr. 1 des Beschlusses vom 24. Januar 2014 wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 17. Dezember 2013 angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Abänderungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller, eigenen Angaben zufolge afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 27. August 2013 die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 3. September 2013 einen Asylantrag.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Antragsteller bereits in Schweden einen Asylantrag gestellt hat. Auf das Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin erklärten die schwedischen Behörden mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2013 -Dublin II-VO-.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2013 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge -Bundesamt- fest, dass der Asylantrag unzulässig ist (Ziff. 1) und ordnete die Abschiebung nach Schweden an (Ziff. 2).

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 17. Januar 2014 erhob der Antragsteller Klage mit dem Antrag, den Bescheid vom 17. Dezember 2013 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Asylverfahren in eigener Zuständigkeit durchzuführen und zu bescheiden (M 4 K 14.30060); gleichzeitig beantragte er die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Mit Beschluss vom 24. Januar 2014 lehnte das Gericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab (M 4 S 14.30061); mit Beschlüssen vom 17. Februar 2014, 21. März 2014 sowie 23. April 2014 wurde die Abänderung des Beschlusses abgelehnt (M 4 S7 14.30167, M 4 S7 14.30496, M 4 S7 14.30635). Auf die Gründe dieser Beschlüsse wird Bezug genommen.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 30. Juli 2014 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers,

den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 24. Januar 2014 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 17. Januar 2014 anzuordnen.

Zur Begründung führte der Bevollmächtigte aus, dass die sechsmonatige Überstellungsfrist nach Schweden nunmehr abgelaufen sei und damit die Zuständigkeit für die Durchführung eines Asylverfahrens auf Deutschland übergegangen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist zulässig und begründet.

Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache jederzeit, d.h. ohne Bindung an Fristen, von Amts wegen oder - wie hier - auf Antrag eines Beteiligten, einen Beschluss über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ändern oder aufheben. Die Änderung oder Aufhebung eines Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO kann ein Beteiligter nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO).

Das Abänderungsverfahren darf jedoch nicht als Rechtsmittelverfahren zu einer vorhergehenden Entscheidung verstanden werden. Es dient allein der Möglichkeit, einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen. Prüfungsmaßstab für die Entscheidung ist daher allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25. 8. 2008 - 2 VR 1/08 -, juris; VGH BW, B.v. 16. 12. 2001 - 13 S 1824/01 -, juris; OVG NRW, B.v. 7. 2. 2012 - 18 B 14/12 -, juris).

Es liegen hier veränderte Umstände i.S.d. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vor, die zu einer anderen Entscheidung hinsichtlich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung führen, da zwischenzeitlich die sechsmonatige Überstellungsfrist nach Schweden unstrittig abgelaufen ist, vgl. Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. d) Dublin II-VO (zur unterschiedlichen Berechnung der Überstellungsfrist vgl. VG Augsburg U.v. 5.9.2014 – Au 7 K 14.30094 – juris Rn. 23 m.w.N.). Ein Tatbestand, der nach Art. 19 Abs. 4 Satz 2 bzw. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO ausnahmsweise zu einer Verlängerung der Überstellungsfrist führt, wurde weder von der Antragsgegnerin vorgetragen, noch ist ein solcher ersichtlich.

Die ursprüngliche Zuständigkeit Schwedens für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers ist damit nach Art. 19 Abs. 3 bzw. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Demnach ist jedenfalls die Abschiebungsandrohung nach Schweden (Ziffer 2 des Bescheides) rechtswidrig geworden.

Auf den Ablauf der Überstellungsfrist und den Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin kann sich der Antragsteller auch berufen. Hierfür wird auf die Rechtsprechung der Kammer (vgl. U.v. 24.11.2014 – M 4 K 14.30145 und M 4 K 14.30265) sowie auf die ausführliche Begründung des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 21. Oktober 2014 (RO 9 K 14.30217 – juris) Bezug genommen (vgl. auch VG Augsburg U.v. 11.9.2014 – Au 7 K 14.50016 – juris; VG München U.v. 4.11.2014 – M 10 K 13.30627; VG Göttingen B.v. 30.6.2014 – 2 B 86/14 – juris; a.A.: VG Würzburg B.v. 11.6.2014 – W 6 S 14.50065 – juris).

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es im Eilverfahren nicht unmittelbar um die Ablehnung des Asylantrages als unzulässig geht (Ziff. 1 des Bescheides), sondern primär um die Abschiebungsandrohung (Ziff. 2). Jedenfalls die Aufrechterhaltung der rechtswidrig gewordenen Abschiebungsandrohung nach Schweden stellt eine subjektive Rechtsverletzung dar, auf die sich der Antragsteller berufen kann (vgl. hierzu ausführlich VG Göttingen B.v. 30.6.2014 – 2 B 86/14 – juris Rn. 23).

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann der Bescheid – und insbesondere die Abschiebungsandrohung nach Schweden – nicht im Wege der Umdeutung in eine ablehnende Entscheidung nach § 71a AsylVfG aufrecht erhalten werden, da die Voraussetzungen nach § 47 VwVfG nicht vorliegen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht auch hier auf seine Rechtsprechung (U.v. 24.11.2014 – M 4 K 14.30145 und M 4 K 14.30265 – m.w.N.).

Eine Abänderung der Kostenentscheidung in Nr. II des Beschlusses vom 24. Januar 2014 ist nicht geboten, da die Anordnung der aufschiebenden Wirkung aufgrund veränderter Umstände mit Wirkung „ex nunc“ erfolgt.

Die Kosten des Abänderungsverfahrens hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Antragsgegnerin zu tragen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können un
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published on 24/11/2014 00:00

Tenor I. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte. III. Die Kostenentscheidung ist vorläuf
published on 24/11/2014 00:00

Tenor I. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte. III. Die Kostenentscheidung ist vorläuf
published on 07/12/2015 00:00

Gründe 1 Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.
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Annotations

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.