I.
Der Antragsteller ist derzeit ohne festen Wohnsitz. Nach seinem Vorbringen (Niederschrift über die Stellung des Antrags nach § 123 VwGO vom 26.04.2017) hat er sich zuletzt in der Gemeinde … und im Gebiet der Antragsgegnerin aufgehalten. Die Gemeinden seien sich einig, dass die Antragsgegnerin für seine Unterbringung zuständig sei. Die Antragsgegnerin weigere sich jedoch, ihn unterzubringen, wenn er nicht ein Schreiben seiner Eltern beibringe, in dem diese bestätigen, dass sie nicht bereit seien, ihn aufzunehmen. Er habe sich deshalb auch schriftlich an seine Eltern gewandt, aber noch keine Antwort erhalten.
Ausweislich eines Vermerks vom 27. April 2017 in der Behördenakte war der Antragsteller für einige Tage im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin untergekommen. Die Obdachgeber könnten ihn aber nicht mehr weiter beherbergen. Die Antragsgegnerin habe, nachdem der Antragsteller dort mehrmals vorgesprochen hätte, geprüft, ob Maßnahmen zur Vermeidung einer Obdachlosigkeit in Betracht kämen. U.a. sei der Antragsteller an eine Beratungsstelle für Suchtkranke verwiesen worden. Soweit ersichtlich habe er dort aber nicht vorgesprochen. Recherchen hätten ergeben, dass der Antragsteller seine Ausbildung, sonstige Arbeitsversuche und Therapien abgebrochen habe. Leistungen beim Jobcenter habe der Antragsteller soweit ersichtlich nicht beantragt.
Nach Auffassung der Antragsgegnerin sei die Unterbringung des Antragstellers in einer Obdachlosenunterkunft weder sinnvoll noch zielführend und werde daher abgelehnt.
Weiter befinden sich in der Behördenakte E-Mails des Vaters und der Mutter des Antragstellers, in denen diese u.a. unter Hinweis auf ein Alkohol- und Drogenproblem des Antragstellers erklären, dass es ihnen nicht möglich sei, den Antragsteller aufzunehmen.
Am 26. April 2017 beantragte der Antragsteller bei der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts zur Niederschrift,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur verpflichten, ihm umgehend eine Obdachlosenunterkunft zuzuweisen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt vor, der Antragsteller habe weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Es sei bereits ungeklärt, welche eigenen Anstrengungen der Antragsteller unternommen habe, um sich ggf. unter Ausschöpfung staatlicher Hilfen eine Unterkunft zu beschaffen.
Die Antragsgegnerin sei des Weiteren örtlich unzuständig. Nach ihren Erkenntnissen habe der Antragsteller bis vor kurzem bei seinem Vater gewohnt. In … sei er kurzfristig obdachlosenrechtlich untergebracht worden. Aufgrund seines Drogenproblems und der damit einhergehenden aggressiven Verhaltensweisen habe er aus der Unterkunft aber verwiesen werden müssen. Die im Gebiet von … eingetretene Obdachlosigkeit sei auch nicht wieder entfallen. Der Antragsteller habe im Anschluss an den zwangsweisen Auszug aus der Pension keine gesicherte Unterkunft mehr gefunden, sondern sich an wechselnden Notschlafplätzen aufgehalten.
Die Antragsgegnerin sei zudem nicht zur Bereitstellung einer Unterkunft verpflichtet, da die Maßnahme zur Gefahrenabwehr nicht geeignet sei. Die Unterbringung eines Obdachlosen nach dem Sicherheitsrecht setze dessen Unterbringungsfähigkeit und Unterbringungswilligkeit voraus. Davon könne hier im Hinblick auf das bisherige Verhalten des Antragstellers aber nicht ausgegangen werden.
Schließlich sei die Antragsgegnerin für die Unterbringung des Antragstellers als untere Sicherheitsbehörde auch aus einem weiteren Grund nicht zuständig. Die entsprechende Verpflichtung sei subsidiär. Die Antragsgegnerin sei zur Abwendung einer infolge Obdachlosigkeit drohenden Gefahr nur insoweit verpflichtet, als die Problemlagen nicht über die bloße Unterkunftsbeschaffung hinausgehen würden. Dies sei vorliegend aber der Fall, da beim Antragsteller ein spezieller Betreuungs- und Sicherungsbedarf bestehe. Zuständig in solchen Fällen seien die Sozialleistungsträger und die Kranken- und Pflegeversicherung ggf. auch unter Einsetzung eines Betreuers.
Der Antragsteller hat anlässlich eines Telefonats mit dem Berichterstatter am 4. Mai 2017 mitgeteilt, dass er sich derzeit in der …-Klinik in … zu einer Entgiftungsmaßnahme aufhalte. Wie lange er dort bleiben könne, sei aber unklar, insbesondere wegen der Frage der Kostendeckung. Er beziehe derzeit keine Leistungen nach dem ALG II und sei auch nicht krankenversichert.
Bei einem weiteren Telefonat am 9. Mai 2017 teilte der Antragsteller mit, dass er am 11. Mai 2017 aus der Klinik entlassen werde. Der Schriftsatz der Bevollmächtigten der Antragsgegnerin enthalte eine Vielzahl unzutreffender Angaben. So habe er schon seit längerem kein Drogenproblem mehr. (Der Alkoholentzug sei ebenfalls erfolgreich gewesen.) Es treffe auch nicht zu, dass er aufgrund aggressiven Verhaltens aus einer im Rahmen der Obdachlosenfürsorge zur Verfügung gestellten Unterkunft verwiesen worden sei. In … sei er nicht ordnungsbehördlich untergebracht worden. Er habe auch nicht zwischenzeitlich bei seiner Großmutter gewohnt. Die Anmietung des Apartments in …, in dem er für ca. 10 Tag bereits gewohnt habe, sei daran gescheitert, dass das Jobcenter nicht bereit gewesen sei, die Miete zu übernehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder dro-hende Gewalt zu verhindern oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl den (aus dem streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteten) Anspruch, bezüglich dessen die vorläufige Regelung getroffen werden soll (Anord-nungsanspruch), wie auch die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungs-grund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Maßgeblich für die Beurteilung sind dabei die rechtlichen und tatsächlichen Ver-hältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
2. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen hier vor, da der Antragsteller einen gegen die Antragsgegnerin gerichteten Anordnungsanspruch auf (vorläufige) Unterbringung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit auf der Grundlage des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG sowie einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht hat.
2.1 Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist davon auszugehen, dass diese für die Unterbringung des Antragstellers örtlich zuständig ist.
Die örtliche Zuständigkeit für eine sicherheitsrechtliche Anordnung zur Behebung von Obdachlosigkeit richtet sich gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG danach, wo der entscheidende Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Zuständig für ein sicherheitsrechtliches Einschreiten zur Beseitigung der mit der Obdachlosigkeit einhergehenden Gefahr ist die Gemeinde, in der die aktuelle Obdachlosigkeit entstanden ist oder unmittelbar droht. Maßgeblich ist insoweit nicht, wo der Antragsteller gemeldet ist oder war, bzw. wo er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte, sondern wo er aktuell obdachlos geworden ist (BayVGH, B.v. 26.4.1995 – 4 CE 95.1023 – BayVBl. 1995, 729). Indem ein Betroffener vom Grundrecht der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) Gebrauch macht, kann er dabei in gewissem Umfang darauf Einfluss nehmen, wo die Obdachlosigkeit eintritt (BayVGH a.a.O.). Dies liegt in der Regelungsnatur des Sicherheitsrechts begründet, welches darauf gerichtet ist, die Gefahr dort zu bekämpfen, wo sie auftritt. Ein entsprechendes Ersuchen kann nur ausnahmsweise als rechtsmissbräuchlich gewertet werden, wenn sich der Betroffene beispielsweise allein deshalb an einen bestimmten Ort begibt, um dort Obdach zu beantragen (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 30.7.2012 – 4 CE 12.1576 – juris Rn. 18; B.v. 7.1.2002 – 4 ZE 01.3176 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 26.4.1995, BayVBl 1995, 729/730; Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand Juli 2013, Art. 7 Rn. 174, 179).
Im vorliegenden Fall kann auf der Grundlage des Sachverhalts, so wie er sich nach dem Vorbringen der Beteiligten darstellt, nicht angenommen werden, dass ein Unterbringungsanspruch weiterhin gegenüber der Gemeinde … geltend gemacht werden müsste bzw. die Geltendmachung des Anspruchs gegenüber der Antragsgegnerin treuwidrig wäre. Der Antragsteller hat sich, nachdem er vorübergehend im Gebiet der Antragsgegnerin Obdach gefunden hatte (nach seinem Vorbringen beabsichtigte er ein Apartment, das ihm vorläufig zur Verfügung gestellt wurde, anzumieten), an die Antragsgegnerin gewandt, da absehbar war, dass er in der Unterkunft nicht mehr länger verbleiben kann. Die Antragsgegnerin hat hierauf auch nicht damit reagiert, dass sie den Antragsteller an die frühere Wohnsitzgemeinde (* …*) verwiesen hätte, sondern hat in der Folge geprüft, ob ihrerseits Maßnahmen veranlasst sind. Bei einer solchen Fallgestaltung ist nach Auffassung der Kammer davon auszugehen, dass die mit dem aktuellen auf ordnungsbehördliche Unterbringung gerichteten Antrag befasste Behörde – hier also die Antragsgegnerin – unabhängig davon, ob zunächst eine Verweisung auf die frühere Wohnsitzgemeinde möglich gewesen wäre –, örtlich zuständig ist und eine nachträgliche Berufung auf das Fehlen der örtlichen Zuständigkeit (wie hier mit dem entsprechenden Vortrag im Gerichtsverfahren) nicht mehr in Betracht kommt.
2.2 Was das Vorbringen der Antragsgegnerin angeht, der Antragsteller wäre nicht unterbringungsfähig (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 6.8.2015 – 4 C 15.1578 – und B.v. 9.1.2017 – 4 C 16.2565 – beide in juris), ist vorab anzumerken, dass hinsichtlich des Umgangs mit obdachlosen Menschen, die häufig ein unbequemes und störendes Verhalten an den Tag legen, kein kleinlicher Maßstab angelegt werden darf. Für den Fall etwa, dass es zu erheblichen Unzuträglichkeiten gekommen ist, aufgrund derer es gerechtfertigt oder geboten erscheint, den Untergebrachten aus der ihm zugewiesenen Obdachlosenunterkunft zu verweisen, kann nicht ohne Weiteres bereits davon ausgegangen werden, dass keine Unterbringungsfähigkeit gegeben sei und damit die ordnungsbehördliche Verpflichtung, eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen, entfiele. Je nach den Umständen muss die Behörde in solchen Fällen vielmehr auch in Betracht ziehen, ob nicht die Möglichkeit einer anderweitigen der Situation angemessenen Unterbringung besteht (vgl. Ehmann, Obdachlosigkeit, 2. Aufl. 2006, Nr. 3.1.5).
Im vorliegenden Fall kann aus dem Vortrag der Antragsgegnerin und den in Bezug genommenen Unterlagen ersichtlich nicht gefolgert werden, dass der Antragsteller nicht unterbringungsfähig ist bzw. dies auch nur beachtlich wahrscheinlich wäre. Das von der Antragsgegnerin angenommene „massive Alkohol- und Drogenproblem“ des Antragstellers (dieser trägt vor, keine Drogen mehr zu nehmen; hinsichtlich seiner Alkoholabhängigkeit hat er auf den erfolgreichen Entzug verwiesen), reicht hierfür allein nicht aus. Und bezüglich des behaupteten aggressiven Verhaltens des Antragstellers, das dieser bestreitet, fehlt es an der belastbaren Darlegung konkreter Geschehnisse, die für die Bewertung von Bedeutung sein könnten.
2.3 Der Bejahung eines Anordnungsanspruchs steht auch nicht entgegen, dass, wie die Antragsgegnerin vorträgt, beim Antragsteller ein spezieller Betreuungsbedarf gegeben sei, der über die bloße Zurverfügungstellung einer Unterkunft weit hinausgehe.
Eine Aussage dazu, ob der Antragsteller wegen seiner Alkoholabhängigkeit einer weiteren medizinischen Behandlung bedarf und aufgrund der durch die Krankheit bedingten Folgeprobleme (wie u.a. auch der bestehenden Obdachlosigkeit) die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem SGB II oder XII vorliegen, deren Erbringung nicht der Antragsgegnerin als örtlicher Sicherheitsbehörde, sondern den zuständigen Sozialleistungsträgern obliegt, lässt sich aufgrund der vorliegenden Informationen nicht treffen. Allerdings spricht vieles dafür, dass dies der Fall ist, weshalb dem Antragsteller nur dringend geraten werden kann, abzuklären, ob ihm entsprechende Hilfen gewährt werden können und wenn dies der Fall ist, diese auch in Anspruch zu nehmen.
Auch wenn dem Antragsteller Hilfeleistungen nach dem SGB II oder XII zustehen sollten, ändert dies aber nichts daran, dass, solange diese nicht gewährt werden und ggf. in deren Rahmen eine Unterkunft zur Verfügung gestellt wird, die Antragsgegnerin weiterhin zur Abwehr einer bestehenden oder drohenden Obdachlosigkeit verpflichtet bleibt (zum Verhältnis von ordnungsrechtlichen Maßnahmen bei Obdachlosigkeit und Hilfen nach § 67 SGB XII vgl. § 4 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten).
2.4 Es ist schließlich auch nichts dafür ersichtlich, dass der (augenscheinlich mittellose) Antragsteller durch wie auch immer geartete Selbsthilfemaßnahmen die (drohende) Obdachlosigkeit abwenden könnte.
2.5 Der Anordnungsgrund folgt aus der Eilbedürftigkeit einer Regelung, da der stationäre Klinikaufenthalt des Antragstellers voraussichtlich am 11. Mai 2017 endet.
3. Im Hinblick darauf, dass es im vorliegenden Verfahren nur um eine vorläufige Rechtschutzgewährung geht und sich die maßgeblichen Verhältnisse kurzfristig ändern können, wird die Anordnung befristet, wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Antragsteller verpflichtet ist, sich – ggf. unter Inanspruchnahme von behördlicher oder sonstiger Hilfe – um eine anderweitige Unterkunft zu bemühen. Bei Ablauf der Frist ist von der Antragsgegnerin erneut zu prüfen, ob dem Antragsteller weiterhin Obdachlosigkeit droht und eine Verlängerung der Unterbringung veranlasst ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Empfehlungen in Nr. 1.5 und 35.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.