Verwaltungsgericht München Beschluss, 29. Aug. 2016 - M 10 E 16.393

bei uns veröffentlicht am29.08.2016

Tenor

I.

Die Zwangsvollstreckung der für die Gewerbesteuer der Veranlagungsjahre 2003 und 2004 durch die Antragsgegnerin geforderten Säumniszuschläge in Höhe von 94.322,50 Euro wird vorläufig eingestellt.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 11.790,31 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung von Säumniszuschlägen für die Festsetzung von Gewerbesteuerschulden aus den Jahren 2003 und 2004 durch die Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin setzte mit Gewerbesteuerbescheid vom 28. Juni 2006 gegen den Antragsteller Gewerbesteuerabschlusszahlungen für die Veranlagungsjahre 2003 und 2004 in Höhe von insgesamt 82.580,81 Euro fest. Die Veranlagung beruhte auf den Gewerbesteuermessbescheiden des Finanzamtes ... vom 13. Juni 2006, welche durch das Finanzamt öffentlich zugestellt wurden. Der Gewerbesteuerbescheid der Antragsgegnerin hingegen wurde an die Adresse „... Ring 72“ in ... versandt. Zum Nachweis über die Aufgabe zur Post legte die Antragsgegnerin einen Drucknachweis für die Gewerbesteuerbescheide für den Drucktag 22. Juni 2006 mit Bescheiddatum 28. Juni 2006 vor. Die Bestätigung über die Aufgabe zur Post befindet sich auf Seite 6 des vorgelegten Drucknachweises.

Da gegen den Antragsteller bereits seit dem Jahr 2005 das Zwangsvollstreckungsverfahren betrieben wurde, wurden die Gewerbesteuerforderungen für die Veranlagungsjahre 2003 und 2004 nach Fälligkeit und Mahnung mit in die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aufgenommen. Eine Ankündigung der Zwangsvollstreckung erfolgte am 13. Dezember 2006. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 16. Oktober 2007 forderte die Antragsgegnerin von der Drittschuldnerin einen Gesamtbetrag in Höhe von 104.235,69 €. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde dem Antragsteller am 21. Dezember 2007 zugestellt. Das Vollstreckungsverfahren verlief mit verschiedenen Maßnahmen - unter anderem Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 22. April 2010 - bis in das Jahr 2010, als bei einer persönlichen Vorsprache des Schuldners eine Zahlungsvereinbarung (Zahlung von monatlichen Raten in Höhe von 40,00 Euro) getroffen wurde. Am 18. Mai 2011 wurden die Forderungen befristet bis zum 1. April 2014 niedergeschlagen.

Im Jahr 2014 wurde dann die Zwangsvollstreckung erneut fortgesetzt, da sich der Antragsteller nicht mehr an die Zahlungsvereinbarung hielt. Nachdem am 10. Juni 2015 der Antrag auf außergerichtliche Schuldenbereinigung wegen Gläubigerungleichbehandlung von der Antragsgegnerin abgelehnt wurde, wurde unter anderem am 23. September 2015 die hier vom Antragsteller beanstandete Pfändung bei der Stadtsparkasse ... wieder in Kraft gesetzt. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen vom 22. September 2015 machte die Antragsgegnerin gegenüber der „… Service GmbH, ...-str. 30, ...“ sowie der „... Company GmbH, ...-platz 5, …“ einen noch ausstehenden Betrag in Höhe von 182.162,51 € geltend. Bei der „... Company GmbH“ wurde der angebliche Geschäftsanteil des Antragstellers sowie weitere Ansprüche, die sich aus einer eventuellen Gesellschafterstellung des Antragstellers ergeben könnten, gepfändet.

Der Antragsteller hat am 25. August 2015 bei der Gerichtsvollzieherin des Amtsgerichts ... die Vermögensauskunft abgegeben (Az.: …).

Mit Schreiben vom 1. Dezember 2015 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers, die Vollstreckung gegen den Antragsteller einzustellen mit der Begründung, dass beim Finanzamt gegen die Gewerbesteuermessbescheide für die Veranlagungsjahre 2003 und 2004 Einspruch eingelegt worden sei.

Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. Dezember 2015 entsprach diese dem Antrag auf Vollstreckungsaufschub für die Gewerbesteuerabschlusszahlungen in Höhe von 82.580,81 Euro und Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO in Höhe von 4.202,- Euro für die Veranlagungsjahre 2003 und 2004 befristet bis zum 31. Januar 2016 (Ziffer 1 des Bescheides). Dem Antrag auf Vollstreckungsaufschub für die bisher angefallenen Säumniszuschläge für die Gewerbesteuer der Veranlagungsjahre 2003 und 2004 in Höhe von 47.995,- Euro sowie Mahngebühren in Höhe von 150,- Euro wurde gemäß Ziffer 2 des Bescheides nicht entsprochen. Ebenso wurde nach Ziffer 3 des Bescheides ein Vollstreckungsaufschub für die Verwaltungsgebühren für das Gewerbeuntersagungsverfahren in Höhe von 763,70 Euro, der Säumniszuschläge in Höhe von 1.051,- Euro sowie der Mahn- und Vollstreckungsgebühren in Höhe von 31,- Euro nicht gewährt. Nach Ziffer 4 des Bescheides wurde der Antrag auf erweiterten Pfändungsschutz nach § 850 f Abs. 1 ZPO abgelehnt. Zur Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, dass der Vollstreckungsaufschub bis zur Entscheidung des Finanzamtes über die Einsprüche gegen die Gewerbesteuermessbescheide für 2003 und 2004 befristet sei, längstens jedoch bis 31. Januar 2016. Lägen die Voraussetzungen für einen Vollstreckungsaufschub darüber hinaus weiter vor, werde zum Fristablauf ein neuer Bescheid erlassen. Der Antrag auf Vollstreckungsaufschub für die Säumniszuschläge sei abzulehnen, da im Falle der Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge bestehen blieben.

Das Finanzamt hat im elektronischen Verfahren - Datenübermittlung vom 15. Dezember 2015 - die Messbescheide für die Jahre 2003 und 2004 aufgehoben. Die Antragsgegnerin hat diese Bescheide mit dem Gewerbesteuerbescheid vom 28. Januar 2016 vollzogen und die Gewerbesteuer für diese Jahre auf „Null“ festgesetzt.

Die Pfändungen gegenüber dem Arbeitgeber „... Company GmbH“ vom 22. September 2015 sowie der Stadtsparkasse ... vom 22. April 2010 wurden hinsichtlich der Beträge mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2016 berichtigt und mit 98.488,01 Euro mitgeteilt. Auch die noch bestehende Pfändung gegenüber der „… Service GmbH“ wurde hinsichtlich der Beträge mit Schreiben vom 24. Februar 2016 berichtigt und der Schuldbetrag mit 98.488,01 Euro mitgeteilt. Zahlungen aus diesen Pfändungen gehen derzeit nicht ein.

Mit Schreiben vom 28. Januar 2016 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers, dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Unterzeichners für eine noch zu erhebende Klage und einen noch zu erhebenden Antrag auf einstweiligen Rechtschutz zu gewähren.

In dem bedingt erhobenen Eilantrag beantragte er, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die gegen den Antragsteller betriebene Zwangsvollstreckung bezüglich der Gewerbesteuern 2003 und 2004 in Höhe von 82.580,81 Euro und der Nachzahlungszinsen in Höhe von 4.202,- Euro, bezüglich der Säumniszuschläge für die Gewerbesteuer in Höhe von 47.995,- Euro der Veranlagungsjahre 2003 und 2004, bezüglich der Mahngebühren in Höhe von 150,- Euro, bezüglich der Verwaltungsgebühren für das Gewerbeuntersagungsverfahren in Höhe von 763,70 Euro, der Säumniszuschläge in Höhe von 1.051,- Euro sowie der Mahn- und Vollstreckungsgebühren in Höhe von 31,- Euro aufzuheben.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2016 wurde dem Antragsteller für eine noch zu erhebende Klage und einen noch zu erhebenden Eilantrag Prozesskostenhilfe durch Einräumung einer Ratenzahlung in Höhe von 590,00 Euro monatlich und unter Beiordnung des Bevollmächtigten gewährt, soweit eine Einstellung bzw. vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung in Höhe von 94.322,50 Euro begehrt wird.

Der Beschluss vom 18. Mai 2016 wurde durch Beschluss vom 8. Juni 2016 insoweit abgeändert, als dem Antragsteller eine Ratenzahlung in Höhe von 120,- Euro monatlich eingeräumt wurde.

Daraufhin hat der Bevollmächtigte des Antragstellers unbedingt Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die gegen den Antragsteller gerichtete Zwangsvollstreckung bezüglich der Säumniszuschläge für die Gewerbesteuern der Jahre 2003 und 2004 aufzuheben.

Gleichzeitig hat der Bevollmächtigte des Antragstellers im Verfahren nach § 123 VwGO beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die gegen den Antragsteller betriebene Zwangsvollstreckung bezüglich der Säumniszuschläge hinsichtlich der Gewerbesteuern 2003 und 2004 vorläufig einzustellen.

Zur Begründung führt der Bevollmächtigte des Antragstellers unter anderem aus, dass der Antragsteller den Gewerbesteuerbescheid vom 28. Juni 2006 nie zugestellt erhalten habe. Aus der beigefügten erweiterten Meldebescheinigung des Einwohnermeldeamtes der Antragsgegnerin sei ersichtlich, dass der Antragsteller bereits ab dem 1. März 2006 nicht mehr unter der Anschrift „… Ring 72, …“ wohnhaft gewesen sei. Er habe sich in Haft befunden, was der Antragsgegnerin letztlich auch aufgrund ihrer Ausführungen bekannt gewesen sei.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass der aufgrund der finanzamtlichen Gewerbesteuermessbescheide ergangene Gewerbesteuerbescheid der Antragsgegnerin vom 28. Juni 2006 nicht öffentlich zugestellt worden, sondern an die bekannte Anschrift „… Ring 72, …“ mit einfachem Brief bekanntgegeben worden sei. Der Gewerbesteuerbescheid sei nicht als unzustellbar zurückgekommen. Gegen den Antragsteller seien seitens der Antragsgegnerin wegen anderer Forderungen und danach auch für die Gewerbesteuerforderungen 2005 diverse Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen worden, Ratenzahlungen gewährt sowie ein Teilerlassverfahren geprüft worden. Ein Bekanntgabemangel dieses Gewerbesteuerbescheides der Antragsgegnerin sei erstmals im Schreiben des Vertreters des Antragstellers vom 23. Dezember 2015 durch den behaupteten Nichtzugang vorgetragen worden. Hier werde nicht nur der Zeitpunkt des Zugangs, sondern der Zugang überhaupt bestritten, jedoch zu einem Zeitpunkt, nachdem bereits über viele Jahre hinweg Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen worden seien, persönliche Vorsprachen stattgefunden hätten sowie Billigkeitsanträge gestellt worden seien. Nach diesem jahrelangen Verfahren sei jetzt der Zugang des Gewerbesteuerbescheides bestritten worden. Diese Indizien sprächen in hohem Maße dafür, dass dem Antragsteller der Inhalt des Gewerbesteuerbescheides bekanntgegeben worden sei und reichten nach Ansicht der Rechtsprechung aus, um einen entsprechenden Nachweis zu führen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und dem weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gründe des PKH-Beschlusses vom 18. Mai 2016 und auf die Gerichts- bzw. die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO hat auch in der Sache Erfolg. Der Antragsteller hat den nach § 123 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung), oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden (sog. Regelungsanordnung). Wesentliche Nachteile sind dabei u. a. wesentliche rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Nachteile, die der Antragsteller in Kauf nehmen müsste, wenn er das Recht im langwierigen Hauptsacheprozess erstreiten müsste (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 123, Rn. 23). Nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Grund, für den der Antragsteller vorläufig Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit der Regelung begründet wird, glaubhaft zu machen. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist dabei nicht nur dann geboten, wenn mit zweifelsfreier Sicherheit feststeht, dass das materielle Recht besteht, dessen Sicherung der Antragsteller im Fall des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO erstrebt oder auf das er eine Regelung im Sinn von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erreichen will. Es genügt vielmehr, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen dieses Rechts spricht, so dass der Rechtsschutzsuchende in der Hauptsache voraussichtlich obsiegen würde (vgl. BayVGH, B. v. 16.8.2010 - 11 CE 10.262 - juris Rn. 20 m. w. N.).

a. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, da die Antragsgegnerin weiterhin die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller durch Pfändung seines Girokonto betreibt.

b. Es liegt auch ein Anordnungsanspruch des Antragstellers vor. Der Antragsteller begehrt die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen vom 22. April 2010 und vom 22. September 2015 gemäß Art. 22 VwZVG in Höhe von 94.322,50 Euro, die die Antragsgegnerin bezüglich der entstandenen Säumniszuschläge für die Gewerbesteuer 2003 und 2004 betreibt.

Diesbezüglich ist auf die ausführlichen Gründe des PKH-Beschlusses vom 18. Mai 2016 zu verweisen, der dem Antragsteller Prozesskostenhilfe insoweit gewährt, als der Antragsteller die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung der für die Gewerbesteuer 2003 und 2004 von der Antragsgegnerin geltend gemachten Säumniszuschläge in Höhe von 94.322,50 Euro begehrt.

Der Gewerbesteuerbescheid vom 28. Juni 2006, der die Gewerbesteuer für die Veranlagungsjahre 2003 und 2004 festsetzte, ist aufgrund fehlender Bekanntgabe an den Antragsteller nicht wirksam geworden und der Antragssteller ist daher nicht verpflichtet, die aufgrund dieses Bescheides geltend gemachten Säumniszuschläge zu entrichten.

aa. Die Verwaltung der Realsteuern, zu denen die Gewerbesteuer zählt (§ 3 Abs. 2 AO), ist nach Art. 18 Kommunalabgabengesetz (KAG) - mit gewissen Einschränkungen - den Gemeinden übertragen worden. Die Vorschriften der Abgabenordnung finden deshalb nur in dem in § 1 Abs. 2 AO bezeichneten Umfang Anwendung. Mangels entsprechender Verweisung in § 1 Abs. 2 AO richtet sich das Vollstreckungsverfahren - wie bei sonstigen landesrechtlichen Abgaben - grundsätzlich nach Art. 18 ff. VwZVG (vgl. BayVGH, B. v. 2.4.2003 - 4 ZB 01.2980 - juris Rn. 2).

Nach Art. 26 Abs. 1 VwZVG sind Gemeinden, Landkreise, Bezirke und Zweckverbände berechtigt, zur Beitreibung von Geldforderungen, die sie durch einen Leistungsbescheid geltend machen, eine Vollstreckungsanordnung zu erteilen. Die kommunalen Gebietskörperschaften werden hierdurch ermächtigt, die Voraussetzungen für die Vollstreckung selbst zu schaffen.

Darüber hinaus gewährt Art. 26 VwZVG für bestimmte Vollstreckungshandlungen eine abgestufte Vollstreckungskompetenz durch eigenes Vollstreckungspersonal. Gemäß Art. 26 Abs. 5 VwZVG können die Kommunen Geldforderungen und andere Vermögensrechte, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen sind, selbst pfänden und einziehen, wenn Schuldner und Drittschuldner ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in Bayern haben. Art. 26 Abs. 5 VwZVG gestattet den kommunalen Gebietskörperschaften also zusätzlich über die Anordnung der Vollstreckung hinaus, Forderungen des Schuldners zu pfänden und dazu Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zu erlassen.

bb. Hier ist die Vollstreckung von Säumniszuschlägen unabhängig vom Vorliegen der allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen nicht möglich, da solche für die Gewerbesteuern 2003 und 2004 schon nicht entstanden sind.

Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet wird. Nach Satz 3 des § 240 Abs. 1 AO tritt die Säumnis nach Satz 1 nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist.

Hier fehlt es jedoch an der wirksamen Festsetzung der Gewerbesteuern für die Jahre 2003 und 2004, so dass diese nicht fällig werden und daher auch keine Säumniszuschläge entstehen konnten. Der Gewerbesteuerbescheid vom 28. Juni 2006 wurde dem Antragsteller nicht wirksam bekanntgegeben.

Der Zugang des Gewerbesteuerbescheides vom 28. Juni 2006 an den Antragsteller kann nach summarischer Prüfung nicht nachgewiesen werden. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zuganges nachzuweisen (§ 122 Abs. 2 Halbsatz 2 AO).

Die Antragsgegnerin kann zwar durch den kopierten Auszug aus dem Drucknachweis für die Gewerbesteuerbescheide belegen, dass der streitgegenständliche Gewerbesteuerbescheid am 28. Juni 2006 zur Post gegeben wurde. Dieser kam auch nicht als unzustellbar zurück. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, dass der Antragsteller den Bescheid auch erhalten hat. Vielmehr bleibt die Antragsgegnerin den Nachweis des Zugangs schuldig. Denn ihrer durch das Gesetz auferlegten materiellen Beweislast ist sie nicht nachgekommen (vgl. BayVGH, U. v. 24.11.2011 - 20 B 11.1659 - juris Rn. 28 f.; Tipke/Kruse, AO, Stand: Mai 2016, § 122 Rn. 58 m. w. N.).

Es bedarf in der Regel keiner weiteren Substantiierung, wenn der Empfänger eines mit einfacher Post übermittelten Bescheides behauptet, den Bescheid nicht erhalten zu haben. Denn anders als bei der Behauptung eines späteren Zugangszeitpunkts bleibt dem Betroffenen, wenn der in Frage stehende Verwaltungsakt überhaupt nicht zugegangen ist, grundsätzlich nichts anderes übrig, als den Zugang zu bestreiten (vgl. BayVGH, U. v. 22.1.2009 - 4 B 08.1591 - juris Rn. 29).

Bestreitet der Adressat, dass der Bescheid überhaupt zugegangen ist, so kann der entsprechende Nachweis daher nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises, der es genügen lässt, auf einen typischen, nicht aber auf den tatsächlichen Geschehensablauf, abzustellen, geführt werden; die Behörde kann aber einen Indizienbeweis führen (vgl. st. Rspr. des BFH, z. B. BFH, U. v. 14.3.1989 - VII R 75/85 - BFHE 156, 66; U. v. 29.4.2009 - X R 35/08 - BFH/NV 2009, 1777; so auch BayVGH, U. v. 26.1.2000 - 4 B 99.509 - juris Rn. 16). So kann aus bestimmten Verhaltensweisen des Steuerschuldners darauf geschlossen werden, dass er den Bescheid doch erhalten hat, etwa weil er sich auf seinen Inhalt bezieht und sich damit in Widerspruch zu seinen früheren Äußerungen gesetzt hat (vgl. BFH, U. v. 14.1.1992 - VII R 112/89 - juris Rn. 18 ff.).

Bestimmte Verhaltensweisen des Antragstellers, aus denen indiziell zu schließen wäre, er habe den Gewerbesteuerbescheid vom 28. Juni 2006 tatsächlich erhalten, kann das Gericht nach summarischer Prüfung im Eilverfahren jedoch nicht feststellen. Umstände, aus denen auf eine Zugangsvereitelung und auf Verstöße gegen Mitwirkungspflichten des Empfängers (vgl. BayVGH, U. v. 22.1.2009 - 4 B 08.1591 - juris Rn. 29) geschlossen werden könnte, sind substantiiert weder vorgetragen worden noch ansonsten ersichtlich, ebenso wenig wie widersprüchliches Verhalten des abgabepflichtigen Antragstellers.

Der Gewerbesteuerbescheid vom 28. Juni 2006 wurde an die Adresse „... Ring 72“ in ... versandt. Laut der vom Kreisverwaltungsreferat ausgestellten Erweiterten Meldebescheinigung (Anlage K7 der Gerichtsakte) hat der Antragsteller dort nie gewohnt; das Einzugsdatum entspricht dem Auszugsdatum 1. März 2006. Danach hat sich der Antragsteller erst im Jahr 2009 wieder beim Einwohnermeldeamt angemeldet. Dass der Antragsteller tatsächlich nicht unter dieser Anschrift gewohnt hat, stützen auch die Gründe des Urteils des Landgerichts München I vom 12. Dezember 2007, in denen geschildert wird, dass es vor der Verhaftung des Antragstellers im Oktober 2006 zu Unstimmigkeiten in der Ehe des Antragstellers und einer zeitweiligen Trennung gekommen sei und der Antragsteller keinen festen Wohnsitz mehr gehabt habe. Auch der Antragsgegnerin war der Aufenthalt des Antragstellers zeitweise unbekannt. Bereits aus der Einwohnermeldeamtabfrage vom 31. Januar 2007 ergab sich, dass der Antragsteller nur einen Tag, nämlich am 1. März 2006, unter der Anschrift „... Ring 72“ gemeldet war (vgl. Bl. 73 der Rückstandsakte).

Weiter hat der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 19. August 2014 nach seiner Bevollmächtigung zunächst ausgeführt, dass der Antragsteller entsprechende Bescheide nie erhalten habe (vgl. Bl. 293 der Rückstandsakte) sowie auch der jetzige Bevollmächtigte bei der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 1. Dezember 2015 zunächst um die Übersendung der Bescheide gebeten hat, da der Antragsteller diese nicht erhalten habe. Der Antragsteller hat zwar mit Schreiben vom 2. Januar 2008 die Gewerbesteuerforderungen 2003 und 2004 erwähnt. Jedoch bezog er sich auf den erhaltenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Dass er laut seinem Schreiben „davon ausgeht“, dass die Antragsgegnerin die Steuern für das Jahr 2003 und 2004 geschätzt hat, spricht ebenfalls dafür, dass der Antragsteller den Bescheid vom 28. Juni 2006 nicht erhalten hat. Demgegenüber kann ein geeignetes Indiz für den von der Behörde geltend gemachten Zugang nicht allein darin gesehen werden, dass der betroffene Beteiligte sich passiv verhält und Vollstreckungsmaßnahmen rügelos hingenommen hat. Es reicht nicht aus, wenn ein Steuerpflichtiger über den Zeitraum von mehreren Jahren mehrfach die Gelegenheit gehabt hat, den Nichtzugang des betreffenden Steuerbescheids geltend zu machen (vgl. FG München, U. v. 12.9.2013 - 10 K 3728/10 - juris Rn. 21; BFH, U. v. 14.3.1989 - VII R 75/85 - juris Rn. 18).

Insgesamt lässt sich daher aus seinen Äußerungen und Handlungen nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass ihm der Bescheid jemals zugegangen ist.

Demgemäß kann der Zugang des Gewerbesteuerbescheides vom 28. Juni 2006 nicht nachgewiesen werden, so dass dieser nicht wirksam geworden ist. Dementsprechend sind auch keine Säumniszuschläge angefallen, die die Antragsgegnerin vollstrecken kann.

Dem Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO ist daher stattzugeben.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. dem Streitwertkatalog.

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Finanzgericht München Beschluss, 07. Feb. 2014 - 10 K 3728/10

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(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.

(2) Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.

(3) Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1, L 287, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(4) Steuerliche Nebenleistungen sind

1.
Verzögerungsgelder nach § 146 Absatz 2c,
2.
Verspätungszuschläge nach § 152,
3.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 und 4a,
3a.
Mitwirkungsverzögerungsgelder nach § 200a Absatz 2 und Zuschläge zum Mitwirkungsverzögerungsgeld nach § 200a Absatz 3,
4.
Zinsen nach den §§ 233 bis 237 sowie Zinsen nach den Steuergesetzen, auf die die §§ 238 und 239 anzuwenden sind, sowie Zinsen, die über die §§ 233 bis 237 und die Steuergesetze hinaus nach dem Recht der Europäischen Union auf zu erstattende Steuern zu leisten sind,
5.
Säumniszuschläge nach § 240,
6.
Zwangsgelder nach § 329,
7.
Kosten nach den §§ 89, 89a Absatz 7 sowie den §§ 178 und 337 bis 345,
8.
Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union,
9.
Verspätungsgelder nach § 22a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes und
10.
Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes.

(5) Das Aufkommen der Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union steht dem Bund zu. Das Aufkommen der übrigen Zinsen steht den jeweils steuerberechtigten Körperschaften zu. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89 steht jeweils der Körperschaft zu, deren Behörde für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89a Absatz 7 steht dem Bund und dem jeweils betroffenen Land je zur Hälfte zu. Das Aufkommen der Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes steht dem Bund zu. Die übrigen steuerlichen Nebenleistungen fließen den verwaltenden Körperschaften zu.

(1) Dieses Gesetz gilt für alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Es ist nur vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union anwendbar.

(2) Für die Realsteuern gelten, soweit ihre Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist, die folgenden Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend:

1.
die Vorschriften des Ersten, Zweiten, Vierten, Sechsten und Siebten Abschnitts des Ersten Teils (Anwendungsbereich; Steuerliche Begriffsbestimmungen; Datenverarbeitung und Steuergeheimnis; Betroffenenrechte; Datenschutzaufsicht, Gerichtlicher Rechtsschutz in datenschutzrechtlichen Angelegenheiten),
2.
die Vorschriften des Zweiten Teils(Steuerschuldrecht),
3.
die Vorschriften des Dritten Teils mit Ausnahme der §§ 82 bis 84(Allgemeine Verfahrensvorschriften),
4.
die Vorschriften des Vierten Teils(Durchführung der Besteuerung),
5.
die Vorschriften des Fünften Teils(Erhebungsverfahren),
6.
§ 249 Absatz 2 Satz 2,
7.
die §§ 351 und 361 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3,
8.
die Vorschriften des Achten Teils(Straf- und Bußgeldvorschriften, Straf- und Bußgeldverfahren).

(3) Auf steuerliche Nebenleistungen sind die Vorschriften dieses Gesetzes vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union sinngemäß anwendbar. Der Dritte bis Sechste Abschnitt des Vierten Teils gilt jedoch nur, soweit dies besonders bestimmt wird.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Berichtigung der Sitzungsniederschrift vom 12. September 2013 wird abgelehnt.

Tatbestand

I. Mit Urteil vom 12. September 2013 (Az. 10 K 3728/10) – aufgrund mündlicher Verhandlung – hat das Finanzgericht München (FG) der Klage der Kläger zum großen Teil entsprochen und die Einkommensteuerfestsetzungen für 1997 und 1998 herabgesetzt. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 28. Oktober 2013 zugestellt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Mit Beschluss vom 20. August 2013 hat das FG das Verfahren wegen der Einkommensteuer 2002 aus dem Verfahren 10 K 3728/10 abgetrennt; das Verfahren wegen der Einkommensteuer 2002 wurde fortan unter dem Az. 10 K 2411/13 geführt. Mit Urteil vom 10. Oktober 2013 (Az. 10 K 2411/13) hat das FG aufgrund mündlicher Verhandlung die Klage der Kläger wegen der Einkommensteuer 2002 in vollem Umfang abgewiesen. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt; mit Schreiben vom 14. November 2013 wurde es zur Zustellung zur Post gegeben. Gegen dieses Urteil wegen der Einkommensteuer 2002 wurde von den Klägern Nichtzulassungsbeschwerde erhoben (Az. III B 154/13).

Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 12. September 2013 wurde an den Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Brief vom 17. September 2013 bekannt gegeben. In dieser mündlichen Verhandlung fand eine Beweisaufnahme u.a. durch die Vernehmung des Finanzbeamten [… XY] als Zeugen statt. Grundlage der Beweisaufnahme war der Beweisbeschluss vom 7. August 2013 mit dem Beweisthema „Es ist Beweis zu erheben über die Bekanntgabe der Prüfungsanordnungen für den Prüfungszeitraum 1997 bis 2002 an die Klägerin“.

Mit einem an den Vorsitzenden des Senats gerichteten Schreiben vom 29. September 2013, das beim FG am 31. Oktober eingegangen ist, hat die Klägerin erstmals vorgetragen, dass die Niederschrift vom 17. September 2013 unrichtig – unvollständig – sei. Sie trägt wörtlich vor: „In der Niederschrift […] wurde Ihre wichtige Frage an Herrn [… XY]: ‚ Herr [… XY] haben Sie den Niederschrift der Prüfung vom 16.12.2005 unterschrieben’ nicht erfasst“ (Originalzitat). Und auch die Antwort „ja ich habe die Niederschrift unterschrieben“ sei in der Sitzungsniederschrift nicht enthalten. Gleichlautende Schreiben wurden an die anderen Berufsrichter und ehrenamtlichen Richter, die an der dem Urteil zugrundeliegenden mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, gerichtet.

Zu diesem Antrag wurden der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, der Beklagte, vertreten durch seinen Sitzungsvertreter und der Zeuge [… XY] angehört. Der Zeuge [… XY] hat mit Schreiben ohne Datum (Eingang beim FG: 18. November 2013) ausgeführt, dass er nicht mit Sicherheit sagen kann, ob diese Frage so explizit gestellt worden sei und er sich nur an die Frage, ob die Klägerin die Niederschrift unterzeichnet habe, erinnere. Der Sitzungsvertreter des Finanzamts hat mit Schreiben vom 12. November 2013 erklärt, dass er sich nicht erinnern könne, dass die von der Klägerin genannte Frage gestellt worden sei. Mit Schreiben vom 22. November 2013 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger erklärt, dass nach Besprechung mit seinen Mandanten wie folgt Stellung genommen werde: Die Kläger hätten mit dem Schreiben nur ihre Meinung zum Ausdruck bringen wollen. Es sei aber weder ein Antrag auf Protokollberichtigung noch auf Urteilsberichtigung gestellt worden. Weiteres sei nicht veranlasst.

Mit Schreiben vom 25. November hat der Senatsvorsitzende dem Prozessbevollmächtigten der Kläger und dem Finanzamt mitgeteilt, dass nach dem Schreiben vom 22. November 2013 nichts weiter veranlasst sei.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2014 an den Senatsvorsitzenden (sowie wiederum an die übrigen mit dem Urteil befassten Berufsrichter und ehrenamtlichen Richter) rügt die Klägerin, dass sie noch keine Antwort auf ihr Schreiben vom 28. Oktober 2013 (sic!) betreffend die Niederschrift am 17. September (sic!) Az. 10 K 3728/10 zum Urteil vom 24. Oktober 2013 (sic!) erhalten habe. Außerdem wiederholt sie das Vorbringen, dass die Sitzungsniederschrift zu berichtigen ist. Am 12. September 2013 um 15.52 Uhr sei von ihrem Prozessbevollmächtigten an den Zeugen [… XY] die Frage „Herr [… XY] haben sie die Niederschrift der Prüfung vom 16.12.2005 unterschrieben“ gestellt worden und die Antwort des Zeugen hierauf habe gelautet, „Ja ich habe die Niederschrift unterschrieben“. Frage und Antwort seien nicht in der Niederschrift erfasst. Diesem Schreiben der Klägerin ist ein Schreiben an ihren Prozessbevollmächtigten vom 14. November 2013 beigefügt, in dem sie diesem mitteilt, dass sie mit dem Urteil betreffend die Einkommensteuer 2002 nicht einverstanden sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Sitzungsniederschrift vom 12. September 2013 wegen einer Unrichtigkeit zu berichtigen und die Frage von ihrem Prozessbevollmächtigten an den Zeugen [… XY] „Herr [… XY] haben sie die Niederschrift der Prüfung vom 16.12.2005 unterschrieben“ und die Antwort des Zeugen hierauf, „Ja ich habe die Niederschrift unterschrieben“ in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen.

Gründe

II. Der Antrag auf Protokollberichtigung hat keinen Erfolg.

1. Die Berichtigung der Sitzungsniederschrift gemäß § 94 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 164 Zivilprozessordnung (ZPO) erfolgt von Amts wegen oder auf Antrag: Ein erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung – und damit verspätet – gestellter Antrag auf Protokollergänzung (§ 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO) kann u.U. als Berichtigungsantrag behandelt werden (Wendtland in Vorwerk/Wolf, Beck’scher Online-Kommentar ZPO, § 164 Rz. 6 [Jan. 2014]). Die Berichtigung kann nach § 164 Abs 1 ZPO jederzeit erfolgen und ist bis zum Eintritt der Rechtskraft in der Hauptsache möglich (Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl. 2005, § 164 Rz. 2; Wendtland in Vorwerk/Wolf, Beck’scher Online-Kommentar ZPO, § 164 Rz. 7 [Jan. 2014]; BFH-Beschluss vom 22. März 2011 X B 198/10, BFH/NV 2011, 1166 unter II.4. der Gründe).

Nach diesem Maßstab hat der Antrag auf Protokollberichtigung zum einen schon deshalb keinen Erfolg, weil das Urteil auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. September 2013 (Az. 10 K 3728/10) bereits rechtskräftig ist. Damit fehlt dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 1166 unter II.4. der Gründe).

2. Außerdem hat der Protokollberichtigungsantrag auch deshalb keinen Erfolg, weil die Sitzungsniederschrift vom 12. September 2013 nicht unrichtig ist.

a) Für die Frage, ob ein Protokoll unrichtig ist, kommt es darauf an, ob aus der Sicht des Verhandlungstermins, auf den sich das Protokoll bezieht, der Vorgang protokollierungspflichtig ist (BFH-Beschluss vom 21. August 2007 X S 16/07 (PKH), BFH/NV 2007, 2316). Das Protokoll braucht nur den äußeren Ablauf der Verhandlung wiederzugeben, nicht deren gesamten Inhalt. Hierzu gehören die in § 160 Abs. 1 ZPO bezeichneten Formalien, die in Abs. 3 dieser Vorschrift benannten Vorgänge sowie die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung i.S. von § 160 Abs. 2 ZPO. Wesentlich i.S. von § 160 Abs. 2 ZPO sind alle entscheidungs- und ergebniserheblichen Vorgänge, damit sich die Rechtsmittelinstanz im Einzelfall von der Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens effektiv überzeugen kann. Hingegen ist nicht notwendig die Aufnahme dessen, was nur theoretisch möglicherweise von Bedeutung werden könnte, zumal die Beteiligten es gemäß § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO in der Hand haben, bis zum Schluss der Verhandlung den Antrag zu stellen, bestimmte Vorgänge oder Äußerungen in das Protokoll aufzunehmen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 2316).

b) Bekundungen von Zeugen (§ 82 FGO i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO) sind in der Reihenfolge zu protokollieren, in der sie der Zeuge gemacht hat (vgl. § 82 FGO i.V.m. § 396 Abs 1 ZPO), so dass auch mögliche Widersprüche in der Chronologie der Sitzungsniederschrift nachvollzogen werden können. Eine wortwörtliche Wiedergabe der Zeugenaussage ist nicht erforderlich, kann im Einzelfall aber geboten sein, etwa dann, wenn es gerade auf den genauen Wortlaut der Bekundung – z.B. bei Wiedergabe der Erklärung eines Dritten – ankommt, oder auch bei Beeidigung (§ 82 FGO i.V,m. § 391 ZPO). Auch in den Fällen, in denen der Zeuge eine vorangegangene Aussage berichtigt bzw. verändert, ist eine wörtliche Protokollierung der vorangegangenen und der anschließend geänderten Bekundung zum Zweck der Beweiswürdigung und deren Nachvollziehbarkeit in der Rechtsmittelinstanz (§ 118 FGO) geboten. Aus demselben Grund sollten in die Sitzungsniederschrift auch für die Würdigung der Aussage bedeutsame Begleitumstände der Bekundungen des Zeugen, wie etwa von ihm gezeigte Anzeichen von Nervosität, Unsicherheit, sonstige Körpersprache und Ähnliches aufgenommen werden (Wendtland in Vorwerk/Wolf, Beck’scher Online-Kommentar ZPO, § 160 Rz. 15 [Jan. 2014]).

c) Nach diesem Maßstab gehören die von der Klägerin behauptete Frage und auch die behauptete Antwort gar nicht zu den Vorgängen, die gemäß § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO zu protokollieren gewesen wären. Bereits die behauptete Frage an den Zeugen [… XY], ob er die Niederschrift vom 16. Dezember 2005 – im Rahmen der Betriebsprüfung bei der Klägerin – unterschrieben hat, hat mit dem Beweisthema, der Bekanntgabe der Prüfungsanordnungen, nichts zu tun. Auch der Erfolg der Kläger resultierte aus der fehlenden Bekanntgabe der Prüfungsanordnung für den auf die Jahre 1997 und 1998 erweiterten Prüfungszeitraum und eines Beweisverwertungsverbots. Ein Verhalten des Betriebsprüfers während der steuerlichen Außenprüfung war also auch gar nicht geeignet, in die Beweiswürdigung einzufließen. Soweit die Klage ohne Erfolg geblieben ist, hatte dies verfahrensrechtliche Gründe. Damit hatte die gesamte Beweisaufnahme durch die Zeugeneinvernahme auch keine Relevanz für die teilweise Klageabweisung. […]

4. Für die Ablehnung des Protokollberichtigungsantrages ist der Senatsvorsitzende, als derjenige Richter, der das Protokoll unterschrieben hat, zuständig (§ 94 FGO i.V.m. § 164 Abs. 3 Satz 2 ZPO; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 94 FGO Rz. 13 [Jan. 2012]. Gegen die Ablehnung des Antrags auf Protokollberichtigung ist kein Rechtsmittel gegeben (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 94 FGO Rz. 13 [Jan. 2012]; BFH-Beschlüsse vom 12. September 2005 VII B 183/05, BFH/NV 2006, 102; vom 22. März 2011 X B 198/10, BFH/NV 2011, 1166).

5. Sofern der Antrag der Klägerin – wie dies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in seinem Schreiben vom 22. November 2013 angedeutet hat – auch als ein Antrag auf Tatbestandberichtigung i.S. des § 108 FGO ausgelegt werden könnte, wäre auch dieser Antrag nach Rechtskraft des Urteils mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig (Brandis in Tipke/ Kruse, AO/FGO, § 108 FGO Rz. 6 [Aug. 2013]).

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.