Verwaltungsgericht München Beschluss, 25. Nov. 2014 - M 1 S 14.50593


Gericht
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht München
Aktenzeichen: M 1 S 14.50593
Beschluss
vom
1. Kammer
Sachgebiets-Nr. 810
Hauptpunkte:
Dublin-III-Verordnung;
Unzulässiger Asylantrag;
Abschiebung nach Italien
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
..., geb. ... alias ..., geb. ...
- Antragsteller -
gegen
Bundesrepublik Deutschland vertreten durch: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Außenstelle München
- Antragsgegnerin -
wegen Vollzugs des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG)
hier: Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer,
durch den Richter am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge jordanischer Staatsangehöriger und reiste im Mai 2014 in das Bundesgebiet ein. Er beantragte hier am
Bei seiner Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 15. Juli 2014 gab er an, in Italien keinen Asylantrag gestellt zu haben. Ein Wiederaufnahmegesuch des Bundesamts nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-Verordnung) beantwortete das italienische Innenministerium mit Schreiben vom 25. August 2014. Darin erklärte sich diese italienische Behörde für das Asylverfahren des Antragstellers nach dieser Verordnung für zuständig (Bl. 74 d. Behördenakte).
Mit Bescheid vom
Am ... Oktober 2014 erhob der Antragsteller Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Bundesamts
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung trägt er vor, eine Rückkehr nach Italien, das sich selbst in einer Krise befinde, sei für ihn unzumutbar. Asylbewerber hätten dort keine Chance auf ein faires Verfahren. Ihre Behandlung dort entspreche nicht einmal den Mindeststandards. Er sei geflohen, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Vor dem jordanischen Geheimdienst, der offiziell in Italien arbeite, sei er nicht sicher. Er habe Angst, dort sein Leben zu verlieren. Die Chance sei sehr hoch, dass man ihn nach Jordanien zurückschicke.
In einem Schreiben vom ... November 2014 trägt er ergänzend im Wesentlichen vor, das italienische Asylverfahren und die dortigen Aufnahmebedingungen seien mit systemischen Mängeln behaftet und völlig prekär. Es drohten Obdachlosigkeit und unmenschliche Lebensbedingungen, zudem der Verlust des Anspruchs auf Gesundheitsversorgung. Das stehe im Widerspruch zu europäischem Recht. Verschiedene deutsche Verwaltungsgerichte seien der Auffassung, dass Asylbewerber in Italien einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt würden. Auch das Bundesverfassungsgericht erkenne dort prekäre Lebensbedingungen für Asyl- und Schutzsuchende an, ebenso der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner aktuellen sog. „Tarakhel“-Entscheidung. Die dortigen Ausführungen seien zwar zum Fall einer Familie ausgeführt worden, müssten aber auch für ihn gelten. Er habe ein Recht darauf, dass Deutschland zu seinen Gunsten ein Selbsteintrittsrecht ausübe. Der Bescheid des Bundesamtes enthalte insofern einen Ermessensausfall. Er habe in Italien keinen Asylantrag gestellt.
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
An der Rechtmäßigkeit der auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützten Abschiebungsanordnung bestehen keine Zweifel. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (vgl. § 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Antragsteller in Italien bereits einen Asylantrag gestellt hat, da sich dieser Mitgliedstaat mit Schreiben vom
Gründe, gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-Verordnung von einer Überstellung nach Italien abzusehen, sind nicht ersichtlich.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. BayVGH, U.v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris m. w. N.). Dabei begründet auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, noch keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (VGH BW, U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris).
Etwas anderes ergibt sich nach Auffassung der Kammer auch nicht aus dem vom Kläger dem Gericht übermittelten ergänzenden Schreiben vom ... November 2014. Das gilt insbesondere für die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in der oben genannten Entscheidung verneinten Misstände in Italien und damit zugleich der Gefahr, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (BayVGH a. a. O. Rn. 41). Auch aus dem vom Klägerbevollmächtigten herangezogenen Verfahren Tarakhel ./. Schweiz, in dem am 4. November 2014 ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ergangen ist (Az. 29217/12
Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts notwendig machen, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Die vom Antrag hierzu vorgetragenen Einwände überzeugen in Hinblick auf die oben genannte obergerichtliche Rechtsprechung nicht.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
...


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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.