Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 23. Mai 2017 - 8 B 223/17
Gericht
Gründe
- 1
Der nach eigenen Angaben aus Somalia stammende Antragsteller wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.04.2017, mit welchem der Asylantrag des Antragstellers gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt und die Abschiebung in den Herkunftsstaat oder einem anderen aufnahmebereiten oder aufnahmepflichtigen Staat angedroht wurde. Denn der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass er aus Somalia stamme.
- 2
Die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung geht zulasten des Antragstellers aus. Denn der vorläufige Rechtsschutzantrag ist bereits wegen Verfristung unzulässig.
- 3
Ausweislich des Eingangsstempels und des Nachweises im elektronischen Verwaltungsvorgang ist der streitbefangene Bescheid den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 13.04.2017 zugestellt worden. Die einwöchige Klage- und Antragsfrist lief somit bis zum 20.04.2017. Am 25.04.2017 erhob der Kläger selbst durch Fax beim erkennenden Gericht Klage (8 A 214/17 MD). Der Prozessbevollmächtigte erhob durch Fax am 02.05.2017 erneut Klage (8 A 222/17 MD) und stellte den hier zu entscheidenden Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (8 B 223/17 MD). Wegen der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung in dem Bescheid, nämlich soweit es heißt, dass die Klage „in deutscher Sprache abgefasst sein“ müsse, laufe die Jahresfrist.
- 4
Dazu ist bereits anzuführen, dass sich der betreffende Hinweis nach Wortlaut und Aufbau in der Rechtsbehelfsbelehrung eindeutig nur auf den Rechtsbehelf der Klage bezieht; hinsichtlich des hier zu entscheidenden Eiantrages nach § 80 Abs. 5 VwGO wird ohne diesen Zusatz nur auf das genannte Verwaltungsgericht und die Wochenfrist verwiesen, in dem es heißt:
- 5
„Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO kann innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieses Bescheides bei dem oben genannten Verwaltungsgericht gestellt werden.“
- 6
Demnach kann der bezüglich der Klage benutzte Hinweis nicht als Rechtfertigung für eine Irrtumserregung beim Adressaten hinsichtlich des Eilantrages herangezogen werden. Denn die diesbezügliche zitierte Belehrung ist zweifellos zutreffend und rechtlich beanstandungsfrei. Beide Belehrungen sind auch selbständig nebeneinander in einer Rechtsbehelfsbelehrung zulässig und eindeutig unterscheidbar. Auch ist diesem Teil der Belehrung die Abfassung des genannten „Antrages“ - und eben nicht der Klage - in „deutscher Sprache“ hineinzulesen, wäre abwegig. Insofern wird der Unterschied zwischen „Klage“ und „Antrag“ nach Wortlaut und Aufbau der Rechtsbehelfsbelehrung eindeutig erkennbar. So bereits das erkennende Gericht im Beschluss v. 28.02.2017 (8 B 84/17 MD; juris). Dies übersieht die vom VG Gelsenkirchen (Beschluss v. 30.01.2017, 15a L 3029/16.A; juris), vom VG Augsburg (Beschluss v. 03.12.2014, Au 7 S 14.50321; juris) und vom VG B-Stadt (Beschluss v. 15.09.2016, 3 B 4870/16; juris) vertretene Rechtsansicht.
- 7
Der Eilantrag ist damit verfristet. Gründe für eine Wiedereinsetzung sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
- 8
Im Übrigen und mit Verweis auf das anhängige Klageverfahren (8 A 214/17 MD) weist das Gericht darauf hin, dass es nicht der vom Antragsteller mit Berufung auf das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 18.04.2017 (A 9 S 333/17; juris) vertretenen Rechtsansicht folgt, wonach eine Rechtsbehelfsbelehrung mit dem Hinweis, dass die Klage "in deutscher Sprache abgefasst sein" muss, unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO sei. Diese Formulierung ist nicht geeignet, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (zu diesen Voraussetzungen: BVerwG, Urteil v. 21.03.2002, 4 C 2.01; Beschluss v. 03.03.2016, 3 PKH 5.15; juris).
- 9
Die Auslegung dieser vom Bundesamt bundesweit benutzten Formulierung ist zurzeit in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung umstritten. Nach einem Teil der Rechtsprechung ist die Rechtsbehelfsbelehrung geeignet, bei dem Betroffenen den - im Widerspruch zum Gesetz stehenden - Eindruck zu erwecken, dass die Klage gegen den Bundesamtsbescheid bei dem Verwaltungsgericht schriftlich eingereicht werden muss und dass der Betroffene selbst für die Schriftform zu sorgen hat (für Unrichtigkeit: VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 18.04.2017, A 9 S 333/17; VG Augsburg, Beschluss vom 03.12.2014 - Au 7 S 14.50321; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24.06.2016 - 3a K 4187/15.A -; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 28.06.2016 - 22 K 4119/15.A; VG B-Stadt, Beschluss vom 15.09.2016 - 3 B 4870/16; juris; VG Meiningen, Beschluss vom 21.12.2016 - 5 E 21517/16 Me; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 30.01.2017 - 15a L 3029/16.A ; gegen Unrichtigkeit: VG Oldenburg, Beschluss vom 20.10.2016 - 15 B 5090/16; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 15.11.2016 - 14a L 2496/16.A - VG Berlin, Beschlüsse vom 24.01.2017 - 21 K 346.16 A und vom 16.11.2016 - 6 L 1249.16A; VG Saarland, Urteil vom 19.12.2016 - 3 K 2501/16; VG Hamburg, Beschluss vom 11.01.2017 - 4 AE 94/17; alle juris).
- 10
Der Hinweis auf die Abfassung der Klage in „deutscher Sprache“ ist nicht geeignet, bei dem Betreffenden einen Irrtum dahingehend hervorzurufen, dass die Klage nur schriftlich einzureichen ist und er von einer mündlichen Klageeinreichung durch Niederschrift vor Gericht abgehalten wird. Sinn und Zweck dieses Hinweises ist allein der, den Ausländer von der – nach § 55 VwGO, § 184 Satz 1 GVG - unzulässigen Einreichung einer in seiner Heimatsprache verfassten Klage abzuhalten. Aus diesem Service zu lesen, der Adressat und potenzielle Rechtssuchende müsse selbst für die „Schriftform“ sorgen, erscheint dem Gericht nicht nachvollziehbar. Denn eine solche Auslegung würde auch die Möglichkeit des Gedankens aufkommen lassen, dass sich der Adressat keiner fremden, wie bevollmächtigten Hilfe bedienen dürfte. Die Entstehung eines solchen - dem Rechtsverkehr völlig abwegigen – Irrtums, vermag das Gericht nicht zu glauben; jedenfalls wäre das Berufen auf einen solchen Irrtum nicht schutzwürdig, weil vermeidbar.
- 11
Zu Recht weist der VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil v. 18.04.2017 (A 9 S 333/17; juris) darauf hin, dass entscheidend sei, „welche Vorstellungen die Formulierung bei lebensnaher Betrachtungsweise bei dem Adressaten eines Asylbescheides auslösen kann.“ (Unterstreichung vom erkennenden Gericht). Von einer lebensnahen Betrachtungsweise kann aber dann nicht ausgegangen werden, wenn die den Irrtum bejahende Rechtsprechung (VGH Baden-Württemberg, a. a. O., m. w. Nachw.) unter Heranziehung grammatikalischer Regelungen und der Syntax der deutschen Sprache ausführt, dass die „passivische Verwendung des Verbs [„abgefasst “] in der Form des Partizips Perfekts bzw. Partizips 2 in Verbindung mit dem Hilfsverb „müssen“ („… muss ... abgefasst sein.") jedenfalls ihrem Wortlaut nach offen lässt, wer es ist, der die Klage in deutscher Sprache abzufassen hat“ und der "passivische Gebrauch des Verbs "abfassen" formal logisch die Möglichkeit einer Klagerhebung zu Protokoll der Geschäftsstelle nicht ausgeschlossen erscheinen lässt, reicht für die Annahme der Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung nicht aus" (VGH Baden-Württemberg, a. a. O.). Richtig führt der VGH Baden-Württemberg (a. a. O.) aus, dass sich "die Rechtsbehelfsbelehrung ausschließlich an den Adressaten des Bescheides richtet" (Unterstreichung vom erkennenden Gericht); indem es dann aber darauf abstellt, dass es genüge, "wenn der unrichtige Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung generell geeignet ist, die Einlegung des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs zu erschweren" (Unterstreichung vom erkennenden Gericht), besteht zumindest ein gewisser Widerspruch. Denn zur Überzeugung des erkennenden Gerichts wird der Asylbewerber der deutschen Sprache nicht mächtig sein und sich derartigen grammatikalischen und der Satzlehre entsprechenden Überlegungen nicht hingeben, sondern im Zweifelsfall bei dem ordnungsgemäß bezeichneten Gericht nachfragen.
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen.
(2) Ein Asylantrag ist insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält.
(3) Ein unbegründeter Asylantrag ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn
- 1.
in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird, - 2.
der Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert, - 3.
er unter Angabe anderer Personalien einen weiteren Asylantrag oder ein weiteres Asylbegehren anhängig gemacht hat, - 4.
er den Asylantrag gestellt hat, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden, obwohl er zuvor ausreichend Gelegenheit hatte, einen Asylantrag zu stellen, - 5.
er seine Mitwirkungspflichten nach § 13 Abs. 3 Satz 2, § 15 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 oder § 25 Abs. 1 gröblich verletzt hat, es sei denn, er hat die Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht zu vertreten oder ihm war die Einhaltung der Mitwirkungspflichten aus wichtigen Gründen nicht möglich, - 6.
er nach §§ 53, 54 des Aufenthaltsgesetzes vollziehbar ausgewiesen ist oder - 7.
er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer gestellt wird oder nach § 14a als gestellt gilt, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind.
(4) Ein Asylantrag ist ferner als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Abs. 2 vorliegen oder wenn das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.
(5) Ein beim Bundesamt gestellter Antrag ist auch dann als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn es sich nach seinem Inhalt nicht um einen Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 handelt.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
§§ 169, 171a bis 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Öffentlichkeit, Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung finden entsprechende Anwendung.
Die Gerichtssprache ist deutsch. Das Recht der Sorben, in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung vor Gericht sorbisch zu sprechen, ist gewährleistet.