Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 17. März 2016 - 7 A 252/15
Gericht
Tatbestand
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Der Kläger, vertreten durch seine Eltern, begehrt die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Besuch einer Schule außerhalb seines Schulbezirks.
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Der Kläger ist wohnhaft im Schulbezirk der Grundschule Z.. Er besucht derzeit die Kindertagesstätte ("Kita") "R. E." im Schulbezirk der Grundschule R.. Zum Schuljahr 2016/2017 wird der Kläger schulpflichtig.
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Die Eltern des Klägers beantragten am 01.03.2014 eine Ausnahmegenehmigung zum Besuch einer Schule außerhalb des Schulbezirks, nämlich an der Grundschule R.. Sie begründeten dies mit einer gesundheitlichen Problematik des Klägers. Er leide seit seiner Geburt an Bronchial Asthma, Pseudokrupp und chronischer Bronchitis sowie an einer durch Hörprobleme verursachten logopädisch betreuten Sprachstörung. Durch ärztliche Betreuung und medikamentöse Behandlung sei eine Stabilisierung des Klägers gelungen. Für die weitere Entwicklung des Klägers sei es erforderlich, dass er in seinem sozialen Umfeld verbleiben könne. Dies könne nur dann erreicht werden, wenn er im Anschluss an den Kindergarten die Schule in R. besuchen könne. Hinzu komme die Nähe zur Arbeit der Mutter in R., so dass diese umgehend zur Betreuung des Klägers vor Ort sein könne.
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Im Rahmen ihrer Anhörung trugen die Kläger am 15.04.2014 ergänzend vor, dass der Kläger von Kindern, welche voraussichtlich in die Hortbetreuung der Grundschule Z., des Schulbezirks des Klägers, gehen würden, zuvor in einer Kindertagesstätte wiederholter Gewaltanwendung ausgesetzt gewesen sei und ein weiterer Kontakt mit diesen Kindern eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Weiter wurde über Vorurteile des Lehrkörpers der Grundschule des Schulbezirks gegenüber Kindern aus dem Wohnort des Klägers berichtet sowie von einer verübten Straftat an der Grundschule des Schulbezirks, welche durch mangelnde Aufsicht ermöglicht worden sei.
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Dem Schreiben wurde eine Stellungnahme der behandelnden Praxis für Logopädie beigefügt. Darin wird dem Kläger eine komplexe Sprachentwicklungsstörung bescheinigt, welche sich stark manifestiert habe. Nach dem Kitawechsel habe der Kläger deutliche Fortschritte in der logopädischen Therapie gemacht, welches dem förderlichen Kontakt zu den anderen Kindern zugeschrieben werde. Von einer Einschulung im gleichen sozialen Umfeld wie in der vorangehenden Kita werde abgeraten, da der Kläger sonst immense Rückschritte auf sprachlicher Ebene zu befürchten habe.
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Mit Bescheid vom 01.06.2015 wies der Beklagte den Antrag zurück. Zur Begründung verwies er auf die Festlegung der Schulbezirke gemäß § 41 Abs. 1 Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt („SchulG LSA“). Demnach wohne der Kläger im Schulbezirk der Grundschule Z.. Zur Erfüllung der Schulpflicht sei gemäß § 41 Abs. 1 S. 2 SchulG LSA die Schule zu besuchen, in deren Schulbezirk das Kind wohne. Es liege kein besonderer Grund vor, der eine Ausnahme gemäß Satz 3 dieser Vorschrift rechtfertige. Der Beklagte habe die Schule in Z. zu einer Stellungnahme aufgefordert, worin die Angaben des Klägers zu Vorurteilen abhängig von den Wohnorten und gewaltsamen Vorfällen an der Schule nicht bestätigt worden seien. Der Antrag sei daher abzulehnen gewesen.
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Dieser Bescheid ist dem Kläger am 05.06.2015 zugegangen.
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Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 03.07.2015 Klage erhoben und trägt vor, dass die gesundheitlichen Probleme des Klägers eine besondere elterliche Vorsorge erfordern würden, die aufgrund der Nähe der gewünschten Schule zum Arbeitsort der Kindesmutter gewährt werden könne. Es würden wiederholte Asthmaanfälle des Klägers drohen, die eine notärztliche Versorgung und die Betreuung durch die Mutter des Klägers erfordern würden. Der Kläger könne zudem in seinem Freundeskreis verbleiben, wenn dem Schulwechsel stattgegeben werde. In der zugewiesenen Schule sei zu erwarten, dass er mit Kindern aus seiner vorhergehenden Kita in Kontakt kommen werde. Mit diesen Kindern sei es zuvor zu Gewaltanwendungen gekommen, die insbesondere die körperliche Verfassung des Klägers beeinträchtigt hätten. Darüber hinaus beinhalte die Betreuung des Klägers einen besonderen pädagogischen Bedarf, der in der Schule in R. sichergestellt werden könne, nicht jedoch in der örtlich zuständigen Schule in Z.
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Ergänzend wird eine Einschätzung der derzeitigen Kita des Klägers eingereicht, worin die Kita "R. E." einen Verbleib des Klägers im Umfeld seiner derzeitigen Spielkameraden befürwortet. Der Kläger sei jedem Neuen ängstlich gegenüber und brauche lange, um Vertrauen aufzubauen. Er habe sich zum heutigen Zeitpunkt gut in die Gruppe integriert und eine positive Allgemeinentwicklung genommen. Ein Wechsel würde nach Meinung der Kita einen Rückschritt in der Entwicklung des Klägers und seinem Selbstbewusstsein hervorrufen.
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Der Kläger trägt weiter vor, dass die dargelegten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der damit einhergehende besondere pädagogische Bedarf den Besuch der im Schulbezirk liegenden Schule unzumutbar machen würden. Im November 2015 und im März 2016 sei der Kläger zur Notversorgung in das Klinikum B-Stadt gekommen, da er akute Bauchschmerzen wegen eines Darmverschlusses gehabt habe. Die Ursache für dieses Leiden sei derzeit noch nicht aufgeklärt, könne aber mit dem psychischen Druck und Leiden des Klägers zusammen hängen. Im Februar 2016 sei der Kläger am Gehör operiert worden, um dem Hörverlust von 40 % auf der linken Seite entgegenzuwirken. Zusätzliche Belastungen wie ein Wechsel des sozialen Umfeldes seien daher zu vermeiden. Insofern sei eine Beschulung in der Grundschule R. erforderlich, um den Kläger nicht in seiner Entwicklung einzuschränken. Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang auf einen mündlichen Verzicht des Schulleiters der Grundschule Z., der einen Verzicht auf die Beschulung des Klägers erklärt habe. Weiter wird vorgetragen, dass es andere vergleichbare Fälle gebe, in denen die Ausnahmegenehmigung zum Besuch einer Schule außerhalb des Schulbezirkes bewilligt worden sei und dass insofern der Fall des Klägers gleich gelagert sei. Daher sei die Ausnahmegenehmigung zu erteilen.
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Der Kläger beantragt,
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unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Beklagten vom 01.06.2015 den Beklagten dazu zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Ausnahmegenehmigung zum Besuch einer Schule außerhalb des Schulbezirks zu erteilen,
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hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 01.06.2015 zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Besuch einer Schule außerhalb des Schulbezirks unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er beruft sich zur Begründung auf den Bescheid vom 01.06.2015 und führt weiter aus, dass mit dem Übergang vom Kindergarten an die Grundschule alle Kinder einen Umbruch erfahren würden, das heißt, sie würden mit neuen Eindrücken und Anforderungen konfrontiert (Schule, Unterricht, Tagesablauf, Lehrkräfte und Mitschüler, gesteigerte Anforderungen), welche grundsätzlich das Beibehalten einiger Kindergartenkinder als Mitschüler bei weitem überstrahle. Es werde in jedem Fall zu neuen Freundschaften und Gruppenbildungen in den künftig ersten Klassen und der Schule kommen.
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Eine über allgemeine Umstellungsschwierigkeiten hinausgehende gravierende Verhaltensstörung (mit Krankheitsbild) habe der Kläger nicht geltend gemacht.
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Inwieweit der Wechsel von einem integrativen Kindergarten in einen normalen Kindergarten im April 2014 dem Kläger geholfen habe, logopädische Fortschritte zu erzielen, erschließe sich dem Beklagten aus den Ausführungen des Klägers nicht. Fortschritte würden dementgegen regemäßig durch logopädische Behandlungen erzielt. Der Kläger sei seit dem 29. Januar 2014 in logopädischer Behandlung, so dass sich hierdurch die Fortschritte erklären ließen.
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Den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers sei ausweislich der Ausführungen des Klägers und der ärztlichen Stellungnahme des behandelnden Arztes durch optimale Medikamenteneinstellung begegnet worden, so dass die Gesundheitsproblematik einer Beschulung des Klägers an der zuständigen Schule nichts entgegenstünde. Das Krankheitsbild an sich sei an keine bestimmte Schule gebunden. Die zuständige Schule könne in Notsituationen die notwendigen und geeigneten Schritte und Maßnahmen einleiten. Eine unbedingte Nähe zu den Eltern sei daher nicht erforderlich.
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Bezüglich der vom Kläger angeführten diskriminierenden Behandlung des Klägers bzw. von Schülern aus dem Wohnort des Klägers durch die Grundschule Z. verweist der Beklagte auf die Stellungnahme des Schulleiters der Grundschule Z., wonach es keine Diskriminierungen oder Vorurteile gebe und eine gleiche Behandlung der Kinder unabhängig von ihrem Wohnort gewährleistet werde.
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Sofern der Kläger geltend mache, durch den Besuch der Grundschule Z. mit ehemaligen Kindergartenkindern, mit denen er in einer ehemals besuchten Kindergartenstätte in Auseinandersetzungen geraten sei, wieder zusammen treffe und dies ihm nicht zuzumuten sei, könne dies nicht zu einer Ausnahmegenehmigung führen. Auseinandersetzungen und Schulhofrangeleien, wie sie an jeder Schule im Land hin und wieder vorkommen, werde es immer geben, da Schule letztlich ein Querschnitt der Gesellschaft sei. Das Lehrerkollegium an der Grundschule Z. sei jedoch in der Lage den erforderlichen Aufsichtspflichten nachzukommen und in den vorgenannten Fällen die notwendigen und angemessenen Maßnahmen zu ergreifen.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den von dem Beklagten beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Der Kläger begehrt im Wege der Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Fall VwGO die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung.
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Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung zum Besuch einer Schule außerhalb seines Schulbezirks.
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Nach § 41 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, in der Fassung vom 22.02.2013 ("SchulG LSA") hat der Kläger zur Erfüllung der Schulpflicht grundsätzlich die für seinen Wohnort zuständige Grundschule zu besuchen. Gemäß § 41 Abs. 1 S. 1 SchulG LSA legt der Schulträger mit Zustimmung der Schulbehörde Schulbezirke für die Grundschulen fest. Der Kläger hat zur Erfüllung der ihm obliegenden Schulpflicht demnach grundsätzlich die für seinen Wohnort zuständige Grundschule Z. zu besuchen.
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Dieses Ordnungsprinzip der Zuteilung der Grundschüler auf Schulen abhängig von ihrem Wohnort ist im Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt gesetzlich geregelt und dient der gleichmäßigen Auslastung der Schulen. Es soll ein regional ausgeglichenes und leistungsfähiges Schulangebot geschaffen werden (vgl. auch § 1 Verordnung zur Schulentwicklungsplanung 2014 des Landes Sachsen-Anhalt vom 15.05.2013).
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In Ausnahmefällen kann die Schulbehörde eine Genehmigung zum Besuch einer Schule außerhalb des Schulbezirks erteilen. Die in § 41 Abs. 1 Satz 3 SchulG LSA vorgesehene Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung führt jedoch nicht zu einem Wahlrecht der betroffenen Schüler und Eltern. Vielmehr ist im Rahmen der Ermessensausübung darauf zu achten, dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis gewahrt bleibt und die vom Schulträger vorgenommene Einteilung der Schulbezirke nicht praktisch leer läuft (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.08.2007, Az: 3 M 224/07, veröffentlicht in juris). Schulorganisatorischen Gründen ist von Gesetzes wegen grundsätzlich der Vorrang einzuräumen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.12.2008, 3 M 554/08, veröffentlicht in juris). Aufgrund dessen kommt die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ausschließlich dann in Betracht, wenn im Einzelfall Gründe bestehen, die für die Betroffenen ein Festhalten an dem vorgegebenen Ordnungssystem unzumutbar erscheinen lassen. Ausnahmen vom Besuch der zuständigen Schule können folglich gemäß § 41 Abs. 1 Satz 3 SchulG LSA nur in Härtefällen gestattet werden, d.h. es müssen besondere Umstände hinzutreten, welche die Annahme eines Härtefalles rechtfertigen.
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Das OVG Sachsen-Anhalt zeigt in der bereits angeführten Entscheidung auf, dass die Annahme eines Härtefalles grundsätzlich in Abhängigkeit zu den gegebenen Umständen des Einzelfalles steht und eine generelle Aussage diesbezüglich nicht getroffen werden kann. Bei der wertenden Betrachtung sind das Wohl des Kindes sowie Gründe in der Person der Eltern, welche als Erziehungsberechtigte durch die Verfassung geschützt werden, zu berücksichtigen. Allgemein mit der Beschulung auftretende Verhältnisse und Schwierigkeiten, stellen grundsätzlich keine solche Ausnahmesituation dar (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.07.2010, Az: 3 M 361/10, veröffentlicht in juris). Bloße Unbequemlichkeiten oder Schwierigkeiten, von denen eine Vielzahl von Kindern und Eltern aufgrund des Umstandes, dass ein Schulbezirk festgelegt worden ist, in gleicher oder ähnlicher Weise betroffen sind, können einen Härtefall nicht begründen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.08.2007, a. a. O.). Ebenso wenig sind ein etwaig erhöhter Betreuungsaufwand und sonstige Erschwernisse im privaten und beruflichen Alltag, die durch ein Festhalten am Schulbezirkssystem bedingt sind, ausreichend, sondern als regelmäßige Nachteile hinzunehmen.
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Ein Härtefall ist dann anzunehmen, wenn der Besuch der vorgesehenen Schule aus pädagogischen oder persönlichen Gründen unzumutbar erscheint (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20.08.2008, Az: 3 M 536/08). Dabei ist das öffentliche Interesse der Planungssicherheit durch die festgelegten Schulbezirke gegen das private Interesse der Eltern und Schüler abzuwägen. Ein Grund zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung kann dann gegeben sein, wenn die Bindung an die zuständige Schule mit Nachteilen verbunden ist, die nur einzelne Schüler treffen und die so gewichtig sind, dass das öffentliche Interesse an einer planvollen Gestaltung der regionalen Schulorganisation zurückstehen muss. Dabei müssen die Nachteile, die der Schüler bei dem Besuch der zuständigen Pflichtschule zu erleiden hätte, ungleich schwerer wiegen, als das öffentliche Interesse an einer sinnvollen Verteilung der Schüler durch die Einhaltung der Schulbezirke (vgl. VG Darmstadt, Beschluss vom 12.08.2009, Az: 7 L 840/09.DA, 3, veröffentlicht in juris).
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Die vom Kläger vorgebrachten Gründe tragen eine solche - individuelle - Ausnahme nach § 41 Abs. 1 Satz 3 SchulG LSA nicht.
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Der Einwand des Klägers, er wolle die Schule in R. besuchen, weil seine Freunde diese Schule besuchen und er so in seinem sozialen Umfeld bleiben könne, begründet keinen eine Ausnahme rechtfertigenden Härtefall, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung seiner sprachlichen Einschränkungen. Dass Schüler von der Kita in eine Grundschule wechseln und sich in einem neuen Klassenverband zurechtfinden müssen, ist eine jeden Schulanfänger in dieser Lage treffende Herausforderung, die zu bestehen grundsätzlich jedem Schüler zugemutet wird. Das gilt auch dann, wenn der Schulbesuch an der neuen Schule zu einer Trennung von einem Großteil der bisherigen Freunde und Kitakameraden führt. Denn in den künftig ersten Klassen aller Grundschulen werden Schulanfänger aus verschiedenen Kitas und sozialen Umfeldern beschult. Das hat zwangsläufig zur Folge, dass die Gruppenstrukturen der Kitas in keinem Fall mehr weiter bestehen werden, so dass stets eine Umbruchsituation eintritt. Damit wird es in jedem Fall zur Bildung neuer Gruppen und Freundschaften kommen. Dies gilt auch für diejenigen Kinder, die unter einer Sprachbeeinträchtigung leiden (vgl. auch VG Magdeburg, Beschluss vom 12.08.2015, Az: 7 B 236/15). Das Gericht verkennt nicht, dass das Vorhandensein einer Sprachstörung – dem der Kläger durch den regelmäßigen Besuch eines Logopäden entgegenwirkt – im neuen Klassenverband eine zusätzliche Belastung darstellen kann. Ein Härtefall im Sinne des Gesetzes ergibt sich hieraus jedoch gleichwohl nicht, zumal der Kläger auch in anderen Lebenssituationen immer wieder mit Menschen zusammen treffen wird, die ihn und seinen Sprachfehler noch nicht kennen und die er erst kennen lernen und sich an sie gewöhnen muss. Eine gravierende Verhaltensstörung des Klägers (mit Krankheitswert) wurde nicht vorgetragen und ist für das Gericht auch nicht ersichtlich. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei der Belastung um regelmäßig auftretende Umstellungsschwierigkeiten handelt, die eine Vielzahl von Kindern im ersten Schuljahr trifft. Sollte der Kläger aufgrund physischer oder psychischer Leiden einer besonderen pädagogischen Betreuung bedürfen, so ist diese grundsätzlich an der zuständigen Schule des Schulbezirkes zu gewährleisten und durch einen geeigneten besonderen pädagogischen Aufwand zu berücksichtigen. Denkbar wären im Hinblick auf psychische Leiden etwa die verstärkte Betreuung durch einen pädagogischen Mitarbeiter, die in den ersten Klassen die Klassenlehrer unterstützen (vgl. Konzept für den künftigen Einsatz von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Schulen Sachsen-Anhalts, vom 20.06.2014 des Kultusministeriums) oder eine schulpsychologische Beratung (vgl. Organisation und Aufgaben schulpsychologischer Beratung in Sachsen-Anhalt, Runderlass des Kultusministeriums vom 07.07.2004 – 36.2 – 81411).
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Ein Härtefall rechtfertigt sich auch nicht vor dem Hintergrund, dass der Kläger möglicherweise mit ihm bekannten Kindern zusammen treffen wird, mit denen er sich in der Vergangenheit nicht verstanden hat und mit denen es zu Auseinandersetzungen gekommen ist. Im Rahmen des Grundschulbesuchs ist es zumutbar, auch mit nicht befreundeten und sogar zerstrittenen Kindern unterrichtet zu werden. Im Zusammenwirken mit dem erzieherischen Einfluss des Lehrkörpers, dem verschiedene Erziehungsmittel und Ordnungsmaßnahmen zur Verfügung stehen (vgl. Erziehungsmittel in der Schule, Runderlass des MK vom 26.05.1994, Az: 14.2-83005 und § 44 SchulG LSA), ist eine sichere Beschulung aller Kinder grundsätzlich gewährleistet. Insofern ist die erzieherische Situation nicht vergleichbar mit der Betreuung von jüngeren Kindern in einer Kita. Aufgrund der weiter fortgeschrittenen Entwicklung von Schulkindern gegenüber Kindergartenkindern ist bei Schulkindern eine zuverlässigere Einwirkungsmöglichkeit des Lehrkörpers auf die Schulkinder zu erwarten. Insofern ist gerade auch schon bei Erstklässlern davon auszugehen, dass sie die Anweisungen des Lehrkörpers verstehen und dem zuverlässiger Folge leisten als Kindergartenkinder, die in einem Streit vielfach emotional handeln, weil das Verständnis erst noch reift, und bei denen körperliche Auseinandersetzungen unter den Kindern schwerer vermeidbar sind als unter Schulkindern. Ebenso gilt für die anschließende Hortbetreuung, dass die Erzieher bessere Einwirkungsmöglichkeiten auf die Schulkinder haben als Erzieher in einer Kita und somit ausufernde Streitigkeiten unter den Kindern vermieden werden können. Es ist hingegen zu erwarten, dass sich bei Erstklässlern ein gewisser Zusammenhalt unter den Mitschülern einer Klasse entwickelt. Sofern der Kläger dennoch nicht in dem Hort der Grundschule Z. betreut werden soll, steht es den Eltern frei, andere private Betreuungsmöglichkeiten für ihr Kind zu nutzen. Die Schulpflicht gilt insofern nicht für die Nachmittagsbetreuung im Hort.
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Ein Härtefall liegt nicht schon vor, weil der Kläger gesundheitliche Probleme in Form von Asthma und einer Sprachentwicklungsstörung sowie Darmprobleme aufgrund noch ungeklärter Ursache hat. Die Erkrankung an Asthma, die Darmproblematik und die Sprachentwicklungsstörung hindern nicht an einem Besuch der Grundschule Z. im Schulbezirk. Eine notärztliche Versorgung ist auch an der Grundschule Z. gewährleistet, ebenso wie Besuche eines Logopäden nach Beendigung des Unterrichts. Die Praxis der Hausärztin des Klägers befindet sich nur etwa 200 m Luftlinie von der Grundschule Z. entfernt. Auch ist die Grundschule Z. in einer vertretbaren Zeit von der Arbeitsstelle der Kindsmutter zu erreichen, da die Entfernung der Arbeitsstelle vom Schulstandort nur etwa fünf km beträgt. In der baulichen Anlage der Grundschule Z. liegende Gründe, welche einen Besuch durch den an Asthma erkrankten Kläger hindern könnten, wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
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Soweit der Kläger geltend macht, ein Härtefall sei deshalb zu bejahen, weil der Lehrkörper an der zugewiesenen Schule vorurteilsbehaftet gegenüber Kindern aus seinem Wohnort sei, fehlt es daran, dass eine Unzumutbarkeit des Schulbesuchs nicht substantiiert dargelegt worden ist. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Besuch der Grundschule Z. aufgrund von Äußerungen des Schulleiters für den Kläger auf Dauer unzumutbar sein könnte. Allein der Hinweis auf eine angeblich abwertende Äußerung anlässlich einer körperlichen Übung bei der Schulfähigkeitsfeststellung kann die Beurteilung des Vorliegens eines Härtefalles nicht rechtfertigen.
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Die Eltern des Klägers vermögen nicht damit durchzudringen, dass ihrer Meinung nach das pädagogische Ausbildungsprofil an der Grundschule R. das bessere für den Kläger sei. Denn die Vorzüge der favorisierten Schule allein begründen nicht die Unzumutbarkeit der nach dem Schulbezirkssystem zuständigen Schule. Das Ordnungsprinzip des Schulbezirkssystems, wonach die Schule eben nicht frei gewählt werden kann, lässt für derartige Erwägungen keinen Raum (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.08.2007, a. a. O.). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass alle Schulen, welche denselben Bildungsgang anbieten, nach dem Gesetz zur Erfüllung des gleichen Bildungsauftrages und zur Vermittlung des gleichen Bildungsweges verpflichtet sind. Aufgrund dessen kann nicht schon jede beliebige Besonderheit im schulischen Angebot hinsichtlich der Profilbildung eine Ausnahme vom Schulbezirk rechtfertigen. Vielmehr bedarf es der Auszeichnung der Schule durch ein besonderes pädagogisches Konzept, welches einer Schulform vergleichbar ist oder den Schülern wegen der entsprechenden inhaltlichen Ausgestaltung ein besonderes Bildungsangebot vermittelt. So kann unter Umständen ein Härtefall bejaht werden, wenn die begehrte Schule ein Konzept aufweist, das sich in besonderem Maße von dem anderer Schulen unterscheidet und sich durch abweichende Unterrichtsinhalte, eine besondere Gestaltung der Stundentafel und eine besondere Schwerpunktbildung auszeichnet, die zu einer besonderen Ausgestaltung des Abschlusses führen kann und für die spätere Ausbildung von erheblicher Bedeutung ist. In diesem Zusammenhang hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, warum ein Härtefall gegeben sein soll.
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Die geltend gemachten zusätzlichen Belastungen und Schwierigkeiten im privaten und beruflichen Alltag durch eine erhöhte Fahrbelastung zur Grundschule Z. im Gegensatz zur Grundschule R., welche näher an der Arbeitsstätte belegen ist, rechtfertigen ebenfalls nicht die Annahme eines Härtefalls. Zwar soll nicht in Abrede gestellt werden, dass für die Eltern besondere Belastungen durch ggf. erhöhten Fahrbedarf oder zusätzlichen Betreuungsaufwand erforderlich werden kann. Indessen sind von derartigen Schwierigkeiten in vielen Fällen auch andere Eltern bzw. alleinerziehende Elternteile in gleicher Weise betroffen, so dass derartige Umstände keinen Härtefall begründen.
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Für die hilfsweise beantragte Neubescheidung durch den Beklagten ist kein Raum, da kein Härtefall vorliegt und die ergangene Entscheidung des Beklagten rechtmäßig ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 Abs. 1 und 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
Annotations
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
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Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.