Verwaltungsgericht Köln Urteil, 27. Sept. 2016 - 7 K 2427/16

Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin wurde am 00.00.0000 bei Warnawinskij, Gebiet Gorkij (heute wieder Nischni-Nowgorod) geboren. Ihr Vater war nach den vorgelegten Unterlagen der 1930 geborene Herr B. H. , ihre Mutter die 1918 geborene Frau X. L. , geb. C. . Die Klägerin lebt derzeit in Samara.
3Am 04.08.2008 beantragte sie beim Bundesverwaltungsamt (BVA) die Erteilung eines Aufnahmebescheides nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Sie sei nach ihrem Vater deutsche Volkszugehörige. Die deutsche Sprache habe sie vom 1. bis zum 6. Lebensjahr vom Vater und der Großmutter väterlicherseits erlernt. Später habe sie Deutsch in der Schule, im Institut und im Sprachkurs gelernt. Ihre Sprachfertigkeiten reichten für ein einfaches Gespräch aus. Beigelegte Urkunden zur Abstammung und zum Volkstumsbekenntnis waren sämtlich nach 1990 neu ausgestellt. In ihrer Geburtsurkunde vom 19.12.2007 war der Vater ohne Nationalitätsangabe eingetragen. Ihren ausgeübten Beruf gab sie mit „Juristin“ an. Bei einem nachfolgenden Sprachtest verneinte die Klägerin eine Vermittlung der deutschen Sprache im Elternhaus. Nach der Bewertung des Sprachtesters verfügte die Klägerin lediglich über sehr geringe deutsche Sprachkenntnisse.
4Mit Bescheid vom 20.08.2009 lehnte das BVA den Antrag der Klägerin ab und verwies auf die fehlende familiäre Vermittlung deutscher Sprachkenntnisse, Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Behörde mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2010 zurück.
5Die Klägerin erhob hiergegen die Klage 7 K 3191/10. Mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom 22.06.2011 wies die zuständige Einzelrichterin der Kammer die Klage ab. Die Begründung der Entscheidung stützte sich auf fehlende familiäre Sprachvermittlung und das Fehlen eines durchgängigen Volkstumsbekenntnisses. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte 7 K 3191/10 Bezug genommen.
6Am 14.10.2013 beantragte die Klägerin erneut beim BVA die Erteilung eines Aufnahmebescheides sowie die Einbeziehung ihres Ehemannes, ihres 1975 geborenes Sohnes und zweier Enkelinnen in diesen Bescheid. Sie wiederholte im Wesentlichen die Angaben aus dem Erstverfahren. Der Ehemann der Klägerin verstarb 2014.
7Mit Bescheid vom 24.03.2015 lehnte das BVA diesen Antrag ab. Die Behörde wertete den erneuten Antrag der Klägerin zwar als erfolgreiches Begehren auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens. In der Sache lehnte sie jedoch den Aufnahmeantrag nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage ab. Die Klägerin habe die Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen nicht nachgewiesen. Auf ihrer Geburtsurkunde aus dem Jahre 2007 sei nur ihre Mutter mit russischer Nationalität angegeben, während für den Vater keine Nationalität angegeben sei. Auch ein vorgelegter Beschluss des Rayongerichts über die Vaterschaftsfeststellung könne nicht als Nachweis dienen, weil der angegebene Vater im Zeitpunkt des Beschlusses bereits verstorben gewesen sei und der Beschluss keine Angaben zu den Gründen für die Vaterschaftsfeststellung enthalte.
8Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch und verwies darauf, dass die Eintragung dem Wunsch des in seinen letzten Jahren schwerkranken Vaters entsprochen habe. Erst 2012 habe sie nach mehrmaligen Schreiben an das Standesamt eine Geburtsurkunde erhalten, die ihren Vater mit deutscher Nationalität ausweise.
9Mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2015 wies das BVA auch diesen Widerspruch zurück. Der Geburtsurkunde aus 2012 komme kein höherer Beweiswert als den zuvor vorgelegten Urkunden. Es könne nicht nachvollzogen werden, weshalb dem angegeben Vater 2007 keine, 2012 aber die deutsche Nationalität zugewiesen worden sei. Zudem bestünden Zweifel an der posthum erfolgen Vaterschaftsfeststellung. Der angegeben Vater habe sich nie selbst um eine solche Feststellung gekümmert. Überdies hätten die Wohnsitze der Mutter und des angegebenen Vaters weit voneinander entfernt gelegen. Während die Mutter nahe der Wolga in Russland gelegt habe, sei für den Vater zwischen 1941 und 1996 ein Wohnsitz in Kasachstan angegeben. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Zustellungsbevollmächtigten der Klägerin am 11.12.2015 zugestellt.
10Diese hat am 31.03.2016 Klage erhoben. Die Eintragung der deutschen Nationalität des Vaters in der Geburtsurkunde sei zu dessen Lebzeiten am Widerstand der Mutter gescheitert. Sie – die Klägerin – entstamme einer nicht-ehelichen Beziehung und habe erst in späteren Jahren von der wahren Vaterschaft erfahren. 1946 sei ihre Mutter strafweise zur Arbeit bei der Eisenbahn im Gebiet von Gorkij verurteilt worden. Ihr Vater sei dienstlich dort gewesen, aber wieder nach Kasachstan zurückgekehrt.
11Die Klägerin ist zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie verweist auf die Versäumung der Klagefrist und nimmt in der Sache auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des BVA Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Das Gericht kann über die Klage entscheiden, obwohl die Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung an die Klägerin nicht belegt ist. Die Klägerin hat sich mit einer Entscheidung in Abwesenheit in ihrer Klageschrift vom 05.01.2016 ausdrücklich einverstanden erklärt.
18Die Klage ist wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig.
19Gemäß § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO ist die Verpflichtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides zu erheben. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung (§§ 58 Abs. 1, 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO) versehene Widerspruchsbescheid vom 09.12.2015 wurde dem Zustellungsbevollmächtigten der Klägerin ausweislich der Postzustellungsurkunde am 11.12.2015 zugestellt. Die Klagefrist endete folglich mit dem 11.01.2016 (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs.1, 188 Abs. 2 BGB). Die am 31.03.2016 mittels Brief eingegangene Klage vermochte die Frist damit nicht zu wahren.
20Der Klägerin ist auch nicht von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO zu gewähren. Denn Wiedereinsetzung setzt eine unverschuldete Fristversäumung voraus. Ein Verschulden liegt vor, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Fristwahrung diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten und nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zuzumuten war.
21Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 60 Rn. 9 mit umfangreichen Nachweisen zur Rspr.
22Die Klägerin hat nicht ansatzweise Umstände vorgetragen, die darauf hindeuten, dass ihr eine fristgemäße Klageerhebung aus Umständen, die ihr nicht zurechenbar sind, nicht möglich war. Im Gegenteil trägt der Briefumschlag der Klageschrift den Poststempel vom 11.03.2016. Damit deutet alles darauf hin, dass die Klägerin den Brief erst zwei Monate nach Ablauf der Klagefrist zur Post gegeben hat. Die Verfristung kann deshalb nicht mit den gerichtsbekannt langen Postlaufzeiten zwischen der Russischen Föderation und Deutschland erklärt werden. Auch war der Klägerin eine fristgemäße Klage aufgrund dieser Postlaufzeiten nicht von vornherein unmöglich, wie die Laufzeiten von etwa 2-3 Wochen verschiedener Schriftstücke im vorliegenden Verfahren belegen.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
24Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

moreResultsText
Annotations
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.
(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.
(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.
(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.
(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.
(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.
(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.