Verwaltungsgericht Köln Urteil, 21. Mai 2015 - 20 K 2618/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist Halter des im Januar 2012 geworfenen Rüden mit dem Rufnamen „F. -“ oder „T. -F. “. Im Rahmen einer Streife am 17.01.2014 fiel Polizeibeamten der Kläger mit seinem Hund im PKW auf, bei dem es sich nach dem Eindruck der Beamten augenscheinlich um einen „Kampfhund“ der Rasse Bullterrier handelte. Ausweislich des Polizeiberichts verhielt sich der Hund während der Kontrolle zunehmend aggressiver und zeigte ein außergewöhnlich aggressives Verhalten bzw. ein typisches Kampfhund-Verhalten. Nach Angaben des Klägers handelte es sich um einen Mini-Bullterrier.
3Mit Schreiben vom 22.01.2014 forderte die Beklagte nach der entsprechenden Unterrichtung durch die Polizei den Kläger auf, zwecks phänotypischer Rassebestimmung beim Veterinäramt vorzusprechen. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 03.02.2014 führte der Kläger erneut aus, es handele sich um einen Miniatur-Bullterrier und legte verschiedene Unterlagen vor, darunter einen Ahnenpass und einen Kaufvertrag vom 25.02.2012. Nach weiterem Schriftverkehr und u.a. einem Hinweis der Beklagten auf einen Erlass des MUNLV vom Febr. 2005 betreffend die Falschdeklarierung von Miniatur-Bullterriern zur Umgehung der §§ 4 ff LHundG NRW fand am 28.03.2014 der Termin im Veterinäramt statt.
4Nach der phänotypischen Rassebestimmung der Amtsveterinärin vom 28.03.2014 handelt es sich bei dem Hund mit einer Größe von 46 cm und einem Gewicht von 22 kg eindeutig um einen Standard-Bullterrier. Der Rassestandard von Standard-Bullterrier bzw. Miniatur-Bullterrier sei ja im Übrigen gleich. Dass die Elterntiere nach der Ahnentafel eine Größe von nur 35,5 bzw. 36 cm hätten, könne mit einem möglichen Vertauschen der Welpen erklärt werden, zumal der ursprüngliche Chip nicht mehr auffindbar sei. Dem widerspreche allerdings die Bescheinigung der Haustierärztin vom 03.02.2014.
5Mit Schreiben vom 02.04.2014 forderte die Beklagte den Kläger darauf hin auf, einen Erlaubnisantrag zu stellen, und wies ihn auf die Haltungspflichten bezüglich eines gefährlichen Hundes hin.
6Am 05.05.2014 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, zunächst gerichtet auf Aufhebung „des Bescheides vom 02.04.2014“. Nach Hinweis auf die fehlende Verwaltungsaktqualität des Schreibens vom 02.04.2014 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 06.11.2014 die Klage auf einen Feststellungsantrag umgestellt.
7Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass es sich beim Standard-Bullterrier und beim Miniatur-Bullterrier um unterschiedliche Rassen handele, die sich nicht nur in Größe und Gewicht unterschieden. Der Miniatur-Bullterrier weise eine geringere Knochenstärke und Substanz auf und habe eine schrillere Stimme. Bei dem Hund des Klägers handele es sich um einen Miniatur-Bullterrier, was sich aus der Ahnentafel ergebe und jederzeit durch einen Sachverständigen festzustellen sei. Die Rassebestimmung der Amtsveterinärin sei oberflächlich.
8Der Kläger beantragt,
9festzustellen, dass es sich bei dem Hund F. -T. , Wurfdatum 12.01.2012 – Chipnummer : 000000000000000 DEU – Zuchtbuchnummer 000000 DRC - um einen Miniatur-Bullterrier und keinen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 LHundG NRW handelt und der Kläger deshalb keiner Erlaubnis gemäß § 4 LHundG NRW bedarf.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie tritt dem Vorbringen entgegen und führt unter Bezugnahme auf den Erlass des MUNLV aus 2005 aus, dass es sich bei dem Hund um einen Standard-Bullterrier handele. Die Abgrenzung der beiden Rassen auf der Grundlage der Widerristhöhe entspreche den FCI-Standards.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
14Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
15Eine Feststellungsklage mit dem Ziel, dass es sich bei einem Hund nicht um einen gefährlichen Hund gemäß § 3 Abs. 2 LHundG NRW wegen seiner Rassezugehörigkeit handelt und die Haltung des Hundes deshalb keiner Erlaubnis nach § 4 LHundG NRW bedarf, ist gemäß § 43 Abs. 1, 1. Alt. VwGO zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich schon aus den u.a. wirtschaftlichen Belastungen, die mit verschiedenen Halterpflichten - wie z.B. der Verpflichtung zum Abschluss einer in der Regel teureren Haftpflichtversicherung - verbunden sind.
16Der Feststellungsklage steht auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen. Danach kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann. Diese Vorschrift will unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung steht. Gestaltungs- und Leistungsklage sind jedoch nur dann vorrangig, wenn diese gleich wirksamen Rechtsschutz wie die Feststellungsklage bieten. Das ist hier indes nicht der Fall. Zwar kann sich der Kläger gegen etwaige Ordnungsverfügungen wie etwa eine Haltungsuntersagung oder auch Bußgeldbescheide wehren. Dieses Vorgehen bietet jedoch nicht einen in gleicher Weise effektiven Rechtsschutz wie die Feststellungsklage, um die grundsätzliche Klärung der Frage zu erreichen, ob die Haltung seines Hundes als Miniatur-Bullterrier erlaubnisfrei zulässig ist. Ungewiss ist zudem, ob es in diesen Verfahren auf die für den Kläger maßgebliche Frage, ob es sich bei seinem Hund um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 2 LHundG NRW handelt, überhaupt streitentscheidend ankommen würde.
17Die Klage ist jedoch nicht begründet, denn bei dem Hund des Klägers F. -T. mit der gegenwärtigen Chipnummer 000000000000000 DEU handelt es sich zur Überzeugung der Kammer nicht um einen Miniatur-Bullterrier, sondern um einen (Standard) Bullterrier und damit um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 2 LHundG NRW, für dessen Haltung der Kläger einer Erlaubnis gemäß § 4 LHundG NRW bedarf.
18Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW zählen zu den gefährlichen Hunden solche der Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Terrier und Bullterrier und deren Kreuzungen untereinander sowie deren Kreuzungen mit anderen Hunden. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW sind Kreuzungen im vorstehenden Sinne solche Hunde, bei denen der Phänotyp einer der dort genannten Rassen deutlich hervortritt.
19Nach den von der FCI (Fédération Cynologique Internationale) und anderen Hundeverbänden wie dem VDH (Verband für das deutsche Hundewesen) anerkannten Rassestandards sind Bullterrier und Miniatur-Bullterrier Hunde verschiedener Rassen. Die Merkmale des Bullterriers sind im FCI-Standard Nr. 11 beschrieben, die Merkmale des Miniatur-Bullterriers seit dem 23.12.2011 im FCI-Standard Nr. 359. Ausgehend davon bilden Miniatur-Bullterrier nach – soweit ersichtlich - einhelliger Meinung in der Rechtsprechung eine eigenständige Rasse und gehören damit weder zu den in § 2 Hundeverbringungs- und einfuhrbeschränkungsgesetz noch zu den in § 3 Abs. 2 LHundG NRW aufgeführten Bullterriern,
20vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.06.2014 – 3 M 255/13 –; VG Magdeburg, Beschluss vom 09.04.2013 – 1 B 116/13 -; VG Meiningen, Urteil vom 26.02.2013 – 2 K 361/12 Me -; VG Aachen, Urteil vom 27.12.2006 – 6 K 903/05.
21Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an. Wenngleich sich unter Gefahrenabwehraspekten sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von Miniatur-Bullterriern und sog. Standard-Bullterriern nicht ohne Weiteres erschließen, gebietet es schon der Grundsatz der Normenklarheit, Miniatur-Bullterrier nicht unter die in § 3 Abs. 2 LHundG NRW gelisteten Hunderassen zu fassen.
22Nach den Rassestandards der FCI Nr. 11 bzw. Nr. 359 bestehen zwischen Bullterriern und Miniatur-Bullterriern im Grundsatz keine phänotypischen Unterscheidungen. So heißt es in beiden Standards unter der Rubrik „Kurzer geschichtlicher Abriss“ zu dem kleineren Typ des Bullterriers: „Der Standard ist der Gleiche wie der des Bull Terriers mit der Ausnahme einer Grössenbegrenzung.“ Entsprechend heißt es unter der Rubrik „Grösse und Gewicht“ im Rassestandard der FCI Nr. 11 für den Bullterrier: „Es gibt keine Grössen- oder Gewichtsgrenze. Auf jeden Fall muss der Eindruck von höchstmöglicher Substanz im Einklang zu Grösse und Geschlecht vorhanden sein.“ Im Rassestandard der FCI Nr. 359 heißt es unter der Rubrik „Grösse“: „Die Widerristhöhe sollte 35,5 cm nicht überschreiten. Es sollte ein Eindruck von Substanz im Verhältnis zur Grösse des Hundes vorhanden sein. Es gibt keine Gewichtsgrenze. Die Hunde sollten immer harmonisch sein.“ Die Grösse des Hundes ist demnach das entscheidende phänotypische Abgrenzungsmerkmal zwischen den beiden Hunderassen und eine maximale Widerristhöhe von 35,5 cm stellt für den Rassestandard des Miniatur-Bullterriers den Regelfall dar,
23vgl. auch: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.06.2014 – 3 M 255/13 –.
24Gemessen daran hat die Kammer keinen Zweifel, dass es sich bei dem Hund des Klägers, dessen Widerristhöhe von 46 cm die Sollgröße eines Miniatur-Bullterriers erheblich übersteigt, um einen (Standard)Bullterrier entsprechend dem Standard Nr. 11 der FCI handelt. Dies steht in Einklang mit dem Ergebnis der durch die Amtsveterinärin der Beklagten Frau Dr. M. am 28.03.2014 vorgenommenen Rassebestimmung, in der es heißt: „T. entspricht phänotypisch dem Rassestandard des Standard-Bullterriers bzw. Miniatur-Bullterriers, die ja gleich sind. Er hat aber eine Schulterhöhe von 46 cm und ein Gewicht von 22 Kilo und ist somit eindeutig ein Standard-Bullterrier.“ Die tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich der phänotypischen Rassemerkmale und der gemessenen Größe sowie des Gewichts werden vom Kläger auch nicht bestritten. Soweit in der Rassebestimmung neben der Größe zusätzlich das Gewicht des Hundes herangezogen wird, beruht dies offenbar auf einem Erlass des MUNLV vom Februar 2005, der für Miniatur-Bullterrier von einem Gewicht von 11-15 kg ausgeht und für den (Standard)Bullterrier von 24-30 kg. Danach läge das Gewicht des Hundes des Klägers deutlich über demjenigen eines Miniatur-Bullterriers und knapp unter demjenigen eines (Standard)Bullterriers. Diese Gewichtsangaben spielen allerdings nach den Rassestandards der FCI keine Rolle und dem Erlass selber kommt keine rechtsverbindliche Bedeutung zu. Immerhin unterstreicht aber ein Gewicht von 22 kg, dass damit im Verhältnis zur Größe des Hundes ein harmonisches Gesamtbild entsteht. Dies hat auch die im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesende Amtsveterinärin Frau Dr. Pappenheim anhand der im Verwaltungsvorgang befindlichen Fotos des Hundes bestätigt und bekräftigt, dass es sich danach zwar um ein schlankes Tier handele, das aber mehr dem (Standard)Bullterrier zuzuordnen sei.
25Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen, die der Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung im Original vorlagen, sind zum Nachweis einer anderen Rassezugehörigkeit des Hundes nicht geeignet. Für den Ahnenpass des Deutschen Rassehunde Club e.V. (DRC) gilt dies – unabhängig von der generellen Aussagekraft eines derartigen Ahnenpasses - schon deshalb, weil dieser keine Unterschrift des Züchters trägt. Er ist daher bereits nach den vom DRC selbst formulierten und in dem Ahnenpass niedergelegten Anforderungen nicht gültig. Nicht aussagekräftig ist auch der vorgelegte Kaufvertrag, der weder einen Bezug zu der Zuchtbuchnummer des Ahnenpasses enthält noch einen Hinweis auf die Chipnummer des Hundes. Der EU-Impfpass, der nach dem Inhalt des Kaufvertrages ausgehändigt werden sollte, liegt überhaupt nicht vor. Bei dem vom Kläger vorgelegten Impfpass handelt es sich um einen inländischen Impfpass. Soweit dort und auch in der vorgelegten Gesundheitsbescheinigung der Tierärztin Dr. I. zwei Chipnummern – eine alte Nr. 000000000000000 und eine neue Nr. 000000000000000 – aufgeführt sind, gibt es – wie bereits oben festgestellt - keinen Bezug zu dem Ahnenpass oder dem Kaufvertrag. Unabhängig davon wäre eine eindeutige Identifikation des Hundes mittels der neuen Chipnummer ohnehin nicht möglich, da die ursprüngliche Chipnummer nicht mehr auffindbar ist. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der tierärztlichen Bescheinigung der Frau Dr. I. vom 03.02.2014, wonach diese sowohl den ursprünglichen als auch den neuen Chip gesetzt haben will. Denn aus dieser Bescheinigung ist nicht erkennbar, aufgrund welcher Umstände Frau Dr. I. den Hund am 03.02.2014 eindeutig identifiziert haben will. Alleine die Durchführung des Kaiserschnitts beim Muttertier und Kenntnis des neugeborenen Welpen ist bei Fehlen der ursprünglichen Chipnummer und ohne Angabe weiterer Identifikationsmerkmale nicht zum Nachweis geeignet, dass der ihr mehr als zwei Jahre später vorgestellte Hund mit diesem Welpen identisch ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – der Hund bzw. Welpe nicht in ständiger Behandlung gerade bei dieser Tierärztin war.
26Der Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Rassezugehörigkeit des Hundes bedurfte es unter Berücksichtigung des klaren phänotypischen Erscheinungsbildes einerseits und der fehlenden Aussagekraft der vom Kläger vorgelegten Unterlagen andererseits nicht mehr.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO ergangen.
moreResultsText
Annotations
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.