Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 12. März 2015 - 2 L 562/15
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 1331/15 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Februar 2015 (Az: 00/000/0000/0000) wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 5000,00 Euro festgesetzt.
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Gründe
2Das vorläufige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers mit dem sinngemäßen Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 1331/15 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Februar 2015 (Az: 00/000/0000/0000) anzuordnen,
4ist zulässig - insbesondere nach §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 112 Satz 1 JustG NRW statthaft - und auch begründet. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht zu treffende Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin geht zugunsten des Antragstellers aus. Denn der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Februar 2014 ist (offensichtlich) rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten mit der Folge, dass dessen Klage 2 K 1331/14 Erfolg haben wird.
5Der angefochtene Bescheid leidet an einem durchgreifenden Ermessensfehler im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO. Die zuständige Vollzugsbehörde hat bei der Frage, ob und wie sie einen Verwaltungsakt, der wie hier auf die Vornahme einer Handlung gerichtet ist, zwangsweise gegen den Willen des Pflichtigen durchsetzt, Ermessen auszuüben (vgl. § 55 Abs. 1 VwVG NRW). Dieses Ermessen muss sie nach § 40 VwVfG NRW entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhalten. Sie hat bei der Ausübung von Verwaltungszwang vor allem zu beachten, dass Zwangsmittel keine Strafen oder Maßnahmen nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht, sondern reine Beugemittel sind, die allein dazu dienen, den Widerstand des Pflichtigen gegen die ihm auferlegte Handlung, Duldung oder Unterlassung zu brechen. Deutlich wird dies etwa aus § 57 Abs. 3 Satz 1 VwVG NRW, wonach Zwangsmittel auch neben einer Strafe oder Geldbuße angewandt und im Übrigen so lange wiederholt und auch gewechselt werden können, bis der Verwaltungsakt befolgt worden ist oder sich erledigt hat. Dementsprechend erlaubt der Landesgesetzgeber, dass Zwangsgelder beliebig oft wiederholt werden dürfen, bis der verfolgte Zweck erreicht ist (§ 60 Abs. 1 Satz 3 VwVG NRW).
6Bei der Wiederholung von Verwaltungszwang in Gestalt der Festsetzung und Androhung von Zwangsgeldern, wie sie im vorliegenden Fall in Rede steht, muss die Vollzugsbehörde aber beachten, dass ein früher festgesetztes und vom Schuldner nicht gezahltes Zwangsgeld von diesem beigetrieben wird, bevor die Behörde ein weiteres, zuletzt angedrohtes Zwangsgeld gegen ihn festsetzt. Sie darf Zwangsgelder nicht gewissermaßen „auf Vorrat“ festsetzen, ist vielmehr gehalten, diese auch nach §§ 6 ff. VwVG NRW unverzüglich zu vollstrecken, um dem Pflichtigen die Folgen seiner Handlungsweise klar und deutlich vor Augen zu führen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das früher festgesetzte und nicht beigetriebene Zwangsgeld seinen Charakter als Beugemittel verliert und zum reinen „Denkzettel“ - gewissermaßen einer Art Verwaltungsstrafe - wird, aus dem/der sich keine weiteren Folgen für den Schuldner ergeben. Dies widerspricht dem Sinn des Zwangsverfahrens nach §§ 55 ff. VwVG NRW, welches darauf ausgerichtet ist, den in Rede stehenden Grundverwaltungsakt möglichst rasch und effektiv durchzusetzen,
7vgl. insoweit Sadler, Kommentar zum VwVG-VwZG, 9. Auflage 2014, § 14 VwVG Rz. 32; ferner Marwinski in Brandt/Sachs, Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 3. Auflage 2009, Kapitel E Rz. 37.
8Mit diesen Grundsätzen steht der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin nicht in Einklang. Sie hat gegen den Antragsteller zur Durchsetzung von Ziffer 6. der Ordnungsverfügung vom 20. Februar 2014 durch Bescheid vom 30. Oktober 2014 bereits ein (drittes) Zwangsgeld in Höhe von 2500,00 Euro festgesetzt, dessen Zahlung am 11. November 2014 fällig war. Die insoweit zunächst bestehende Mahnsperre hat die Antragsgegnerin unter dem 15. Dezember 2014 aufgehoben, nachdem der Eilantrag des Antragstellers 2 L 2401/14 gegen den Bescheid vom 30. Oktober 2014 ohne Erfolg geblieben ist (Beschluss des Gerichts vom 12. Dezember 2014). Dieses Zwangsgeld in Höhe von 2500,00 Euro hat der Antragsteller nicht gezahlt. Dessen Beitreibung ist bislang nicht erfolgt, wie die Antragsgegnerin in ihrer Erwiderung selbst eingeräumt hat (vgl. auch Beiakte 1, Blatt 4.25). Ausweislich der beigezogenen Verwaltungsakte hat die Behörde nicht einmal den Versuch einer Beitreibung unternommen. Die im Bescheid vom 17. Februar 2015 verfügte Zwangsgeldfestsetzung und –androhung ist damit rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten.
9Die Antragsgegnerin ist, worauf die Kammer ergänzend hinweist, gehalten, diese Grundsätze des Vollstreckungsrechts künftig zu beachten und Zwangsgelder gegen einen Pflichtigen erst dann festzusetzen bzw. weitere Zwangsmittel anzudrohen, wenn zuvor festgesetzte Zwangsgelder tatsächlich gezahlt oder beigetrieben worden sind.
10Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
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Referenzen - Gesetze
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
Wird die Verpflichtung innerhalb der Frist, die in der Androhung bestimmt ist, nicht erfüllt, so setzt die Vollzugsbehörde das Zwangsmittel fest. Bei sofortigem Vollzug (§ 6 Abs. 2) fällt die Festsetzung weg.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.