Verwaltungsgericht Köln Urteil, 16. Aug. 2016 - 2 K 3812/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur und führt sein Büro in N. . Er hat von August 2012 bis Januar 2013 in der Gemarkung N. , Flur 0 und 00, Flurstücke (neu) 0000 u.a. Teilungsvermessungen durchgeführt, die der Erstaufteilung des Bebauungsplans Nr. 85 der Stadt N. , „ “ ( II) in der Ortslage N1. dienten. Der Kläger hat dabei sowohl die rückwärtigen neuen Grenzpunkte als auch die neuen Grenzpunkte in den zukünftigen Straßenbereichen mit Grenzzeichen gekennzeichnet (Abmarkung). Der Notarvertrag zur privaten Baulandumlegung im Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 85 „ “ ( II) in der Ortslage N1. wurde am 22. Oktober 2012 zwischen der Stadt N. und den betroffenen Grundstückseigentümern abgeschlossen. Die (zweite) (Nachtrags) - Grenzniederschrift zum Abschluss der Vermessungsarbeiten wurde am 18. April 2013 vom Kläger aufgenommen.
3Mit Mail vom 26. September 2012, in welcher der Kläger zur Kenntnis in Kopie genommen worden war, teilte die Stadt N. einem Bauinteressenten u.a. mit, dass sie den Beginn der Erschließungsarbeiten im Gebiet des Bebauungsplans Nr. 85 „ “ ( II) für Frühjahr 2013 angesetzt habe. Tatsächlich begannen die Arbeiten jedoch erst Mitte Juli 2013 und waren – entgegen der Prognose, die vom Ende des Jahres 2014 ausging – schon Ende April 2014 abgeschlossen. Im Mai/Juni 2014 wurden schließlich erste Baugenehmigungen für Vorhaben im Plangebiet erteilt.
4Aufgrund von Beschwerden führten Mitarbeiter der Bezirksregierung Köln am 11. Februar 2014 eine Ortsbesichtigung durch und stellten fest, dass die vom Kläger vorgenommenen Abmarkungen in der Örtlichkeit teilweise nicht mehr aufgefunden werden konnten, da diese durch Bauarbeiten zerstört oder aufgrund von Erdbewegungen nicht mehr sichtbar waren. Teilweise lagen die von der Bezirksregierung Köln vorgefundenen Grenzzeichen im Straßenbereich unter dem Höhenniveau des zukünftigen Straßenausbaus. In den Bereichen der rückwärtigen Grenzpunkte war noch mit einer Änderung des Erdniveaus durch Bauarbeiten zu rechnen.
5Mit Schreiben vom 18. Februar 2014 hörte der Beklagte den Kläger an und führte dabei im Wesentlichen aus, dass der Kläger als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur nach der derzeitigen Aktenlage seine Berufspflichten nach §§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 10 Abs. 2 Satz 1 ÖBVermIngBO NRW verletzt habe, indem er gegen die Bestimmung des § 20 Abs. 3 VermKatG NRW verstoßen habe, wonach eine Abmarkung zurückgestellt werden soll, wenn und soweit Grundstücksgrenzen, zum Beispiel wegen Bauarbeiten, vorübergehend nicht dauerhaft bezeichnet werden können. Im Zeitpunkt der Durchführung der Teilungsvermessungen im Zeitraum von August 2012 bis Januar 2013 sei es naheliegend gewesen, dass die eingebrachten Abmarkungen in Kürze durch die in einem Neubaugebiet üblicherweise anfallenden Bauarbeiten, insbesondere die anstehenden Erdbewegungen beim Straßenausbau, gefährdet gewesen seien und eine dauerhafte Bezeichnung der Grenzpunkte daher nicht möglich gewesen sei.
6Mit Schreiben vom 18. März 2014 teilte der Kläger daraufhin mit, dass seitens der Stadt N. geplant gewesen sei, mit den Erschließungsarbeiten im Gebiet des Bebauungsplans Nr. 85 „ “ ( II) erst Ende des Jahres 2013 zu beginnen, jedoch ein Abschluss dieser Arbeiten nicht vor Ende 2014 zu erwarten gewesen sei. Aufgrund der finanziellen Haushaltssituation der Gemeinden sei in der heutigen Zeit grundsätzlich nicht mehr mit einer zügigen Abwicklung eines Baugebietes bis zur Erhebung der Erschließungsbeiträge nach Abschluss der Maßnahme zu rechnen. Schließlich habe die Stadt N. für Bauinteressenten in den letzten Jahren erheblich an Attraktivität verloren, so dass kurzfristig eine rege Bautätigkeit im Plangebiet nicht zu erwarten gewesen sei. Die Nachfrage im Baugebiet „ II“ sei aufgrund der Tatsache, dass zwei weitere Baugebiete in N. kurz zuvor Baureife erlangt hätten, erheblich zurückgegangen. Mit der Erteilung von Baugenehmigungen habe erst im Frühjahr 2015 gerechnet werden können.
7Auf Bitte der Bezirksregierung Köln teilte die Stadt N. dieser mit Schreiben vom 06. Mai 2014 demgegenüber im Wesentlichen mit, dass der Grundtenor der klägerischen Aussagen zur „schleppenden“ Bautätigkeit und Nachfrage konträr zur tatsächlichen Bautätigkeit in N. stehen würde. Die Nachfrage im Baugebiet „ II“ sei jedenfalls andauernd ungebrochen hoch gewesen. Die Erschließungsarbeiten seien – nach Ausschreibung der Tiefbauarbeiten im Frühjahr 2012 - Mitte Juli 2013 begonnen und aufgrund milder Witterung bereits im April 2014 abgeschlossen worden.
8Mit Bescheid vom 12. Juni 2014 (Az.: 00.0/0000/000/00) - dem Kläger am 16. Juni 2014 zugestellt – setzte die Bezirksregierung Köln gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von 1.500,00 Euro fest. Ferner erteilte sie dem Kläger die Weisung, zeitnah nach Wegfall der Hinderungsgründe im Bereich des Plangebietes „ II“ die Abmarkung der Grenzpunkte, welche im Zuge der Vermessungsarbeiten von August 2012 bis Januar 2013 dort erbracht worden sind, zu wiederholen bzw. erneut abzumarken. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, der Kläger habe die Soll-Bestimmung in § 20 Abs. 3 VermKatG NRW missachtet. Es sei naheliegend gewesen, dass im Zeitpunkt der Liegenschaftsvermessung von August 2012 bis Januar 2013, die ihren Abschluss mit der Aufnahme der Grenzniederschrift am 18. April 2013 gefunden habe, die vom Kläger eingebrachten Abmarkungen in Kürze durch die in einem Neubaugebiet üblicherweise anfallenden Bauarbeiten, insbesondere anstehende Erdbewegungen beim Straßenausbau, gefährdet gewesen seien. Eine dauerhafte Kennzeichnung der Grenzpunkte sei daher nicht möglich gewesen.
9Der Kläger hat am 15. Juli 2014 Klage erhoben.
10Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend Folgendes vor: Für ihn seien keine unmittelbar folgenden und zur Zerstörung der Abmarkungen führenden Bauarbeiten offensichtlich gewesen. Zum Zeitpunkt der von ihm eingebrachten Abmarkungen sei ihm nicht mehr bekannt gewesen, als dass die Stadt N. davon ausgehe, mit den Erschließungsarbeiten für das Baugebiet „ II“ im Frühjahr 2013 beginnen zu können. Diese auf einer bloßen Vermutung gründende Aussage der Stadt N. habe jedoch keine Grundlage für eine Zurückstellung der Abmarkung seitens des Klägers darstellen können, zumal die Stadt auch bei weiteren Umlegungen den in Aussicht genommenen Zeitplan nicht eingehalten habe. Außerdem habe keine Gewissheit darüber bestanden, dass die vom Kläger gesetzten Abmarkungen bei den möglichen Bauarbeiten tatsächlich verloren gehen würden. Nach den Erfahrungen des Klägers würden in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle seitens der bauausführenden Unternehmen die gesetzten Abmarkungen gesichert. Hinsichtlich der Höhe der Geldbuße und der erteilten Weisung sei zu berücksichtigen, dass sich für den Kläger bei einer „Wiederholung“ der Abmarkung ein erheblicher, Dritten gegenüber nicht abzurechnender Aufwand in Höhe von insgesamt ca. 40.000,00 bis 80.000,00 Euro ergebe.
11Der Kläger beantragt,
12den Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 12. Juni 2014 (Az.: 00.0/0000/000/00) aufzuheben.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er bezieht sich zur Begründung auf seine Ausführungen im Bescheid vom 12. Juni 2014 und trägt ergänzend im Wesentlichen vor: Der Begriff der „Unmittelbarkeit“ im Zusammenhang mit der Zurückstellung einer Abmarkung müsse im Verhältnis zu den insgesamt länger andauernden Arbeiten sowohl bei der vermessungstechnischen Aufteilung der Baugebiete als auch bei deren bautechnischer Erschließung gesehen werden. Im Normalfall würden im Rahmen der Aufteilungsvermessungen regelmäßig und notwendigerweise die Abmarkungen zurückgestellt. Aufgrund einer Mail der Stadt N. vom 26. September 2012 sei dem Kläger bekannt gewesen, dass unmittelbar nach Abschluss der eigenen Vermessungsarbeiten die Erschließungsarbeiten bereits im Frühjahr 2013 beginnen sollten. Es sei unerheblich, dass die Arbeiten tatsächlich erst im Juli 2013 begonnen hätten.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die Klage ist unbegründet.
19Der Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 12. Juni 2014 (Az.: 00.0/0000/000/00) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Beklagte hat den Kläger zu Recht mit einer Geldbuße belegt (dazu Ziffer I.) und ihm gegenüber eine Weisung ausgesprochen (dazu Ziffer II.).
20I. Die angefochtene Festsetzung einer Geldbuße beruht auf §§ 15 Abs. 1, 9 Abs. 1 Satz 1, 10 Abs. 2 Satz 1 Berufsordnung für die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure/Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurinnen in Nordrhein-Westfalen (ÖbVermIng BO NRW) vom 15. Dezember 1992 (GV.NRW. 1992, S.524), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 01. Oktober 2013 (GV.NRW. S.566) und § 20 Abs. 3 des Gesetzes über die Landesvermessung und das Liegenschaftskataster (Vermessungs- und Katastergesetz – VermKatG NRW - ) vom 01. März 2005 (GV.NRW. S. 174), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 01. Oktober 2013 (GV.NRW. S.566) in Verbindung mit § 17 Abs. 3 des Gesetzes über die Öffentlich Bestellten Vermessungsingenieurinnen und – ingenieure in Nordrhein-Westfalen (ÖbVIG NRW) vom 01. April 2014 (GV.NRW. S. 256), wonach Berufspflichtverletzungen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen wurden, nach dem bisherigen Berufsrecht zu ahnden sind.
211. Die zuständige Bezirksregierung kann gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 ÖbVermIng BO NRW gegen Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure, die ihre Berufspflichten schuldhaft verletzen, nach deren Anhörung durch schriftlich begründeten Bescheid eine Warnung oder einen Verweis oder eine Geldbuße bis zu zwanzigtausend Deutsche Mark festsetzen. Es handelt sich dabei um eine Aufsichtsmaßnahme im Bereich der hoheitlichen Aufgaben der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure, § 14 Abs. 1 Satz 1 ÖbVermIng BO NRW. Die gerichtliche Überprüfung geschieht mangels besonderer Regelungen im allgemeinen Verwaltungsprozess und nicht durch die Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen, § 14 Abs. 1 Satz 2 ÖbVermIng BO NRW.
222. Die Festsetzung der Geldbuße ist formell rechtmäßig. Das in der – hier anwendbaren – Dritten Verordnung zur Durchführung der Berufsordnung für die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure in Nordrhein-Westfalen (3. DVOzÖbVermIng BO NRW) vom 02. Dezember 1966 geregelte Verfahren ist vom Beklagten beachtet worden. Die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 ÖbVermIng BO NRW i. V. m. § 1 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz der 3. DVOzÖbVermIng BO NRW und § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) erforderliche Anhörung des Klägers hat ordnungsgemäß stattgefunden.
233. Die Verhängung der Geldbuße ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Ermächtigungsgrundlage für diese Regelung ist § 15 Abs. 1 Satz 1 ÖbVermIng BO NRW. Danach kann die Bezirksregierung gegen Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure, die ihre Berufspflichten schuldhaft verletzen, nach deren Anhörung durch schriftlich begründeten Bescheid u.a. eine Geldbuße bis zu zwanzigtausend Deutsche Mark (heute: bis zu 10.225,00 Euro) festsetzen.
24a) Der Kläger hat vorliegend seine Berufspflichten verletzt.
25Allgemeine Berufspflichten, deren schuldhafte Verletzung den Beklagten zu einer Disziplinarmaßnahme berechtigen können, nennen §§ 9 und 10 ÖbVermIng BO NRW. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 ÖbVermIng BO NRW haben die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure ihren Beruf selbständig und eigenverantwortlich, gewissenhaft und unparteiisch auszuüben. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 ÖbVermIng BO NRW sind die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure verpflichtet, ihre Arbeiten unter Beachtung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften in einer der Sachlage und Zweckbestimmung entsprechenden wirtschaftlichen Weise sorgfältig und gewissenhaft auszuführen.
26Der Kläger hat mit seinen von August 2012 bis Januar 2013 durchgeführten Teilungsvermessungen in der Gemarkung N. , Flur 0 und 00, Flurstücke (neu) 0000 u.a. im Rahmen der Erstaufteilung des Bebauungsplans Nr. 85 der Stadt N. , „ “ ( II) in der Ortslage N1. , wobei sowohl die rückwärtigen neuen Grenzpunkte als auch die neuen Grenzpunkte in den zukünftigen Straßenbereichen vom Kläger mit Grenzzeichen gekennzeichnet wurden, die Vorschrift des § 20 Abs. 3 VemKatG NRW in der Fassung vom 01. März 2005 missachtet.
27Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 VermKatG NRW a.F. sind festgestellte Grundstücksgrenzen durch Grenzzeichen dauerhaft und sichtbar zu kennzeichnen. Neben den Fällen, in denen von einer Abmarkung dauerhaft abgesehen werden kann (vgl. § 20 Abs. 2 VermKatG NRW), existiert als weitere Variante die Zurückstellung der Abmarkung, welche dem Umstand, dass eine dauerhafte Bezeichnung der Grundstücksgrenzen zumindest temporär nicht möglich ist, Rechnung trägt. Demgemäß soll nach § 20 Abs. 3 VermKatG NRW a.F. die Abmarkung zurückgestellt werden, wenn und soweit Grundstücksgrenzen, zum Beispiel wegen Bauarbeiten, vorübergehend nicht dauerhaft bezeichnet werden können.
28Die Zurückstellung der Abmarkung beruht zum einen auf dem Gedanken, dass es sinnlos ist, eine Abmarkung mit dem Ziel ihrer Dauerhaftigkeit in einem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem ersichtlich ist, dass die Abmarkung keinesfalls von Dauer sein wird. Zum anderen ist die Vornahme einer Abmarkung unter diesen Voraussetzungen auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht akzeptabel.
29Die in § 20 Abs. 3 VermKatG NRW a.F. genannte nicht dauerhaft mögliche Bezeichnung von Grundstücksgrenzen exemplifiziert der Gesetzgeber anhand der genannten Bauarbeiten. Dieses Hindernis muss lediglich vorübergehend bestehen. An einer weiteren Konturierung in zeitlicher Hinsicht fehlt es. Aufgrund dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ergibt sich nach Auffassung des Gerichts aus Sinn und Zweck der Regelung des § 20 Abs. 3 VermKatG NRW, dass der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur hinsichtlich der Frage, in welchem zeitlichen Abstand nach einer durchzuführenden Abmarkung Bauarbeiten im Vermessungsgebiet stattfinden werden, die die Dauerhaftigkeit der Kennzeichnung der Grenzzeichen ernsthaft gefährden könnten, letztlich eine Prognoseentscheidung zu treffen hat.
30Vorübergehend ist das Hindernis, sofern dem Vermessungsingenieur durch hinreichend belastbare und bekannte Tatsachen erkennbar ist, dass der Beginn von Bauarbeiten im Vermessungsgebiet in näherer Zukunft zu erwarten sein wird. Auch wenn eine eindeutige Definition nicht möglich ist, ist nach Auffassung des Gerichts unter Berücksichtigung gewisser, im Baugewerbe üblicherweise auftretender Verzögerungen bei Baubeginn und Bauablauf, z.B. durch Witterungseinflüsse, ein Zeitraum von möglicher Abmarkung bis zum Beginn der Bauarbeiten von ca. sechs bis jedenfalls zwölf Monaten angemessen, in welchem die Abmarkung ausweislich des Gesetzeswortlautes zurückgestellt werden soll.
31Soweit der Kläger demgegenüber unter Bezugnahme auf eine Meinung in der Literatur,
32vgl. Mattiseck/Seidel, Vermessungs – und Katastergesetz Nordrhein-Westfalen, 3. Auflage 2015, § 20 Ziffer 4, Seite 112,
33annimmt, die Zurückstellung einer Abmarkung komme nur dann in Betracht, wenn offensichtlich sei, dass Maßnahmen, die zur Zerstörung der Abmarkungen führen, unmittelbar folgen würden, ist dem Folgendes entgegen zu halten:
34Auch der Begriff der Unmittelbarkeit wirft als unbestimmter Rechtsbegriff nicht unerhebliche Schwierigkeiten hinsichtlich der zeitlichen Einordnung des Beginns der Bauarbeiten auf. Er impliziert gegenüber der vom Gericht vorgenommenen Wortlautauslegung eine erheblich engere zeitliche Verknüpfung. Eine solche Auslegung übersieht allerdings zum einen, dass der Begriff der „Unmittelbarkeit“ im Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 3 VermKatG NRW keinen Niederschlag gefunden hat - vielmehr hat der Gesetzgeber den Begriff „vorübergehend“ gewählt.
35Zum anderen widerspricht ein Unmittelbarkeitserfordernis der gesetzgeberischen Intention. Nach der Grundregelung des Abs. 1 soll die Abmarkung dauerhaft erfolgen. Dies gilt auch im Fall einer Zurückstellung, die letztlich diese Dauerhaftigkeit durch das vorübergehende Hinausschieben der Abmarkung absichert. Dem widerspräche jedoch gerade die Vornahme einer Abmarkung trotz des erkennbaren Eintritts von Hindernissen in näherer Zukunft. Die in diesen Fällen angezeigte Zurückstellung der Abmarkung hat ihren Niederschlag in der Verschärfung des § 20 Abs. 3 VermKatG NRW durch Art. 2 des Gesetzes vom 01. April 2014 (GV.NRW. S. 256), gefunden, wonach die Zurückstellung nun zwingend ist und entgegen der hier anzuwendenden Altfassung nicht mehr nur erfolgen soll.
36Darüber hinaus widerspricht die Anlegung eines Unmittelbarkeitsmaßstabs auch Sinn und Zweck der Zurückstellung. Denn insbesondere sind wirtschaftliche Gesichtspunkte bei der Frage der Länge des Zeitraums zwischen Abmarkungen und Beginn von Bauarbeiten zu berücksichtigen. Hauptsächlich bei großen, in attraktiver Stadtrandlage gelegenen Baugebieten wie dem vorliegenden - zumal wenn wie hier auch noch eine (länger andauernde) private Baulandumlegung mit vielen Beteiligten vorausgegangen ist - , ist es naheliegend, dass die notwendigerweise zu Beginn durchzuführenden Erschließungsarbeiten im künftigen Baugebiet in zeitlicher Nähe zu den teilweise unter großem Aufwand und mit hohen Kosten verbundenen Teilungsvermessungen bzw. Abmarkungen erfolgen, um auf diese Weise möglichst zügig die Vermarktungsreife des Baugebietes herzustellen. Wenn aber die Grenzzeichen entgegen § 20 Abs. 1 Satz 1 VermKatG NRW wegen der ersichtlich anstehenden Bauarbeiten zur Erschließung des Baugebiets nicht dauerhaft eingebracht werden können, würde eine vorzeitige, d.h. verfrühte Abmarkung zur Vernichtung nicht unerheblicher Vermögenswerte führen. Schon aus diesem Grund kann keinesfalls das unmittelbare Bevorstehen von Bauarbeiten gefordert werden. Es wäre geradezu widersinnig, in dem Wissen abzumarken, dass innerhalb einer Zeitspanne von bis zu einem Jahr Erschließungsarbeiten folgen werden, was die Gesetzesauslegung nach Klägerauffassung jedoch gerade zuließe.
37Demgemäß lagen hier die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zurückstellung der Abmarkung vor.
38Vorliegend hatte der Kläger spätestens seit dem 26. September 2012 aufgrund der Mail der Stadt N. Kenntnis vom geplanten Beginn der Erschließungsarbeiten im Frühjahr 2013 im Plangebiet. Sowohl bei Zugrundelegung des geplanten Beginns der Bauarbeiten im Frühjahr 2013 als auch des tatsächlichen Beginns der Arbeiten Mitte Juli 2013 lagen die vom Kläger von August 2012 bis Januar 2013 durchgeführten Teilungsvermessungen und Abmarkungen innerhalb der hier vom erkennenden Gericht zugrunde gelegten Frist von sechs bis zwölf Monaten.
39Lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 20 Abs. 3 Satz 1 VermKatG NRW a.F. nach allem vor, war der Kläger grundsätzlich gehalten, die Abmarkungen in der Gemarkung N. , Flur 0 und 00, Flurstücke (neu) 0000 u.a. zunächst zurückzustellen. Eine Ausnahme für ein Absehen von der Zurückstellung der Abmarkungen wegen eines atypischen Sachverhalts sind vorliegend nicht ersichtlich.
40b) Der Kläger hat auch schuldhaft, nämlich fahrlässig gehandelt.
41Gemäß § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Ein Verstoß gegen das Sorgfaltsgebot liegt vor, wenn nach einem objektivierten Beurteilungsmaßstab der Handelnde in seiner konkreten Lage den drohenden Erfolg seines Verhaltens voraussehen und ihn vermeiden konnte. Bei dem zivilrechtlichen Fahrlässigkeitsbegriff ist von einem objektiv abstrakten Maßstab auszugehen,
42vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 75. Auflage 2016, § 276 Rdnr. 12 ff.; Alpmann in: jurisPK-BGB Band 2, Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., 7. Auflage 2014, Stand: 01. Oktober 2014, § 276 Rdnr. 9.
43Gemessen an diesen Grundsätzen, die auch in diesem Verfahren zugrunde zu legen sind, ist vorliegend von einem fahrlässigen Verhalten des Klägers auszugehen, da er bei Vornahme der Teilungsvermessungen und Abmarkungen im Gebiet des Bebauungsplans Nr. 85 „ “ ( II) in der Ortslage N1. von August 2012 bis Januar 2013 aufgrund der Mail der Stadt N. vom 26. September 2012 bereits Kenntnis davon hatte, dass die Erschließungsarbeiten in diesem Baugebiet schon im Frühjahr 2013 beginnen sollten. Es war für den Kläger daher naheliegend anzunehmen, dass aufgrund der mit Erdbewegungen einhergehenden Bauarbeiten für die Erschließung des Baugebiets die von ihm eingebrachten Grenzzeichen beschädigt bzw. entfernt werden könnten. Sofern für den Kläger nach Erhalt der Mail vom 26. September 2012 noch Zweifel am geplanten Termin für den Beginn der Erschließungsbauarbeiten bestanden haben sollten, etwa wegen früherer, negativer Erfahrungen in anderen Baugebieten der Stadt N. , so wäre es ihm ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, entweder direkt Kontakt zur Stadt N. aufzunehmen oder aber bei der Bezirksregierung Köln als Aufsichtsbehörde um weitergehende Informationen nachzufragen bzw. die weitere Vorgehensweise abzuklären. Ausweislich der vorgelegten Verwaltungsvorgänge hat der Kläger von diesen Möglichkeiten jedoch keinen Gebrauch gemacht.
44c) Der Beklagte hat das ihm bei seiner Entscheidung nach § 15 Abs. 1 ÖbVermIng BO NRW zustehende Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.
45d) Die Geldbuße hält sich im unteren Bereich des bis zu 20.000,00 Deutsche Mark (= 10.225,00 Euro) reichenden Rahmens. Gegen ihre Höhe ist nichts zu erinnern.
46II. Auch der weitere im Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 12. Juni 2014 enthaltene Verwaltungsakt, die Weisung gemäß § 14 Abs. 2 ÖbVIG NRW, ist nicht zu beanstanden.
47Gemäß § 14 Abs. 2 ÖbVIG NRW kann die Aufsichtsbehörde allgemeine oder besondere Weisungen erteilen, um die recht– und zweckmäßige Erfüllung der Aufgaben zu sichern. Die Rechtmäßigkeit der unter Ziffer V. des Bescheides angeordneten besonderen Weisung, der Kläger habe zeitnah nach Wegfall der Hinderungsgründe im Bereich des Plangebietes „ II“ die Abmarkung der Grenzpunkte, welche im Zuge der Vermessungsarbeiten von August 2012 bis Januar 2013 dort erbracht worden sind, zu wiederholen bzw. erneut abzumarken, folgt aus § 20 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die Landesvermessung und das Liegenschaftskataster (Vermessungs- und Katastergesetz – VermKatG NRW) vom 01. März 2005 (GV.NRW. S. 174), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 01. April 2014 (GV.NRW. S. 256), wonach die jeweilige Vermessungsstelle verpflichtet ist, die Abmarkung nach Wegfall der Hinderungsgründe vorzunehmen, und entspringt unmittelbar dem Aufsichtsverhältnis des Beklagten zum Kläger. Hinsichtlich der Ermessensausübung begegnet die Entscheidung des Beklagten ebenfalls keinen Bedenken. Sie beinhaltete die angemessene und notwendige Folge der oben festgestellten schuldhaften Berufspflichtverletzung des Klägers.
48Die Berufung war gemäß §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Abmarkung - insbesondere wegen zu erwartender Bauarbeiten - zurückzustellen ist, hat grundsätzliche Bedeutung und ist bislang nicht obergerichtlich geklärt. Die Änderung des § 20 Abs. 3 VermKatG NRW durch Art. 2 des Gesetzes vom 01. April 2014 (GV.NRW. S. 256) steht der grundsätzlichen Bedeutung der Sache nicht entgegen, da sich lediglich die Rechtsfolge, nicht aber die Tatbestandsvoraussetzungen der Regelung geändert haben.
49Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 16. Aug. 2016 - 2 K 3812/14
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Referenzen - Gesetze
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.