Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 17. Dez. 2009 - DL 13 K 152/09

bei uns veröffentlicht am17.12.2009

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung des Beklagten, mit der gegen ihn ein Verweis verhängt wurde.
Der am … 1966 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 01.10.1990 in der Laufbahn des allgemeinen Vollzugsdienstes bei der Justizvollzugsanstalt (JVA) ... beschäftigt. Mit Wirkung vom 01.10.1993 wurde er in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen und zuletzt am 01.09.2001 zum Hauptsekretär im Justizvollzugsdienst (Besoldungsgruppe A 8) ernannt. Der Kläger verrichtet in der JVA ... Schicht- und Wechseldienst.
Mit Schreiben vom 17.07.2008 berichtete die Hauptsekretärin im Justizvollzugsdienst K. dem Vollzugsdienstleiter von einem Vorfall am 16.07.2008. Sie habe an diesem Tag um ca. 18.00 Uhr im zweiten Flügel der JVA ... die abendliche Vollzähligkeitskontrolle durch die Klappe durchgeführt. Dabei habe sie festgestellt, dass der Haftraum Nr. 2302 offen gewesen sei. Dieser Haftraum sei mit dem Strafgefangenen B. belegt, der sich mit dem Strafgefangenen M. im Umschluss befunden habe. Der Strafgefangene B. habe ihr daraufhin mitgeteilt, dass der Kläger vergessen habe, den Haftraum zuzuschließen. Sie habe deshalb am 17.07.2008 mit dem Kläger ein klärendes Gespräch führen wollen, was dieser jedoch abgelehnt habe.
Der Beklagte leitete daraufhin mit Verfügung vom 22.07.2008 disziplinarrechtliche Vorermittlungen ein. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass der Personalrat gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 5 Landespersonalvertretungsgesetz - LPVG - nur auf Antrag beteiligt werde. Im Übrigen stehe es ihm frei, sich schriftlich oder mündlich zu äußern oder nichts auszusagen und sich jederzeit, auch schon vor der ersten Anhörung, eines Verteidigers zu bedienen.
Unter dem 08.08.2008 hörte der Beklagte im Rahmen der disziplinarrechtlichen Vorermittlungen die Strafgefangenen B. und M., den Hauptsekretär im Justizvollzugsdienst W., die Hauptsekretärin im Justizvollzugsdienst K. und den Hauptsekretär im Justizvollzugsdienst R. an. Wegen der Angaben der Aussagepersonen wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 02.10.2008 führte der Kläger aus, ihm könne aufgrund der Aussagen der Vollzugsbeamten und der Strafgefangenen nicht nachgewiesen werden, dass er den Haftraum nicht verschlossen habe. Vielmehr bestehe die Möglichkeit, dass er den Haftraum ordnungsgemäß verschlossen habe und dieser nachträglich - etwa durch Fachdienste oder Freizeitbeamte - geöffnet worden sei. Es sei nicht auszuschließen, dass die Strafgefangenen B. und M. ihn mit einer unwahren Aussage belasten wollten. Zudem sei auffällig, dass die Hauptsekretärin im Justizvollzugsdienst K. ihrer Aussage zufolge die Strafgefangenen sofort, nachdem sie festgestellt hätte, dass die Tür nicht verschlossen gewesen sei, befragt habe, ob sie ihre Aussage bezeugen könnten. Dies stelle ein völlig untypisches Verhalten dar und lasse Rückschlüsse darauf zu, dass die Hauptsekretärin im Justizvollzugsdienst K. ebenfalls Belastungstendenzen aufweise. Im Übrigen sei eine Flucht der Strafgefangenen trotz des offenen Haftraumes ausgeschlossen gewesen. Die Strafgefangenen hätten vielmehr denselben Bewegungsradius gehabt wie zu den üblichen Öffnungszeiten, da die Flügeltüren verschlossen gewesen seien und der Flügel zudem durch einen Vollzugsbeamten überwacht worden sei.
Unter dem 16.10.2008 hörte der Beklagte im Rahmen der disziplinarrechtlichen Vorermittlungen den Amtsinspektor H. an. Wegen seiner Angaben wird auf das hierüber gefertigte Anhörungsprotokoll verwiesen.
Der Beklagte übersandte dem Kläger unter dem 07.11.2008 den Entwurf einer Disziplinarverfügung. Hierzu nahm der Kläger mit Schreiben vom 24.11.2008 Stellung.
Mit Disziplinarverfügung vom 03.12.2008 verhängte der Beklagte gegen den Kläger wegen schuldhafter Verletzung seiner Dienstpflichten einen Verweis. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe am 16.07.2008 bei der Verrichtung seines Dienstes als für den Abschluss zuständiger Stockwerksbeamter im zweiten Stock des zweiten Flügels der JVA ... während eines sogenannten Umschlusses, bei dem jeweils einem Strafgefangenen gestattet werde, sich im Haftraum eines anderen Strafgefangenen zur gemeinschaftlichen Freizeitgestaltung aufzuhalten, entgegen den geltenden Vorschriften den Haftraum Nr. 2302 nicht verschlossen, so dass dieser Haftraum, in welchem sich zum fraglichen Zeitpunkt die Strafgefangenen B. und M. befunden hätten, über einen längeren Zeitraum hinweg offen gestanden habe. Der Sachverhalt sei durch die glaubhaften Aussagen der Hauptsekretärin im Justizvollzugsdienst K., des Hauptsekretärs im Justizvollzugsdienst R., des Amtsinspektors H. sowie der Strafgefangenen B. und M. nachgewiesen. Anhaltspunkte für Belastungstendenzen der Aussagepersonen seien nicht ersichtlich. Gegen das Vorliegen solcher Belastungstendenzen spreche vielmehr, dass der Kläger im Bereich des zweiten Stocks des zweiten Flügels der JVA ... nur gelegentlich eingesetzt sei. Durch sein Verhalten habe er gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen und ein Dienstvergehen gemäß § 95 Abs. 1 LBG begangen. Der Kläger habe im Sinne des § 74 LBG gegen die Vorschriften und Anordnungen der Haftanstalt gehandelt und gegen die aus § 73 LBG folgende Grundpflicht verstoßen, wonach das Verhalten eines Beamten innerhalb des Dienstes dem Vertrauen gerecht werden müsse, das man von ihm aufgrund des bestehenden Dienst- und Treuverhältnisses gemeinhin erwarte. Die Beaufsichtigung der Strafgefangenen, die sich auch auf den ordnungsgemäßen Abschluss der Hafträume erstrecke, sei eine wichtige Aufgabe der Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes, die die Sicherheit und Ordnung in der JVA gewährleiste. Im Bereich des Verschlusses der Hafträume könnten aus Gründen der Sicherheit und Ordnung Unachtsamkeiten und Nachlässigkeiten nicht toleriert werden. Dies gelte insbesondere für die JVA ..., da diese eine Sonderzuständigkeit für gemeinschaftsunfähige und besonders gefährliche Gefangene innehabe. Die Verhängung eines Verweises sei notwendig, um den Kläger zur gewissenhaften Erfüllung seiner dienstlichen Obliegenheiten anzuhalten. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass er bereits in der Vergangenheit wiederholt zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Dienstpflichten habe ermahnt werden müssen, zuletzt als er am 28.11.2007 vorschriftswidrig seine Anstaltsschlüssel mit nach Hause genommen habe und dies im Rahmen einer Schlüsselkontrolle bemerkt worden sei. Der Kläger habe diesen Vorgang jedoch nicht zum Anlass genommen, seinen Dienstpflichten sorgfältiger und gewissenhafter nachzukommen. Vielmehr stelle er diesen Sachverhalt bislang in Abrede. Die Ausführungen des Klägers in seiner Stellungnahme vom 02.10.2008 ließen erkennen, dass er nicht einmal ansatzweise bereit sei, die Schwere des von ihm begangenen Pflichtenverstoßes und die damit einhergehende Gefährdung der Sicherheit und Ordnung zu erkennen. Der Kläger habe durch sein Verhalten insbesondere die Bediensteten K. und R. gefährdet. Diese Gefahr habe sich nur wegen des Wohlverhaltens der Strafgefangenen nicht realisiert.
10 
Die Disziplinarverfügung wurde dem Kläger am 09.12.2008 zugestellt. Mit Schreiben vom 15.12.2008, das dem Kläger am 19.12.2008 zugestellt wurde, änderte der Beklagte die Rechtmittelbelehrung der Disziplinarverfügung vom 03.12.2008 ab.
11 
Der Kläger hat am 19.01.2009 Klage erhoben. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er habe den Haftraum, in dem sich die Strafgefangenen B. und M. befunden hätten, ordnungsgemäß abgeschlossen. Die Hauptsekretärin im Justizvollzugsdienst K. könne lediglich eine Aussage darüber treffen, dass der Haftraum offen gewesen sei, nicht jedoch darüber, wer dies zu verantworten habe. Möglicherweise habe ein Mitarbeiter der Fachdienste oder ein Freizeitbeamter die Tür des Haftraumes, nachdem er - der Kläger - diese ordnungsgemäß verschlossen habe, geöffnet und anschließend nicht mehr abgeschlossen. Die Aussagen der Strafgefangenen B. und M. ließen deutliche Belastungstendenzen erkennen. Insbesondere entspreche es der täglichen Lebenserfahrung, dass Strafgefangene versuchten, Vollzugsbeamte durch Falschaussagen zu belasten.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 03.12.2008 aufzuheben.
14 
Der Beklagte beantragt,
15 
die Klage abzuweisen.
16 
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Gründe der Disziplinarverfügung vom 03.12.2008. Ergänzend trägt er vor, in der fraglichen Zeit von 17.00 Uhr bis 18.15 Uhr, während der der Haftraum, in dem sich die Strafgefangenen B. und M. befunden hätten, offen gestanden habe, sei es absolut unüblich, dass die Hafträume von Mitarbeitern der Fachdienste oder Freizeitbeamten aufgesucht würden. Sofern dies ausnahmsweise zwingend notwendig sei, bestehe gemäß den geltenden Vorschriften die Verpflichtung, den zuständigen Stockwerksbeamten, im vorliegenden Fall also Hauptsekretär im Justizvollzugsdienst R., vorab zu informieren. Dieser habe bei seiner Anhörung jedoch ausgeführt, ihm sei im fraglichen Zeitraum nichts Besonderes aufgefallen. Der betreffende Haftraum befinde sich im Übrigen in unmittelbarer Nähe des Dienstzimmers des Stockwerksbeamten, so dass mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass kein Mitarbeiter der Fachdienste oder ein sonstiger Beamter in der fraglichen Zeit den Bereich betreten habe.
17 
Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch die Vernehmung der Hauptsekretärin im Justizvollzugsdienst K. und des Hauptsekretärs im Justizvollzugsdienst R. als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlagen zur Sitzungsniederschrift vom 17.12.2009 verwiesen.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Personalakten (2 Bände) und Disziplinarakten des Beklagten (2 Bände) und der Gerichtsakten in den Verfahren - 8 K 3003/08 - und - 13 K 977/96 - verwiesen, die dem Gericht vorlagen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Klage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 15 Abs. 2 AGVwGO in der Fassung des am 22.10.2008 in Kraft getretenen, hier bereits anwendbaren [vgl. Art. 26 Abs. 3 Satz 2 LDNOG] Gesetzes zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts - LDNOG - vom 14.10.2008, GBl. S. 343) als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) zulässig. Nach dem Gesetz zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts sollen disziplinarrechtliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in Abkehr von der bisherigen Bindung an das Strafprozessrecht künftig weitgehend den allgemeinen Regeln des Verwaltungsprozessrechts folgen (vgl. die Amtliche Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts, LT-Drucks. 14/2996, Begründung zu Art. 15 AGVwGO, S. 140 ff.). Disziplinarmaßnahmen werden durch Disziplinarverfügung des Dienstherrn ausgesprochen. Der Rechtsschutz hiergegen richtet sich nach den Vorschriften der VwGO und dem hierzu ergangenen Ausführungsgesetz zur VwGO (AGVwGO) (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl v. 18.11.2009 - DL 16 S 1921/09 -).
20 
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 03.12.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 21 Satz 1 AGVwGO).
21 
Rechtsgrundlage für den gegen den Kläger ausgesprochenen Verweis ist § 27 i.V.m. § 26 Abs. 1 des Landesdisziplinargesetzes - LDG - in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts vom 14.10.2008, a.a.O.). Danach kann dem Beamten, wenn er durch ein leichtes Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung geringfügig beeinträchtigt, eine ausdrücklich als Verweis bezeichnete schriftliche Rüge erteilt werden, um ihn zur Pflichterfüllung anzuhalten. Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 LBG (vgl. zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift zu dem für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Disziplinarverfügung am 09.12.2008 §§ 47 Abs. 1, 63 Abs. 3 BeamtStG) begeht der Beamte ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt.
22 
Der Kläger hat vorliegend ein innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 LBG begangen, indem er am 16.07.2008 um circa 17.00 Uhr bei der Verrichtung seines Dienstes als für den Abschluss zuständiger Stockwerksbeamter im zweiten Obergeschoss des zweiten Flügels der JVA ... während eines sogenannten Umschlusses, bei dem jeweils einem Strafgefangenen gestattet wird, sich im Haftraum eines anderen Strafgefangenen zur gemeinschaftlichen Freizeitgestaltung aufzuhalten, den Haftraum Nr. 2302 nicht verschloss, so dass dieser Haftraum, in welchem sich zum fraglichen Zeitpunkt die Strafgefangenen B. und M. befanden, bis zu der durch die Zeugin K. durchgeführten Kontrolle um circa 18.00 Uhr offen stand.
23 
Der vorstehend bezeichnete Sachverhalt steht für die Disziplinarkammer fest aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugin K. und des Zeugen R. sowie dem in der Disziplinarakte des Beklagten befindlichen Protokoll der Anhörung der Strafgefangenen B. und M. und des Hauptsekretärs im Justizvollzugsdienst W. vom 08.08.2008 (AS 39 f.). Die Strafgefangenen B. und M. haben bei ihrer Anhörung übereinstimmend und glaubhaft bekundet, dass sich der Strafgefangene M. am 16.07.2008 zum Umschluss in den Haftraum des Strafgefangenen B. begeben habe. Der Kläger habe dann die Tür des Haftraumes, die an den Türrahmen angelehnt gewesen sei und deshalb von außen so ausgesehen habe, als sei sie verschlossen gewesen, nicht abgeschlossen. Sie seien daraufhin im offenen Haftraum verblieben bis die Zeugin K. in den Haftraum hineingeschaut und gefragt habe, warum die Tür offen sei. Sie hätten ihr geantwortet, dass der Kläger die Tür nicht abgesperrt habe. Die Disziplinarkammer hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keinen Zweifel daran, dass die Strafgefangenen B. und M., die nicht wegen Aussagedelikten verurteilt sind, wahrheitsgemäß ausgesagt haben. Die Aussagen der Strafgefangenen B. und M., die in der mündlichen Verhandlung verlesen wurden, sind konsistent und widerspruchsfrei. Der Strafgefangene M. schilderte zudem Details, wie z. B. den Aufschluss der Duschräume durch den Kläger, die nicht unmittelbar den eigentlichen Vorwurf, nämlich den unterbliebenen Abschluss des Haftraumes Nr. 2302 betrafen. Entgegen der unsubstantierten Einlassung des Klägers vermag die Kammer keine gegenüber dem Kläger bestehende Belastungstendenz bzw. kein Belastungsmotiv der Strafgefangenen zu erkennen. Insbesondere ist entgegen dem Vortrag des Klägers nicht davon auszugehen, dass Strafgefangene stets zulasten der sie beaufsichtigenden Vollzugsbeamten wahrheitswidrig aussagen. Der Kläger selbst hat auch nicht vorgetragen, dass es zwischen ihm und den Strafgefangenen in der Vergangenheit zu Unstimmigkeiten gekommen sei. Auch aus den Aussagen der Strafgefangenen ergeben sich keine Anhaltspunkte für bestehende Differenzen zwischen ihnen und dem Kläger. Der Strafgefangene B. hat vielmehr erklärt, er könne über den Kläger nichts Positives oder Negatives sagen, da dieser nicht regelmäßig auf dem Stockwerk eingeteilt sei. Der Strafgefangene M. hat zwar eingeräumt, dass er froh sei, wenn der Kläger nicht im zweiten Obergeschoss eingeteilt sei, weil er ein „bisschen langsam“ sei, was ihn „ein bisschen“ „nerve“. Hieraus ergibt sich jedoch im konkreten Fall kein Motiv für eine falsche Aussage. Dies gilt insbesondere, weil die Strafgefangenen B. und M. nach den Angaben des Zeugen R., denen der Kläger nicht entgegen getreten ist, bislang nicht aufgefallen sind, weder als querulatorisch noch besonders renitent. Für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Strafgefangenen spricht zudem, dass der Haftraum Nr. 2302 nach der glaubhaften Aussage der Zeugin K. zum Zeitpunkt der von ihr durchgeführten Kontrolle tatsächlich offen gewesen ist. Die Strafgefangenen selbst waren jedoch nicht in der Lage, den Haftraum eigenmächtig zu öffnen, und konnten somit auch keine für den Kläger nachteilige Beweislage schaffen. Die Disziplinarkammer hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin K. Insbesondere ist - entgegen der von dem Kläger unsubstantiiert geäußerten Vermutung - nicht erkennbar, aus welcher Motivation heraus die Zeugin K. den Kläger durch eine Falschaussage belasten sollte. Weder der Kläger noch die Zeugin K. haben vorgetragen, dass zwischen ihnen persönliche Differenzen bestanden. Vielmehr hat die Zeugin K. in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar ausgeführt, sie habe nach dem Vorfall vermeiden wollen, dass Dritte zum Nachteil des Klägers hiervon Kenntnis erhielten und habe den Kläger deshalb zu sich gebeten, um ihm Gelegenheit zu geben, ungestört mit ihr hierüber zu sprechen. Der Vortrag des Klägers, er sei am 16.07.2008 - möglicherweise - überhaupt nicht für den Abschluss des im zweiten Obergeschoss des zweiten Flügels der JVA ... befindlichen Haftraums Nr. 2302 zuständig gewesen, jedenfalls könne er sich hieran nicht mehr erinnern, ist als reine Schutzbehauptung zu werten. Diesen Einwand hat er erstmals in der mündlichen Verhandlung erhoben. In seinen Stellungnahmen vom 02.10.2008 und 24.11.2008 hatte er seine Zuständigkeit für den Abschluss des Haftraumes Nr. 2302 nicht bestritten, sondern vielmehr behauptet, er habe den Haftraum, in dem sich die Strafgefangenen B. und M. befunden hätten, ordnungsgemäß abgeschlossen. Im Übrigen ergibt sich auch aus der Aussage des Zeugen R. und dem in der Disziplinarakte befindlichen Protokoll der Anhörung des Hauptsekretärs im Justizvollzugsdienst W., dass der Kläger am 16.07.2008 im zweiten Obergeschoss, der Zeuge R. im ersten Obergeschoss und Hauptsekretär im Justizvollzugsdienst W. im Erdgeschoss eingeteilt waren. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ist entgegen der unsubstantiierten Einlassung des Klägers auch nicht davon auszugehen, dass ein Dritter den Haftraum Nr. 2302 geöffnet und nicht wieder verschlossen hat, nachdem der Kläger diesen um circa 17.00 Uhr ordnungsgemäß abgeschlossen hatte. Dem stehen bereits die glaubhaften Aussagen der Strafgefangenen B. und M. entgegen, wonach der Kläger vergessen habe, den Haftraum abzuschließen. Darüber hinaus gab der Zeuge R. an, er habe sich während der Zeit zwischen 17.00 Uhr bis etwa 17.40 Uhr, also bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Zeugin K. von ihrem Dienstposten abgelöst habe, im Dienstzimmer im ersten Obergeschoss des zweiten Flügels, wo sich der Hauptzugang zum zweiten Flügel befinde, aufgehalten und nicht bemerkt, dass eine Person den Haftraum der Strafgefangenen B. und M. aufgesucht habe. In der fraglichen Zeit sei es im zweiten Stock still gewesen, weshalb er das Geräusch des Schließens der Flügeltüren auch in den anderen Stockwerken wahrgenommen hätte. Der Zeuge R. erklärte wörtlich: „Bis dahin ist hundertprozentig niemand hereingekommen.“ Lediglich während eines Zeitraumes von etwa 10 Minuten, als er die Zeugin K. von ihrem Dienstposten abgelöst habe, habe sich im zweiten Flügel kein Beamter befunden. Bereits angesichts dieser nur kurzen Zeitspanne ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Haftraum Nr. 2302 in dieser Zeit geöffnet wurde. Zudem ist es nach den Aussagen der Zeugen K. und R. sowie des Prozessvertreters des Beklagten, denen der Kläger nicht entgegen getreten ist, auch völlig unüblich, dass die Hafträume der Strafgefangenen während des Zeitraumes zwischen 17.00 und 18.15 Uhr aufgesucht werden. Darüber hinaus waren nach den Angaben des Prozessvertreters des Beklagten in der fraglichen Zeit von den Bediensteten, die einen Schlüssel zum Haftraum Nr. 2302 hatten, nur noch der Anstaltsleiter und der Pfarrer anwesend. Zudem wären die Bediensteten nach den Aussagen des Zeugen R. und des Prozessvertreters des Beklagten gehalten gewesen, sich vor dem Aufsuchen des Haftraumes bei dem Spätdienst habenden Beamten im zweiten Flügel, also dem Zeugen R., anzumelden, um sich über die bestehenden Sicherungsvorkehrungen zu erkundigen. Der Zeuge R. hat aber ausgesagt, dass sich in der fraglichen Zeit niemand bei ihm gemeldet habe. Nach alledem ist die Disziplinarkammer davon überzeugt, dass sich der Sachverhalt, wie oben beschrieben, tatsächlich so zugetragen hat.
24 
Angesichts der eindeutigen Beweislage sowie der Erklärung des Prozessvertreters des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass er eine Vernehmung der Strafgefangenen B. und M. nicht als weiterführend erachte und deshalb auf einen entsprechenden Beweisantrag verzichte, durfte die Disziplinarkammer von der Vernehmung der Strafgefangenen B. und M. als Zeugen absehen.
25 
Der Kläger hat durch das festgestellte Verhalten schuldhaft, nämlich fahrlässig, gegen die sich für ihn aus den §§ 73 Satz 3, 74 Satz 2 LBG (vgl. zur Anwendbarkeit dieser Vorschriften zu dem für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Disziplinarverfügung am 09.12.2008 §§ 33 ff., 63 Abs. 3 BeamtStG) ergebenden besonderen Beamtenpflichten verstoßen. Gemäß § 73 Satz 3 LBG muss das Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Nach § 74 Satz 2 LBG ist der Beamte verpflichtet, die von seinen Vorgesetzten erlassenen Anordnungen auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen, sofern es sich nicht um Fälle handelt, in denen er nach besonderer gesetzlicher Vorschrift an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen ist. Der Kläger hat vorliegend die ihm obliegende Pflicht zum Abschluss der Hafträume verletzt. Diese Pflicht ergibt sich unmittelbar aus der ihm übertragenen Aufgabe, für den ordnungsgemäßen Um- und Einschluss der Strafgefangenen zu sorgen (vgl. zum Arbeitsablauf eines Stockwerksbeamten (Abschluss) den Dienstplan der JVA ... [Disziplinarakte AS 14]), sowie aus den Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug - DSVollz - [AV des JuM v. 01.07.1976, Die Justiz S. 357, i.d.F. der VwV JuM 25.04.2006, Die Justiz S. 245]. Nummer 15 Abs. 1 dieser dienstlichen Anweisungen schreibt vor, dass die Eingänge zu den Anstaltsgebäuden, ihren Räumlichkeiten und zu den Höfen zumindest in Anstalten des geschlossenen Vollzuges stets verschlossen gehalten werden müssen (vgl. auch die Vorschrift Nr. 5 des Sicherungsplans der JVA ... [Gerichtsakte AS 63]). Durch die Verletzung der ihm obliegenden Pflicht zum Abschluss der Hafträume wurde der Kläger dem Vertrauen nicht gerecht, das sein Beruf als Vollzugsbeamter erfordert. Der Einschluss der Strafgefangenen gehört zu den Kernpflichten des hierfür zuständigen Vollzugsbeamten. Die zuverlässige Erfüllung dieser Kernpflicht ist für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung einer JVA sowie eines reibungslosen Dienstbetriebes unerlässlich. Der nicht ordnungsgemäße Abschluss eines Haftraumes begründet erhebliche Gefahren sowohl für die Vollzugsbeamten (etwa durch überraschende Angriffe der Strafgefangenen oder Geiselnahmen), als auch für die Strafgefangenen (z.B. durch körperliche Angriffe anderer Strafgefangener) und die Öffentlichkeit im Falle einer Flucht der Strafgefangenen aus der Haftanstalt. Dies gilt im vorliegenden Fall im Besonderen, weil die JVA ... eine Sonderzuständigkeit für besonders gefährliche Gefangene inne hat (vgl. Nr. 4.3.1.3 des Vollstreckungsplans für das Land Baden-Württemberg vom 09.09.2004 [Die Justiz 2004, 373] in der Fassung vom 10.12.2007). Vorliegend hat der unterbliebene Abschluss des Haftraumes Nr. 2302 zu einer konkreten Gefährdung der Zeugin K. geführt. Diese Gefahr hat sich allein aufgrund des Wohlverhaltens der Strafgefangenen B. und M. nicht realisiert. Der Einwand des Klägers, eine Flucht der Strafgefangenen B. und M. sei völlig ausgeschlossen gewesen, weil diese wegen der verschlossenen Flügeltüren ohnehin nur einen begrenzten Bewegungsradius gehabt hätten und der Flügel zudem durch einen Vollzugsbeamten überwacht worden sei, widerlegt das Bestehen der genannten Gefahren ebensowenig wie der Hinweis, dass die Vollzugsbeamten ein PSO mit sich führten. Denn die Gefahren eines Angriffs oder einer Geiselnahme und der sich anschließenden Flucht der Strafgefangenen sind erheblich größer, wenn die eingesetzten Vollzugsbeamten von einem ordnungsgemäßen Einschluss der Strafgefangenen ausgehen und mit einem Angriff folglich nicht rechnen müssen, auf einen solchen also auch nicht vorbereitet sind.
26 
Die Verletzung der Dienstpflichten durch das festgestellte Verhalten des Klägers am 16.07.2008 begründet jedenfalls ein leichtes Dienstvergehen im Sinne des § 27 LDG, welches das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung zumindest geringfügig beeinträchtigt. Nach den vorstehenden Ausführungen kann das Verhalten des Klägers keinesfalls als bloße Bagatellverfehlung angesehen werden, welche die Schwelle zur disziplinarischen Erheblichkeit nicht überschreitet (vgl. die Amtliche Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts, LT-Drucks. 14/2996, Begründung zu § 27 LDG, S. 91). Denn der Kläger hat vorliegend eine ihm als für den Abschluss zuständigen Vollzugsbeamten obliegende Kernpflicht verletzt und dadurch nicht unerhebliche Gefahren begründet. Dabei kann die Disziplinarkammer dahinstehen lassen, ob das Verhalten des Klägers nur, wie nach dem Wortlaut des § 27 LDG vorausgesetzt, ein leichtes oder - wegen der Verletzung einer Kernpflicht - sogar ein mittelschweres Dienstvergehen begründet und ob das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung im Sinne des § 27 LDG nur geringfügig oder sogar mehr als geringfügig beeinträchtigt ist. Denn die für die Bemessung der Disziplinarmaßnahmen in den Tatbeständen des Landesdisziplinargesetzes vorgesehenen Grade der Schwere des Dienstvergehens und des Maßes der Vertrauensbeeinträchtigung oder des Ansehensverlustes beschreiben nach dem Willen des Gesetzgebers nur das für den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme jeweils erforderliche Mindestmaß. Ein Verweis nach § 27 LDG kann somit als mildere Maßnahme auch ausgesprochen werden, wenn die Schwere des Dienstvergehens und das Maß der Vertrauensbeeinträchtigung tatbestandlich eine schärfere Disziplinarmaßnahme rechtfertigen. Das für den Ausspruch eines Verweises erforderliche leichte Dienstvergehen ist in einem mittelschweren Dienstvergehen enthalten. Ebenso ist die nach § 27 LDG für einen Verweis vorausgesetzte geringfügige Vertrauensbeeinträchtigung als schwächere Ausprägung von einer nicht nur geringfügigen Vertrauensbeeinträchtigung umfasst (vgl. zum Ganzen die Amtliche Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts, LT-Drucks. 14/2996, Begründung zu § 26 LDG, S. 87 f.).
27 
Da somit bereits das Verhalten des Klägers am 16.07.2008 die Voraussetzungen für die Erteilung eines Verweises begründet, kann offen bleiben, ob der Kläger auch in weiteren Fällen, etwa durch die Mitnahme von Anstaltsschlüsseln nach Hause (vgl. die Aktennotiz AS 1 der Disziplinarakte), seine Dienstpflichten verletzt hat.
28 
Der Beklagte hat das ihm nach § 27 LDG eingeräumte Ermessen (§ 2 LDG i.V.m. § 40 LVwVfG) in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Er hat den Verweis gegenüber dem Kläger ausgesprochen, um diesen zu einer gewissenhaften Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. Damit hat er das Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise betätigt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten (§ 114 Satz 1 VwGO).
29 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

 
19 
Die Klage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 15 Abs. 2 AGVwGO in der Fassung des am 22.10.2008 in Kraft getretenen, hier bereits anwendbaren [vgl. Art. 26 Abs. 3 Satz 2 LDNOG] Gesetzes zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts - LDNOG - vom 14.10.2008, GBl. S. 343) als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) zulässig. Nach dem Gesetz zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts sollen disziplinarrechtliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in Abkehr von der bisherigen Bindung an das Strafprozessrecht künftig weitgehend den allgemeinen Regeln des Verwaltungsprozessrechts folgen (vgl. die Amtliche Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts, LT-Drucks. 14/2996, Begründung zu Art. 15 AGVwGO, S. 140 ff.). Disziplinarmaßnahmen werden durch Disziplinarverfügung des Dienstherrn ausgesprochen. Der Rechtsschutz hiergegen richtet sich nach den Vorschriften der VwGO und dem hierzu ergangenen Ausführungsgesetz zur VwGO (AGVwGO) (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl v. 18.11.2009 - DL 16 S 1921/09 -).
20 
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 03.12.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 21 Satz 1 AGVwGO).
21 
Rechtsgrundlage für den gegen den Kläger ausgesprochenen Verweis ist § 27 i.V.m. § 26 Abs. 1 des Landesdisziplinargesetzes - LDG - in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts vom 14.10.2008, a.a.O.). Danach kann dem Beamten, wenn er durch ein leichtes Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung geringfügig beeinträchtigt, eine ausdrücklich als Verweis bezeichnete schriftliche Rüge erteilt werden, um ihn zur Pflichterfüllung anzuhalten. Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 LBG (vgl. zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift zu dem für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Disziplinarverfügung am 09.12.2008 §§ 47 Abs. 1, 63 Abs. 3 BeamtStG) begeht der Beamte ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt.
22 
Der Kläger hat vorliegend ein innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 LBG begangen, indem er am 16.07.2008 um circa 17.00 Uhr bei der Verrichtung seines Dienstes als für den Abschluss zuständiger Stockwerksbeamter im zweiten Obergeschoss des zweiten Flügels der JVA ... während eines sogenannten Umschlusses, bei dem jeweils einem Strafgefangenen gestattet wird, sich im Haftraum eines anderen Strafgefangenen zur gemeinschaftlichen Freizeitgestaltung aufzuhalten, den Haftraum Nr. 2302 nicht verschloss, so dass dieser Haftraum, in welchem sich zum fraglichen Zeitpunkt die Strafgefangenen B. und M. befanden, bis zu der durch die Zeugin K. durchgeführten Kontrolle um circa 18.00 Uhr offen stand.
23 
Der vorstehend bezeichnete Sachverhalt steht für die Disziplinarkammer fest aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugin K. und des Zeugen R. sowie dem in der Disziplinarakte des Beklagten befindlichen Protokoll der Anhörung der Strafgefangenen B. und M. und des Hauptsekretärs im Justizvollzugsdienst W. vom 08.08.2008 (AS 39 f.). Die Strafgefangenen B. und M. haben bei ihrer Anhörung übereinstimmend und glaubhaft bekundet, dass sich der Strafgefangene M. am 16.07.2008 zum Umschluss in den Haftraum des Strafgefangenen B. begeben habe. Der Kläger habe dann die Tür des Haftraumes, die an den Türrahmen angelehnt gewesen sei und deshalb von außen so ausgesehen habe, als sei sie verschlossen gewesen, nicht abgeschlossen. Sie seien daraufhin im offenen Haftraum verblieben bis die Zeugin K. in den Haftraum hineingeschaut und gefragt habe, warum die Tür offen sei. Sie hätten ihr geantwortet, dass der Kläger die Tür nicht abgesperrt habe. Die Disziplinarkammer hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keinen Zweifel daran, dass die Strafgefangenen B. und M., die nicht wegen Aussagedelikten verurteilt sind, wahrheitsgemäß ausgesagt haben. Die Aussagen der Strafgefangenen B. und M., die in der mündlichen Verhandlung verlesen wurden, sind konsistent und widerspruchsfrei. Der Strafgefangene M. schilderte zudem Details, wie z. B. den Aufschluss der Duschräume durch den Kläger, die nicht unmittelbar den eigentlichen Vorwurf, nämlich den unterbliebenen Abschluss des Haftraumes Nr. 2302 betrafen. Entgegen der unsubstantierten Einlassung des Klägers vermag die Kammer keine gegenüber dem Kläger bestehende Belastungstendenz bzw. kein Belastungsmotiv der Strafgefangenen zu erkennen. Insbesondere ist entgegen dem Vortrag des Klägers nicht davon auszugehen, dass Strafgefangene stets zulasten der sie beaufsichtigenden Vollzugsbeamten wahrheitswidrig aussagen. Der Kläger selbst hat auch nicht vorgetragen, dass es zwischen ihm und den Strafgefangenen in der Vergangenheit zu Unstimmigkeiten gekommen sei. Auch aus den Aussagen der Strafgefangenen ergeben sich keine Anhaltspunkte für bestehende Differenzen zwischen ihnen und dem Kläger. Der Strafgefangene B. hat vielmehr erklärt, er könne über den Kläger nichts Positives oder Negatives sagen, da dieser nicht regelmäßig auf dem Stockwerk eingeteilt sei. Der Strafgefangene M. hat zwar eingeräumt, dass er froh sei, wenn der Kläger nicht im zweiten Obergeschoss eingeteilt sei, weil er ein „bisschen langsam“ sei, was ihn „ein bisschen“ „nerve“. Hieraus ergibt sich jedoch im konkreten Fall kein Motiv für eine falsche Aussage. Dies gilt insbesondere, weil die Strafgefangenen B. und M. nach den Angaben des Zeugen R., denen der Kläger nicht entgegen getreten ist, bislang nicht aufgefallen sind, weder als querulatorisch noch besonders renitent. Für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Strafgefangenen spricht zudem, dass der Haftraum Nr. 2302 nach der glaubhaften Aussage der Zeugin K. zum Zeitpunkt der von ihr durchgeführten Kontrolle tatsächlich offen gewesen ist. Die Strafgefangenen selbst waren jedoch nicht in der Lage, den Haftraum eigenmächtig zu öffnen, und konnten somit auch keine für den Kläger nachteilige Beweislage schaffen. Die Disziplinarkammer hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin K. Insbesondere ist - entgegen der von dem Kläger unsubstantiiert geäußerten Vermutung - nicht erkennbar, aus welcher Motivation heraus die Zeugin K. den Kläger durch eine Falschaussage belasten sollte. Weder der Kläger noch die Zeugin K. haben vorgetragen, dass zwischen ihnen persönliche Differenzen bestanden. Vielmehr hat die Zeugin K. in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar ausgeführt, sie habe nach dem Vorfall vermeiden wollen, dass Dritte zum Nachteil des Klägers hiervon Kenntnis erhielten und habe den Kläger deshalb zu sich gebeten, um ihm Gelegenheit zu geben, ungestört mit ihr hierüber zu sprechen. Der Vortrag des Klägers, er sei am 16.07.2008 - möglicherweise - überhaupt nicht für den Abschluss des im zweiten Obergeschoss des zweiten Flügels der JVA ... befindlichen Haftraums Nr. 2302 zuständig gewesen, jedenfalls könne er sich hieran nicht mehr erinnern, ist als reine Schutzbehauptung zu werten. Diesen Einwand hat er erstmals in der mündlichen Verhandlung erhoben. In seinen Stellungnahmen vom 02.10.2008 und 24.11.2008 hatte er seine Zuständigkeit für den Abschluss des Haftraumes Nr. 2302 nicht bestritten, sondern vielmehr behauptet, er habe den Haftraum, in dem sich die Strafgefangenen B. und M. befunden hätten, ordnungsgemäß abgeschlossen. Im Übrigen ergibt sich auch aus der Aussage des Zeugen R. und dem in der Disziplinarakte befindlichen Protokoll der Anhörung des Hauptsekretärs im Justizvollzugsdienst W., dass der Kläger am 16.07.2008 im zweiten Obergeschoss, der Zeuge R. im ersten Obergeschoss und Hauptsekretär im Justizvollzugsdienst W. im Erdgeschoss eingeteilt waren. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ist entgegen der unsubstantiierten Einlassung des Klägers auch nicht davon auszugehen, dass ein Dritter den Haftraum Nr. 2302 geöffnet und nicht wieder verschlossen hat, nachdem der Kläger diesen um circa 17.00 Uhr ordnungsgemäß abgeschlossen hatte. Dem stehen bereits die glaubhaften Aussagen der Strafgefangenen B. und M. entgegen, wonach der Kläger vergessen habe, den Haftraum abzuschließen. Darüber hinaus gab der Zeuge R. an, er habe sich während der Zeit zwischen 17.00 Uhr bis etwa 17.40 Uhr, also bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Zeugin K. von ihrem Dienstposten abgelöst habe, im Dienstzimmer im ersten Obergeschoss des zweiten Flügels, wo sich der Hauptzugang zum zweiten Flügel befinde, aufgehalten und nicht bemerkt, dass eine Person den Haftraum der Strafgefangenen B. und M. aufgesucht habe. In der fraglichen Zeit sei es im zweiten Stock still gewesen, weshalb er das Geräusch des Schließens der Flügeltüren auch in den anderen Stockwerken wahrgenommen hätte. Der Zeuge R. erklärte wörtlich: „Bis dahin ist hundertprozentig niemand hereingekommen.“ Lediglich während eines Zeitraumes von etwa 10 Minuten, als er die Zeugin K. von ihrem Dienstposten abgelöst habe, habe sich im zweiten Flügel kein Beamter befunden. Bereits angesichts dieser nur kurzen Zeitspanne ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Haftraum Nr. 2302 in dieser Zeit geöffnet wurde. Zudem ist es nach den Aussagen der Zeugen K. und R. sowie des Prozessvertreters des Beklagten, denen der Kläger nicht entgegen getreten ist, auch völlig unüblich, dass die Hafträume der Strafgefangenen während des Zeitraumes zwischen 17.00 und 18.15 Uhr aufgesucht werden. Darüber hinaus waren nach den Angaben des Prozessvertreters des Beklagten in der fraglichen Zeit von den Bediensteten, die einen Schlüssel zum Haftraum Nr. 2302 hatten, nur noch der Anstaltsleiter und der Pfarrer anwesend. Zudem wären die Bediensteten nach den Aussagen des Zeugen R. und des Prozessvertreters des Beklagten gehalten gewesen, sich vor dem Aufsuchen des Haftraumes bei dem Spätdienst habenden Beamten im zweiten Flügel, also dem Zeugen R., anzumelden, um sich über die bestehenden Sicherungsvorkehrungen zu erkundigen. Der Zeuge R. hat aber ausgesagt, dass sich in der fraglichen Zeit niemand bei ihm gemeldet habe. Nach alledem ist die Disziplinarkammer davon überzeugt, dass sich der Sachverhalt, wie oben beschrieben, tatsächlich so zugetragen hat.
24 
Angesichts der eindeutigen Beweislage sowie der Erklärung des Prozessvertreters des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass er eine Vernehmung der Strafgefangenen B. und M. nicht als weiterführend erachte und deshalb auf einen entsprechenden Beweisantrag verzichte, durfte die Disziplinarkammer von der Vernehmung der Strafgefangenen B. und M. als Zeugen absehen.
25 
Der Kläger hat durch das festgestellte Verhalten schuldhaft, nämlich fahrlässig, gegen die sich für ihn aus den §§ 73 Satz 3, 74 Satz 2 LBG (vgl. zur Anwendbarkeit dieser Vorschriften zu dem für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Disziplinarverfügung am 09.12.2008 §§ 33 ff., 63 Abs. 3 BeamtStG) ergebenden besonderen Beamtenpflichten verstoßen. Gemäß § 73 Satz 3 LBG muss das Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Nach § 74 Satz 2 LBG ist der Beamte verpflichtet, die von seinen Vorgesetzten erlassenen Anordnungen auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen, sofern es sich nicht um Fälle handelt, in denen er nach besonderer gesetzlicher Vorschrift an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen ist. Der Kläger hat vorliegend die ihm obliegende Pflicht zum Abschluss der Hafträume verletzt. Diese Pflicht ergibt sich unmittelbar aus der ihm übertragenen Aufgabe, für den ordnungsgemäßen Um- und Einschluss der Strafgefangenen zu sorgen (vgl. zum Arbeitsablauf eines Stockwerksbeamten (Abschluss) den Dienstplan der JVA ... [Disziplinarakte AS 14]), sowie aus den Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug - DSVollz - [AV des JuM v. 01.07.1976, Die Justiz S. 357, i.d.F. der VwV JuM 25.04.2006, Die Justiz S. 245]. Nummer 15 Abs. 1 dieser dienstlichen Anweisungen schreibt vor, dass die Eingänge zu den Anstaltsgebäuden, ihren Räumlichkeiten und zu den Höfen zumindest in Anstalten des geschlossenen Vollzuges stets verschlossen gehalten werden müssen (vgl. auch die Vorschrift Nr. 5 des Sicherungsplans der JVA ... [Gerichtsakte AS 63]). Durch die Verletzung der ihm obliegenden Pflicht zum Abschluss der Hafträume wurde der Kläger dem Vertrauen nicht gerecht, das sein Beruf als Vollzugsbeamter erfordert. Der Einschluss der Strafgefangenen gehört zu den Kernpflichten des hierfür zuständigen Vollzugsbeamten. Die zuverlässige Erfüllung dieser Kernpflicht ist für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung einer JVA sowie eines reibungslosen Dienstbetriebes unerlässlich. Der nicht ordnungsgemäße Abschluss eines Haftraumes begründet erhebliche Gefahren sowohl für die Vollzugsbeamten (etwa durch überraschende Angriffe der Strafgefangenen oder Geiselnahmen), als auch für die Strafgefangenen (z.B. durch körperliche Angriffe anderer Strafgefangener) und die Öffentlichkeit im Falle einer Flucht der Strafgefangenen aus der Haftanstalt. Dies gilt im vorliegenden Fall im Besonderen, weil die JVA ... eine Sonderzuständigkeit für besonders gefährliche Gefangene inne hat (vgl. Nr. 4.3.1.3 des Vollstreckungsplans für das Land Baden-Württemberg vom 09.09.2004 [Die Justiz 2004, 373] in der Fassung vom 10.12.2007). Vorliegend hat der unterbliebene Abschluss des Haftraumes Nr. 2302 zu einer konkreten Gefährdung der Zeugin K. geführt. Diese Gefahr hat sich allein aufgrund des Wohlverhaltens der Strafgefangenen B. und M. nicht realisiert. Der Einwand des Klägers, eine Flucht der Strafgefangenen B. und M. sei völlig ausgeschlossen gewesen, weil diese wegen der verschlossenen Flügeltüren ohnehin nur einen begrenzten Bewegungsradius gehabt hätten und der Flügel zudem durch einen Vollzugsbeamten überwacht worden sei, widerlegt das Bestehen der genannten Gefahren ebensowenig wie der Hinweis, dass die Vollzugsbeamten ein PSO mit sich führten. Denn die Gefahren eines Angriffs oder einer Geiselnahme und der sich anschließenden Flucht der Strafgefangenen sind erheblich größer, wenn die eingesetzten Vollzugsbeamten von einem ordnungsgemäßen Einschluss der Strafgefangenen ausgehen und mit einem Angriff folglich nicht rechnen müssen, auf einen solchen also auch nicht vorbereitet sind.
26 
Die Verletzung der Dienstpflichten durch das festgestellte Verhalten des Klägers am 16.07.2008 begründet jedenfalls ein leichtes Dienstvergehen im Sinne des § 27 LDG, welches das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung zumindest geringfügig beeinträchtigt. Nach den vorstehenden Ausführungen kann das Verhalten des Klägers keinesfalls als bloße Bagatellverfehlung angesehen werden, welche die Schwelle zur disziplinarischen Erheblichkeit nicht überschreitet (vgl. die Amtliche Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts, LT-Drucks. 14/2996, Begründung zu § 27 LDG, S. 91). Denn der Kläger hat vorliegend eine ihm als für den Abschluss zuständigen Vollzugsbeamten obliegende Kernpflicht verletzt und dadurch nicht unerhebliche Gefahren begründet. Dabei kann die Disziplinarkammer dahinstehen lassen, ob das Verhalten des Klägers nur, wie nach dem Wortlaut des § 27 LDG vorausgesetzt, ein leichtes oder - wegen der Verletzung einer Kernpflicht - sogar ein mittelschweres Dienstvergehen begründet und ob das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung im Sinne des § 27 LDG nur geringfügig oder sogar mehr als geringfügig beeinträchtigt ist. Denn die für die Bemessung der Disziplinarmaßnahmen in den Tatbeständen des Landesdisziplinargesetzes vorgesehenen Grade der Schwere des Dienstvergehens und des Maßes der Vertrauensbeeinträchtigung oder des Ansehensverlustes beschreiben nach dem Willen des Gesetzgebers nur das für den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme jeweils erforderliche Mindestmaß. Ein Verweis nach § 27 LDG kann somit als mildere Maßnahme auch ausgesprochen werden, wenn die Schwere des Dienstvergehens und das Maß der Vertrauensbeeinträchtigung tatbestandlich eine schärfere Disziplinarmaßnahme rechtfertigen. Das für den Ausspruch eines Verweises erforderliche leichte Dienstvergehen ist in einem mittelschweren Dienstvergehen enthalten. Ebenso ist die nach § 27 LDG für einen Verweis vorausgesetzte geringfügige Vertrauensbeeinträchtigung als schwächere Ausprägung von einer nicht nur geringfügigen Vertrauensbeeinträchtigung umfasst (vgl. zum Ganzen die Amtliche Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts, LT-Drucks. 14/2996, Begründung zu § 26 LDG, S. 87 f.).
27 
Da somit bereits das Verhalten des Klägers am 16.07.2008 die Voraussetzungen für die Erteilung eines Verweises begründet, kann offen bleiben, ob der Kläger auch in weiteren Fällen, etwa durch die Mitnahme von Anstaltsschlüsseln nach Hause (vgl. die Aktennotiz AS 1 der Disziplinarakte), seine Dienstpflichten verletzt hat.
28 
Der Beklagte hat das ihm nach § 27 LDG eingeräumte Ermessen (§ 2 LDG i.V.m. § 40 LVwVfG) in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Er hat den Verweis gegenüber dem Kläger ausgesprochen, um diesen zu einer gewissenhaften Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. Damit hat er das Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise betätigt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten (§ 114 Satz 1 VwGO).
29 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 17. Dez. 2009 - DL 13 K 152/09

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 17. Dez. 2009 - DL 13 K 152/09

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 17. Dez. 2009 - DL 13 K 152/09 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 47 Nichterfüllung von Pflichten


(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße g

Landbeschaffungsgesetz - LBG | § 73


Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 17. Dez. 2009 - DL 13 K 152/09 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 17. Dez. 2009 - DL 13 K 152/09 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 18. Nov. 2009 - DL 16 S 1921/09

bei uns veröffentlicht am 18.11.2009

Tenor Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart - Disziplinarkammer - vom 29. Juli 2009 - DL 20 K 1146/09 - wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdev

Referenzen

Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart - Disziplinarkammer - vom 29. Juli 2009 - DL 20 K 1146/09 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

 
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Die von der Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 2 LDG, § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben dem Senat keine Veranlassung, abweichend von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts den Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass ihre Klage gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 22.12.2008 aufschiebende Wirkung hat, abzulehnen. Mit dieser Verfügung hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin gemäß § 22 LDG vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung von 50 v. H. der Dienstbezüge ab dem 01.01.2009 angeordnet.
Ebenso wie das Verwaltungsgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass die Klage der Antragstellerin gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 22.12.2008, die keine Anordnung des Sofortvollzugs enthält, aufschiebende Wirkung hat. Nach § 22 Abs. 1 LDG kann die Disziplinarbehörde ab Einleitung des Disziplinarverfahrens den Beamten vorläufig des Dienstes entheben, wenn er voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt wird (Nr. 1) oder andernfalls der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die Enthebung im Hinblick auf die Bedeutung der Sache und die zu erwartende Disziplinarmaßnahme verhältnismäßig ist (Nr. 2). Nach Absatz 2 der Vorschrift kann in den Fällen des Absatz 1 die Disziplinarbehörde verfügen, dass bis zu 50 Prozent der monatlichen Bezüge einbehalten werden. § 23 LDG regelt die Form und Rechtswirkungen von vorläufiger Dienstenthebung und Einbehaltung der Bezüge. Nach § 23 Abs. 1 LDG sind Verfügungen über vorläufige Maßnahmen mit Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und dem Beamten zuzustellen. Vorläufige, nicht amtsgemäße Verwendung und vorläufige Dienstenthebung werden mit der Zustellung, die Einbehaltung von Bezügen mit Ablauf des Monats der Zustellung wirksam und vollziehbar. Mit dem Verwaltungsgericht vermag auch der Senat aus dem Wort „vollziehbar“ nicht die gesetzliche Anordnung des Sofortvollzugs zu entnehmen.
Das LDG führt nach der gesetzgeberischen Absicht das Disziplinarverfahren in ein Verwaltungsverfahren mit sich ggf. anschließendem verwaltungsgerichtlichen Verfahren über und beendet damit im Wesentlichen dessen bisherige Bindung an das Strafprozessrecht. Das Disziplinarverfahren soll an das allgemeine beamtenrechtliche Verwaltungsverfahren angeglichen werden (Amtliche Begründung zum Landesdisziplinargesetz vom 15.07.2008, LT-Drs. 14/2996, S. 52). Die Regelungen des allgemeinen Verwaltungsverfahrens und des Verwaltungsprozesses werden anwendbar (§ 2 LDG). Elemente des Strafprozesses sollen nur dort erhalten bleiben, wo dies mit Blick auf den Rechtsschutz des Beamten unverzichtbar ist. Disziplinarmaßnahmen werden durch Disziplinarverfügung des Dienstherrn ausgesprochen. Dies gilt ebenso für die vorläufige Dienstenthebung wie auch für die Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge. Diese Maßnahmen sind Verwaltungsakte im Sinne von § 35 LVwVfG. Der Rechtsschutz hiergegen richtet sich nach den Vorschriften der VwGO und dem hierzu ergangenen Ausführungsgesetz zur VwGO (AGVwGO) vom 14.10.2008 (GBl. S. 343). Nach § 15 Abs. 2 AGVwGO bedarf es in Angelegenheiten nach dem LDG keines Vorverfahrens, so dass der Klageweg sofort eröffnet ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 2 LDG nach verwaltungs- und verfassungsrechtlichen Kriterien auszulegen. Die VwGO geht vom Regelfall aus, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben (§ 80 Abs. 1 VwGO) und nach ganz einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung zur Vollziehbarkeitshemmung des Verwaltungsaktes führen (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt Stand Oktober 2008, § 80 Rdnr. 75 ff.; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2007, Rdnr. 631). Dies gilt auch bei rechtsgestaltenden Verwaltungsakten. Die aufschiebende Wirkung entfällt - neben den in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 4, und Satz 2 VwGO ausdrücklich genannten - „nur“ in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Der Sofortvollzug soll mithin die Ausnahme sein. Wenn § 23 Abs. 1 Satz 2 LDG bestimmt, dass die vorläufige Dienstenthebung mit der Zustellung, die Einbehaltung von Bezügen mit Ablauf des Monats der Zustellung wirksam und vollziehbar werden, ist der Wortlaut eindeutig. Verwaltungsakte werden regelmäßig - abgesehen vom Fall der Nichtigkeit (vgl. § 44 LVwVfG) - mit ihrer Bekanntgabe an den Adressaten wirksam (§ 43 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG) und vollziehbar (statt vieler J. Schmidt in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. § 80 Rdnr. 5). Die aufschiebende Wirkung des § 80 Abs. 1 VwGO wird erst durch den Widerspruch ausgelöst, nicht schon durch die Möglichkeit der Einlegung des Rechtsbehelfs (BVerwG, Urteil vom 25.02.1992, NVwZ 1992, S. 791; so auch Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt Stand Oktober 2008, § 80 Rdnr. 44 m.w.N.). Damit stellt § 23 Abs. 1 Satz 2 LDG nach seinem Wortlaut klar, dass mit der Wirksamkeit des Verwaltungsakts dieser bereits (vor Bestandskraft) vollziehbar ist (vgl. für die wortgleiche Regelung in § 39 Abs. 1 Satz 1 BDG Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Aufl., § 39, Rdnr. 1, wo ebenfalls von einer Klarstellung ausgegangen wird). Da der Wortlaut somit eindeutig ist bedarf es keiner Auslegung dieser Vorschrift, ebenso wenig ist ein Rückgriff auf die Gesetzeshistorie erforderlich.
Der Ansicht der Antragsgegnerin, wonach § 23 Abs. 1 Satz 2 LDG durch das Wort „vollziehbar“ die Anordnung des gesetzlichen Sofortvollzugs enthalte, vermag sich der Senat in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht nicht anzuschließen. Zwar beruft sich die Antragsgegnerin auf die Gesetzesbegründung (a.a.O., S. 83) zu § 23 LDG, wo es heißt: „Es handelt sich damit um den Fall einer gesetzlich geregelten sofortigen Vollziehbarkeit (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO)“. Der in den Motiven zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers ist bei der Auslegung von Gesetzen heranzuziehen, er findet jedoch seine Grenze im Gesetzeswortlaut (so auch VG Freiburg, Beschluss vom 03.02.2009 - DL 10 K 2727/08 - m.w.N.). Der Wortlaut ist jedoch, wie oben dargestellt, eindeutig. Darüber hinaus lässt sich aus dem Begriff „vollziehbar“ erst recht nicht auf die „sofortige“ Vollziehbarkeit schließen. Diese Begrifflichkeit ist im Übrigen auch ungewöhnlich. Entsprechend der Ermächtigungsnorm in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO findet sich regelmäßig bei gesetzlich angeordnetem Sofortvollzug die Wendung „Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung“. Folgerichtig regelt z. B. § 17 Abs. 2 Satz 2 LDG für die Fälle behördlich angeordneter Beschlagnahmen und Durchsuchungen bei Gefahr im Verzug, dass die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat.
Der Antragsgegnerin ist zuzugeben, dass § 23 LDG der Vorschrift des § 39 Abs. 1 Satz 1 BDG wörtlich nachgebildet ist. Zurecht hat das Verwaltungsgericht aber darauf hingewiesen, dass das BDG in § 63 ausdrücklich den vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz geregelt hat, so dass sich die Frage des Sofortvollzugs bei einer Maßnahme nach § 39 Abs. 1 Satz 1 BDG gar nicht mehr stellt (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.11.2007 - 21d B 1024/07.BDG -, das wegen des besonderen Rechtsschutzes in § 63 BDG von einer Verwaltungsentscheidung sui generis ausgeht).
Ist somit die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von 50 v. H. der Bezüge der Antragstellerin in der Verfügung der Antragsgegnerin vom 22.12.2008 nicht sofort vollziehbar, so entfaltet die Anfechtungsklage der Antragstellerin nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Möchte die Antragsgegnerin die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage entfallen lassen, bleibt es ihr unbenommen, den Sofortvollzug der Verfügung vom 22.12.2008 unter den gesetzlichen Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO anzuordnen.
Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen weist der Senat darauf hin, dass die Antragstellerin weiterhin ein Rechtsschutzinteresse am Feststellungsantrag haben dürfte, obwohl sie zwischenzeitlich durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 20.05.2009 u. a. aus dem Beamtenverhältnis entfernt wurde (Ziff. 1), bis zur Rechtskraft der Entscheidung des Dienstes enthoben bleibt und 50 % der monatlichen Bezüge einbehalten werden (Ziff. 2). Denn die Verfügung vom 20.05.2009 trifft keine eigenständige Regelung, sondern macht sich ersichtlich die Begründung in der Verfügung vom 22.12.2008 zu eigen. Lediglich im Tenor der Entscheidung wird unter Ziff. 2 angeordnet, dass die Beamtin bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung des Dienstes „enthoben bleibt“ und 50 Prozent der monatlichen Bezüge einbehalten werden. Bereits der Wortlaut „enthoben bleibt“ spricht für eine Bezugnahme auf die hier streitgegenständliche Verfügung. Hinzu kommt, dass sich in der Verfügung weder Ausführungen zur Dienstenthebung noch zur Höhe der einbehaltenen Bezüge, geschweige denn zur Rechtsgrundlage finden. Damit spricht alles dafür, dass die unter Ziff. 2 der Verfügung vom 20.05.2009 getroffene Feststellung keinen eigenständigen Regelungscharakter besitzt, sondern im Sinne einer wiederholenden Verfügung auf die vorläufige Dienstenthebung vom 22.12.2008 Bezug nimmt (vgl. hierzu auch Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Loseblatt Stand September 2009, § 39 BDG, Rdnr. 10).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da die Gerichtskosten streitwertunabhängig sind (Nrn. 214, 220 der Anlage zu § 22 AGVwGO).
10 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart - Disziplinarkammer - vom 29. Juli 2009 - DL 20 K 1146/09 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

 
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Die von der Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 2 LDG, § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben dem Senat keine Veranlassung, abweichend von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts den Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass ihre Klage gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 22.12.2008 aufschiebende Wirkung hat, abzulehnen. Mit dieser Verfügung hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin gemäß § 22 LDG vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung von 50 v. H. der Dienstbezüge ab dem 01.01.2009 angeordnet.
Ebenso wie das Verwaltungsgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass die Klage der Antragstellerin gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 22.12.2008, die keine Anordnung des Sofortvollzugs enthält, aufschiebende Wirkung hat. Nach § 22 Abs. 1 LDG kann die Disziplinarbehörde ab Einleitung des Disziplinarverfahrens den Beamten vorläufig des Dienstes entheben, wenn er voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt wird (Nr. 1) oder andernfalls der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die Enthebung im Hinblick auf die Bedeutung der Sache und die zu erwartende Disziplinarmaßnahme verhältnismäßig ist (Nr. 2). Nach Absatz 2 der Vorschrift kann in den Fällen des Absatz 1 die Disziplinarbehörde verfügen, dass bis zu 50 Prozent der monatlichen Bezüge einbehalten werden. § 23 LDG regelt die Form und Rechtswirkungen von vorläufiger Dienstenthebung und Einbehaltung der Bezüge. Nach § 23 Abs. 1 LDG sind Verfügungen über vorläufige Maßnahmen mit Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und dem Beamten zuzustellen. Vorläufige, nicht amtsgemäße Verwendung und vorläufige Dienstenthebung werden mit der Zustellung, die Einbehaltung von Bezügen mit Ablauf des Monats der Zustellung wirksam und vollziehbar. Mit dem Verwaltungsgericht vermag auch der Senat aus dem Wort „vollziehbar“ nicht die gesetzliche Anordnung des Sofortvollzugs zu entnehmen.
Das LDG führt nach der gesetzgeberischen Absicht das Disziplinarverfahren in ein Verwaltungsverfahren mit sich ggf. anschließendem verwaltungsgerichtlichen Verfahren über und beendet damit im Wesentlichen dessen bisherige Bindung an das Strafprozessrecht. Das Disziplinarverfahren soll an das allgemeine beamtenrechtliche Verwaltungsverfahren angeglichen werden (Amtliche Begründung zum Landesdisziplinargesetz vom 15.07.2008, LT-Drs. 14/2996, S. 52). Die Regelungen des allgemeinen Verwaltungsverfahrens und des Verwaltungsprozesses werden anwendbar (§ 2 LDG). Elemente des Strafprozesses sollen nur dort erhalten bleiben, wo dies mit Blick auf den Rechtsschutz des Beamten unverzichtbar ist. Disziplinarmaßnahmen werden durch Disziplinarverfügung des Dienstherrn ausgesprochen. Dies gilt ebenso für die vorläufige Dienstenthebung wie auch für die Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge. Diese Maßnahmen sind Verwaltungsakte im Sinne von § 35 LVwVfG. Der Rechtsschutz hiergegen richtet sich nach den Vorschriften der VwGO und dem hierzu ergangenen Ausführungsgesetz zur VwGO (AGVwGO) vom 14.10.2008 (GBl. S. 343). Nach § 15 Abs. 2 AGVwGO bedarf es in Angelegenheiten nach dem LDG keines Vorverfahrens, so dass der Klageweg sofort eröffnet ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 2 LDG nach verwaltungs- und verfassungsrechtlichen Kriterien auszulegen. Die VwGO geht vom Regelfall aus, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben (§ 80 Abs. 1 VwGO) und nach ganz einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung zur Vollziehbarkeitshemmung des Verwaltungsaktes führen (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt Stand Oktober 2008, § 80 Rdnr. 75 ff.; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2007, Rdnr. 631). Dies gilt auch bei rechtsgestaltenden Verwaltungsakten. Die aufschiebende Wirkung entfällt - neben den in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 4, und Satz 2 VwGO ausdrücklich genannten - „nur“ in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Der Sofortvollzug soll mithin die Ausnahme sein. Wenn § 23 Abs. 1 Satz 2 LDG bestimmt, dass die vorläufige Dienstenthebung mit der Zustellung, die Einbehaltung von Bezügen mit Ablauf des Monats der Zustellung wirksam und vollziehbar werden, ist der Wortlaut eindeutig. Verwaltungsakte werden regelmäßig - abgesehen vom Fall der Nichtigkeit (vgl. § 44 LVwVfG) - mit ihrer Bekanntgabe an den Adressaten wirksam (§ 43 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG) und vollziehbar (statt vieler J. Schmidt in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. § 80 Rdnr. 5). Die aufschiebende Wirkung des § 80 Abs. 1 VwGO wird erst durch den Widerspruch ausgelöst, nicht schon durch die Möglichkeit der Einlegung des Rechtsbehelfs (BVerwG, Urteil vom 25.02.1992, NVwZ 1992, S. 791; so auch Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt Stand Oktober 2008, § 80 Rdnr. 44 m.w.N.). Damit stellt § 23 Abs. 1 Satz 2 LDG nach seinem Wortlaut klar, dass mit der Wirksamkeit des Verwaltungsakts dieser bereits (vor Bestandskraft) vollziehbar ist (vgl. für die wortgleiche Regelung in § 39 Abs. 1 Satz 1 BDG Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Aufl., § 39, Rdnr. 1, wo ebenfalls von einer Klarstellung ausgegangen wird). Da der Wortlaut somit eindeutig ist bedarf es keiner Auslegung dieser Vorschrift, ebenso wenig ist ein Rückgriff auf die Gesetzeshistorie erforderlich.
Der Ansicht der Antragsgegnerin, wonach § 23 Abs. 1 Satz 2 LDG durch das Wort „vollziehbar“ die Anordnung des gesetzlichen Sofortvollzugs enthalte, vermag sich der Senat in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht nicht anzuschließen. Zwar beruft sich die Antragsgegnerin auf die Gesetzesbegründung (a.a.O., S. 83) zu § 23 LDG, wo es heißt: „Es handelt sich damit um den Fall einer gesetzlich geregelten sofortigen Vollziehbarkeit (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO)“. Der in den Motiven zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers ist bei der Auslegung von Gesetzen heranzuziehen, er findet jedoch seine Grenze im Gesetzeswortlaut (so auch VG Freiburg, Beschluss vom 03.02.2009 - DL 10 K 2727/08 - m.w.N.). Der Wortlaut ist jedoch, wie oben dargestellt, eindeutig. Darüber hinaus lässt sich aus dem Begriff „vollziehbar“ erst recht nicht auf die „sofortige“ Vollziehbarkeit schließen. Diese Begrifflichkeit ist im Übrigen auch ungewöhnlich. Entsprechend der Ermächtigungsnorm in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO findet sich regelmäßig bei gesetzlich angeordnetem Sofortvollzug die Wendung „Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung“. Folgerichtig regelt z. B. § 17 Abs. 2 Satz 2 LDG für die Fälle behördlich angeordneter Beschlagnahmen und Durchsuchungen bei Gefahr im Verzug, dass die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat.
Der Antragsgegnerin ist zuzugeben, dass § 23 LDG der Vorschrift des § 39 Abs. 1 Satz 1 BDG wörtlich nachgebildet ist. Zurecht hat das Verwaltungsgericht aber darauf hingewiesen, dass das BDG in § 63 ausdrücklich den vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz geregelt hat, so dass sich die Frage des Sofortvollzugs bei einer Maßnahme nach § 39 Abs. 1 Satz 1 BDG gar nicht mehr stellt (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.11.2007 - 21d B 1024/07.BDG -, das wegen des besonderen Rechtsschutzes in § 63 BDG von einer Verwaltungsentscheidung sui generis ausgeht).
Ist somit die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von 50 v. H. der Bezüge der Antragstellerin in der Verfügung der Antragsgegnerin vom 22.12.2008 nicht sofort vollziehbar, so entfaltet die Anfechtungsklage der Antragstellerin nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Möchte die Antragsgegnerin die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage entfallen lassen, bleibt es ihr unbenommen, den Sofortvollzug der Verfügung vom 22.12.2008 unter den gesetzlichen Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO anzuordnen.
Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen weist der Senat darauf hin, dass die Antragstellerin weiterhin ein Rechtsschutzinteresse am Feststellungsantrag haben dürfte, obwohl sie zwischenzeitlich durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 20.05.2009 u. a. aus dem Beamtenverhältnis entfernt wurde (Ziff. 1), bis zur Rechtskraft der Entscheidung des Dienstes enthoben bleibt und 50 % der monatlichen Bezüge einbehalten werden (Ziff. 2). Denn die Verfügung vom 20.05.2009 trifft keine eigenständige Regelung, sondern macht sich ersichtlich die Begründung in der Verfügung vom 22.12.2008 zu eigen. Lediglich im Tenor der Entscheidung wird unter Ziff. 2 angeordnet, dass die Beamtin bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung des Dienstes „enthoben bleibt“ und 50 Prozent der monatlichen Bezüge einbehalten werden. Bereits der Wortlaut „enthoben bleibt“ spricht für eine Bezugnahme auf die hier streitgegenständliche Verfügung. Hinzu kommt, dass sich in der Verfügung weder Ausführungen zur Dienstenthebung noch zur Höhe der einbehaltenen Bezüge, geschweige denn zur Rechtsgrundlage finden. Damit spricht alles dafür, dass die unter Ziff. 2 der Verfügung vom 20.05.2009 getroffene Feststellung keinen eigenständigen Regelungscharakter besitzt, sondern im Sinne einer wiederholenden Verfügung auf die vorläufige Dienstenthebung vom 22.12.2008 Bezug nimmt (vgl. hierzu auch Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Loseblatt Stand September 2009, § 39 BDG, Rdnr. 10).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da die Gerichtskosten streitwertunabhängig sind (Nrn. 214, 220 der Anlage zu § 22 AGVwGO).
10 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.